Cleo13 schrieb:Ich habe eine leichte Form der Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) und habe mich spontan gefragt, ob es in Wirklichkeit eher Aphantasie ist - aber ich glaube, es ist beides. Denn mir einen Regenbogen vorzustellen gelingt mir nur unwesentlich besser als ein Gesicht - ABER zweifellos besser!
Ich habe Prosopagnosie (und Autismusdiagnose).
In Gruppen wie z.B. Schulklassen konnte ich oft nach Jahren keine Personen genau zuordnen, außer sie stachen (auch für mich) stark heraus. In einer Klasse gab es z.B. ein Mädchen mit roten (schon nicht mehr "rötlichen", sondern richtig roten) Locken - klarer Fall. Ansonsten verschwimmt das schnell zu "blonde Mädchen", "blonde Jungen", "braunhaarige Mädchen", "braunhaarige Jungen" (stark unterschiedliche Hautfarben kamen nicht vor, darum hier die Haarfarben, und für die Augenfarbe muss man schon nahe ran) nebst "und dann noch die rothaarige Sabine", "und Andreas, der ist viel größer als alle anderen".
Nach einiger Zeit ging ich so vor: Morgens "kalibrieren". Sprich: merken wer auf welchem Platz sitzt, bzw. konkret welcher Platz zu welchem Namen gehört, konnte ich mir gut. Saßen alle, mir für den Tag gemerkt "Tobias heute grünes T-Shirt, Michaela heute graues Oberteil...". Schwierig nur wenn sehr ähnlich, und das war es meist dass da "Duplikate" dabei waren.
Werde ich, allgemein gesagt, einer neuen Gruppe zugeordnet (z.B.: neuer Arbeitsplatz, Fortbildung für eine Woche, Reha-Sport zusammen) hoffe ich immer, dass a) mindestens eine Person dabei ist die massiv heraussticht/ ein seltenes Aussehen besitzt sodass die Gruppe leicht zu finden ist, b) alle Personen der Gruppe ganz deutliche individuelle Merkmale haben sodass sie gut zu unterscheiden sind.
Es kann in solchen Kontexten auch passieren dass ich nicht bemerke dass ich zwei Personen zu einer zusammenfasste wenn ich sie immer nur einzeln sehe. Fällt erst auf sehe ich sie zusammen bzw. sehe ich (beschriftete) Fotos.
Ich suche bei Personen andauernd nach kleinen möglichst unveränderlichen Körpermerkmalen oder mitgeführten Gegenständen, und identifiziere viele an ihrer Brille, ihrer Armbanduhr, ihrem Rucksack, Ohrring... Schwierig sind daher Situationen in denen Berufskleidung, Uniformen... getragen werden (Arztpraxis, Krankenhaus, Kantine, Restaurant, Handwerksbetrieb) oder auch zwar Privatkleidung getragen wird, aber ein bestimmter Stil häufiger gewählt wird (z.B. Empfang, Verwaltung).
Präge mir natürlich auch Stimme und Gangbild ein, nur helfen die wenig wenn es gilt z.B. eine wartende oder anderweitig nicht bewegte, stille Person zu identifizieren.
Ein Beruf in dem es wichtig ist Personen wiederzuerkennen und Verwechslungen auch gefährlich sein können wäre für mich definitiv nicht machbar.
Mit anderen Dingen - die keine Gesichter sind - habe ich keine Probleme. Mir lag es schon als Kind, Tiere und Pflanzen (sowie Federn, abgehäutete Haut von Reptilien, etc.) zu bestimmen. Einmal im Bestimmungsbuch gesehen, die selteneren Arten oft erst nach Jahren erstmals gesehen und gleich identifizieren können. Auch Mineralien, auch Kleinteile wie Bauteile. Diese kann ich auch authentisch aus dem Gedächtnis aufzeichnen/ malen. (Sehr) gutes räumliches Vorstellungsvermögen ist vorhanden und wird für den Beruf wie auch für mehrere Hobbies (u.a. Modellbau) benötigt.
Wie sich der Unterschied für mich anfühlt: Von diesen Dingen, außer Gesichtern, kann ich mir gut ein Konzept aufbauen. Etwa, wie ist "Spitzwegerich", mit welcher Abweichung in Form und Farbe ist es immer noch Spitzwegerich, was deutet darauf hin dass hier Spitzwegerich wuchs und ausgerissen wurde etc. Auch der Unterschied zwischen z.B. einer Hornisse und einem Hornissenschwärmer ist für mich extrem offensichtlich ohne dass ich das kleinweise durchgehen oder einüben müsste.
Ich kann mir das zwar auch bzgl. eines Menschen zusammenbauen, und dadurch erkennen "Ah, die Jacke! Mein Kollege Andreas ist schon da", aber beim Gesicht ist das nicht so. Da wird viel zu "mittel, neutral", wie es evl. bei Menschen ist die mit Pflanzen wenig anfangen können und äußern "na, so grüne Blätter halt!" Da bin ich mir auch unsicher, bei wie viel Abweichung es immer noch als der selbe Mensch einzuschätzen ist, siehe oben, zwei Personen für eine halten, während ich es bei z.B. Tier, Pflanze, Bauteil, Mineral.. einfach(er) finde.