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Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

115 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Holocaust, Erinnerungskultur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

27.07.2024 um 15:04
Zitat von ockhamockham schrieb:dann drängt sich mir das Bild auf, dass das ganze ein 2000 Jahre alter Konflikt ist
Judenfeindschaft geht bis weit in die Antike zurück. Gründe waren u. a. die Ablehnung der antiken Herrscherkulte durch die monotheistischen Juden, die Wahrung ihrer Identität als Volk gegenüber fremden Einflüssen und die dadurch entstehenden Konflikte. Mehr dazu hinter dem Link.
Antike Judenfeindschaft bezeichnet eine Judenfeindlichkeit in der Epoche der antiken Geschichte Israels (etwa 1300 v. bis 135 n. Chr.), die sich seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. im Tanach und außerbiblischen Quellen niederschlug. Verfolgungen des Judentums zielten unter Antiochos IV. [hellenistischer König im Nahen Osten] um 170 v. Chr. erstmals auf dessen Vernichtung, blieben aber regional und zeitlich begrenzt und erfolglos.
Quelle: Wikipedia: Antike Judenfeindschaft


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Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

27.07.2024 um 15:09
Zitat von BorrominiBorromini schrieb:Das Christentum ist bekanntlich aus dem Judentum hervorgegangen und war schon deshalb für weite Teile des völkisch-rassistischen Spektrums einschließlich des Nationalsozialismus ein Feindbild.
Das halte ich für so nicht haltbar. Berichte, wie die Geistlichen in der Wehrmacht agierten, gibt es unterem im Tagesspiegel und der WELT.

Dort heißt es unter anderem:
Die theologische Rechtfertigung kaprizierte sich allein auf das eigene Volk als von Gott geschaffene Entität und stellte den Gedanken einer universalen Nächstenliebe hintan, sagt Pöpping. Natürlich gab es auch eine Verschränkung völkischer und biblischer Motive. Konkret aber bedurften die Kirchen nicht einmal des völkischen Gedankens, um sich dem Führer und seinen Maximen unterzuordnen. Auch solche Pfarrer, die überhaupt nicht nationalsozialistisch eingestellt waren, erklärten mit Verweis auf die Bibel, dass die Obrigkeit von Gott gesetzt sei. Letztlich konnte der weltliche Herrscher Adolf Hitler machen, was er wollte – im Hinblick aufs Vaterland blieben die kirchlichen Kräfte auch noch bei heftigsten Bauchschmerzen loyal. Zumal man im Hinblick auf die Wehrmacht eine Opfertheologie entwarf und den deutschen Soldaten eine Wiederholung der Passion Jesu Christi auf den Leib schrieb.
https://www.tagesspiegel.de/wissen/wie-die-kirchen-die-wehrmachtsseelsorge-bis-heute-verklaren-5511274.html

weiter heißt es da:
„Was den Antibolschewismus angeht, waren die christlichen von den nationalsozialistischen Diskursen dabei kaum zu unterscheiden“, sagt Pöpping. Sowohl die katholischen als auch die evangelischen Pfarrer konzipierten die atheistischen Bolschewiki als seelenlos, weshalb man mit ihnen auch nicht wie mit beseelten Menschen zu verfahren brauchte. In der Praxis ließ sich diese Lesart, mit der man die Kommunisten aus der Sphäre des Menschlichen hinausinterpretierte, beinahe lückenlos mit der nationalsozialistischen Vorstellung vom Untermenschen in Einklang bringen. Im Hinblick auf die Juden findet sich in den Tagebuchquellen zuweilen die Idee, ihre Vernichtung sei als göttliche Konsequenz der uralten jüdischen Volksschuld zu interpretieren. Vielfach werde zur Schoah aber auch schlicht geschwiegen, obwohl die Kriegspfarrer von den genozidalen Absichten ihrer Arbeitgeber definitiv Kenntnis hatten.
und
Nach dem Krieg, aus dem die Kirchen als Institutionen halbwegs unbeschadet hervorgingen, strickten die ehemaligen Kriegspfarrer selbst in ihren Kriegserinnerungen an der Legende einer „sauberen Wehrmacht“. Kritische Diskurse kamen erst in den politischen Umbrüchen der 1960er Jahre auf und wurden von außen an die Kirchen herangetragen. Bis heute finde man eine verharmlosende Lesart, die die Aktivitäten der Geistlichen in der Wehrmacht auf die Verkündigung des Evangeliums und das Spenden von Trost reduziere, sagt Pöpping: „Es gibt immer noch Kirchenhistoriker, die betonen, was für einen heldenhaften Kampf die Wehrmachtsseelsorge im Zweiten Weltkrieg geführt habe.“ Pöppings Forschung räumt mit solchen Mythen auf.
mehr über Kriegspfarrer auch hier:

https://www.welt.de/geschichte/article159596582/Wie-Kriegspfarrer-Front-und-Holocaust-erlebten.html


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27.07.2024 um 15:37
Zitat von PolytroposPolytropos schrieb:Das halte ich für so nicht haltbar.
Es wurde von den Vertretern dieser Ideen selbst in ihren Schriften verbreitet und auch praktisch umgesetzt. Siehe unten. Du betrachtest gerade die Seite der Anbiederer, da gab es gab natürlich solche Gruppen wie die Deutschen Christen. Ich schrieb aber von der Denkweise des NS-Regimes und seiner Vorläufer, und da sieht die Sache anders aus. Für diese war das Christentum ein fremdländischer Einfluss, der "germanisiert" oder beseitigt werden sollte. Gerade die jüdischen Wurzeln waren dabei das Kernthema.
Obwohl sich das Hitler-Regime weitgehend auf die Unterwerfung und Verdrängung der christlichen Kirchen beschränkte und eine „Endlösung der Kirchenfrage” bis zum Kriegsende verschob, gab es innerhalb des Regimes auch weit radikalere Gruppierungen, die eine alsbaldige „Entchristlichung“ des deutschen Volkes forderten. Schon Anfang des Jahrhunderts hatte es verschiedene neuheidnische Ströme in Deutschland gegeben, die oft völkisch-rassistische Anschauungen vertraten und die spirituelle Regeneration der Nation durch ihre angeblich wahre nordisch-germanische Religion anstrebten. Nach 1933 unterstützte die NSDAP offiziell die sogenannte „Gottgläubigkeit“, eine neuheidnisch-angelehnte Ersatzreligion, die bis 1939 über 3 Millionen Anhänger unter der deutschen Bevölkerung zählte.
Quelle: https://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=1573&language=german
Zentral für die völkische Weltanschauung war die Forderung nach einer arteigenen, d. h. einer Rasse und Volk wesensgemäßen Religion. Entsprechend der heterogenen ideologischen und organisatorischen Struktur der Bewegung gab es aber keine gemeinsamen religiösen Überzeugungen, sondern sehr unterschiedliche religiöse Entwürfe. Sie reichen von einem arisierten und germanisierten Christentum bis zur entschiedenen Ablehnung des Christentums und dem Versuch der Wiederbelebung vermeintlich vorchristlicher germanischer Glaubensvorstellungen. Teilweise wurden auch Elemente der Esoterik aufgenommen.
Quelle: Wikipedia: Völkische Bewegung

Wie solche Anschauungen konkret aussahen, zeigt z. B. Mathilde Ludendorff:
An der Seite ihres dritten Ehemannes Erich Ludendorff wurde sie eine bekannte Vertreterin der völkischen Bewegung. Sie begründete die völkische Bewegung der „Deutschen Gotterkenntnis“ und veröffentlichte mit ihm gemeinsam verschwörungstheoretisch orientierte Schriften, die ein politisches Wirken der – von ihr so bezeichneten und verstandenen – „überstaatlichen Mächte“ des Judentums, der Jesuiten und der Freimaurer behaupteten. (...) Der Hexenwahn sei orientalisch-jüdischen Ursprungs und von der Kirche zur Zersetzung des Heidentums verbreitet worden mit dem Ziel, gegen germanische Frauen vorzugehen.
Quelle: Wikipedia: Mathilde Ludendorff


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27.07.2024 um 15:50
Zitat von BorrominiBorromini schrieb:Ich schrieb aber von der Denkweise des NS-Regimes und seiner Vorläufer, und da sieht die Sache anders aus.
So ist es, und deswegen heißt es in meinem Link oben ja auch:
Obwohl von Anfang an ausgemacht war, dass man die Kirchen als gesellschaftliche Kräfte nach dem „Endsieg“ ausschalten wollte, betrieb das Regime bis 1942 eine aktive Förderung der militärischen Seelsorge. Hitler sei zunächst der Überzeugung gewesen, so Pöpping, dass der christliche Glaube an ein Leben nach dem Tod auf dem Schlachtfeld für die Moral der Truppe hilfreich sei. [...]

[...] Trotzdem scheute man sich vor einer endgültigen Beseitigung und wählte eine Taktik des Ausschleichens.
(https://www.tagesspiegel.de/wissen/wie-die-kirchen-die-wehrmachtsseelsorge-bis-heute-verklaren-5511274.html)


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27.07.2024 um 15:58
Zitat von BorrominiBorromini schrieb:Ich schrieb aber von der Denkweise des NS-Regimes und seiner Vorläufer, und da sieht die Sache anders aus.
Das heißt aber noch lange nicht, dass die Kirchenvertreter das auch so wahrgenommen haben. Oder geglaubt haben, dass das am Ende wirklich ernst gemeint ist und umgesetzt wird.

Sondern zunächst waren viele einmal froh, jemanden zu finden der gegen die Kommunisten usw. vorgeht. Erst als dann kirchliche Jugendorganisationen verboten wurden oder Predigten überwacht fand man das nicht mehr so toll, weil man nun plötzlich selbst betroffen war.


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27.07.2024 um 16:48
Zitat von BorrominiBorromini schrieb: Judenfeindschaft geht bis weit in die Antike zurück. Gründe waren u. a. die Ablehnung der antiken Herrscherkulte durch die monotheistischen Juden, die Wahrung ihrer Identität als Volk gegenüber fremden Einflüssen und die dadurch entstehenden Konflikte. Mehr dazu hinter dem Link.
Ich habe mich im Rahmen meines Geschichtsstudiums einmal exemplarisch mit der Geschichte der Juden in Villingen-Schwenningen beschäftigt - ich weiß leider nicht, wie repräsentativ das ist. In Villingen war es durchaus so, dass es im Mittelalter Pogrome gegen Juden gab, vor der NS Zeit die in der Stadt ansässigen Juden aber sehr gut in das städtische Gefüge eingebunden waren, z.B. im Sportverein (Vorsitz) oder in der Fastnacht (Zunftmeister, eine sehr ehrenvolle Position). Das änderte sich dann während der NS Zeit, prinzipiell haben die gleichen Leute, die jahrelang friedlich mit den Juden zusammenlebten, auch die Synagoge angezündet.
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Das heißt aber noch lange nicht, dass die Kirchenvertreter das auch so wahrgenommen haben. Oder geglaubt haben, dass das am Ende wirklich ernst gemeint ist und umgesetzt wird.
Auch in Villingen-Schwenningen: Die Pfarrer versteckten Juden auf der Flucht in die Schweiz in den Pfarrhäusern, teilweise auch über Monate. Kompliziert wurde die Sache, als sich die Opernsängerin Margarethe Sterneck selbst das Leben nahm (im Pfarrhaus) und die Leiche heimlich beseitigt werden musste.

Es gab in Schwenningen auch einen Pfarrer Weber, der sich weigerte, beim Anschluss von Österreich die Kirchenglocken zu läuten, den Treueeid auf den Führer verweigerte, eine Predigt hielt über den verlorenen Sohn und die Armee in Stalingrad damit verglich, zuvor über die Pogromnacht predigte und über die Schuld, die man auf sich geladen hatte ... für mich ist das schon Widerstand im Kleinen, der aber heute von Privatleuten recherchiert wird.


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27.07.2024 um 16:58
Zitat von MissMaryMissMary schrieb:Es gab in Schwenningen auch einen Pfarrer Webe
Ja, und genauso kann man nun auch Fälle aufführen "Es gab in XY-Hausen den Pfarrer Müller, der von der Kanzel herunter Hitler als Geschenk Gottes bezeichnet hat...."

Sondern es geht darum, wie die Tendenz insgesamt war. Und die sieht nicht so leuchtend und großartig aus, wie manche das gerne hätten.

Umgekehrt wäre es natürlich auch falsch, nun im Gegenzug alle als Mitläufer oder gar Mittäter zu bezeichnen. Ich kann für alles mögliche Einzelbeispiele finden, aber die beweisen dann für das Gesamtbild noch lange nichts.

Daher hast Du schon Recht, was Dein Beispiel betrifft, es gab eben beides, aber nicht unbedingt stärker in die eine oder andere Richtung verteilt. Und selbst bei Einzelpersonen ist es schwierig, ich erinnere da nur an Pius XII, der dann wahlweise als Nazi oder Heiliger gesehen werden kann, je nachdem wie es einem gerade in den jeweiligen Kram passt.


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Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

27.07.2024 um 17:15
Zu Pfarrer und Pastoren im Widerstand:
Als Lübecker Märtyrer werden die drei katholischen Priester Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange sowie der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink bezeichnet. Sie wurden am 10. November 1943 kurz hintereinander in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg am Holstenglacis durch Enthauptung mit der Guillotine hingerichtet. Grund waren ihre öffentlichen, kritischen Bemerkungen zu den Unrechtstaten der Nationalsozialisten, die sie als Geistliche geäußert hatten.
Quelle: Wikipedia: Lübecker Märtyrer


Gegenbeispiel:
Im Dorf meiner Großtante hielt der Superintendent die Gottesdienste mit der SS-Uniform unter dem Talar ab, auch zu den großen Festen wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten.

Was bedeutet das für Dorfbewohner 1935, die nur bis zum 14. Lebensjahr die Volksschule besuchen konnten, wenn Personen des Respekts und der Verantwortung Parteimitglied oder sogar in der SS waren: Sie waren auf sich allein gestellt. Die Kirche hatte ihre Glaubwürdigkeit verloren, komplett.

Aber: Ist das Thema dieses Threads nicht "Zeitzeugen des Holocaust"?


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27.07.2024 um 17:17
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Sondern es geht darum, wie die Tendenz insgesamt war. Und die sieht nicht so leuchtend und großartig aus, wie manche das gerne hätten.
Das stimmt. Vermutlich bildet das ab, was auch in der Bevölkerung passierte. Du hattest von den glühenden Verehrern bis zu den Widerständlern auch in der Riege der Pfarrer alles.
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Umgekehrt wäre es natürlich auch falsch, nun im Gegenzug alle als Mitläufer oder gar Mittäter zu bezeichnen. Ich kann für alles mögliche Einzelbeispiele finden, aber die beweisen dann für das Gesamtbild noch lange nichts.
Siehe oben: Da sollte ein differenzierte Aufarbeitung stattfinden: Aber: man kann das vermutlich nicht mehr nachvollziehen. Auch gibt es sicher auch Leute, die ihre Position z.T. mehrfach geändert haben. Mein eigener Großvater fand es am Anfang lächerlich, trat dann aber in das Kraftfahrerkorps ein, weil er der Dorfbäcker war und Angst vor Konsequenzen hatte, meldete sich dann freiwillig zum Russlandfeldzug, weil er Angst davor hatte, welche geschäftlichen Konsequenzen er erleiden würde, wenn er als einer der wenigen im Dorf nicht im Krieg gewesen wäre. Auf dem Papier sieht das auch so aus, dass er ein "linientreuer Mensch" war. Tatsächlich hatte er Angst, den Geschäftskredit nicht mehr bedienen zu können und seine Frau und mehrere Kinder nicht mehr versorgen zu können.
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Daher hast Du schon Recht, was Dein Beispiel betrifft, es gab eben beides, aber nicht unbedingt stärker in die eine oder andere Richtung verteilt. Und selbst bei Einzelpersonen ist es schwierig, ich erinnere da nur an Pius XII, der dann wahlweise als Nazi oder Heiliger gesehen werden kann, je nachdem wie es einem gerade in den jeweiligen Kram passt.
Geschichte ist oft eine reine Interpretationssache.


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27.07.2024 um 17:29
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Das heißt aber noch lange nicht, dass die Kirchenvertreter das auch so wahrgenommen haben.
Hab ich das irgendwo behauptet? Klar gab es Mitläufer und Mitmacher, die das Regime als nützliche Trottel gern angenommen hat, solche hatte ich auch erwähnt.
Zitat von MissMaryMissMary schrieb:Ich habe mich im Rahmen meines Geschichtsstudiums einmal exemplarisch mit der Geschichte der Juden in Villingen-Schwenningen beschäftigt - ich weiß leider nicht, wie repräsentativ das ist.
Ich habe gerade einen Artikel über Situation der Juden in Südwestdeutschland gesehen, der sich auch mit der Assimilation im 19. Jahrhundert bis zur NS-Zeit befasst. Der beschreibt auch die von Dir angesprochene Integration nach der offiziellen rechtlichen Gleichstellung, aber auch bleibende Ablehnung und die innerjüdischen Konflikte in dieser Angelegenheit.
https://www.lpb-bw.de/publikationen/helllichten/tag02.htm


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27.07.2024 um 17:34
Zum Ausgangsthema Zeitzeugen fällt mir gerade das Gespräch von Hannah Arendt mit Günter Gaus ein. Darin spricht sie u. a. über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Jüdischsein, Nazis, Gleichschaltung, Flucht, das Bekanntwerden von Auschwitz. Ich weiß nicht, wie oft ich mir das schon angesehen habe ...

Youtube: Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus ("Zur Person", 1964)
Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus ("Zur Person", 1964)
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Ein Auszug daraus über Auschwitz:
Arendt: Wissen Sie, das Entscheidende ist ja nicht das Jahr ‘33; jedenfalls für mich nicht. Das Entscheidende ist der Tag gewesen, an dem wir von Auschwitz erfuhren.

Gaus: Wann war das?

Arendt: Das war 1943. Und erst haben wir es nicht geglaubt. Obwohl mein Mann und ich eigentlich immer sagten, wir trauen der Bande alles zu. Dies aber haben wir nicht geglaubt, auch weil es ja gegen alle militärischen Notwendigkeiten und Bedürfnisse war. Mein Mann ist ehemaliger Militärhistoriker, er versteht etwas von den Dingen. Er hat gesagt, laß dir keine Geschichten einreden; das können sie nicht mehr! Und dann haben wir es ein halbes Jahr später doch geglaubt, weil es uns bewiesen wurde. Das ist der eigentliche Schock gewesen. Vorher hat man sich gesagt: Nun ja, man hat halt Feinde. Das ist doch ganz natürlich. Warum soll ein Volk keine Feinde haben? Aber dies ist anders gewesen. Das war wirklich, als ob der Abgrund sich öffnet. Weil man die Vorstellung gehabt hat, alles andere hätte irgendwie noch einmal gutgemacht werden können, wie in der Politik ja alles einmal wieder gutgemacht werden können muss. Dies nicht. Dies hätte nie geschehen dürfen. Und damit meine ich nicht die Zahl der Opfer. Ich meine die Fabrikation der Leichen und so weiter – ich brauche mich darauf ja nicht weiter einzulassen. Dieses hätte nicht geschehen dürfen. Da ist irgend etwas passiert, womit wir alle nicht fertig werden. Über alle anderen Sachen, die da passiert sind, muß ich sagen: Das war manchmal ein bißchen schwierig, man war sehr arm, und man war verfolgt, man mußte fliehen, und man mußte sich durchschwindeln und was immer; wie das halt so ist. Aber wir waren jung. Mir hat es sogar noch ein bißchen Spaß gemacht. Das kann ich gar nicht anders sagen. Dies jedoch, dies nicht. Das war etwas ganz anderes. Mit allem andern konnte man auch persönlich fertig werden.
Quelle: https://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html


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27.07.2024 um 17:43
Ich fand diese Dokumentation immer sehr bewegend:

Youtube: Sonderkommando Auschwitz-Birkenau
Sonderkommando Auschwitz-Birkenau
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Man sieht einfach Bilder vom heutigen Auschwitz und dazu werden Briefe vom Sonderkommando Auschwitz-Birkenau vorgelesen, die nach der Befreiung auf dem Gelände gefunden wurden. Das Sonderkommando war u.a. zuständig für die Vernichtung der Leichen, einer der Schreiber hat dabei nahe Angehörige erkannt. Einfach unfassbar, unvorstellbar dieses Grauen.


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28.07.2024 um 11:36
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein lesenswertes Dossier zu dem Thema, das von Top-Leuten geschrieben ist. Link
ja, danke für den link, da steht tatsächlich drin, was ich schon vermutet habe, nämlich das am Anfang des traditionellen Judenhasses der konflikthafte Ablösungsprozess der frühen Christen vom Judentum stand. Den Juden wurde vorgeworfen, Jesus als Messias verraten und gekreuzigt zu haben. Wobei man sagen muss, Jesus predigte von Vergebung und nicht von dem, was das Christentum daraus gemacht hat. Wenn man diesen Konflikt auflösen will, muss man ihn erst mal aufdröseln, in all seinen Details, denn dahinter verbirgt sich mit Sicherheit noch ein Stück mehr Geschichte.


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28.07.2024 um 13:50
@ockham

Man muss allerdings sagen, dass es in den Evangelien so einige Stellen gibt, an denen von den Juden (also quasi der großen Mehrheit) gezielt schlecht gesprochen wird, z.B. als Pilatus fragt, welchen Gefangenen er freigeben soll. Bei Johannes werden Griechen, die sich für Jesus interessieren (also Nicht-Juden), ausdrücklich vorgezogen, und Jesus selbst beschimpft die Priester und religiösen Honoratioren in seinem Umfeld ziemlich oft. Und der Name "Judas" für den Verräter wurde von den Evangelisten sicher nicht zufällig gewäht, sondern um mithilfe der Namensähnlichkeit damit "die Juden" ganz allgemein zu diskreditieren.

Also, vielleicht nicht Jesus selbst (je nachdem, was wirklich authentisch ist, und was ihm später in den Mund gelegt wurde), wohl aber seine Nachfolger, denen er Nächsten- und Feindesliebe beibringen wollte, tragen an der "traditionellen" Judenfeindschaft der Christen einen großen Teil der Schuld. Wobei man ihnen zugute halten könnte, dass sie, als sie die Schriften des Neuen Testaments schrieben, ja noch selbst verfolgt wurden, nämlich von den Römern.

Diese "christliche" Judenfeindschaft dürfte der Ideengeber für den Antisemitismus gewesen sein, aber unter den Nazis wurden die Juden ja nicht mehr aus religiösen, sondern aus rassistischen Gründen verfolgt. Da hätte es für die Nazis doch eigentlich ein Problem sein müssen und zumindest die Kirche (wenn nicht auch etliche Gläubige) stutzig machen müssen, dass ausgerechnet der Mann, den sie seit fast 2000 Jahren als Sohn Gottes verehrten, selbst Jude war.


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28.07.2024 um 22:09
Ich glaube, da war auch viel Neid dabei. Bei unserer Studienarbeit (Villingen-Schwenningen): In Schwenningen waren alle ansäßigen Juden (waren nur wenige Haushalte) ziemlich wohlhabende Unternehmer und konnten daher auch in die Schweiz fliehen. Ich denke, das hat da schon reingespielt.


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27.01.2025 um 11:56
Heute, am 27. Januar 2025, jährt sich zum 80. Mal der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee.

Ganz ehrlich, für mich persönlich ist das der wichtigste Gedenktag überhaupt. Der Mensch gedenkt ja gern und oft aller möglichen Geschehnisse, was m.A.n. auch die Gefahr in sich birgt, dass dem Gedenken ein inflationärer Charakter anhaftet, und es so an Bedeutung verliert.

Und genau das darf in diesem beispiellosen Fall niemals geschehen. Der 27. Januar wurde bewusst ausgewählt, weil dieser Tag wie kaum ein anderer verdeutlicht, was Millionen von Mitmenschen unter der Schreckensherrschaft der Nazis erleiden mussten.

Auschwitz war nur eines von weit über 1.000 Konzentrations- und Vernichtungslagern, aber es ist heute der Inbegriff für Völkermord und Terror. Das Ausmaß dieser Verbrechen machten es erst erforderlich, für die folgenden Prozesse eine gänzlich neue Rechtsgrundlage zu schaffen.

Das Londoner Statut vom 8. August 1945 stellt quasi die "Geburtsurkunde" des Völkerstrafrechts dar. Nie zuvor wurde in einem Krieg die Zivilbevölkerung als erklärtes Ziel so sehr in Mitleidenschaft gezogen, wie im 2. Weltkrieg.

Und wer glaubt, so etwas könne heute nicht noch einmal geschehen, geht m.M.n. zu leichtfertig mit der Geschichte um. Die Ideologien, die hinter diesem Wahnsinn standen, sind heute noch genauso present. Daher bleibt es uns nicht erspart, immer wieder aufs neue den Finger in die Wunde zu legen, Verantwortung zu übernehmen, wachsamer denn je zu sein, und jede Form von Rassismus und Antisemitismus bereits im Keim zu ersticken.

Und das Erinnern ist für diesen Prozess unabdingbar, darum sind Tage wie dieser heute auch so wichtig!

Heute um 17 Uhr wird auf Phoenix eine Gesprächsrunde übertragen, bei der es genau um diese Themen gehen wird. Auf YT gibt es dazu einen Link...

Youtube: Holocaust-Gedenken – #NieWiederIstJetzt | #unterdenlinden
Holocaust-Gedenken – #NieWiederIstJetzt | #unterdenlinden
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In der Ankündigung habe ich einen wichtigen Satz entdeckt:
Das Erinnern braucht Erinnerungsdaten und Erinnerungsorte, durch die das kollektive Gedächtnis wach gehalten wird.
Quelle: #https://www.youtube.com/watch?v=r59Ur9VqVRs

Als ich vor einem Jahr diesen "Ort" hier geschaffen habe, hatte ich insgeheim gehofft, mehr Menschen zu erreichen (der Counter steht aktuell auf 361). Ich gebe die Hoffnung jedoch nicht auf. Immerhin existiert nun auch in einem Mystery-Forum ein Thread, in dem man sich gemeinsam erinnern und austauschen kann.

Und natürlich dürfen hier die Fakten nicht fehlen. Und da es kaum noch Menschen gibt, die solche Themen ohne Not vertiefen, folgt hier zunächst mal ein Link zu einem 4 Minuten Video der Deutschen Welle, wo ein paar der wichtigen Eckdaten grob zusammengefasst wurden:

https://www.dw.com/de/das-system-auschwitz/video-71385278

Vielleicht ist das als Einstieg in diesen denkwürdigen Tag gar nicht mal so verkehrt.


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Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

27.01.2025 um 16:00
RIP an alle die damals ihr Leben verloren haben und Traumata bekommen haben, sowas darf sich nie wieder wiederholen, auch darf man das damals geschehene nicht für neuen aufkommenden Hass an Deutschland verwenden, ich beziehe mich hiermit auf einige ausländische Politiker die die Deutschen heute noch als Nazis bezeichnen, obwohl sie wahrscheinlich keine Ahnung haben wie sehr uns die damaligen Erlebnisse heute noch erschüttern, wie damit umgegangen wird Erinnerungskultur usw usw das wissen diese Hasspolitiker wahrcheinlich garnicht, denn sie sehen heute noch Deutschland als Nazi staat obwohl das nicht so ist.

Ich z.b. hatte in der Schule bestimmt 2 Jahre nur über Deutschland 2. Weltkrieg und da wurde uns Fotos gezeigt Filme etc über die KZs , einmal auch ein Ausflug in ein KZ, was ich wegen Krankheit aber nicht wahrnehmen konnte.

Was mich heute noch erschüttert ist die damalige Hoffnungslosigkeit, die Insassen, wenn sie mit dem Zug oder Todesmärschen ankamen, wussten genau was für ein Schicksal sie ereilen wird, wie man da nicht zerbrechen kann ist sicherlich bemerkenswert.
Bei anderen Menschen, die noch Hoffnung hatten, wurde getäuscht,

ich erinnere hier an die sogenannten "Duschen", wo Sie hineingeführt wurden, ausgezogen wurden und sich "duschen" sollten. Danach schlossen sich die dicken Türen und schlussendlich kam Gas aus den Duschköpfen, das alles nur um keine Aufstände unter den Gefangenen zu haben, keine letzten Heldentaten um ihr Schicksal geheim zu halten, um sie im Unwissen des Todes zu lassen. Wirklich perfide. Für die MEnschen muss es ein Schock gewesen sein aber nur ein kurzer denn das "Cyclon B" genannte Gas wirkte schnell...


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27.01.2025 um 16:30
Erinnerung und Gedenken an dieses unvergleichliche Verbrechen sind wichtiger dennje! Aber ausserhalb des öffentlichen Gedenkens sind wir noch lange nicht so weit, wie wir es sein könnten, sein müßten. Das sieht man tagtäglich an Leserkommentaren in der Presse oder Beiträgen in diversen Foren. In Ersteren wimmelt es von Relativierungen, Rechtfertigungen und Thesen aus Quellen, wie dem Kopp>Tisch-Verlag. Die Aufarbeitung ist weit voran gekommen - allein sitzen in den Köpfen vieler noch Gedankengänge, die man -freundlich ausgedrückt - nur als abenteuerlich bezeichnen kann!

Des Weiteren kann und/oder will ein Teil der Bevölkerung nicht zwischen der Schuld, und Schuldzuweisungen für 33-45, und der Verantwortung für "nie wieder" unterscheiden.

Aber auch die Politik leistet ihren Teil, bzw eben auch nicht. Nach jedem Anlass (Anschlag/ prominent und öffentlichen antisemitischen Äußerungen) wird das "nie wieder" beschwört, es wird so getan als ob es völlig unerwartet passiert. Und danach? Business as usual!

Vielleicht, nur ganz vielleicht, sollte sich die Politik auch mal wieder daran erinnern, das der Schutz Israels deutsche Staatsräson ist. Und fasst den Satz dann gleich auch weiter zu "der Schutz Israels und des jüdischen Lebens allgemein ist deutsche Staatsräson" und füllt ihn mit Komsequenz! Denn man könnte durchaus den Eindruck gewinnen, das dieses Motto immer mehr zu einer leeren Hülse verkommt, mit der man Reden aufwerten kann. Und in Anbetracht von Hochschulbesetzungen, quasi mit Billigung der Schulleitung, der Notwendigkeit jüdische Einrichtungen beschützen zu müssen, offen antisemitischen Demonstrationen oder extremen Parteien beider Ränder täuscht dieser Eindruck mMn nicht.

Ohne das Einhalten der Staatsräson sind alle "Nie wieder"-Forderungen und alle Gedächtnisreden wenig wert!


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27.01.2025 um 16:39
Auf Welt.de habe ich einen Artikel gefunden, der mich sehr beeindruckt hat. Es werden Gegenstände mit dem Schicksal ihrer Besitzer verknüpft und diese in wenigen Zeilen geschildert:
ie Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ist Museum, Archiv und Werkstatt zugleich. Zur Erinnerung an die Opfer des Holocaust hat die Einrichtung rund 14.000 Kunstwerke und 31.000 Artefakte gesammelt, die Überlebende oder ihre Familien gespendet haben.


Jeder Gegenstand erzählt von jüdischem Leben und jüdischem Sterben. Dies sind die Geschichten dahinter.



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27.01.2025 um 17:43
@Peter0167

Danke für diesen sehr wichtigen Thread.

Gerade heute, in der Rechtsextremismus wieder zum "guten" Ton zu gehören scheint, sollten wir wieder achtsamer sein.
Zeitzeugin: "Demokratie ist der größte Schatz, den wir haben"



Katja Sturm-Schnabl erzählt über die Zeit im "Aussiedlungslager" Eichstätt, die Jahre nach Kriegsende und darüber, wie sie den aktuellen Rechtsruck in Österreich sieht
Quelle:

https://www.derstandard.at/story/3000000254195/zeitzeugin-demokratie-ist-der-groesste-schatz-den-wir-haben


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