Radnoti-Complete Poetry


Ó árny az árnyban, csöndben némaság.
Ich bin, ach, ein Schatten im Schatten, Schweigen in der Stille.



Miklós Radnóti war ungarischer Dichter jüdischer Abstammung mit einem tragischen Tod. Geboren wurde er 1909 in Budapest als Miklós Glatter, später nahm er den ungarischen Namen nach dem Wohnort eines seiner Großväter an. Bei seiner Geburt starben seine Mutter wie sein Zwillingsbruder, was er erst mit 12 bzw. 15 Jahren nach dem Tod seines Vaters erfuhr. Ein Onkel finanzierte ihm eine wirtschaftliche Ausbildung mit Praktikum in der Textilindurstrie von Reichenberg/Liberec, doch Radnóti interessierte sich für Literatur und studierte in Szeged Ungarisch und Französisch. Aufgrund der antisemitischen ungarischen "Judengesetze" war ihm jedoch ein akademischer Karriereweg bzw. eine Laufbahn als Schullehrer verschlossen. Er verdiente sein Geld mit Nachhilfe und Übersetzungen, seine Frau war zeitweise als Typistin angestellt, aber beide lebten in Armut und mussten von seinem Onkel weiterhin unterstützt werden.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Radnóti dreimal zum militärischen Zwangsarbeitsdienst in Arbeitslager eingezogen, was für Juden verpflichtend war. Am Ende des dritten Einsatzes in einer Kupfermine im serbischen Bor wurde er mit einer Gruppe zu einem Marsch in Richtung Deutschland gezwungen, als das Lager wegen der heranrückenden Roten Armee geräumt wurde. Anfang November wurde Radnóti beim Dorf Abda nahe von Győr mit 21 weiteren Gefangenen in diesem Todesmarsch in einem Wald mittels Genickschuss ermordet. Seine Stiefmutter und seine Halbschwester wurden beide im selben Jahr in Auschwitz ermordet.

1946 wurde das Massengrab entdeckt, die Leichen wurden exhumiert. Bei Radnóti fand sich ein kleines Notizbuch mit 10 Gedichten, von denen fünf noch unbekannt waren. Dieses wurde seiner Frau übergeben, die sich seither um den Nachlass seines Werkes kümmerte und auch noch diese Ausgabe aus dem Jahr 2014 mit betreute, die vom US-amerikanischen und ungarischstämmigen Neurologen Gabor Barabas herausgegeben wurde.

Gerahmt sind die Gedichte mit Essays über das Leben Radnótis bzw. das jüdische Leben in Ungarn seit dem Mittelalter. Der ungarische Radnóti-Experte Győző Ferenc steuert einen Essay über das Werk von Radnóti bei.

Radnóti begann mit 16 Jahren Gedichte zu schreiben und bereits seine Anfänge sind von einer bildlichen Sprachmacht ausgezeichnet, die sein außerordentliches Talent bezeugten. Thematisch sind es zunächst Liebes- und Naturgedichte. Anfang der 1930er Jahre ist er Mitbegründer einer linken Künstlerorganisation in Szeged, seine Themen erweitern sich ins Soziale und Politische. Je düsterer die politische Lage in Ungarn und in Europa wurde, desto pessimistischer und apokalyptischer wird sein Werk, auch unter Einbezug alttestamentarischer wie christlicher Stoffe und Motive. Radnóti selbst konvertierte 1943 zum Katholizismus, nicht zuletzt wegen seines piaristischen Literaturlehrers und Mentors Sándor Sík, dessen Verteidigung ihn vor einer Gefängnisstrafe wegen Blasphemie und Obszönität bewahrte. Wegen zweier Gedichte wurde sein zweiter Gedichtband aus diesem Grund beschlagnahmt und Anzeige erstattet.

Es waren Passagen wie diese, in denen Radnóti Natur und Erotik vereint, die als obszön beanstandet wurden (Übersetzungen von mir):
A földeket fénylõ fekvésre
verte a zápor és kilenc lány
paskolja keményre izgatott
mellén a tapadó, vizes inget
Die im Licht liegende Erde
schlug der Schauerregen und neun Mädchen
schlagen die nass klebrigen Blusen
auf ihren hart erregten Brüsten


Zeit seines Lebens finden sich in seinem Werk groteske Bilder.

Und es sind Passagen wie diese, die eine Blasphemieklage nach sich zogen:
Szöke, pogány lány a szeretõm, engem
hisz egyedül és ha papot lát
rettenve suttog: sak fü van és fa;
nap, hold, csillagok s állatok vannak
a tarka mezökön. Es elszalad. Por boldogan porzik a lábanyomán.
Pedig fönn a kertek felé feszület is látja a csókját és
örömmel hull elé a búzavirág,
mert mindig hiába megecsudálja őt
egy szerelmetes, szakállas férfiszentség.
Das blonde Heidenmädchen ist meine Geliebte, an mich
alleine glaubt sie und wenn sie einen Priester sieht,
raunt sie erschrocken: Nur Gras gibt es und Bäume;
Sonne, Mond, Sterne und Tiere sind
auf den bunten Wiesen. Und läuft weg. Staub fällt fröhlich auf die Fußspuren.
Doch oben, Richtung Gärten, sieht sogar das Kruzifix die Küsse und
mit Freude verneigt sich die Kornblume,
denn immer vergebens bewundert sie
ein liebestoller, bärtiger Mannheiliger.


Bereits 1936 formuliert Radnóti Bilder vom Krieg.
férgek másznak szét a messzi réteken
és lassan szerterágják a végtelen
sort fekvo holtakat.
Würmer kriechen über ferne Wiesen
und langsam zerfressen sie die in endloser
Reihe liegenden Gefallenen.


Zu dem ungarischen und deutschen Text des auch 1936 entstandenen Gedichts Elegie verlinke ich zur Babel Welt Anthologie

In das Gedicht Aludj (Schlafe) webt er die Bombardierung von Gernika durch die Legion Condor und den japanischen Angriff auf Shanghai.
Mindig gyilkolnak valahol,
lehunyt pilláju völgy
ölén, fürkésző ormokon,
akárhol, s vígaszul
hiába mondod, messzi az!
Sanghai, vagy Guernica
szivemhez éppen oly közel,
mint rettegő kezed,
vagy arra fenn a Juppiter!
Ne nézz az égre most,
ne nézz a földre sem, aludj!
a szikrázó Tejút
porában a halál szalad
s ezüsttel hinti be
az elbukó vad árnyakat.
Immer wird irgendwo gemordet,
im Schoß eines verschlafenen
Tals, auf einem wachen Berg,
überall, und tröstlich
sagst du umsonst, es ist weit!
Shanghai oder Gernika
meinem Herzen sind sie genauso nahe
wie deine zitternde Hand,
oder dort oben der Jupiter!
Schau jetzt nicht in den Himmel,
schau auch nicht auf die Erde, schlafe!
In der glitzernden Milchstraße
Staub jagt der Tod
und silbern besprengt er
die fallenden wilden Schatten.


Und 1942 in Száll a tavasz (Es erwacht der Frühling):
Száll a tavasz kibomolt hajjal, de a régi szabadság
angyala nem száll már vele, alszik a mélyben, a sárga
sárba fagyottan, alélt gyökerek közt fekszik aléltan,
nem lát fényt odalent, sem a cserjén pöndörödő kis
zöld levelek hadait nem látja, hiába! nem ébred.
Es erwacht der Frühling mit zerzaustem Haar, doch der alte
Freiheitsengel erwacht nicht mit ihm, er schläft in der Tiefe, in gelben
Sumpf erfroren, zwischen bewusstlosen Wurzeln liegt er bewusstlos,
er sieht kein Licht dort unten, auch nicht die Heerscharen kleiner
grüner Blätter in den Sträuchern, umsonst! Er wacht nicht auf.


Erschüttert im Gedicht Fragment 1944:
Oly korban éltem én e földön,
mikor az ember úgy elaljasult,
hogy önként, kéjjel ölt, nemcsak parancsra,
s míg balhitekben hitt s tajtékzott téveteg,
befonták életét vad kényszerképzetek.

Oly korban éltem én e földön,
mikor besúgni érdem volt s a gyilkos,
az áruló, a rabló volt a hős, –
s ki néma volt netán s csak lelkesedni rest,
már azt is gyűlölték, akár a pestisest.
Zu solcher Zeit lebte ich auf der Erde,
als der Mensch so tief gesunken war,
er aus eigenem Antrieb mit Vergnügen tötete, nicht nur auf Befehl,
und während er an sein Unheil glaubte und vor seinem Mund schäumte,
war sein Leben von wilden Obsessionen durchdrungen.

Zu solcher Zeit lebte ich auf Erden,
als Denunziation verdienstvoll war und Mord,
der Verräter und der Räuber waren Helden, -
und wer stumm war und sich bloß zurückzog,
war verhasst und gescheut wie die Pest.


Die Nyolcadik Ecloga (Achte Ekloge) wurde 1944 im Lager Heidenau in Bor (Serbien) geschrieben. Im Dialog mit dem Propheten Nahum lässt er einen Dichter diese apokalyptischen Worte sagen:
az ember az állatok alja!
Falhoz verdesik itt is, amott is a pötty csecsemőket,
fáklya a templom tornya, kemence a ház, a lakója
megsűl benne, a gyártelepek fölszállnak a füstben.
Égő néppel az utca rohan, majd búgva elájul,
...
szertehevernek a holtak a város térein
der Mensch steht unter dem Tier!
An die Wand schlägt er hier wie dort seine kleinen Kinder,
Fackeln sind die Kirchtürme, ein Herd das Haus, die Bewohner
braten in ihnen, die Fabriken gehen in Rauch auf.
Brennendes Volk läuft auf die Straßen, bricht schreiend zusammen
...
verstreut liegen die Toten auf den Plätzen der Stadt.


Seine letzten vier Gedichte hat er während des Todesmarsches in sein Notizbuch geschrieben. Er nannte sie auf Serbisch Razglednica (Ansichtskarte). Das letzte Gedicht schrieb er aus dem Dorf Szentkirályszabadja bei Veszprém in Westungarn als Reaktion auf die Ermordung des Violinisten Miklós Lorsi durch Wächter (vermutlich SS) auf diesem Todesmarsch.
Razglednica (4)

Mellézuhantam, átfordult a teste
s feszes volt már, mint húr, ha pattan.
Tarkólövés. - Így végzed hát te is, -
súgtam magamnak, - csak feküdj nyugodtan.
Halált virágzik most a türelem. -
Der springt noch auf, - hangzott fölöttem.
Sárral kevert vér száradt fülemen.

Szentkirályszabadja, 1944. október 31.
Ansichtskarte (4)

Ich fiel neben ihn, sein Körper wendet sich
und er war bereits steif wie eine Saite, wenn sie reißt.
Genickschuss. - So wirst auch du enden, -
flüsterte ich zu mir, - lege dich nur ruhig nieder.
Den Tod bringt jetzt meine Geduld zum Blühen. -
Der springt noch auf, - ertönt es ober mir.
Mit Schlamm vermengtes Blut trocknet auf meinem Ohr.


Drei Bilder sind in diesem Band von Radnóti, die ich hier präsentieren möchte.

Radnoti1Original anzeigen (0,5 MB)

Radnoti2Original anzeigen (0,8 MB)

Radnoti3Original anzeigen (0,7 MB)