SuiGeneris schrieb:Ich bin noch so aufgewachsen,
dass ein Führerschein einfach nur sehr teuer ist und es sich gar nicht mehr lohnt,
noch einen zu machen. Ein Führerschein kostet so über 2000 € und falls man nicht
sofort besteht, wird es ja noch teurer. Wer hat aber mit 17/18 auf einmal so viel
Geld? Meine Eltern jedenfalls nicht. Da hieß es eben, dass es einfach nur zu teuer
ist und man das nicht braucht.
Als meine Eltern den Führerschein gemacht haben (vor gut 60 Jahren) war es tatsächlich so, dass man da länger für sparen musste, wenn man die Fahrerlaubnis erwerben wollte. Man benötigte damals aber auch nur 10 oder 12 praktische Stunden, auch gab es nicht so viele Fragen und Themen wie heute bei der Prüfung.
Viele Frauen haben damals gar nicht den Führerschein gemacht. Man überließ das Fahren vielfach den Männern (die konnten das ohnehin besser
SpoilerIronie off). Meine Schwiegermutter (geboren 1938) hat ihren Führerschein erst mit fast Mitte 30 gemacht, vor allem wegen ihres Sohnes, der beim Vater lebte und den sie abholen musste. Sie kaufte sich auch vom hart ersparten Geld ein billiges, kleines, einfaches Auto. In den 60er und 70er und z.T. noch in den 80er Jahren gab es eher kleine Autos. Man sieht das noch sehr gut an älteren Garagen und Parkhäusern, dass die Autos oft einfach kürzer und schmäler waren.
SuiGeneris schrieb:Immerhin kommt man mit der U-Bahn, der S-Bahn oder
dem Bus doch überall hin. Vor allem mit dem Nachtbus. Zu Not gibt es ja auch
noch Taxi. Warum also dann noch ein Führerschein?
Das mag in Großstädten so sein, in Kleinstädten und ländlichen Gegenden bist Du quasi am Arsch ohne Auto.
Auch Taxifahren ist sehr teuer. Für eine Fahrt in die 6 km entfernte Stadt haben wir letztes Jahr 20 Euro bezahlt. Zurück dann auch. Kann man mal machen, geht aber schon ins Geld.
SuiGeneris schrieb:Weiterhin sind Autos auch
einfach nicht gut fürs Klima
Das ist richtig, aber Autos werden auch "sauberer" (Katalysator, bleifreier Kraftstoff, Biokraftstoffe, E-Autos).
"Früher" schluckten die Pkws auf 100 km oft 12/13 Liter Sprit. Heute ist es oft nicht mal die Hälfte. Ich musste früher an kalten Tagen immer noch den Choke ziehen, dass mein erstes Auto (es war Baujahr 1980) starten konnte.
SuiGeneris schrieb:Es werden immer mehr Parkplätze abgebaut und immer mehr Straßen werden
autofrei
Deswegen gibt es ja eine Menge Carsharing-Projekte, vor allem in Großstädten. Heute bekommen wir Besuch von Köln. Da ist es tatsächlich im Grunde unsinnig, ein eigenes Auto zu unterhalten. Wenn man tatsächlich einen Parkplatz ergattert hat, darf man diesen im Grunde nie mehr aufgeben 🙈.
Es macht da Sinn, punktuell ein Auto anzumieten - das geht oft auch kurzfristig und über Apps auch sehr einfach.
SuiGeneris schrieb:Da ist ein Führerschein doch unsinnig.
Einen Führerschein zu haben ist niemals unsinnig. Ich halte es für eine wertvolle Fähigkeit, dass man Auto fahren kann.
Manche Arbeitgeber setzen auch voraus, dass man einen Führerschein mitbringt (bei mir ist das z.B. so).
D.h. ohne diese Erlaubnis kannst Du bestimmte Berufe nicht ausüben und bestimmte Stellen bleiben Dir verwehrt. Überlege mal, wo man alles vielleicht Dienstwagen benutzen muss - das sind so einige Berufe.
SuiGeneris schrieb:Trotzdem las ich neulich im Internet von welchen, die so 19 oder 20 sind und sich
"unter Druck fühlen", weil sie "noch keinen Führerschein haben" oder dass sogar
die Eltern den Druck machen würden, dass sie einen Führerschein machen sollen.
Lebe ich in einer verkehrten Welt?
Ich selbst habe erst mit 19 den Führerschein gemacht - ich bekam ihn von meinen Eltern zum Abitur geschenkt, selbst hätte ich ihn von dem bisschen Taschengeld nicht bezahlen können. Was der gekostet hat, weiß ich nicht, aber ich hatte auf jeden Fall mehr Fahrstunden als erforderlich waren. Meine Eltern sagten, ich solle lieber mehr Stunden nehmen und mich sicher fühlen. Ich hatte ja auch keine Vorkenntnisse wie der eine oder andere diese bereits mitbrachte.
Gleich beim ersten Mal habe ich zum Glück die Prüfung geschafft.
Es war tatsächlich nicht so schön, dass so gut wie jeder um mich herum gleich mit 18 den "Lappen" hatte und ich selber nicht. Man vergleicht sich als Heranwachsender ja doch mit anderen und da besteht auch ein gewisser Druck.
Bei meinen Kindern gab es schon das Begleitete Fahren (eine gute Erfindung). Ich habe da schon gemerkt, dass sie nicht mehr so brennend hinterher waren wie die Generation zuvor, den "Lappen" (heute ist es ja eine kleine Karte) zu bekommen. Das kam ihnen nicht auf ein paar Wochen oder Monate an.
Und man hört tatsächlich immer häufiger von Jugendlichen, die kein oder kaum Interesse zeigen. Okay, wenn man anderweitig mobil ist und im Umfeld ohnehin kein Fahrzeug zur Verfügung steht ist das ein Stückweit nachvollziehbar.
SuiGeneris schrieb:Ist das so ein provinzielles/ländliches/Kleinstadt-Ding oder liegt das an einem
anderen sozioökonomischen Status? In meiner Familie und dem Umfeld, in welchem ich
aufgewachsen bin, hat niemand ein Haus und alle haben Mietwohnungen.
Ja, das liegt daran.
SuiGeneris schrieb:Aber dass man ab einem gewissen Alter ein
Eigenheim/Haus haben muss, das kenne ich persönlich gar nicht.
Man muss gar nichts, aber das ist für viele Familien schon erstrebenswert (für Singles oder Paare nicht unbedingt). Vor allem, weil man meist mehr Platz hat und sein "eigener Herr" ist.
Wenn man sich die Hausordnung in manchen Häusern durchliest ist man als Mieter:in oft schon sehr eingeschränkt. Zudem liest man - auch in diesem Forum - häufig, dass Beeinträchtigungen durch Hausmitbewohner entstehen, die zu Spannungen führen. Diesen Stress und Ärger erspart man sich und kann sich mehr entfalten und ausleben.
Ich habe mit 28 im ersten eigenen Haus gewohnt und es war herrlich, viel Platz zu haben. Ich habe auch großen Wert auf geräumige Kinderzimmer gelegt - in der Mietwohnung davor gab es nur ein winziges Kinderzimmer - aber auf den Land gab es früher viele, die schon mit Anfang 20 geheiratet haben und dann wurde gebaut (oft gab es das Grundstück von den Eltern oder Großeltern oder ein günstiges Gemeindegrundstück).
SuiGeneris schrieb:Dafür wurde dann aber auch nicht ins Ausland gefahren oder so richtig verreist
Das hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Eine junge "Hunde-Bekannte" von mir (25) ist derzeit auf Kreuzfahrt. Als ich in dem Alter war, waren Fernreisen z.T. viel teurer als heute und Kreuzfahrten waren etwas für Rentner:innen mit nicht ganz schmalem Portemonnaie. Heute kann "Hinz und Kunz" locker eine Kreuzfahrt machen.
SuiGeneris schrieb:ich bin auch so aufgewachsen, dass es heißt:
"Ja, in der heutigen Zeit muss man gar nicht mehr heiraten. Man heiratet ja sowieso nur aus
steuerlichen Vorteilen, wenn überhaupt!".
Das stimmt, eine Verpflichtung zu heiraten besteht so nicht mehr. Meine Eltern hätten ohne Trauschein gar keine gemeinsame Wohnung zur Verfügung gestellt bekommen und sogar in den 1980er Jahren gab es noch Vermieter:innen, die so gedacht haben (selbst erlebt).
Man wird schon lange nicht mehr schief angeguckt, wenn man unverheiratet zusammen lebt und ein "uneheliches Kind" ist heute auch keine Schande mehr, die man verheimlichen muss.