Vorwürfe gegen Rammstein Bandmitglieder
31.08.2023 um 14:47Ich fand den folgenden Artikel der Rheinischen Post gut, weil er viele Facetten anspricht und die Problematik anspricht, wenn es "nur" um Moral geht:
Rheinische Post, 31. August 2023
https://rp-online.de/panorama/deutschland/ermittlungen-gegen-lindemann-eingestellt-was-vom-fall-bleibt_aid-96675243
Rheinische Post, 31. August 2023
https://rp-online.de/panorama/deutschland/ermittlungen-gegen-lindemann-eingestellt-was-vom-fall-bleibt_aid-96675243
Was vom „Fall Lindemann“ bleibt
Analyse | Düsseldorf · Gegen den Rammstein-Sänger wird nicht länger ermittelt. Doch neben der strafrechtlichen Bewertung bleiben moralische Fragen. Einige müssen sich Journalisten stellen.
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Denn es geht einerseits darum, dass sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt oft genau dann passieren, wenn Täter ihre Macht ausnutzen – ihr Geld, ihre berufliche Stellung, ihren Ruhm – und zugleich darauf bauen können, dass ihren Opfern niemand glauben wird. Die mutmaßlichen Geschädigten müssen also eine Stimme bekommen, und zwar womöglich schon, bevor ein Gericht ihre Version bestätigt hat. Gerade Menschen, die wegen ihrer unterlegenen gesellschaftlichen Position zu mutmaßlichen Opfern werden, benötigen Solidarität und Anteilnahme, wenn eine Gesellschaft der Gewalt den Boden entziehen will.
Zugleich gilt die Unschuldsvermutung. Sie ist ein zentrales Prinzip unseres Rechtssystems. Und sie gilt auch dann, wenn ein Künstler in Verruf gerät, der mit Tabubrüchen spielt, der sich als Wüterich inszeniert und bewusst moralische Schmerzgrenzen ausreizt.
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Anschuldigungen sind also erst öffentlich zu machen, wenn möglichst viele Quellen gehört wurden und die Plausibilität geprüft wurde. Nicht nach strafrechtlichen Kriterien, aber nach denen journalistischer Sorgfalt. Doch das Unschuldsprinzip ist das eine, auf der anderen Seite müssen sich Journalisten der Tendenz zu beschwichtigen widersetzen. Gerade die Mächtigen haben oft auch die Mittel, jene, die sich wehren wollen, einzuschüchtern.
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Was also bleibt nach der Einstellung der Ermittlungen gegen Lindemann? Weiterhin ist unklar, was einzelnen Frauen bei den Rammstein-Partys nach den Konzerten geschehen sein könnte und ob es anderen Machtmissbrauch gab. Die mutmaßlich Geschädigten haben sich ausschließlich an Journalisten gewandt, nicht an juristische Instanzen. Es gibt also nur subjektive Berichte, die aus Interviews stammen, nicht aus Verhören.
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Es geht also nicht darum, dass ein Opfer irgendwelche Beweise nicht beibringen konnte, um seine Aussage zu belegen. Schon die Aussagen selbst waren unter strafrechtlichem Gesichtspunkt nicht belastbar genug. Das wirft die Frage auf, ob das nicht auch Journalisten hätte auffallen müssen.
Andere Frauen konnten von der Staatsanwaltschaft nicht vernommen werden, weil sie von den Journalisten als Quellen geschützt werden wollten. Das ist ihr gutes Recht und dient beiden Seiten. Am Ende aber steht ein krasses Ungleichgewicht zwischen veröffentlichten Beschuldigungen und strafrechtlicher Relevanz.
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Manchmal geht es darum, moralische Diskurse öffentlich zu führen und auch zu Moralurteilen zu kommen. Das muss auf sauberer Recherche fußen. Die kostet Zeit, Geld und verlangt Stärke, eine Geschichte so lange zurückzuhalten, bis sie zu Ende recherchiert ist. ...