Tussinelda schrieb:Was genau verstehst Du eigentlich nicht, die belegte Korrelation Genus und Sexus betreffend?
Nö, du irrst, die verstehe ich sogar sehr gut! Der Vater, die Mutter, der Sohn, die Tochter, oder Bruder, die Schwester, der Mann, die Frau... aber auch bei substantivierten Adjektiven oder bei Partizipien* zeigt sich das ja sehr schön: der/die Schlaue, der/die Faule, der/die Anwesende, der/die Vorsitzende usw.
Deshalb frage ich dich ja, warum Feminina wie
die Person,
die Fachkraft,
die Lehrkraft (oder auch Kollektiva wie etwa
die Kundschaft,
die Zuhörerschaft,
die Schülerschaft,
die Lehrerschaft) plötzlich nicht mehr ach so diskriminierend seien und Männer unsichtbar machen würden. Oder gilt da der von dir behauptete Zusammenhang zwischen Genus & Sexus plötzlich nicht mehr? Mal hü, mal hott? Widdewiddewitt?
*Eigentlich
Schlauer, der (Maskulinum) und
Schlaue, die (Femininum) oder
Vorsitzender, der (Maskulinum) und
Vorsitzende, die (Femininum). Bei der schwachen Deklination mit bestimmtem Artikel "verkümmert" bei den Maskulina das Suffix
-r beim Nominativ im Singular (und ähnlich im Plural), so dass man hier fälschlicherweise den Eindruck hat, es handele sich um ein einzelne sexusindifferente Nomen.
Tussinelda schrieb:Wenn da nix korreliert, dann gibt es kein Problem. Bei „ der Fachmann“ korrelieren Genus und Sexus, bei Fachkraft nicht. Ist wie bei „Person“.
Und hier solltest du dich endlich mal fragen,
warum eine solche Korrelation in manchen Fällen vorliegt, in anderen Fällen hingegen nicht. Wir hatten ja mittlerweile schon oft genug das Vergnügen, daher ahne ich deinen Standpunkt bzw. das Argument schon und kann mir die SuFu sparen: In einigen Fällen gibt es Paarformen (Fachmann/-frau), in anderen Fällen nicht. Hierbei übersiehst du aber, dass Sprache kein Naturphänomen ist. Sprache wird nicht
vorgefunden, Worte gibt es nicht einfach nur so wie bspw. Pflanzen, Lebewesen oder Planeten, Sprache
entwickelt sich auch nicht einfach nur, sondern Sprache wird
gemacht bzw. unterliegt permanent den Einflüssen einzelner Individuen einer Sprachgemeinschaft. Deshalb reicht es auch nicht, einfach nur zu sagen:
Bei "Person" korrelieren Genus & Sexus nicht, weil es halt kein männliches Pendant (etwa "Personer") gibt, sowas haben wir bei unseren Streifzügen und Expeditionen durch die Natur halt einfach nirgends gefunden... Sondern die Frage, die sich hier vielmehr aufdrängt, ist: Warum wurden für diverse Begriffe ein männliches oder weibliches Pendant innerhalb der Sprachgemeinschaft gar nicht erst bebildet? Und was spräche heute noch dagegen, etwa "Menschin" oder "Personer" zu nutzen, um explizit weibliche Menschen oder männliche Personen zu charakterisieren? Oder etwa auch dagegen, maskuline Formen zu Lehrkraft, Fachkraft usw. zu bilden? Von unzähligen weiteren Personenbezeichnungen im Feminum (Geisel, Wache, Vertretung, Authorität, Koryphäe...) ganz zu schweigen.
Tussinelda schrieb:Die Frage war, warum wir eine sexusindifferente Bezeichnung brauchen, könntest Du das beantworten?
Es hat sich in der Sprache nur allzu oft als sinnvoll erwiesen,
zu abstrahieren. Ich weiß, abstraktes Denken ist für viele Menschen heutzutage ganz, ganz schwierig geworden. Hat ja auch irgendwie was mit Mathe & Logik zu tun... pfui, bäh...! Es wäre jetzt müßig und auch eher offtopic, jetzt eine ausführliche Abhandlung darüber zu verfassen, aber bereits einfachste und alltägliche Begriffe wie "Baum" abstrahieren von unzähligen Merkmalen wie etwa
Art, Alter, Häusigkeit oder etwa auch das
Geschlecht (bei sog. zweihäusigen Bäumen). Analog verhält es sich mit dem Begriff "Mensch", der bspw. nichts über
Ethnie, Alter, Geschlecht oder Beruf aussagt. Anders beim Begriff "Kind", der zumindest etwas über das Alter aussagt, aber nicht über Ethnie oder Geschlecht. Dann haben wir Begriffe wie "Mann" oder "Frau", die zwar etwas über das Geschlecht aussagen, über das Alter nur bedingt, aber nichts über Ethnie, Beruf oder andere Merkmale (Haarfarbe
or whatever).
Jetzt zu deiner Frage: Warum brauchen wir Bezeichnungen, die vom
Geschlecht abstrahieren? Diese Frage ist insofern unsinnig, als dass man genauso gut auch fragen könnte: Warum brauchen wir Bezeichnungen, die vom
Alter abstrahieren? Oder von der
Ethnie? Oder vom
Beruf? Oder von allen möglichen anderen
Merkmalen? Diese Frage lässt sich schwer pauschal beantworten, sondern hängt halt vom
Kontext ab. Nichtdestotrotz lässt sich feststellen, dass es solche Bezeichnungen eben gibt. Und sie abstrahieren eben auch nicht nur vom Geschlecht. Begriffe wie
Hersteller, Produzent, Betreiber, Mieter, Vermieter oder Kunde abstrahieren bspw. nicht nur von
Geschlecht (genauso wie von Ethnie, Alter usw.), sondern sogar davon, ob es sich um eine
natürliche oder eine juristische Person handelt. Hier zeigt sich also noch einmal in besonderer Weise, wie absurd das Gendern ist. "Die GmbH" bspw. ist grammatisch Femininum (wegen
Gesellschaft, die), hat aber keinerlei natürliches Geschlecht, eine GmbH ist weder männlich, noch weiblich.
"Hersteller sind in Deutschland dazu verpflichtet, blakeks..." oder
"Stromanbieter sind verpflichtet, in den Vertragsunterlagen anzugeben, blakeks..." oder
"Der Gesetzgeber muss dies oder jenes, blakeks..." - wenn wir also über
generisches Maskulinum reden, reden wir nicht einfach nur über
Personenbezeichnungen, über Menschen mit Mumu und Bubu, sondern auch über
Funktionsbezeichnungen. Wenn von "Herstellern" die Rede ist, dann sind da nicht nur Frauen "mitgemeint", sondern bspw. auch
Betriebe, Firmen, Unternehmen und Konzerne. Ähnlich bei Begriffen wie "Bäcker" oder "Schneider", die ebenfalls nicht nur Frauen irgendwie "mitmeinen", sondern bspw. auch Backstuben oder Schneidereien, also
juristische Personen.
Arrakai schrieb:Du meinst also, es gibt nur deshalb ein gM, weil Genus und Sexus (angeblich) korrelieren?
Tussinelda schrieb:Wozu denn sonst eine sexusindifferente Verwendung?
Nein, es gibt zunächst erst einmal nur
generische Begriffe, was selbstverständlich auch Personen-, Funktions- oder Berufsbezeichnungen sein können, aber auch Kollektiva (Kundschaft, Mannschaft, Zuhörerschaft usw.). Und da Deutsch bekanntlich eine Genussprache mit drei Genera (Maskulinum, Femininum, Neutrum) ist, haben selbstverständlich auch generische Begriffe einen Genus. Und es ist auch nicht so, dass das Genus den Sexus bestimmt (a la
"die Rede ist von einem Hersteller, also muss ein Mann gemeint sein..."), sondern umgekehrt, das Sexus bestimmt in der Regel den Genus, was dann auch zu den bekannten Movierungen (durch Suffix
-in oder auch
-r wie bei "Hexer" oder "Witwer") bei Personen- und Funktionsbezeichnungen führt und somit dann insbesondere auch zur Sichtbarmachung von Frauen und das natürlich völlig zu recht. Umgekehrt wird's aber schwieriger, denn wenn von einem "Hersteller" (oder "Softwarehersteller") die Rede ist, ist nicht so ohne Weiteres klar, ob damit ein Mann gemeint ist. Es könnte theoretisch auch eine Frau gemeint sein, aber auch ein Unternehmen, ein Konzern oder Betrieb, das ergibt sich halt aus dem Kontext. Hingegen macht "Herstellerin" da unmissverständlich und eindeutig sichtbar, dass von einer Frau die Rede ist. Streng genommen müsste man also sagen, dass es Männer sind, die gar nicht wirklich sichtbar sind und auch nicht sichtbar gemacht werden können, weil nämlich das natürliche Geschlecht beim sog. generischen Maskulinum unmarkiert ist. Letztendlich werden aber nichtsdestotrotz ja häufig Männer mit maskulinen Personenbezeichnungen assoziiert,
so... fair enough, zumal es auch mehr als genug andere Baustellen in puncto Gleichberechtigung/Gleichstellung von Frauen und mal mehr und mal weniger subtilen Sexismus in der Gesellschaft gibt, also dass man sich darüber echauffieren müsste, dass Männer bspw. bei Bezeichnungen wie "Softwarehersteller" nicht explizit sichtbar gemacht werden können...
Na ja, reicht vielleicht erst einmal. Ist ja mehr als genug Text zum Nachdenken.