Tussinelda schrieb:in den meisten Fällen (wenn nicht gerade englische Worte) gab es die weibliche Form schon lange VOR dem Gendern. Von daher ist es nicht so wie von Dir so empört impliziert, dass die weibliche Form extra erfunden würde.
Das ändert aber nichts an der Sache, dass es die von dir ins Spiel gebrachte Genus-Sexus-Korrelation ohne Bildung femininer Formen gar nicht erst geben würde (oder - analog - maskuliner Formen bei Feminina wie "Hexe
\rightarrow Hexe
r"). Und damit ist deine ganze "Argumentation" tautologisch:
Mensch wird nicht gegendert, weil - suprise, suprise - es nicht gegendert wird. (genauer: es ist nicht von "Menschinnen und Menschen" bzw. "Mensch:innen" die Rede - d.h. es gibt nicht das Wortpaar "Mensch/Menschin" - weil es nicht das Wort "Menschin" gibt...)
Tussinelda schrieb:Sprache Personen betreffend ist doch eh männlich ausgerichtet, da bedarf es keiner solchen Linguistik, also völlig daneben.
Darum ging es überhaupt nicht. Es ging
nicht darum,
ob es einer maskulinen Linguistik bedarf (nö, die braucht's genauso wenig wie eine feminine Linguistik). Es ging schlichtweg um die Feststellung,
dass es eine derartige Strömung nicht gibt,
ergo sich auch niemand an generischen Feminina (Lehrperson, Fachkraft) reibt und eine Bildung maskuliner Formen fordert. Und es stört sich bspw. auch niemand daran, dass Nomen im Plural generell im Femininum stehen (
"Die Ärzte... haben auch so ihre Wehwehchen...").
Tussinelda schrieb:genau und darauf wird auch immer wieder hingewiesen, es funktioniert sehr erfolgreich beim Plural, im Singular ist es schwierig, da wird das gm aber auch weit weniger benutzt
Na ja, der Singular wird in einem Anfall von Gutmenschentum halt immer häufiger vermieden, etwa mit Hilfe von Passivkonstruktionen (
"hier wurde gestern ein Rucksack liegen gelassen") oder eben dem Plural (
"von den Schüler:innen wurde hier gestern ein Rucksack liegen gelassen"). Es geht aber auch nicht nur um
Einzahl vs. Mehrzahl. Für Genderbefürworter sind ja bspw. sogar Pronomina wie "wer", "niemand", "jemand" und "man" problematisch. Schauen wir bspw. mal in den
"Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache" der Uni Köln, wo es ganz explizit heißt:
Neben dem generischen Maskulinum gibt es weitere grammatikalische Bereiche, die eine historisch begründete männliche Dominanz widerspiegeln. Ein Beispiel hierfür sind die Pronomina „wer“, „niemand“, „jemand“ und „man“.
Quelle:
https://gb.uni-koeln.de/e2106/e2113/e16894/20210709_Leitfaden_GGSprache_UzK_Webversion_ger.pdf
Also schon so Sätze wie
Wer nicht gendern möchte, der braucht es doch nicht tun.
Niemand darf wegen seines Geschlechtes diskriminiert werden.sind scheinbar ein Dorn im Auge feministischer Linguistik, während Sätze wie bspw.
"Menschen dürften nicht wegen ihres Geschlechtes diskriminiert werden." natürlich wieder voll okay sind. Ja, nee... is klar...
:DTussinelda schrieb:der Studierende
die Studierende
verstehe das Problem nicht
Es ist schlichtweg
falsch.
"Peter ist Studierende an der Humboldt-Universität zu Berlin." -- Merkste selbst, gell?
Tussinelda schrieb:...offenbar liest man nicht wirklich, was so gepostet, verlinkt, belegt wird. Das ist schade.
Da muss ich dir ausnahmsweise mal recht geben.
Optimist schrieb:Zudem finde ich diese Partizipienlösung so und auch so sehr fragwürdig:
- vom Sprachklang her
- von der Bedeutung her - in diesem Sinne:
Da gehe ich nur zum Teil mit. Das mit dem Sprachklang ist bspw. einfach nur Gewohnheit und damit lediglich ein "Generationenproblem". Das gilt auch und vor allem für den
Gender-Glottisschlag - Kinder, die damit gerade erst aufwachsen, empfinden das später als völlig normal, gewohnt, vertraut, natürlich. Die Genderbefürworter wissen das auch (sie sagen es nur nie). Gewohnheit kann und sollte somit also nie ein Argument sein! Denn es ist letztendlich auch keins.
Mit der Bedeutung ist es ähnlich.
Bedeutung ergibt sich aus dem
Sprachgebrauch. Und somit ist auch das letztendlich eine Frage der Gewöhnung. "Radfahrer" ist da bspw. auch nicht unbedingt so viel besser als "Radfahrende". Wer vom Rad absteigt und sich ins Auto setzt, ist
Autofahrer. Steigt er aus dem Auto wieder aus und läuft über die Straße, dann ist er
Fußgänger. Und ist er tot, ist er weder Radfahrer, noch Autofahrer, noch Fußgänger, sondern eben tot. Daher ist bspw.
"tote Radfahrende" letztendlich nicht viel mehr unsinnig als
"tote Radfahrer". Was unsinnig ist, ist die Verwendung von Partizipien,
nur um das gM zu vermeiden. Wie schwachsinnig das ist, sieht man bspw. am (mittlerweile überarbeiteten) Passus bei Paypal (wer sich noch erinnert...):
Berechtigte Transaktion: Eine „berechtigte Transaktion“ bedeutet: (a) eine Online-Zahlung mit PayPal in Höhe von mindestens 5,00 € (fünf Euro) unter Verwendung des neuen PayPal-Kontos der Geworbenen, die im gültigen Konto der Geworbenen als „abgeschlossen“ gekennzeichnet ist, oder (b) eine Zahlung an eine andere Person als die werbende in Höhe von mindestens 5,00 € (fünf Euro) über die Funktion „Geld senden“ bei PayPal unter Verwendung des gültigen Kontos der Geworbenen, die von der empfangenden Person als „erhalten“ gekennzeichnet wurde. Transaktionen, die entweder durch Werbende, Geworbene oder Händler*innen storniert, rückerstattet oder rückgängig gemacht wurden, zählen nicht als berechtigte Transaktionen.
Quelle:
https://www.paypal.com/de/webapps/mpp/invite/terms
Also da ist dann von
"Werbenden" und
"Geworbenen" die Rede, aber spätestens bei
"Handelnde" wurde dann scheinbar doch noch etwas Resthirn aktiv und gemerkt, dass das nicht nur ziemlich seltsam klingen würde, sondern tatsächlich auch von der Semantik her kompletter (Gender-)Nonsense wäre....
Optimist schrieb:Die Beidnennung finde ich auch sehr umständlich, wenn sowas mehrmals in einem kurzen Text vorkommt.
Ich empfehle da
wirklich wärmstens einen Artikel, über den ich gestern Nacht erst gestolpert war:
https://www.bruehlmeier.info/texte/diverses/sprachfeminismus-in-der-sackgasse/Zitat:
Die Folgen der neuen Sprachgebräuche sind schwerwiegend: Durch die gewohnheitsmässige Doppelnennung menschlicher Funktionsträger (Lehrerinnen und Lehrer, AHV-Bezügerinnen und AHV-Bezüger) geht nämlich die übergeschlechtliche Bedeutung des maskulinen Genus allmählich verloren, und dann wird alles Maskuline als real männlich und alles Feminine als real weiblich empfunden. [...] Darüber hinaus – und dies wiegt schwerer – führt diese Umdeutung des Übergeschlechtlichen in biologisch Geschlechtliches zum Verlust des wichtigsten Oberbegriffs der deutschen Sprache, nämlich des allgemeinen, nicht unter geschlechtlichem Aspekt ins Auge gefassten Menschen. Konnte man ehedem von Einwohnern, Wanderern, Bürolisten, Musikliebhabern, Studenten, Fussgängern, Autofahrern, Christen, Experten, Anfängern, Ausländern usf. sprechen, ohne vorentschieden zu haben, ob es sich dabei um Männer oder Frauen handelt, weil dies im jeweiligen Zusammenhang vollkommen unbedeutend war, so tritt mit der heute üblich gewordenen Doppelnennung die Betonung des Verbindenden, des Übergeordneten, der Funktion zurück und macht der Betonung der Geschlechtlichkeit irgend eines Funktionsträgers Platz. Damit wird der Sexismus nicht etwa – wie gewiss in guten Treuen beabsichtigt – aus der Sprache entfernt, sondern erst konsequent in diese eingeführt.
An und für sich spricht nichts gegen die Doppelnennung, gerade in der
direkten Anrede, allerdings gegen deren inflationären und übermäßigen Gebrauch bei jeder Gelegenheit. Denn ganz klammheimlich werden hier genau die Suggestionen in die Köpfe eingetrichtert, welche die Genderbefürworter für ihre "Argumentation" brauchen, dass es nämlich einen ganz klaren und deutlichen Zusammenhang zwischen Genus und Sexus gäbe.
Optimist schrieb:"keine neuen..." - hmm, da wäre ich mir nicht so sicher, aber "unpräzise genutzt" sehe ich genauso.
Sehe es als "neue Wörter", wenn man von Studierenden, von Forschenden usw. spricht, wo vorher nur von Studenten und Forschern die Rede war. Einfach aus einem Wort ein Partizip machen - das ist für mich neu (also ein "neues Wort").
Also... vermutlich interessiert es die Wenigsten... vielleicht so Leute wie @Arrakai... aber man kann das tatsächlich
messen. Das geht bspw. bei DWDS:
https://www.dwds.de/d/ressources#wortverlaufSchauen wir uns also mal die Wortverlaufskurven für "Forscher" und "Forschende" an:
Das schaut sehr unauffällig aus. Liegt allerdings an der Methode bzw. dem zugrundegelegten Datenmaterial - Gegenwartskorpora mit freiem Zugang:
https://www.dwds.de/d/korpora/dwdsxlSchauen wir uns nun aber mal eine Analyse der
DWDS-Zeitungskorpora an, dann schaut es so aus:
Also ja, man sieht hier tatsächlich einen ganz klare und signifikante Zunahme des Begriffes "Forschende" bei gleichzeitiger Abnahme des Begriffes "Forscher" (und etwa mit Beginn der Corona-Pandemie 2020). Dein Eindruck ist also nicht nur subjektiv
@Optimist, sondern ganz objektiv messbar und belegbar. Hier übrigens auch noch für "Studierende", nur so... aus eigenem Interesse oder "der Vollständigkeit halber":
peekaboo schrieb:Das neue Wörter eingeführt werden ist meiner Meinung nach eine Fehleinschätzung, denn das passiert ja nicht im Kontext der Genderei. Und weil das nicht passiert, wird die Sprache logischerweise auch nicht verschlimmbessert. Es kann sich also wieder beruhigt werden.
Na ja, Worte wie "Forschende" sind insofern nicht neu, als dass die Bildung von Partizipien nichts Neues ist. Aber die Verdrängung von bis dato üblichen Begriffen wie "Forscher" durch Gender-Neusprech wie "Forschende" lässt sich dann halt doch ganz klar objektiv messen und belegen (s.o.).