knopper schrieb:nun ja....da muss man sich aber auch mal fragen, ob es denn in den 60ern und 70er Jahren in der BRD auch schon so war? Gab es denn da auch schon diese Großfleischbetriebe, wo alles bis aufs Letzt optimiert wurde...oder war es evt. doch noch etwas anders.
Tönnies war zunächst ein kleiner, städtischer Metzger in zweiter oder dritter Generation. Erst 1974 wurde die "Firma" Tönnies gegründet und expandierte.
Ich bin ein Kind der 1970er Jahre. Damals wurde in der BRD deutlich weniger Fleisch gegessen als heute. Es war in der Relation zu heute auch teurer, zumindest in meiner Erinnerung.
Freitags gab es grundsätzlich kein Fleisch
samstags gab es Suppe, sonntags den guten Sonntagsbraten. Montags waren dann die Reste vom Sonntag auf dem Tisch, dienstags, mittwochs und donnerstags gab es dann Eintopf, Kotelett, Schnitzel oder Hackfleisch. Meine Mutter kochte Spaghetti Bolognese für 1 Erwachsene und 3 Kinder von einem 1/4 £ - also 125 Gramm - Hackfleisch.
Eine Brühwurst war bei uns was Besonderes. Die gab es mal nicht eben zwischendurch auf die Hand.
Ich bin mir auch nicht sicher, aber ich meine, große Schlachthöfe waren damals nicht privat. Entweder schlachteten die Metzger selbst oder holten die Hälften im Schlachthof, die sie dann verarbeiteten. Natürlich gab es da auch schon Wurstfabriken, aber die Produkte kaufte man dann auch beim Metzger. Abgepacktes Frischfleisch gab es damals nicht im Supermarkt. Aber ich kann mich auch nicht erinnern, seit wann es das gibt.
Ich selbst esse wegen Arthrose kaum noch Fleisch. Allerdings hatte ich für mich persönlich festgestellt, dass ich deutlich mehr Fleisch gegessen habe, wenn ich abgepacktes Fleisch gekauft habe als wenn ich frisches Fleisch nach Bedarf gekauft habe. Da habe ich dann tatsächlich von 500g Hackfleisch Bolognese auf Vorrat kochen wollen und am zweiten Tag war es alle. Wohlgemerkt, von mir alleine gegessen. Also die doppelte Menge von dem Fleisch, das meine Mutter für 4 Personen verwendet hat.
Ich glaube, dass der Fleischabsatz nicht nur durch die geringeren Kosten, sondern auch durch die großen Einheiten der abgepackten Fleischwaren gestiegen ist. Wenn etwas standardisiert abgepackt ist, hört man - glaube ich - schnell auf, darüber nachzudenken, wie viel man davon wirklich braucht.
Zu 1) In der Tönnies-Region gibt es traditionell viele fleischverarbeitende Betriebe. Mir war zwar bewusst, dass es diese Fleischfabrik gibt. Dass dort 7000 Menschen in der Produktion arbeiten, war mir nicht bewusst. Bevor Polen, Rumänien und Bulgarien in der EU waren, haben dort vielfach türkische Leiharbeiter gearbeitet. Ich habe in Erinnerung, dass es damals schon mehrere Verfahren gegen die Verleiherfirmen gab. Diese waren in der Region ansässig und wechselten ständig die Namen. Und da es immer Probleme gab, hat man dann die Werkverträge entwickelt.
Der Werkunternehmer als Subunternehmer muss täglich x Tiere zerlegen, y Schnitzel verpacken, etc.. Dazu stellt er eigene Mitarbeiter ein. Inwiefern es diesen Menschen hier schlechter geht als zu Hause kann ich nicht beurteilen. Mir hat vor ein paar Jahren ein obdachloser rumänischer Tagelöhner erzählt, dass Obdachlosigkeit in Deutschland mit den Hilfsangeboten deutlich besser als das Leben in Rumänien sei.
Ich persönlich finde diese "Saisonarbeit" in der Fleischindustrie gruselig.
Zu 3) Tönnies fährt tatsächlich mehrere Linien von hochpreisigen Spezialaufzuchten bis eben Discounterware. Vor Corona waren sie in den Medien mit besonders schonenden Schlachtverfahren im hochpreisigen Segment. Muss so im Februar gewesen sein. Ich meine, das war ne Reportage. Von daher kann auch der Metzger und die Edelgastronomie von Tönnies beliefert werden. Da hilft nur fragen, wenn man sicher sein will.