Anaximander schrieb:Das Problem wäre, dass in noch höherem Maße der Konsum eingeschränkt wäre, denn wer würde sich unter Todesgefahr z.B. in ein Restaurant setzen wollen? Die Zulieferketten würden ohnehin einbrechen, da das Ausland nicht mitziehen würde. Zugleich hätten etwa Gastronomiebetriebe keinen Anspruch auf Entschädigung.
Ja, das Argument ist plausibel.
Detok schrieb:Ich habe ja als Gegenargument oft gehört, die Bevölkerungsdichte in Schweden sei sehr gering.
Das ist ein Punkt. Ein anderer, dass Schweden eine Zeit lang halt Glück hatte, nicht zu viele "Großinfektionen" zu haben. Dann spielen soziale Aspekte eine Rolle, z.B. wenn in einer Bevölkerung sich weniger umarmt oder die Hände geschüttelt wird oder die Leute einfach generell mehr Abstand halten. Das alles müsste man untersuchen und in einen Vergleich mit einbeziehen.
Auf jeden fall falsch ist es, sich nur einen Aspekt heraus zu greifen und alleine daran eine Kausalität festmachen zu wollen.
Detok schrieb:Weil wenn es selbst in Schweden keine zweite Welle gäbe, ständen wir ziemlich blöd da in meinen Augen.
Nur, wenn man (fälschlich) sich einen Teilaspekt herausgreift und alleine daran die Konsequenzen beurteilt.
Detok schrieb:Dass eine Verbreitung auch weitgehend unbemerkt erfolgt, sehe ich ein. Nur spricht dass doch eher für eine geringe Gefährlichkeit des Virus in meinen Augen.
Im Gegenteil. Es macht es schlimmer. Denn eine Weile passiert nichts und plötzlich sind es viele Infektionen, die auch noch weit gestreut sind. Auf diese Weise ist die Verbreitung nur schwer zu kontrollieren.
Detok schrieb:Wenn ich aber eines gelernt habe, dass Theorie und Praxis zwei völlig unterschiedliche Dinge sind.
Wir haben nur diese Theorien. Die Prognosen, welche von Experten auf den Gebieten der Virologie, der Ökonomie, der Notfallmedizin und sonstiger Bereiche, die hier betroffen sind, ist mit Abstand das beste, was wir bekommen können. Wir haben noch keine 10 Pandemien in dieser Art durchlebt, dass wir daraus praktische Schlussfolgerungen ziehen könnten.
Wir wissen aber aus der praktischen Erfahrung in der Pandemie folgendes:
Wenn man nichts macht (und ggf. etwas Pech bei der Verbreitung des Virus hat), erkranken sehr schnell sehr viele Menschen. Und davon einige sehr schwer. Und wenn diese "einige" zu viele werden, kann man ihnen nur noch tatenlos beim Sterben zusehen.
Die Fehleinschätzung der Gefährlichkeit kommt meines Erachtens daher, dass das Virus nicht sehr infektiös ist (verglichen mit z.B. Masern). Nur ein Teil der Begegnungen führen zu einer Übertragung. Aber manchmal kommt es eben zu sehr vielen Übertragungen in sehr kurzer Zeit.
Detok schrieb:Warum nicht im Sommer den Versuch wagen?
Der Versuch wird ja gewagt. Es werden schrittweise immer mehr Lockerungen durchgeführt und man schaut, was dann passiert.
Detok schrieb:Wenn man nämlich merkt, dass plötzlich dann die Zahlen wieder steigen, wären ich, und auch viele andere Leute welche die ganze Sache mittlerweile sehr kritisch sehen, eher überzeugt.
Es wäre zwar schön, wenn "euch" das überzeugen würde. Aber diese Überzeugung würde wahrscheinlich viele Menschenleben kosten und bedeuten, dass wir wahrscheinlich einen zweiten Lockdown hätten. Ich weiß nicht, ob das ein guter Preis nur dafür ist, dass manche den Experten auf ihren Fachgebieten nicht einfach mal glauben. Auch wenn sie es selbst nicht bis ins Letzte verstehen.
Detok schrieb:Wenn ich es noch recht in Erinnerung habe hiess es doch sobald die Zahl über 1.0 steigt, gibts wieder Lockdown. Jetzt sind wir doch schon bei ~3 und die Leute fliegen munter weiter in die Ferien.
Der R-Faktor alleine sagt eigentlich nicht viel aus. Wenn er sich z.B. vor allem auf stark begrenzte Ereignisse bezieht, sagt das für ganz Deutschland wenig aus. Hätten wir aber in Deutschland an sehr vielen stellen wieder eine solche Übertragungsquote und gelingt es nicht, das unter Kontrolle zu bringen, dann sähe es schlecht aus.
juanita schrieb:Weiß man noch nicht ob es die geben wird, wie es mit den Nebenwirkungen und der Impfbereitschaft aussieht.
Man weiß auch nicht, ob morgen die Sonne aufgeht. Natürlich kennt man die Zukunft nicht. Aber man muss sein Handeln daran orientieren, welche belastbaren Prognosen es gibt.
Haben wir einen Impfstoff, haben sich die Maßnahmen gelohnt. Bekommen wir keinen, ist es fast egal. Dann stapel wir Leichen und stürzen auch in eine tiefe Rezession.
juanita schrieb:Wenn die Letalität andere Ausmaße erreicht, vermute ich
Also in einfachen Worten: Bei einer Letalität von meinetwegen 15%: Nix machen. Bei 16% volles Rohr?
Das ist doch quatsch, eine alles oder nichts Strategie anhand einer Begrifflichkeit zu führen. Man muss die jeweiligen Konsequenzen abwägen und dann entscheiden.
juanita schrieb:Diese Meinung teile ich.
Sie ist aber Unfug, weil man eben durch sein Verhalten nicht nur sich selbst gefährdet.
Wenn Du mit Deinen bekannten eine Coronaparty feierst und ihr dann alle in Quarantäne bleibt und im Fall der Erkrankung nicht unbedingt medizinische Ressourcen verschwendet: Feuer frei. Viel Spaß.
sooma schrieb:Den Menschen den eigenen Verstand abzusprechen finde ich auch nicht konstruktiv
Nicht den Verstand absprechen. Aber Menschen müssen erkennen, wo ihre Kompetenzen liegen und wo nicht. Und das gelingt nur sehr schlecht. Vor allem bei Alltagsthemen, die aber sehr komplex sind.
sooma schrieb:Umgekehrt ist es wohl ebenso. Da gibt es ebenfalls Extreme
Natürlich gibt es immer Extreme. Aber wenn man Experten hat, ist es ohne das Vorliegen gegenteiliger belastbarer Informationen schon angebracht, denen erst mal zu glauben. Und sollte die eigene Meinung davon divergieren, als erstes mal zu prüfen, ob man aufgrund seiner Kenntnisse überhaupt das Thema beurteilen kann.
Das ist verdammt schwer, weil Menschen nun mal dazu neigen, sich stark zu überschätzen.
sooma schrieb:bedeutet auch, sich ggf. mit ihm vernünftig zu "arrangieren" (arrangieren zu müssen), wie wir es mit anderen Erkrankungen und bei anderen Risikofaktoren auch tun. Ohne panisch, misstrauisch und pessimistisch zu werden.
Nichts anderes sollte sein. Maßnahmen nach besten Kräften umsetzen und ruhig bleiben.
sooma schrieb:Dem steht eine so... sagen wir mal... "chaotische Berichterstattung" aber schlicht im Wege.
So chaotisch ist die gar nicht. Das Thema ist nur sehr komplex und viele kommen quasi das erste Mal mit wissenschaftlicher Arbeit in Kontakt. Das sind Missverständnisse vorprogrammiert.
Beispiel: Ein Virologe äußert sich zu irgend einem Teilaspekt im Konjunktiv und die Leute hören, dass der Experte irgendwas Definitives über die Gesamtsituation gesagt habe. Bestes Beispiel: Drosten und Bild.
sooma schrieb:Warum sollte er die überhaupt suchen müssen?
Muss er nicht. So einfach, wie hier, wurde das meines Wissens noch nie dargestellt. Da gibt es sogar einen guten und verständlichen Podcast - man muss ihn sich halt anhören und nciht statt dessen Bild lesen.
sooma schrieb:Und warum sollte er bei Twitter und Co. rumhängen, um dem neuesten Droste-Cast entgegenzufiebern?
Warum Twitter und Co.? Warum nicht irgend welche seriösen Quellen?
Was erwartest Du? Dass man bei den LEuten zuhause klingelt und im persönlichen Gespräch jedem einzelnen die Lager erklärt?
Vorhin propagierst Du noch den mündigen Bürger und einige Zeilen später darf er ein geistiges Kleinkind sein, ohne jegliche Holschuld?
sooma schrieb:Und wo ist überhaupt Frau Merkel? Als Staatsführung präsent ja irgendwie nich.
Keine Ahnung, welche Medien Du konsumierst. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie medial zu dem Thema unterrepräsentiert wäre.
Was sollte sie in Deinen Augen machen? Jeden zweiten Tag eine Rede zur Lage der Nation?
Deine Grundintention ist nicht falsch. Es gibt Lebensrisiken und wir müssen mit Risiken umgehen. Vor allem können wir nicht alle Risiken beliebig minimieren. Und es ist auch richtig, dass Menschen Risiken nicht gleichmäßig wahr nehmen und es auch wichtig ist, hier ein Bewusstsein für ein gesundes Risikoempfinden zu propagieren. So weit bin ich voll bei Dir.
Aber der Rest ist halt ziemlich hanebüchen. Weil Du - entgegen Deiner richtigen Grundhaltung - eine echte Risikobewertung gerade ablehnst. Du favorisierst die individuelle (intuitive) Risikobewertung gegenüber der rationalen. Nur halt in die andere Richtung.