Elfenqueen schrieb:Dann kannst du mir auch bestimmt erklären, warum man die Strategie der Verängstigung der Bevölkerung gewählt hat und ein solches Strategiepapier hat anfertigen lassen, anstatt auf sachliche, seriöse Informationen zu setzen und das Gespräch mit den Bürgern zu suchen?
Klingt blöd, aber ich kann diese Strategie sogar irgendwo nachvollziehen. Ob diese Strategie anhand des bekannten Papers in Bezug auf Informationen nach Außen hin eine Rolle spielte, weiß ich nicht. Irgendwas musste aber entschieden worden sein, schon allein wegen den offiziellen Informationen, die mehr oder weniger direkt von der Regierung bzw. deren Vertretern an die Öffentlichkeit kamen.
Gesetzt den Fall es ging auch um allgemeine Informationen aller Art.
Es war ja damals schon anzunehmen, dass die Eigenverantwortung bei einigen Bürgern nicht unbedingt vollständig gegeben ist und rein auf Gebote fungierende Maßnahmen nicht unbedingt erfolgsversprechend wären. Zudem war damals ja zweifelsohne tatsächlich eine gewisse Sorglosigkeit vorhanden (weil "Virus ist weit weg, wir haben mit China nix zu tun"). An Vorsorgemaßnahmen dachte keiner, auch nicht als die damaligen Webasto-Fälle auftraten.
Und um während es Höhepunkts der Dynamik und Fallzahlen schnellstmöglich eine signifikante Veränderung der öffentlichen Meinung zum Virus zu erreichen, macht die im Papier beschriebene Kommunikation grundsätzlich am meisten Sinn. Die Überlegung dahinter dürfte imho sein, auch eher sorglosen Leuten klarzumachen, dass diese kaum greifbare und weit weg wirkende Gefahr real ist und JEDEN treffen kann und dadurch unverzüglich die Maßnahmen eingehalten werden müssen. Das war ja auch stets die Botschaft hinter dem, was in den allgemeinen Medien kursierte ("kann auch jüngere treffen").
Der Vorteil solcher Kommunikation besteht darin, sehr schnell den Ernst einer Lage klarzumachen und Bürger zu animieren, einen Anteil an der Verhinderung einer Eskalation zu leisten. Gerade der Bezug auf eine mögliche Lebensgefahr durch den Virus sollte dazu beitragen, immerhin ist der Tod etwas wovor sich die Menschen meist fürchten oder ggf. Angst haben. Diese Art der Kommunikation kann auch die allgemeine Meinung in der Bevölkerung verändern, dass der Virus "gefährlich" ist und "jeder daran sterben kann".
Das Strategiepapier wurde zu einer Zeit entwickelt, als nicht klar war, wie sich die Zahlen und die Lage in Deutschland nun entwickeln werden und dass der Virus so große Einflüsse haben wird, dass es langfristige und schwerwiegende Folgen haben wird (siehe z.B. S.16 4c4 "Wichtigste Botschaft der Kommunikation staatlicher Akteure: Das Virus ist ein Risiko für alle. Es wird unser Leben kurz-, mittel- und langfristig verändern."). Dass hunderttausende sterben könnten und Millionen infizierte zu vermelden wären, wurde ja damals in den Medien mehrfach verbreitet und auch in Podcasts aufbereitet.
Bergamo und Spanien waren damals mit entsprechenden Bildern präsent und es galt um jeden Preis ähnliche Szenarien zu vermeiden, trotz unterschiedlicher Ausgangslagen. Einige Infos (Übertragungswege, Wirt, Verläufe usw.) waren damals noch nicht bekannt oder z.T. widersprüchlich, was auch heute noch manchmal der Fall ist.
Die Kommunikationsstrategie war aus meiner Sicht kompromisslos darauf angepasst, die Bürger MÖGLICHST SCHNELL und ohne Rücksicht auf soziokulturelle und psychologische Folgen mithilfe einer z.T. bereits latent vorhandenen Angst zu drängen, auf jeden Fall die daraufhin gefolgten Maßnahmen zu befolgen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten und idealerweise die Fallzahlen positiv zu beeinflussen ("Flatten the curve"). Auf die längerfristigen Folgen wurde nicht geachtet, bzw. sie wurden als wenig schlimm wahrgenommen, unter der drohenden Gefahr wenn die Maßnahmen nicht befolgt würden (vgl. Bergamo).
Wie wir wissen, sind die Zahlen sehr niedrig und die Gefährlichkeit des Virus für jeweilige Alters- und Bevölkerungsgruppen ist einigermaßen bekannt. Eine Überlastung des Gesundheitssystems ist zum größten Teil vermieden worden und die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion sind im Ländervergleich recht gering.
Nun kommt zum Tragen, dass sich einige der damaligen Prognosen nicht bewahrheitet haben; durch den offensichtlich weniger problematischen Verlauf haben viele das Gefühl, belogen worden zu sein bzw. etwas als in der Informationslage unstimmig wahrzunehmen. Durch die konstant hohe Anzahl der Meldungen und der sehr exzessiven - und meist negativ geprägten - Berichterstattung verschiedener Medien entsteht nun eine Gleichgültigkeit ob der nach wie vor auf Besorgnis und Gefahr basierenden Kommunikation und der Wunsch nach Erklärung, warum einiges nicht so eingetreten ist bzw. warum andernorts die Situation erheblich schlimmer war.
Vertrauen ist hier auch eine wichtige Komponente, die nicht unbedingt gegeben ist. Die allmählich wachsende Zahl von VTs und das Auftauchen entsprechender Persönlichkeiten, die konsequente Ablehnung von Aussagen etablierter Wissenschaftler und Politiker (bspw. Drosten oder Spahn), das Anzweifeln der Kompetenzen mancher Personen in der Öffentlichkeit (z.B. Wieler vom RKI) oder das strikte Ablehnen der bald kommenden Corona-Warn-App zeigen mir, dass viele Menschen Fragen zur Situation haben, mit der Berichterstattung unzufrieden sind und vielen etwas "merkwürdig" bzw. "widersprüchlich" erscheint.
Die im Papier erwähnte Kommunikationsstrategie bezieht solche Dinge nicht mit ein, es wird nicht über die Folgen gesprochen oder die Gefahren dieser Strategie erwähnt, kurzum: eine Risikoanalyse fand nicht statt, aber wie erwähnt: in Anbetracht der wahrscheinlich eintretenden Folgen bei unterlassenen Maßnahmen wurde dies als kaum notwendig erachtet und mglw. schlicht in Kauf genommen.