Wieviel Übersterblichkeit gab es 2022?
Ich hatte dazu mehrfach die Zahl von 119000 Toten genannt. Inzwischen gibt es eine Berechnung vom Ifo-Institut, die kommt für 2022 auf einen Wert von rund 74000 ->
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https://www.ifo.de/pressemitteilung/2023-01-20/den-corona-jahren-starben-180000-menschen-mehr-als-unter-normalenWie kommt es zu der Differenz? Zunächst einmal sollte man wissen, dass die Übersterblichkeit kein absolut feststehender mathematischer Wert ist. Die Übersterblichkeit ist ein relativer Vergleichswert, der Anhaltspunkte liefern soll, um ungewöhnliche Entwicklungen aufzuspüren. Es gibt unterschiedliche Ansätze, eine Übersterblichkeit zu berechnen. Jede Methode hat ihre Berechtigung, aber die Ergebnisse gelten immer nur im jeweiligen Kontext.
Destatis definiert Übersterblichkeit als Differenz zum Median der Vorjahre, für 2022 wären das rund 92000. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass 10000 - 20000 zusätzliche Tote pro Jahr durch eine veränderte Altersstruktur zu erwarten sind. Nachteil beim Median ist, dass als Vergleich bereits ein Jahr mit Corona verwendet wird. Wenn man wissen will, welches Ausmaß die Coronawellen 2022 hatten, ist diese Methode ungeeignet.
Deshalb hatte ich ja das Jahr 2019 zur Grundlage genommen. Da war die Differenz 119000, aber die veränderte Altersstruktur beträgt für die 3 Jahre seitdem 30000 bis 60000 Tote, was Schlussfolgerungen auf grobe Schätzungen reduziert. Das Ifo-Institut hat im Prinzip den Wert für die veränderte Altersstruktur auf die Mitte davon festgelegt. 119000 minus 45000 ergibt deren Übersterblichkeit von 74000.
Nachteil beim Ifo-Institut ist, dass in allen Zahlen zu einzelnen Todesarten immer auch ein Anteil enthalten ist, der zu dieser veränderten Altersstruktur gehört. Man darf Corona, Hitzewelle und Influenza nicht einfach von den 74000 abziehen. Auch die Methode vom Ifo-Institut hat eine hohe Fehlerquote und man wäre auch hier auf grobe Schätzungen angewiesen.
Es gibt jedoch eine Methode mit einer höheren Genauigkeit. Die ist von Destatis vorgegeben. Die Problematik mit dem Median ist denen wohl bewusst, deshalb wurde in den Sonderberichten zur Übersterblichkeit von 2022 stattdessen nur der Unterschied zu 2021 angegeben. Und davon sei maximal ein Fünftel auf die veränderte Altersstruktur zurückzuführen.
Die Differenz beträgt nach der aktuellen Sonderauswertung-Sterbefälle 38498, davon ein Fünftel - 7700 - runter, ergibt rund 30800. Bei den Sterbefällen von 2021 sind 71300 Tote durch Corona enthalten, für 2022 sind es 47000. Die Differenz davon ist 24300, das müssen wir zu den 30800 hinzuzählen, also rund 55000. Das ist die Anzahl der Toten, für die keine der 2021 zur Verfügung stehenden Erklärungen anwendbar ist.
Veränderte Altersstruktur und Corona sind bei den 55000 bereits raus. Welche Todesursachen stehen sonst noch zur Verfügung? Das RKI nennt 4500 Tote für die Hitzwelle vom Sommer, die aber zum Teil auch der veränderten Altersstruktur zuzurechnen wären.
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https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-uebersterblichkeit-ifo-100.htmlUnd wie ist das mit der Grippe/Influenza? Stellt euch vor, ich bin Opfer einer Abo-Falle geworden. Seit Monaten haben sich mehrere Tausend Miese auf meinem Konto angesammelt. Dann kommt ein Freund auf die Idee, ich hätte doch aber auch viele Weihnachtsgeschenke gekauft. Ja, richtig, die 100.- Euro für die Weihnachtsgeschenke. Dann ist ja endlich klar, wie es zu dem permanenten Minus auf meinem Konto kommt. Große Erleichterung.
So ähnlich ist das mit der Influenza. Alle springen dankbar auf den Zug auf. Eine Übersterblichkeit, die bereits spätestens seit April 2022 übermäßig hoch ist, wird durch die Grippe im Dezember hinreichend erklärt. Große Erleichterung. Mit dem was da wirklich passdiert, brauchen wir uns nicht mehr auseinanderzusetzen.
Für die Grippewelle November bis Januar wurden offiziell 668 Tote gezählt. Nach dem Vorbild der Grippewelle von 2018 beträgt die tatsächliche Zahl der Toten das 15-fache, es sind dann etwa 10000 Tote durch die aktuelle Grippewelle insgesamt, ein Teil davon in den ersten Januarwochen, bleiben für 2022 etwa 7000 Tote. Auch davon wäre ein Teil der veränderten Altersstruktur zuzurechnen.
Nehmen wir noch weitere 10000 zusätzliche Tote durch Herz/Kreislauf-Erkrankungen, was ungefähr dem Trend von 2021 entspricht. Wie gehabt, ist auch davon ein Teil der veränderten Altersstruktur zuzurechen.
Wenn wir Hitzewelle, Influenza und Herz/Kreislauf von den 55000 abziehen, bleiben 33500, wegen der Altersstruktur ein Stück rauf, also rund 35000. Das ist der Anteil der Übersterblichkeit von 2022 für den es bislang gar keine Erklärung gibt. Nicht einmal unter Einbeziehung der Influenza.
35000 wären für ein normales Jahr bereits ein sehr hoher Wert, schlimmer als die scwerste Grippewelle der vergangenen Jahre mit 25000 Toten. Für 2022 kommen diese 35000 zusätzlich zu Corona und allem anderen noch oben drauf.
Nun hatte mein Freund, um das Beispiel wieder aufzugreifen, noch ein paar weitere Ideen. Ich war doch auch im Kino und dann war da die Taxifahrt und die Spende für den Tierschutzverein. Natürlich, warum bin ich nicht selbst darauf gekommen. Mag mein Dispo auch immer noch auf Anschlag stehen, ich habe Erklärungen, die mich zufrieden stellen. Endlich kann ich all die Sparmaßnahmen, die ich mir auferlegt hatte, vollständig beenden und meinen Financial Freedom Day feiern.
In Bezug auf die Übersterblichkeit lautet eine dieser Pseudo-Erklärungen, dass wegen der Lockdowns und wegen der Angst, sich zu infizieren, Menschen nicht zu wichtigen Vorsorgeuntersuchungen gegangen sind. Krebserkrankungen, die an sich erfolgreich hätten behandelt werden können, führen deshalb jetzt häufiger zum Tod als vor der Pandemie. Klingt gut, scheitert aber an der Realität. Die Zahl der Krebstoten ist nach der Todesursachenstatistik von Destatis 2020 gegenüber 2019 gleich geblieben und 2021 sogar zurückgegangen. Ein Anstieg wegen unterbliebener Vorsorgeuntersuchungen hätte sich aber 2021 bereits andeuten müssen.
Das gilt dann übrigens auch für eventuelle Impftote. Wenn es da eine signifikante Anzahl gäbe, dann hätte sich das bereits in der Übersterblichkeit von 2021 zeigen müssen.
Für die 35000 Toten mit bislang unbekannter Todesursache müssen wir nach etwas suchen, das erst seit 2022 existiert. Querdenker benutzen für die von ihnen behaupteten Impftoten das Bild vom Elefanten im Raum, über den niemand sprechen will, obwohl er doch so offensichtlich vorhanden ist.
Nun, der tatsächliche Elefant im Raum ist zunächst einmal eine wachsende Dunkelziffer bei Corona. Viele Länder haben bei Corona eine Dunkelziffer. Die WHO hat deshalb auf der Grundlage der Übersterblichkeit berechnet, dass statt der offiziell gezählten 6-7 Millionen bereits mehr als 15 Millionen Menschen weltweit an Corona gestorben sind.
Und Deutschland gehört seit 2022 ebenfalls zu den Ländern, die bei Corona eine Dunkelziffer aufweisen. Ein Ergebnis des lascheren Umgangs mit der Pandemie. Klar und einfach zu verstehen. Trotzdem gibt es Leute, die meinen, sie müssten Nein-abern.
Und es gibt einen weiteren Elefanten im Raum. 2022 hat sich die Omicron-Variante ausgebreitet. Die schafft es, die Immunabwehr weitgehend zu umgehen. Es wurden deshalb erheblich mehr Menschen infiziert als in den ersten beiden Pandemiejahren. Erst 2022 konnte es deshalb in größerem Umfang zu sekundären Todesfällen durch Corona kommen. Menschen, die eine Infektion mit Corona überstanden haben, dann aber wegen Schädigung des Immunsystems oder der Herzmuskulatur ein paar Monate später an einer anderen Krankheit bzw. Herzinfarkt sterben.
In diesem Fall wäre der davon verursachte Anteil der Übersterblichkeit ein Resultat der Durchseuchungsstrategie. Betroffen wären vor allem Ungeimpfte, die sich durch Infektion - auf natürliche Weise - immunisieren wollten.
Ich bleibe dabei, dass eine erhöhte Dunkelziffer bei Corona die plausibelste Erklärung für den größten Anteil der erhöhten Übersterblichkeit ist. Und, egal welche Methode man zur Berechnung der Übersterblichkeit heranzieht, Destatis oder Ifo, in jedem Fall war 2022 bisher das schlimmste Jahr der Pandemie.
realradioactiveman