MarinaG. schrieb:Ich denke, wichtig bei der eigenen Beschlussfindung, ist es, sich dieser Umstände gewahr zu sein und sie, soweit sie einem bewusst sind, kritisch zu prüfen und zu hinterfragen.
Genau das.
Das ist in de Tat die richtige Vorgehensweise. Wir brauchen als Menschen Trigger, die uns aus einer intuitiven Entscheidungsfindung bei bestimmten Umständen heraus nehmen und eine rationale Bewertung erzwingen.
Nur ist das nicht leicht. Man muss dafür diese Trigger eben etablieren. Man muss z.B. sagen: Da kenne ich mich so überhaupt nicht aus, da darf ich meine Meinung nicht mit meinem "gesunden Menschenverstand" aus dem Bauch heraus bilden, weil das hier nicht hilft."
MarinaG. schrieb:Ebenso wichtig finde ich indes auch die Prüfung von vermeintlichen Expertisen.
Schon. Aber der entscheidende Punkt ist hier die Art der Prüfung.
Die meisten versuchen dann, das mit dem eigenen Wissen zu prüfen. Schauen, ob es plausibel ist oder nicht.
Nur geht das halt schief. Wenn man inhaltlich quasi keine Ahnung hat, kann man das inhaltlich nicht prüfen. Nicht mal auf Plausibilität.
Man kann letztlich nur die Qualifikation und die Integrität des Sachverständigen sich ansehen und ggf. auch betrachten, wie andere Sachverständige das sehen. Aber schon letzteres ist für einen Laien fast unmöglich, weil das schon voraussetzt, dass man die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Aussagen inhaltlich beurteilen kann.
MarinaG. schrieb:und nicht jeder Fachmann ist irrtumsfrei
Niemand ist irrtumsfrei. Nirgends wirst Du Sicherheit bezüglich eines Erkenntnisgewinns erlangen können. Du kannst nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen, mit der eine Sichtweise eher richtig oder eher falsch ist.
MarinaG. schrieb:macht mich persönlich froh und sorgt bei mir für ein gutes Gefühl
Nur das ist es aber. Es fühlt sich gut an.
Es kann sich auch gut anfühlen, ohne Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Aber "fühlt sich gerade gut an", ist für lebensbestimmende Entscheidungen eine sehr schlechte Idee.
Das klappt prima, wenn man sich im Restaurant das Essen aussucht oder im Laden Kleidung. Aber Entscheidungen, die wichtig und ggf. kaum reversibel sind, mit dem "guten Gefühl dabei" zu treffen, ist extrem gefährlich.
MarinaG. schrieb:Natürlich kann auch ich mich irren
Nicht nur "natürlich", sondern viel eher als jemand, der sich damit auskennt. Und noch viel eher als eine Gruppe, die unter systematisch überprüften und überprüfbaren Umständen tätig ist.
Wenn Du in eine Mathematikvorlesung gehst und Mathe nicht so Dein Ding ist, kannst Du auch an die Tafel gehen und ein Ergebnis hinter die Formel schreiben, die dort steht. Vielleicht ist es mehr oder weniger zufällig richtig. Aber sehr wahrscheinlich ist es das nicht. Und das Ergebnis des Profs ist möglicherweise auch falsch - sehr viel wahrscheinlicher als Deines aber richtig.
Der Unterschied hier ist: Bei Mathe erkennt man es meist selbst, wenn man keine Ahnung hat. Bei Gesundheitsthemen fällt das viel schwerer.
MarinaG. schrieb:und persönliche Anekdoten sind ja unerwünscht
Das sind sie nicht.
Sie haben nur keinerlei Relevanz für eine Herleitung oder Schlussfolgerung.
MarinaG. schrieb:und bin dankbar, dass ich in einem Land lebe, in dem der Gesetzgeber dieses Freiheitsrecht des Einzelnen einräumt
Absolut.
Aber Du musst auch Bedenken, dass Deine Freiheitsrechte die Freiheitsrechte anderer direkt oder indirekt beschneiden können. Das, was Dir gefällt kann anderen schaden. Und das ist das Problem. Denn Du siehst erst mal die Einschränkung Deiner Freiheit - nicht aber die Einschränkung der Freiheit anderer. Hier muss der Staat einspringen und im Idealfall für einen fairen Ausgleich sorgen.
Palfrader schrieb:Mit Verlaub gesagt, ich traue kaum jemanden aus der breiten Masse zu, die Expertisen zum Thema Corona auf eigene Faust prüfen zu können.
Eben.
MarinaG. schrieb:Ich finde schon, dass man als Laie einiges tun kann, um dargebotene Informationen zu verifizieren.
Das ist leider ein Fehlschluss. Das zeigt sich im nächsten Punkt deutlich:
MarinaG. schrieb:die allgegenwärtige Frage: Cui bono?
Das hilft gar nicht weiter.
Diese Frage hilft, wenn man weiß, wie es ist und nun herausfinden möchte, wer war es. Vielleicht noch, um einen Sachverhalt besonders gründlich zu betrachten. Sie hilft kein bisschen bei einer inhaltlichen Bewertung.
MarinaG. schrieb:Man kann verschiedene Expertenmeinungen, die mitunter ja kontrovers sind, zur Meinungsbildung heranziehen.
Ohne inhaltliche Ahnung kann man das nicht. Oder fast nicht. Da ist das Risiko, dass man die jeweiligen Sichtweisen bzw. Erläuterungen gar nicht versteht, viel größer als der Gewinn hieraus.
MarinaG. schrieb:Recherche auf eigene Faust und innerhalb autodidaktischen Lernens, sorgt auch für ein Mehr an persönlicher Bildung
Das stimmt nur für einfachere Themen. Bei komplexen und eher unbekannten Inhalten ist es eher wahrscheinlich, dass man das falsch interpretiert und damit gerade nichts lernt.
MarinaG. schrieb:Ich sage mir immer: Ich habe (m)ein Hirn, um es zu nutzen.
Nur wofür.
Wenn man in einem Thema zu wenig weiß, weiß man leider auch nicht, wie viel man zuwenig weiß und überschätzt sich.
Ich habe ein schönes Beispiel für solche Fälle:
Ich bin Jurist und früher hatte ich viel mit Lehrern zu tun. Das betrifft sich nicht nur diese Berufsgruppe, aber da fand ich es als auffällig.
Oftmals haben sie sich "vorbereitet". Haben Gesetzestexte gelesen oder gar Urteile. Und dann mit ihrem Wissen sich eine Meinung dazu gebildet. Stellen schön unterstrichen und eben so interpretiert, wie sie es mit ihrem Wissen verstanden haben. Und wie man es - als Laie - auch verstehen könnte.
Aber es war halt quasi immer falsch. Die Dinge schienen eben nur zu passen. Es klang gut und plausibel, aber war eben falsch.
Mit Ahnung weiß man, warum es falsch ist. Warum ein anderes Gesetz einschlägig ist oder was in dem Urteil steht und was nicht.