Flitzschnitzel schrieb:Seltsame Betrachtung eines Erfolges
Das war weniger ne Betrachtung sondern eher eine Information darüber was ein Behandlungsvertrag vorsieht und was eben nicht.
Flitzschnitzel schrieb:Denn hier geht es weder um ein Kastrieren noch um eine Einschläferung.
Exakt. Und genau das ist der Punkt.
Bei einer Sterilisation schulde ich auch in einem Behandlungsvertrag einen festgelegten, klar definierten Erfolg, nämlich den dass mein Patient nach dem von mir durchgeführtem Eingriff nicht mehr zeugungs- bzw empfängnisfähig ist.
Bei jeder anderen Behandlung ist der "Erfolg" nicht vom Zustand des Patienten abhängig, sondern davon ob (je nach vereinbarter Behandlung) der aktuelle Wissensstand zum Wohl des Patienten (das kann neben der Linderung von Leid ja auch z.B. Prävention sein) so gewissenhaft und umfangreich wie möglich ausgeschöpft wurde.
Flitzschnitzel schrieb:Glaubst?
Ich glaube aus Prinzip an gar nichts.
Aber auch wenn in der Medizin nicht immer alles glasklar ist gibt es dennoch bewährte Standardprozeduren, auch gern als "nach Lehrbuch" bezeichnet, unter entsprechenden Umständen das "Mittel der Wahl" sind und ein künstliches Koma einzuleiten wenn das Leid des Patienten anderweitig nicht oder nicht umfassend genug gelindert werden kann ist ein solches "Mittel der Wahl".
Deswegen ist es zwar unmöglich zu beurteilen ob diese Vorgehensweise in diesem konkreten Fall das "Mittel der Wahl" war.
Es ist lediglich möglich, dass die im Bericht genannte Behandlung eine adäquate Behandlung der im Bericht dargestellten Leiden ist.
Ob beides umfassend und abschließend auf diesen konkreten Fall zutrifft lässt sich unmöglich sagen, weswegen ich auch wie bereits geschrieben nur darüber urteilen kann ob die geschilderte Behandlung zu den geschilderten Beschwerden passt.
Das ist hier der Fall. Nicht mehr und nicht weniger.
Prüfen ob überhaupt und in welchem Umfang der Bericht alle wichtigen Fakten beinhalten kann ich wie ebenfalls gesagt nicht.
Flitzschnitzel schrieb:Trotzdem zeigt es doch nur, dass da noch Platz nach oben in der Medizin selbst ist, damit auch irgendwann Menschen wie sie genesen und nicht nur sterben können.
Jain.
Die Möglichkeiten der Medizin entwickeln sich weiter, das ist richtig.
Aber sie tun es zum Glück nicht nur in Richtung Genesung.
Ganz gleich wie weit die Medizin ist, es wird immer Fälle geben in denen eine Heilung ausgeschlossen oder zumindest so unwahrscheinlich ist, dass das Ziel der Behandlung sich nicht auf eine Genesung des Patienten richten kann, sondern darauf sein Leid zu lindern und seine Würde zu schützen, dabei ist Ersteres ein verhältnismäßig unkomplizierter Vorgang, während die Sache mit der Würde nur dann vernünftige Erfolgsaussichten hat, wenn der Patient selbst oder die, die ihm nahe stehen benennen können, was genau dieses Individuum braucht um sich nicht entwürdigt zu fühlen.
In den Niederlanden werden außerdem mehrere unterschiedliche Formen der Sterbehilfe diskutiert, in einigen anderen Ländern zumindest die passive Sterbehilfe oder der assistierte Suizid.
In Deutschland wird die Rechtslage in diesem Punkt mindestens noch solange unklar bleiben wie Menschen dem Irrglauben aufsitzen, dass eine immer bessere Palliativversorgung jeden Sterbewunsch eliminiert (die Mehrdeutigkeit dieser Formulierung ist nicht von mir gewollt).
Aber auch in Deutschland ist es für die Erfüllung der ärztlichen Pflichten unumgänglich und somit auch rechtlich abgesichert, dass ins Besondere (aber nicht ausschließlich) in der Palliativmedizin therapeutische Verfahren um Leid des Patienten zu lindern auch dann zulässig sind, wenn sie das Versterben des Patienten begünstigen oder beschleunigen können. Dies ist auch absolut notwendig, da die durch das Grundgesetz abgesicherte Würde des Menschen ohne diesen "Kompromiss" nicht im sinn- und notwendigem Umfang geschützt werden könnte.
Flitzschnitzel schrieb:Aber in ähnlichen Fällen wie diesen, wollen sie es meist aus einem... hm... falschen unbewussten Grundannahme heraus.
Wem, wenn nicht dem Patienten selbst bzw dessen gesetzlichem Vertreter, sollte es denn Deiner Ansicht nach obliegen darüber zu urteilen ob jemand, der mit den ausgeteilten Karten nicht spielen möchte das "falsch" sieht bzw was befähigt einen Dritten sich anzumaßen darüber zu entscheiden was ein Mensch gefälligst zu ertragen hat und wann ein Sterbewunsch zu respektieren ist?
Flitzschnitzel schrieb:Wenn du bei einer Depression des eigenen Kindes, ihm auch noch zusprechen würdest es wäre in Wirklichkeit auch so, dass es keine Lösungen gibt, dann prost Mahlzeit.
Soll ich mein Kind dessen Depression sich als therapieresistent erwiesen hat lieber anlügen und eine Besserung versprechen obgleich die Prognose das gar nicht hergibt?
Flitzschnitzel schrieb:wenn Schlüsse aus falschen Beweggründen gezogen werden
Meine Frage bleibt die Gleiche.
Warum sollte jemand darüber urteilen dürfen ob die Beweggründe eines anderen Menschen "falsch" sind?
Was würde eine derartige Entmündigung rechtfertigen?
Ich gehe durchaus davon aus, dass wir uns einig sind, dass psychisch Kranke oder instabile Menschen von unüberlegten Kurzschlusshandlungen abgebracht werden sollten, auch dann, wenn dafür eine Zwangsanwendung notwendig ist.
Aber es geht hier nicht um übereilte Schnellschüsse sondern um die Frage mit welchem Recht sich irgendjemand gegen die über einen längeren Zeitraum "gereifte" Entscheidung eines Anderen stellen kann bzw welche guten Gründe für ein solches Recht und gegen die Selbstbestimmung sprechen.