yong schrieb:Als Eltern ist das schon eine absolute Extremsituation. Ich hätte mir nie ansehen können wie mein Kind stirbt.
Das konnten ihre Eltern ganz offensichtlich auch nicht ohne dabei Zweifel zu haben.
Aber das Mädchen hatte "Glück im Unglück".
Ihre Eltern haben auch gesehen, wie ihre Tochter zwangseingewiesen und ohne jeden eigenen Handlungsspielraum künstlich am Leben erhalten wurde ohne das bei dieser "Behandlung" irgendetwas auftauchte, das geeignet war ihrem Kind auch nur Ansatzweise so etwas wie eine "Perspektive" zu geben.
Offenbar ist den Eltern klar geworden, dass "Liebe" manchmal auch bedeutet loszulassen und etwas zu akzeptieren was man selbst nicht nachvollziehen kann.
Deswegen konnte das Mädchen sein Leiden beenden und wird nicht irgendwo hinter Mauern und Gittern ruhig gestellt und zwanghaft am Leben gehalten ohne das jemandem ein gutes Argument einfällt, was die Patientin denn nun genau von diesem Leben hat.
yong schrieb:Mal ehrlich, wir haben alle Mist erlebt, manche sehr schlimmen Mist, viele sind missbraucht worden, aber kann man sich da nicht etwas zusammen nehmen?
Eine Frage die ich mir, nicht zuletzt auch wegen meiner eigenen "Gefühllosigkeit" häufig gestellt habe und die mich sicherlich zu so manch sehr unfairem Urteil fehlgeleitet hat.
Denn die Antwort auf Deine Frage ist aus dem Schicksal dieser jungen Frau deutlich zu entnehmen;
"Nein, manche Menschen können sich eben nicht "zusammen nehmen".
Menschen sind unterschiedlich.
Manche bemerken so Einiges, das für andere Leid bedeuten würde kaum bis gar nicht, andere werden durch jedes Leid stärker, aber es gibt eben auch jene die NICHT "aufstehen", "an dem wachsen was sie nicht umbringt" oder sonstigen "Durchhalteparolen" folgen können und wollen.
Manche Menschen "bewerten" ihr Leben und kommen zu dem Schluss: "Dass isses MIR nicht wert."
Jammerlappen die über Kleinkram oder temporäres "Seelenaua" das Drama ausgießen hilft man manchmal mit einem ordentlichem Ar...tritt.
Grade wenn offenkundig wird, dass sie nicht einmal ansatzweise von 12 bis Mittags denken.
Aber Menschen die über einen längeren Zeitraum und echter Reflektion von Hilfsangeboten immer wieder zu dem gleichem Schluss kommen sollte man meiner Meinung nach den gleichen Respekt entgegenbringen wie Menschen die trotz "Ausweglosigkeit" weiter machen möchten.
Gibt es ja auch.
Krankheiten die nun einmal nicht heilbar sind und dennoch wäre es ganz schön respektlos zu sagen "Nö, Du kriegst keine Chemo usw, denn JEDE Statistik spricht dagegen, dass Du ne Chance hast."
Kurzschlussreaktionen zu vermeiden, auch mit Zwangsmaßnahmen halte auch ich in einem gewissen Rahmen für sinnvoll, aber irgendwann muss nen Mensch auch mal das Recht haben selbst zu sagen was er will und was nicht.
yong schrieb:Mit 17 hat man doch noch gar nicht richtig angefangen zu leben, da gibt es noch so viel was man erleben möchte.
"Man" ist meist eine fragwürdige Zusammenfassung die individuellen Persönlichkeiten kaum gerecht werden kann.
Das Mädel hatte mit 17 schon Vieles erlebt von dem sie ganz genau wusste, dass es
1. schlimm war
2. sie das nicht nocheinmal erleben möchte
aber
3. die Erfahrung gemacht hatte, dass es solange sie lebt keine Garantie geben wird, dass ihr Vergleichbares oder gar Schlimmeres nicht noch einmal passiert.
Und als Fazit kam sie eben zu dem Schluss, dass dieses "Was Du nicht alles verpasst." für sie ganz persönlich das Risiko weitere "unschöne Erfahrungen" (um mal gewaltig zu untertreiben) machen zu müssen einfach mal nicht aufwiegen konnte.
Diese Entscheidung traf sie nicht in einer schlechten Woche, sondern über Jahre hinweg.
yong schrieb:Falls dem so ist, dann hat die Ärmste wirklich nicht die Hilfe bekommen die sie verdient hätte.
Oder aber sie bekam die Hilfe die möglich war und das Ergebnis war eben nicht "Wird alles wieder dufte" sondern DASS sie sich so klar darüber war, dass sie diesem Leben keine weiteren Chancen geben kann und will.
yong schrieb:Was sehr traurig ist, denn ein so junges leben sollte man nie einfach so wegwerfen.
Also von "einfach so wegwerfen" kann hier ja mal so gar keine Rede sein.
yong schrieb:Das ist eben so unbegreiflich für mich.
Jup für mich auch, aber ich hatte das Glück von Menschen aufgezogen zu werden, die mir beigebracht haben, dass ich ein guter Maßstab bin, aber NUR für mich selbst und für niemanden sonst.
yong schrieb:Ich lasse mir doch mein Leben nicht von fremden Menschen zerstören.
Du nicht, ich auch nicht aber das Leben dieser jungen Frau wurde von fremden Menschen zerstört und es steht Unbeteiligten nicht zu ihre Einschätzung betrefflich ihres eigenen Lebens abzuwerten indem man ihr einredet, dass ihr Leben nicht zerstört sei.
Sie hat es so empfunden und da sie dieses Leben hätte leben müssen ist am Ende des Liedes auch ihre Empfindung und nur die von Bedeutung.
yong schrieb:Warum kämpft man nicht sondern ergibt sich der Situation?
Weil es Menschen gibt die das nicht können und als sei das nicht schlimm genug haben die Menschen, die anderen Böses wollen leider auch oft ein gutes Gespür dafür wem sie was antun können.
Warum sollte ein Vergewaltiger riskieren von mir ausgeweidet zu werden, wenn er sich nur ein Opfer suchen muss, das aus anderem Holz geschnitzt ist als ich?
filiz schrieb:aber wenn man die "nötige Unterstützung" bekommt kann es weitergehen.
Für manche Menschen ja und für andere eben nicht.
Wie gesagt "man" ist nicht geeignet um individuelle Schicksale greifbar zu machen.
filiz schrieb:Zudem habe ich auch eine schwere Vergangenheit hinter mir, bin zwar kein Vergewaltigungsopfer, aber ich hatte es auch nicht einfach.
NIEMAND hat es einfach.
Jeder trägt sein Kreuz aber was man tragen kann ist eben extrem unterschiedlich und von sich auf andere zu schließen hilft unter keinen Umständen dabei andere besser zu verstehen, aber es führt zu massen an Fehlurteilen.
yong schrieb:Warum haben die Eltern sie gehen lassen?
Weil sie sie genug geliebt haben um zu sehen, dass Würde und Lebenslust nicht in ihre Tochter zurückkehren, wenn man sie zwangsweise am Leben hält und ignoriert das dieser Mensch abgewägt und eine selbstbestimmte Entscheidung getroffen hat.
Es wäre sicher einfacher für die Eltern gewesen eine weitere Zwangseinweisung zu erwirken und ihr Kind wieder einsperren und jeder freien Entscheidung berauben zu lassen.
Aber jemanden aufrecht zu lieben bedeutet eben dazu bereit zu sein den "angebrachten" Weg nicht danach auszusuchen wie einfach er ist oder "was die anderen sagen" sondern was sich richtig anfühlt für den, den man liebt.
Und wie gesagt, wir reden hier nicht über die Kurzschlusshandlung eines liebeskranken Teenagers ohne Gespür für das "echte Leben" sondern von einem Menschen der über mehrere Jahre hinweg sehr facettenreich überlegt hat was er möchte, sich entschieden hat und mit Eltern "gesegnet" war, die nicht an sich selbst dachten, sondern bereit waren dem "Team" ihrer Tochter beizutreten, auch wenn das mal sicher nicht das war, was sie sich für ihr Kind gewünscht haben.
Aber sich etwas zu wünschen ist manchmal eben nicht genug.
borabora schrieb:Festhalten um jeden Preis hat mMn nicht viel mit Liebe zu tun.
So isses.
Wenn man liebt, dann zählt eben nicht immer das was man selbst gern hätte, sondern das was derjenige dem man in dieser Liebe zugetan ist will und diese junge Frau sagte "GENUG jetzt!"
yong schrieb:Bis dahin verstehe ich die Eltern, doch ich hätte versucht mit dem armen Kind zu kämpfen
Es weist alles darauf hin, dass sie genau das getan haben.
Aber sich in einen Kampf zu stürzen garantiert eben nicht, dass man auch siegreich aus diesem Kampf hinausgeht.
filiz schrieb:ja, mein Freund war Soldat in Israel und am Libanonkrieg 2006 beteiligt.
Jup, wie gesagt, ist keine perfekte Welt, jeder trägt sein Päckchen.
Aber es ist noch nie jemandem besser gegangen nur weil es irgendwo jemandem noch schlechter geht.
Was jemand persönlich ertragen kann hat keinen Einfluss auf das was für jemand Anderes erträglich ist.
Menschen wie mich bekommt man nicht einmal kaputt wenn man es versucht aber das nimmt mir zum Glück nicht die Weitsicht, dass das auf Andere nicht übertragbar ist und folglich weiß ich, dass ich nicht das Recht habe von anderen zu verlangen dass sie ständig weiterkämpfen nur weil ich das könnte.
Als ich klein war habe ich mir oft gewünscht ich könnte diese Kraft in Flaschen abfüllen und an andere weiter geben.
Das geht aber nicht.
Manchen Menschen können durch die Hilfe von Anderen lernen an die Kraft zu kommen die es bedarf um weiter zu machen aber es gibt eben auch Menschen die das nicht können oder es zwar könnten, aber es nicht wollen, weil sie gar nicht einsehen sich durch ein Leben zu quälen bei dem jeder Tag ein Kampf ist und sie merken das sie noch leben, weil sie leiden.
Es ist doch völlig wurscht was ich, Du, mein Nachbar, der Papst oder Marsmenschen über das Leben einer anderen Person denken.
DIESE Person muss ihr Leben leben, deswegen ist es doch nur sinnvoll, dass diese Person auch darüber entscheidet ob sie das Leben so leben will.
yong schrieb:Die Eltern prangern auch das marode System in Holland an.
Das kann man aber auch unabhängig voneinander tun.
Denn sie können ja nur annehmen, dass es für ihre Tochter mit "besserer Hilfe" vielleicht auch eine bessere Chance gegeben hätte, aber sie wissen nicht ob das gereicht hätte.
Sie haben akzeptiert, dass ihre Tochter gehen wollte, setzen sich aber dafür ein, dass die Hilfe verbessert wird, damit Menschen deren "Eigenprognose" günstiger ist durch bessere Hilfsangebote eine höhere Chance haben.
Ich sehe da keinen Widerspruch.
Sie haben ihr Kind verloren, aber sie haben die Kraft sich dafür einzusetzen, dass anderen dieses Schicksal erspart wird durch eine Kombination aus einer besseren Ausgangslage und besseren Hilfsangeboten.
yong schrieb:Dann wäre ich mit meinem Kind durchs ganze Land gefahren und hätte keine Ruhe gegeben.
Jup, das täten viele bzw tun es, aus vielerlei Gründen und in vielen Situationen.
Aber nicht immer ist das auch im Interesse dessen, der durchs ganze Land geschleift wird.
Manchmal besteht der größere "Gefallen" darin zu akzeptieren, dass ein geliebter Mensch kein Interesse (mehr) am täglichem Kampf ums "Überleben" hat.
yong schrieb:Schmerz vergeht und es gibt viel für das es sich lohnt zu leben.
Es ist gut und richtig Menschen die mit Lebensmüdigkeit umgehen nahezulegen, dass eine Menge Schmerz vergehen
kann und
viele Menschen im Laufe der Zeit etwas finden, dass sie glücklich macht am Leben festgehalten zu haben.
Aber es ist falsch so zu tun als würde jeder Schmerz vergehen und die Zeit die Wunden eines jeden Menschen immer in dem Umfang heilen der nötig ist um über da "Überleben" hinaus und in den Genuss einer echten Lebensfreude zu kommen.