grätchen schrieb:Ich frage mich nur, ob ich das ganze zu dramatisch sehe?
Nein. Eine psychische Erkrankung ist zwar nicht unbedingt ein Indiz dafür, dass jemand wirklich gefährlich ist, auch wenn er schon mal auffällig war. Allerdings bist du, wenn du vom Pflegedienst bist, doch auch gar nicht dafür ausgebildet, mit psychisch kranken Menschen umzugehen und dann muss der Chef da Fürsorge betreiben und abklären, was es mit dem Sohn auf sich hat und eine Einschätzung vornehmen, ob Gefahr bestehen könnte.
Wenn dann auch noch eine Waffe ins Spiel kommt, ist da ganz klar Handlungsbedarf.
Ich bin in der ambulanten Betreuung psychisch kranker Erwachsener und wenn wir einen männlichen Klienten aufnehmen, der bereits wegen z.B. Belästigung, Missbrauch, Vergewaltigung usw. angezeigt wurde, das dann am Ende noch mehrfach und und und, dann geht da auch keine weibliche Mitarbeiterin in die Betreuung. Weil mein Arbeitgeber dafür Sorge trägt, dass das Risiko, in eine gefährliche Situation zu kommen, so klein wie möglich bleibt. Und das ist meiner Meinung nach auch absolut wichtig!
grätchen schrieb:Wäret Ihr in der Situation, in der meine Kolleginnen und ich sind, würdet Ihr dort (also in dem beschriebenen Haushalt) arbeiten?
Ich persönlich bin oft der Situation ausgesetzt, dass ich in Haushalte muss, die ich nicht kenne, mit Menschen mit psychischer Erkrankung und wenn ich die Vorinformation habe, dass es schon öfter Ärger mit den Leuten gab, dann vereinbar ich z.B. lieber nen neutralen Treffpunkt. Aber ich bin auch dafür ausgebildet, mit diesen Leuten umzugehen. Ich würde mal die Kolleginnen fragen, wie sie das einschätzen und von meinem Chef fordern, dass er das mal abcheckt und dementsprechend entscheiden soll. Und wenn er die Fürsorge nicht tragen will, dann würde ich nicht mehr gehen.
Ich habe einen Klienten, der eine Machete unter seinem Tisch hat. Er ist nicht bösartig oder so, eigentlich ist es ein lieber, älterer Kerl, der nur bei einem bestimmten Thema sehr aufgebracht wird, das Gefühl bezieht sich auch auf eine andere Person. Da hat er die Machete auch schon mal vorgeholt und mir vor die Nase gehalten. War schon erstmal ein ziemlich ungutes Gefühl, aber ich kenn ihn schon ne Weile und kann ihn einschätzen und weiß auch, dass er mich wenn überhaupt wohl eher versehentlich verletzen könnte, als absichtlich. Trotzdem hab ich ihm gesagt, dass ich nicht möchte, dass er sie vorholt, wenn ich da bin und tut er das, gehe ich. Sich da zu schützen ist also vollkommen angemessen, wenn es um Waffen geht. Du kennst den Sohn nicht, kannst ihn nicht einschätzen, hast eventuell wenig Fachwissen im Bezug auf psychische Erkrankungen, der Kerl war schon auffällig und da liegt eine Schusswaffe. Wenn dein Chef sich da quer stellt, würde ich überlegen, ob es der Rahmen der Schweigepflicht zulässt, das bei der Polizei zu melden. Klär das aber auf jeden Fall ab, falls du es melden willst!
Ansonsten; ich hab einen Klienten betreut, der an HIV erkrankt war, was im Laufe unserer Betreuung ausgebrochen ist. Ich hab ihn danach noch einmal gesehen und er sah wirklich übel aus (waren auch noch einige andere Krankheiten dran beteiligt) und mich dann auch geweigert, noch weiter zu ihm zu fahren und das wurde von meinen Chefs dann sogar unterstützt. Es ist ganz wichtig, dass man da gute Führungskräfte hat, die verantwortungsbewusst mit solchen Themen umgehen.