@effy85 Hallo Effy,
ich bin etwa in deinem Alter und kann mich in deiner Beschreibung ganz gut wieder finden. Allerdings bin ich homosexuell. Als Kind habe ich immer gedacht ich wolle ein Mädchen sein. Es gibt Menschen, die wissen von klein auf, dass sie tans* sind, aber ich habe als junger Erwachsener endgültig fest gestellt, dass das bei mir nicht der Fall ist. Ich empfinde meinen Körper nicht als falsch, das männliche Pronomen irritiert mich nicht und ich habe männliche Rollenbilder, die mich inspirieren.
Dass meine Identität, mein Männlichkeitskonzept nicht zwangsläufig dazu führen muss ,meinen Körper zu verändern, um als Frau meine Identität leben zu können, habe ich tatsächlich im Umgang mit Trans*menschen gelernt. Der Leidensdruck da ein ganz anderer als bei mir. Ich wurde einfach mein ganzes Leben lang dafür diskriminiert, dass ich nicht genug männliche Attribute erfülle.
Die Homosexualität wurde mir sehr früh zugeschrieben, noch bevor ich überhaupt in der Pubertät war und tatsächlich sehe ich die aber eher in untergeordnete Rolle, was meine Erfahrungen angeht. Weil nie jemand wirklich rückgefragt hat, ob ich homosexuell bin, bevor er mich diskriminierte und demütigte, sondern das die Kategorie "untergeordnete Männlichkeit" war, in die ich einfach gepackt wurde.
ich glaube tatsächlich der größte Konflikt, den ich bis heute habe ist, wenn Menschen von mir erwarten, dass ich mich wie ein "Mann" verhalte im Wechselspiel der Geschlechter. Also wenn ich z.B. mit einer Freundin unterwegs bin und die einen Koffer dabei hat und andere Leute Sprüche machen, weil ich den nicht trage, obwohl sie genauso viel Kraft hat wie ich. Oder wenn ich mit Freundinnen im Restaurant bin und die Bedienung mir ohne Nachzufragen den Wein zur Verköstigung einschenkt und ich diesen Tanz vorführen soll; schnuppern, kosten, abnicken.
Ich kann gar nicht sagen, warum mich diese Kleinigkeiten mehr stören, als Beschimpfungen von Fremden... vielleicht weil ich mich dann auf mein Geschlecht beschränkt fühle? Wenn mir der Problet "Schwuchtel" o.ä. hinterherruft (und das kommt öfter vor, als die meisten denken), dann beleidigt er mich ja für etwas, was ich wirklich bin. Er sieht meinen Gang, hört vielleicht wie ich spreche und beschreibt mich abwertend mit diesem Wort und lässt mich wissen, dass er mich als untergeordnete Männlichkeit wahr nimmt. Irgendwie kann ich damit umgehen, obgleich es mich natürlich stört- aber es verletzt mich schon lange nicht mehr.
Wenn aber Menschen in alltäglichen Situationen mir die klassische Männerrolle zuschreiben, mit den entsprechenden Erwartungen (Stärke, Souveränität, Mut zur Entscheidung etc...) dann setzt mich das unter Druck, so wie damals in der Schule, als alle Jungen Fußball mochten und ich es hasste und allein das Aggressionen auf mich gezogen hat.
Darf ich fragen in was für einem Umfeld du lebst? Also wo im deutschsprachigen Raum und eher urban oder ländlich?