Gildonus schrieb am 23.07.2021:Die Inflation kommt schon noch, aber aus anderen Gründen. Die Staaten müssen mit viel Geld gegen die wirtschaftlichen Coronafolgen ankämfen und die EZB hat angekündigt diese "durchlaufen" zu lassen. Geht es um die Gesammtschulden im Euroraum, ist Inflation eine naheliegende Möglichkeit diese zu bezahlen und nach vielen Finanzexperten ist das auch die Einzige, die es noch gibt.
Genau so sehe ich es auch. Hervorragend auf den Punkt gebracht meiner Meinung nach 👌
Die Verflechtung von EZB-Zinspolitik und Staatsverschuldung im Euroraum ist nach meiner Auffassung der entscheidende Knackpunkt. Hier werden durch Niedrigzinsen im Grunde in erster Linie Staatskredite zur Bewältigung der Corona-Krise finanziert, die bei einer Zinswende für die betreffenden Staaten nicht mehr zu schultern wären. Daher ist die EZB in einer Spirale gefangen, die kaum noch aufzuhalten ist.
Das Anziehen der Inflationsrate (insb. bei den Verbraucherpreisen) ist in meinen Augen eine natürliche Reaktion des Marktes auf gewisse (u.a. auch politische) Ungleichgewichte, die in der Euro-Zone (ebenso wie auch in anderen Märkten) vorherrschen. Insofern sehe ich die Steigung der Inflationsrate auch mit absoluter Gelassenheit.
Was meine ich damit:
1. Das Ungleichgewicht besteht in der Euro-Zone ja bekanntlich schon seit längerem darin, dass es gewissen Staaten gibt die höher verschuldet sind (z.B. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien) wohingegen andere eine vergleichsweise geringe Staatsverschuldung (z.B. Deutschland, Niederlande, Finnland, Slowakei, Irland) aufweisen.
2. Die Niedrigzinspolitik der EZB die unter Mario Draghi als Reaktion auf die Euro-Krise eingeführt wurde und die bis heute ohne Ruckführung in Kraft geblieben ist, begünstigt Schuldner und wirkt insofern als Katalysator für weitere Staatsverschuldung, was letztlich zunächst insbesondere den Ländern mit höherer Staatsverschuldung entgegen kommt. Oder umgekehrt formuliert: Nur durch die Niedrigzinspolitik der EZB sowie ihre umfangreichen Maßnahmen beim Kauf von Staatsanleihen wird der Staatsbankrott gewisser Euro-Staaten verhindert.
Vor allem Griechenland hätte mit einer Staatsverschuldung von über 200% des Bruttoinlandsproduktes angesichts seiner geringen internationalen marktwirtschaftlichen Relevanz wohl sonst keine besonders guten Aussichten gehabt jemanden zu finden, der den Staatshaushalt finanziert hätte.
Auch bei Italien ist die Staatsverschuldung potenziell bedrohlich, da die geopolitische Relevanz des Landes aus globaler Sicht eher dürftig ist. Allerdings muss man auch erwähnen dass man hier durch den konzentrierten Ausbau des Erneuerbaren Energie Sektors einen Schritt in die richtige Richtung gegangen ist um irgendwann vielleicht doch mal eine globale Bedeutung zu erlangen. Grundsätzlich ist die geographische Lage des Landes am Mittelmeer mit direkter Anbindung an den Seeweg zum Afrikanischen Kontinent prädestiniert für eine geopolitische Hauptrolle.
3. Die Inflation trifft auch die verschuldeten Staaten und treibt dort die Verbraucherpreise hoch. D.h. dass gerade in Italien wo der Staat verschuldet ist aber nicht so sehr die privaten Haushalten, das Interesse der Bevölkerung tatsächlich auch eher in Richtung Zinswende tendieren könnte. Ähnlich wie in Deutschland würde sich aus dieser Tendenz dann entsprechend politischer Druck entwickeln, was am Ende durchaus auch mal Wahlen mitentscheiden kann.