Gildonus schrieb am 14.07.2021:Einen grßen Einfluß hätte aber die Rückkehr der Inflation und das könnte heftig werden für die allgemeine Wirtschaft. Für Sachwerte wie Aktien wäre das aber eher so etwas wie Dünger für den Rasen.
Prinzipiell teile ich Deine grundsätzliche Einschätzung hinsichtlich der Einflüsse einer deutlich zunehmenden Inflation für die Volkswirtschaft.
Was die von Dir genannten Effekte auf Aktien bzw. Vermögenswerte anbelangt, würde ich jedoch eher widersprechen.
1. Ja. Wir haben eine relativ spürbare Inflation, die meiner Meinung nach auch vorerst nicht wieder so schnell verschwindet.
2. Aber nein. Ich persönlich glaube trotzdem nicht, dass die Inflation die von Dir genannten Effekte auf die Kapitalmärkte (sei es der Aktienmarkt oder sonstige Vermögensklassen wie z.B. Immobilien) haben wird.
Warum vertrete ich diese Auffassung:
Zunächst muss man ja festhalten, dass Dein Gedankengang grundsätzlich nahe liegt. Normalerweise müsste eine Entwertung des Geldes (Inflation) tatsächlich eigentlich eine verhältnismäßige Verteuerung der Vermögenswerte wie etwa Aktien oder Immobilien nach sich ziehen. Der Grund dafür ist, dass die Menschen in der Erwartung des inflationsbedingten Wertverlustes ihres "Bar"-Geldes auf dem Bankkonto ihre Cash-Ersparnisse gegen Kapitalanlage-Klassen eintauschen, von denen sie zukünftig eine Steigerung des Wertes erwarten. Oder mit anderen Worten: Sie tauschen es gegen Kapitalanlage-Klassen, die in der Vergangenheit ihren Wert gesteigert haben.
Da reden wir dann z.B. von Aktien wie Apple, Amazon, Facebook, Biontech, Nvidia, Deutsche Post, Tesla (uvm) oder etwa den Kauf von Immobilien zur Vermietung bzw. zur Eigennutzung um selbst eben keine Miete mehr bezahlen zu müssen sondern stattdessen eben selbst Eigentum zu bilden.
Das Problem das ich dabei jetzt allerdings sehe: Wir befinden uns derzeit in einem Umfeld, in dem es die allgemeine Grundhaltung ist dass man mit Investitionen in bestimmte Aktien und Immobilien nichts falsch machen kann. Selbst die öffentlichen Medien und Politiker vermitteln den Menschen das sichere Gefühl, dass man mit diesen Anlageklassen seine Ersparnisse vor der Inflation retten müsse.
Das ist in meinen Augen ein erster (marktpsychologischer) Indikator dafür, dass es gerade jetzt genau der falsche Zeitpunkt ist um diese Investitionen zu tätigen. Es handelt sich bei dieser vermögensvernichtenden Inflation von der Du in deinem Beitrag ja auch gesprochen hast tatsächlich genau genommen aber um eine
Inflationserwartung. Ebenso handelt es sich bei dem Vermögenswachstum durch Aktienanlagen und Immobilienerträge auch nur um eine
Wachstumserwartung.
Meiner Meinung nach sind beide Erwartungen momentan übertrieben.
Die Ursache der Inflation besteht meiner Meinung nach in erster Linie in den aktuellen wirtschaftspolitischen Regierungsmaßnahmen. Im Rahmen der Corona-Pandemie wurden von der Bundesregierung beträchtliche Mengen an Finanzmitteln in Umlauf gebracht, denen jedoch keinerlei realwirtschaftlichen Produktivitätsgewinne gegenüber stehen. Das heißt also: Die im Umlauf befindliche Geldmenge wurde durch staatliche Finanzspritzen erhöht, aber der Wert der Handelsgüter (also diejenigen Waren/Dienstleistungen, die man mit dem Geld erwirbt) ist gleich geblieben.
Mit anderen Worten: Der Staat hat durch seine wirtschaftspolitischen Rettungsmaßnahmen während der Corona-Pandemie einen volkswirtschaftlichen Stillstand subventioniert indem er Finanzmittel an Unternehmen vergeben hat, die für diese Zuschüsse aus marktwirtschaftlicher Sicht keine Berechtigung gehabt hätten.
Es gibt nach meiner Auffassung auch ganz grundsätzlich keinen rationalen Grund zur Annahme, dass die bekannten großen börsennotierten Unternehmen (Amazon, Apple, Alphabet, Facebook, Netflix etc) realwirtschaftlich von einer Inflation profitieren können, da es sich bei den meisten darunter um Konsumenten-Unternehmen mit solchen Dienstleistungen handelt, auf die der Konsument in einer Inflation wohl als aller erstes verzichten würde.
Gildonus schrieb am 14.07.2021:Stark steigende Inflation ohne stark steigende Zinsen ist aber eher selten in der Währungsgeschichte passiert. Mir bereitet diese Gemengelage etwas Kopfzerbrechen, weil die klassischen Ratschläge da nicht richtig passen.
Ich persönlich erwarte offen gestanden, dass wir kurz- bis mittelfristig durch diese Entwicklung in eine Stagflation geraten werden. Die Inflationsrate wird sich erstmal nicht sonderlich verändern sondern auf einem relativ hohen Niveau bleiben. Der Konsum wird dementsprechend gedrückt werden. Das werden dann auch Amazon, Apple, Netflix, Facebook, Nike usw. zu spüren kriegen weil die Konsumenten einfach auf deren Produkte verzichten können wenn es sein muss. Der DAX ist in dieser Hinsicht grundsätzlich weniger verwundbar aufgestellt als die Amerikaner, wird aber trotzdem die Folgen der gedrückten Konsumbereitschaft ertragen müssen.
Insbesondere diejenigen Unternehmen, die von der Verschwendungssucht der Konsumenten leben wird es nach meiner Einschätzung besonders hart treffen. Da muss man kein Guru sein um das vorhersagen zu können.
Deswegen sage ich eindeutig: Wer jetzt in Apple, Amazon, Facebook, Netflix oder sonstige ganz oder teilweise verzichtbare Geschäftsmodelle investiert, hat meiner Meinung nach den Verstand verloren.