Do-X schrieb: Von wem genau wurde dein Mann belächelt? Wer genau gab euch beiden das diskriminierende Gefühl.
Es ist nun schon zwei Jahrzehnte her, uff, Kind #1 studiert schon, aber gerade am Anfang viele Lehrerinnen im Kollegium (ich war auch immer die einzige Lehrerin an einer Schule mit 100 Kolleg*innen, die trotz kleiner Kinder Vollzeit arbeitete). Gerade auch Mütter, die daheim blieben, fühlten sich da oft auch angegriffen - was es nicht war, es war halt ein Lebensmodell, das für uns geklappt hat, nicht für die Allgemeinheit. Ich erinnere mich noch gut, als Baby #1 sehr klein war, sagte mal meine Großcousine bei einer Familienfeier zu mir: "Das ist ja schrecklich, ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!" - also es wurde oft impliziert, dass die Kinder einen Schaden erleiden würden.
Bei Mr. Mary war es das berufliche Umfeld. Die Gastro ist ein sehr maskuliner Ort (teilweise) und viele der Stammgäste sind alleinstehende Männer, die zum Sportschauen kommen oder eben Leute, die "daheim die Hosen anhaben" und sich eine Auszeit gönnen.
Do-X schrieb:Meine Beobachtungen (insbesondere in öffentlich zugänglichen Communitys) - was Familien mit Kindern angeht - sind, dass diese, wenn sie sich für die Kinder entscheiden und dafür den Beruf an den Nagel hängen, von Mann UND Frau schlecht bewertet werden, man meint, dass sie sich sozusagen für die "soziale Hängematte" entscheiden.
Das ist heute tatsächlich so, wobei es eben auch sehr kurzsichtig ist, komplett auszusteigen. Ich glaube, der Blick auf die Ehe hat sich auch verändert - es ist heute eher so, dass es ja auch Paare gibt, die trotz gemeinsamer Kinder getrennte Kassen haben und wo sich Frauen die "Carearbeit" vom Mann vergüten lassen, für den Fall, dass sie sich trennen.
Abahatschi schrieb:Ja, das kann man so bestätigen, die Folge ist Hypergamie, viele unzufriedene Frauen und viele Single Männer. Noch eine Sache die mir allgemein aufgefallen ist: irgendwie sind alle der Meinung dass Männer keine Empathie brauchen.
Das mit der Empathie beobachte ich anders, aber ja, es ist tatsächlich so, dass erwartet wird, dass Frauen jemanden heiraten, der erfolgreicher ist. Eine Freundin von mir ist Dozentin an einer Hochschule und arbeitet auch Vollzeit - mit drei Kindern. Der Mann hat auch erst stundenweise gearbeitet, dann ist er wieder eingestiegen mit Teilzeit, hält ihr aber den Rücken frei mit Haus, Garten, Pflege ihrer Eltern, Kindern, ... das wird auch (auch heute, im Jahr 2023) negativ konnotiert, interessanterweise auch oft von Frauen "sollte jemanden finden, der auf "Augenhöhe" ist. Der Mann ist nicht doof, er hat einfach andere Prioritäten und ist ganz happy, im zweiten Glied zu stehen, während seine Frau die Brötchen verdient.
Tussinelda schrieb:das sind die traditionell definierten Geschlechterrollen/Geschlechterstereotype. Unter denen beide Geschlechter leiden. Schade, dass ihr versucht diesen irgendwie nach außen hin zu entsprechen und deswegen sogar lügt.
Ich habe nur keinen Bock auf Diskussionen mit Leuten, die das gar nichts angeht. Und Mr. Mary hat eben gerade im Event- und Gastrobereich diese ganzen Machosprüche abbekommen "Na, Schürzchen heute ausgezogen? Durftest du auch mal vom Herd weg ...? Hat deine Alte Angst, dass du abhaust, wenn du dein eigenes Geld verdienst?" Da kommt mitunter Sexismus vom Feinsten.
nasenstüber schrieb:Ich nehme an, das alles liegt so 10-15 Jahre zurück. Habe tatsächlich auch den Eindruck, dass sich diese öffentliche Wahrnehmung des Mannes -insbesondere im letzten Jahrzehnt- doch schon etwas verschoben zu haben scheint. Zumindest wirkt der Mann in einer eher traditionenellen Frauenrolle medial bei weitem nicht mehr so unmännlich wie früher.
Das stimmt. Was ich aber auch witzig finde ist gerade im pädagogischen Bereich. Ich beobachte häufig, dass der einzige Mann an einer Grundschule mit zehn Lehrerinnnen - zielstrebig Rektor wird. Oder ein Kindergarten in der Umgebung nun vom einzigen Erzieher geleitet wird :-). Ich glaube, als Mann kann man in typischen Frauenberufen auch gut Karriere machen, während das für Frauen schwieriger ist.
Die Diskriminierung läuft aber auch anders herum (ich weiß, OT). Die Mutter eines Schülers war Automechanikerin, ließ aber die Werkstatt immer auf den Vater bzw. dann Sohn laufen, weil sie meinte, sie bekäme sicher weniger Aufträge, wenn die Leute einen Frauennamen lesen. Was für sie auch ein Problem war - sie war alleinerziehend und Männer fanden das irgendwie sexy ... eine autoschraubende Frau, die ziemlich attraktiv war. Das war wohl ziemlich unangenehm, wie Kunden da aufgetreten sind.
nasenstüber schrieb:Wobei die Tendenz wohl schon noch eher auf konservative Geschlechterrollen hin deutet, besonders auf dem Land. Dementsprechend wären auch die Vorurteile.
Ganz oft ist es auch so, dass Leute dadurch ihr eigenes Lebensmodell in Frage gestellt sehen. Beispielsweise im Bekanntenkreis: War so ein Klassiker - Frau bekommt zwei Kinder und geht in Elternzeit, kehrt dann auf 450€ Job zurück, das ist ihr "Taschengeld". Mann machte Karriere und war glaube ich froh, dass sie sich um Haus und Hof kümmerte. Heute sind die Kinder groß, sie arbeitet immer noch 450€, er arbeitet 12-14 Stunden am Tag. Kinder sind nun schon ausgezogen, sie könnte locker mehr arbeiten (wäre ja auch für ihre Rente cool). Die stichelt immer ... auch wenn wir ein anderes Thema haben.
paxito schrieb:Ich glaube das hängt sehr, sehr stark um jeweiligen Umfeld. Ich arbeite seit Jahren (uff, sogar schon Jahrzehnten, ich werd alt…) in von Frauen dominierten Berufen. Vom Gehalt her liegen ich und meine Frau gleich auf, wobei das immer mal schwankt. Elternzeit haben wir beide gerecht geteilt. Im Haus übernehme ich das Kochen, Backen, Wäschewaschen und natürlich etwa die Hälfte beim Putzen (zugegeben, wir sind eine ziemlich unordentliche Familie).
Das ist cool.
paxito schrieb:Die Zeit mit den Kindern ist mehr wert als jeder ökonomische Erfolg, zumindest für mich.
paxito schrieb:Und der Punkt ist: das was du schilderst hab ich nie erlebt. Das irgendwer sich echauffiert hätte, das ich unmännlich wäre? Nie, kein einziges Mal. Nicht mal im Ansatz, weder bei Freunden, Kollegen noch Bekannten. Daher wundert mich das schon sehr, was du da schilderst und ich kann es mir nur damit erklären, das wir in sehr unterschiedlichen Welten leben. Geographisch wie Sozial.
Bestimmt (Welten). Diese Event- und Gastrowelt ist ziemlich maskulin. Bei Lehrern ist es so, dass es zunehmend ein Frauenberuf wird.
Oft heiratet Lehrerin einen Akademiker - der konzentriert sich auf die Karriere, sie arbeitet, wenn die Kinder klein sind, unterhälftig. Da kamen oft auch doofe Bemerkungen.