Einsamkeit

RachelCreedII. schrieb:Deswegen würde ich @Doors trotzdem widersprechen. Ich bin zum Beispiel jetzt seit knapp 14 Jahren glücklich verheiratet - und bisher sind mein Mann und ich uns einig, dass wir uns immer noch lieben und definitiv verheiratet bleiben möchten; die Chancen für eine lebenslange Liebe sind jetzt also nicht soo schlecht.

Ebenso: Mit meinem Partner seit 20 Jahren fest zusammen (gemeinsamer Haushalt, gemeinsame Finanzen, jeweils kein anderer Partner oder "was Flüchtiges" davor oder zwischendurch, nie zweitweise getrennt, vernünftige Problemlösungskultur), davon seit 8 Jahren verheiratet. Klingt vielleicht nicht so lange, aber wir sind Ende 30, da sind 20 Jahre ein ziemlich großer Anteil. Auch wenn es manchem komisch vorkommen mag dass es sich um den ersten/einzigen Partner handelt: Nein, keine religiös motivierten Vorstellungen stecken dahinter. Sind beide unabhängige religionsfreie Menschen mit hohem Bildungsstand.

Eine vernünftige Partnerschaft, lieben uns, und die Wahrscheinlichkeit auf eine Scheidung, Fremdgehen etc. würde ich als sehr gering einschätzen. Ursache würde ich verorten in: bei der Partnerwahl gesetzte Prioritäten, zweitens aber auch Glück gehabt.

Raspelbeere schrieb:Ursache würde ich verorten in: bei der Partnerwahl gesetzte Prioritäten, zweitens aber auch Glück gehabt.

Genauso ist es bei uns auch.
Glückwunsch übrigens 😀
Sowas scheint deutlich seltener der Fall zu sein, als ich noch bei meiner Hochzeit dachte.

Doors schrieb:Die grosse lebenslängliche Freundschaft ist ebenso eine Illusion wie die grosse lebenslängliche Liebe.

Ich denke man muss genau wie in einer Liebe auch immer neu justieren... Liebe vergeht aber man kann als Paar wachsen, zusammenwachsen und genauso ist es bei einer Freundschaft.... beides hat Herausforderungen durchzustehen... Ich sehe nicht warum etwas was mit Liebe anfängt nicht ewig halten sollte, dasselbe auch bei Freundschaft.
Ich hab genug Freunde die sich irgendwann losgesagt haben aber auch Freunde die wirklich alles mitgemacht haben, alle Veränderungen etc..schafft nicht jeder.

Ich genieße meine Freundschaften, solange sie bestehen, und denke nicht daran, ob sie für immer halten. Vielleicht ja, vielleicht nein. Es zählt für mich die Qualität der jetzigen Freundschaft und weniger die zeitliche Spanne. Wenn es nicht sein soll, ist es einfach ein Abschied an einer Weggabelung, wo jeder seinen eigenen Weg geht. Dann soll es so sein. Das macht dann auch Sinn für beide.

Bei meiner engen Familie ist es schon schwieriger, getrennt zu sein. Mein erwachsener Neffe lebt derzeit bei mir, aber irgendwann wird er wieder eine eigene Wohnung haben und ich werde ihn nicht mehr so oft sehen. Das wird dann nicht so leicht für mich sein, aber gerade deshalb genieße ich das JETZT mit ihm umso bewusster.

RachelCreedII. schrieb:Naja, bei denen war Scheidung aber auch schlicht keine Option. Ob die zusammen geblieben wären, wenn sie ein völlig normales Leben wie alle anderen geführt hätten?

Das frage ich mich auch. Wie hätten sie ihre Krisen, die es ja auch gab, als Normalbürger gemeistert? Oder auch als Kind einer späteren Zeit (so wie ihr Sohn).

EnyaVanBran schrieb:Leider bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es dabei meist kein richtig oder falsch gibt.

Zumindest nicht glasklar, eindeutig und s/w. Menschen ändern sich und mit ihnen ihre Einstellungen. Man kann auch trotz einer guten Beziehung dann auf eine treffen, die noch besser ist.
Oder sich irren.
Dann stur in einer Beziehung bleiben, könnte viele Parteien aber so richtig unglücklich machen.

Meine Frau und ich sind inzwischen auch schon 30 Jahre verheiratet (miteinander!) - und das auch noch ausgesprochen glücklich. Danke für die besorgten Nachfragen.

Ich vermute mal, das das "Geheimnis" darin besteht, dass wir uns viele Freiheiten lassen und unsere höchst unterschiedlichen Persönlichkeiten akzeptieren und respektieren. Obendrein sind wir sehr kommunikativ und pflegen eine gesunde Streitkultur.

Zum Thema Einsamkeit - es gibt halt auch Leute, die das selbst (unbewusst) durch das eigene Verhalten ziemlich forcieren. Aktuelles Beispiel: Bei uns im Dorf gibt es eine Frau, deren (Klein)kind äußerst tragisch tödlich verunfallte und ihr Mann sich trennte. Verständlicherweise macht ihr das sehr zu schaffen. Aber: Sie war schon davor sehr anstrengend und ist nun (verständlicherweise) sehr emotionsgeladen. Aber: Man hat schon Angst, auf irgendeinen Kontaktversuch zu antworten. Gestern schreibt sie "Hey, euch einen guten Rutsch" - eigentlich nett, aber man weiß schon, was dann kommt. Man antwortet so im Rahmen von "Danke, dir auch ...". Dann folgt das Klagelied "Ich sitze alleine auf dem Sofa, was macht ihr denn heute Abend? Kann ich vorbeikommen?". Ehrlich ... nein. Weil es nicht passt. Man wusste auch schon, dass es so kommt, deshalb reagieren vermutlich die meisten Leute schon gar ncht mehr auf den ersten Post. Wenn man ehrlich versucht, ihr das sehr freundlich rückzumelden, dann gibt es Tränen und emotionale Erpressung.

Kontrast dazu unser Singlenachbar - der ist einfach unkompliziert. Den haben wir auf dem Weg zum Gottesdienst getroffen, danach noch etwas geplauscht. Er wurde dann spontan von irgendwelchen Nachbarn auf ihre Outdoorgrillparty eingeladen. Ich bin irgendwie ins Bett, aber er hat wohl einfach spontan kurz vor 12 eine kleine Bar aufgebaut und Sekt ausgegeben - da wurde noch bis 1 Uhr spontan gefeiert. Somit war er auch nicht alleine - ohne, dass er jemanden direkt forcierte.

Ja, manche Menschen isolieren sich unfreiwillig selbst durch ihr Verhalten. Deshalb ist es wichtig, solchen Leuten hin und wieder dezent ihr Verhalten zu spiegeln, sofern es verkraftbar ist, wobei das bei der Nachbarschaft auch ins Auge gehen kann, wie ich aus Erzählungen meiner Schwester weiß, die viel Ärger mit einer Nachbarin bekam. Bei der Nachbarschaft lieber auf Abstand gehen, wäre so die Bilanz meiner familiären und nachbarschaftlichen Erfahrungswerte.

@MissMary

Rate der traurigen Dame doch mal, es umgekehrt zu machen. Sie möge, wie der nette Nachbar, doch mal von sich aus und selbst eine kleine Party arrangieren. So, wie es aussieht, tut sie nichts, außer darauf warten, dass Andere ihr entgegenkommen. Umgekehrt könnte es ihrem Gemüt eventuell sogar gut tun, mal von sich aus etwas zu unternehmen.

Ich bin gefühlsmäßig noch nicht richtig angekommen im Jahr 2023. Vor allem wäre mir am liebsten, ich könnte die für mich ruhige Silvesterzeit noch etwas verlängern und mich vor dem Andrang meiner Familie abschotten. So gesehen ist die Einsamkeit gerade mein bester Freund.

Ich finde es bedenklich, ja schon fast unmenschlich, jemanden keine Gesellschaft zu erlauben, nur weil die Person etwas komisch ist.
Denn das wir Mitmenschen komisch finden liegt nicht an den Mitmenschen, sondern an uns selber.

Wir müssen lernen mit Diversitäten umzugehen. Das macht auch "komische Menschen" erträglicher.

Mindslaver schrieb:Wir müssen lernen mit Diversitäten umzugehen. Das macht auch "komische Menschen" erträglicher.

Wie definierst du komisch? Ich denke, da gibt es schon Unterschiede. Wenn ein Mensch auf mich nur negativ reagiert, auf den Versuch einer Konversation überhaupt nicht eingeht, wird es schwer, mit diesem Menschen irgendwie zu interagieren. Die Konsequenzen ist dann, dass ich den Kontakt eher meiden würde. Weil ich davon ausgehe, dass mein Gegenüber ohnehin keinen Wert darauf legt.

EnyaVanBran schrieb:Wie definierst du komisch?

Wichtiger ist, wie es eher allgemein definiert wird.
Wir empfinden Menschen als "komisch", wenn sie sich nicht so verhalten, wie wir es erwarten. Beispielsweise in dem sie nicht die sozialen Rollen einnehmen, die wir als Gesellschaft ihnen zuweisen. Ein Mann lehnt eine Flasche Bier ab, den er mag kein Bier. Aber welcher Mann mag schon kein Bier? Schon bricht dieser Mann aus seiner Rolle aus, die wir ihn zuschreiben.
Und genau hier liegt das Problem!

WIR(!) sind es, die ihm diese Rolle quasi "aufzwingen" und wir sind es, die vorschnell urteilen, wenn er dem nicht entspricht. Was für ein komischer Kauz! Welcher Mann mag schon kein Bier? Das Beispiel ist exemplarisch und es gibt hunderte weitere Beispiele.

Anstatt Menschen vorschnell zu verurteilen, sollten wir deren Gewohnheiten akzeptieren, eine soziale Kompetenz, die in einer immer diverser werdenden Welt eine große Rolle spielen wird und teilweise auch schon eine Rolle spielt.

EnyaVanBran schrieb:Wie definierst du komisch? Ich denke, da gibt es schon Unterschiede. Wenn ein Mensch auf mich nur negativ reagiert, auf den Versuch einer Konversation überhaupt nicht eingeht, wird es schwer, mit diesem Menschen irgendwie zu interagieren. Die Konsequenzen ist dann, dass ich den Kontakt eher meiden würde. Weil ich davon ausgehe, dass mein Gegenüber ohnehin keinen Wert darauf legt.

Für manche Menschen ist "komisch" bereits:
- hat etwas weniger ausgeprägte Mimik
- kann evl. manchmal nonverbale Kommunikation nicht lesen und fragt deshalb
- trinkt keinen Alkohol - ohne zu missionieren
- ist Vegetarier oder Veganer - ohne zu missionieren
- meidet (Kleidungs- und andere) Moden

Kann da durchaus als Asperger-Autist "ein Lied von singen".

Mindslaver schrieb:Anstatt Menschen vorschnell zu verurteilen, sollten wir deren Gewohnheiten akzeptieren, eine soziale Kompetenz, die in einer immer diverser werdenden Welt eine große Rolle spielen wird und teilweise auch schon eine Rolle spielt.

Dito. Beispielsweise habe ich erlebt, dass schon obige fünf Punkte für viele heikel sind - umgekehrt wäre für mich (mit Eigenschaften wie oben genannt) das Gegenteil kein Grund jemanden nicht näher kennenlernen zu wollen.

Raspelbeere schrieb:Kann da durchaus als Asperger-Autist "ein Lied von singen".
Mindslaver schrieb

Zwar kein Aspie, aber ADHSler, und wir haben auch so unsere Gewohnheiten, die andere manchmal nicht nachvollziehen können, wie hin und her laufen, verträumt sein, viel reden, und ähnliches.

@Mindslaver
Ich denke, dass du hier zu allgemein sprichst. Ich kenne Männer, die kein Bier mögen, deshalb bezeichne ich sie aber nicht als komisch.
Es mag stimmen, dass man vielleicht vorschnell denkt, dass ein Mensch komisch ist, aber das kann sich beim näheren Hinsehen ändern.
Niemand ist perfekt und ich traue mich an dieser Stelle behaupten, dass über jeden von uns schon einmal jemand gedacht hat: was für ein komischer Mensch.

Raspelbeere schrieb:Für manche Menschen ist "komisch" bereits:

Wie gesagt, auf den ersten Blick vielleicht richtig. Und dazu noch einmal: Jeder von uns war in seinem irgendwann in einer Situation, wo er von anderen als komisch wahrgenommen wurde.

Hier oben im hohen Norden auf'm Dorf ist es nicht ungewöhnlich, dass einfach mal jemand vorbei kommt, weil er/sie "gerade in der Gegend ist". Dann hockt man sich hin, hält einen Klönschnack, konsumiert das eine oder andere Stück Torte mit Tee oder Kaffee oder, wenn es Tageszeit, Verkehrsmittel und Vorrat erlauben, auch Hochprozentiges. Die Türen sind im Regelfall nicht abgeschlossen und in der nordfriesischen Einöde freut man sich über menschliche Kontakte, wenn sonst nur das Deichschaf die Nase reinsteckt und einen anmäht.

Was das "komische" im Sinne von abweichendem Verhalten angeht, so denke ich, dass jede/r manche anderen Zeitgenossen als "komisch" ansieht, weil sie anders sind, sich anders verhalten, als man selbst. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass somit eigentlich alle alle "komisch" finden können. Man kann das einsortieren in Schubladen auch einfach lassen und dann überrascht sein, was man doch für interessante Menschen kennen lernen kann.

In Gottes grossem Garten gedeihen allerlei seltsame Gemüse. So sagte eine mir bekannte Pastorin mal ganz treffend.

Doors schrieb:In Gottes grossem Garten gedeihen allerlei seltsame Gemüse. So sagte eine mir bekannte Pastorin mal ganz treffend.

Undich sage: Unter Anderem auch giftige Schwammerl.

@off-peak

Die muss man ja nicht gerade pflücken und konsumieren.

Doors schrieb:Hier oben im hohen Norden auf'm Dorf ist es nicht ungewöhnlich, dass einfach mal jemand vorbei kommt,

Das ist genau das, was man als soziales Paradoxon bezeichnet. Umso mehr Menschen auf engeren Raum zusammenleben, wie in Großstädten, desto einsamer sind sie.

In Dorfgemeinschaften ist man allgemein aufgeschlossener gegenüber Nachbarn, Wanderern, und sonstigen Leuten.

Oder um es anders auszudrücken:

Homeparty in der Stadt:
Du bist nicht eingeladen, los, hau ab!

Homeparty im Kaff am Arsch der Welt:
Yo, geil, du bist lustig drauf, Bock ne Runde mitzusaufen?