@carla_______ carla_______ schrieb:Dass, mit diesen Wohnprojekten finde ich grundsätzlich gut, wobei ich denke, sowas funktioniert eher mit fitten alten Menschen und Familien mit Kindern.
Ich habe jemanden kennen gelernt, der in einer solchen Einrichtung wohnt (Rollstuhlfahrer), der trotz meiner skeptischen Fragen restlos begeistert war und sagt, dass tatsächlich ein echter Kontakt stattfindet.
carla_______ schrieb:Worüber ich mich gerne auch noch mit euch austauschen würde, sind die Zustände in Alten-und Pflegeheimen
Das ist sehr individuell und nicht nur von Heim zu Heim, sondern von Station zu Station, in Heim und Krankenhaus verschieden.
Wichtig ist, dass Demenzkranke mit ausreichend Flüssigkeit versorgt werden, es reicht oft nicht, ihnen den Becher hinzustellen, da sie zum Teil nicht wissen, was sie damit machen sollen. Zudem bewirkt ausreichende Flüssigkeit oft eine Besserung der Symptome, die wie ein Wunder wirkt.
Ich erinnere mich mal eine Frau aufgenommen zu haben, die wirklich kernverwirrt war und auf mich den Eindruck einer ausgewachsenen Demenz machte. Nach einem Becher Wasser war die Frau in der Lage völlig adäquat zu antworten.
Das blöde ist, dass Demenzkranke individuelle Förderung bräuchten, das ist aber nicht zu leisten. Man wundert sich, wenn man sieht, dass so ein Zustand auch wieder besser werden kann, zumal die Ursachen der Demenz und ihrer Zunahme weiter ungeklärt sind.
Oft sind "softe" Faktoren viel wertvoller als man denkt und einer dieser Faktoren ist für mich - bis man mich vom Gegenteil überzeugt - der Wegfall einer sozialen Rolle für alte Menschen. Schön wenn, die womöglich 10 Jahre älter werden, als vor 50 Jahren, aber wozu, wenn man sie noch weniger braucht. Dass inzwischen 25% der alten Menschen ein Alkoholproblem haben ist ein Indiz was dafür spricht.
carla_______ schrieb:Mir ist wirklich schleierhaft, warum für kranke und alte Menschen so schlecht gesorgt wird. Die Einsparungen im Pflegepersonal stellt kommt für mich einem Verbrechen gleich!
Mit den Einsparung bist du mMn auf dem richtigen Dampfer. Die PflegerInnen wissen ja selbst, dass das was sie leisten unzureichend ist, aber bei der Fülle der Arbeit die es zu tun gibt, gerade in Geriatrien (für uns Springer sind Geriatrieinsätze immer Hardcore). Der Grund ist so gut wie immer die Unterbesetzung.
carla_______ schrieb:Selten wurde er regelmässig und ausreichend gewickelt, oft sogar garnicht (er stopfte sich dann Klopapierballen in die Unterhose), so dass meine Mutter alle mitgebrachten Windeln unangetastet wieder mitnehmen konnte, nebst der völlig versifften Klamotten. Von dem Bett will ich garnicht sprechen.
Geht eigentlich gar nicht, weil das zu den Basics der Pflege gehört, ich habe nur mit der Zeit aufgehört den Stab über den KollegInnen zu brechen, weil ich ihre Situation kenne.
Was ich allerdings gesehen habe, wie stinkend, versifft mit langen Nägeln, fettigen Haaren und Dekubiti (Liegestellen, die sich von leichten Rötungen zu kraterartigen und nie wieder heilenden eiternden Wunden verschlimmern können) Menschen aus Heimen ins Krankenhaus kamen, da kann man nur den Kopf schütteln. Beliebt auch, die Variante, dass die Schutzhose so lange drum war, dass der Urin schon wieder auskristallisierte.
carla_______ schrieb:Verdreckte Uhr, verdreckte Brille, unversorgte Verletzungen, wie z.B. ein ausgeschlagener Schneidezahn. Da wissen wir bis heute nicht, wie er den verlohren hatte. Seine Nase war zumindest auch blau und verletzt und da er damals noch nicht gestürzt ist, vermute ich, dass er geschlagen wurde. Er konnte ja sehr ausfallend werden. Ist aber im Pflegeheim niemandem aufgefallen, dass sein Vorderzahn fehlte. Also Zähne geputzt haben sie wohl auch nicht. Eine Patientin haben wir erlebt, bei der Maden unter dem Gebiss gefunden wurde.
Hingucken und Fragen stellen, Augen und Nase aufmachen, das kann helfen.
Man kann sich ja mal dazusetzen. Wie wirken die Heimbewohner auf mich?
Eine letzte Sicherheit gibt es nicht.
Wir waren froh und glücklich für meine Schwiegermutter (als nichts mehr zu Hause ging), in einem Heim mit bestem Ruf untergebacht zu haben, sie hatte auch keine Dekubiti, allerdings gab man ihr dort nichts zu trinken (Trinkflaschen und Gläser standen zwar überall auf dem Tisch, aber demente Patienten wissen oft nicht, was sie damit anfangen sollen). Krankheitssymptome, die jede Pflegekraft kennen und erkennen muss wurden "übersehen" und als wir sie schließlich ins Krankenhaus brachten, war sie dehydriert (ausgetrocknet), hatte eine Thrombose und Fäkalkeime in der Scheide, alles klassische Pflegefehler. Der Arzt war ziemlich fassungslos.
carla_______ schrieb:Wie kann es sein, dass man so alleine gelassen wird, wenn man einen pflegebedürftigen Angehörigen hat?
Alte Menschen haben keine Lobby. Natürlich der finanzstarke Rentner, mit dem man noch Geschäfte machen kann, aber die arme Omi an der man nichts verdient und die nur noch kostet.
Es bringt nur nichts den schwarzen Peter hin- und herzuschieben, wir müssen wissen, was wir wollen. Ich bin da wirklich nicht übermäßig politisch unterwegs, aber ich denke, unsere Fixierung auf Leistung und das stillschweigende Fallenlassen von "Minderleistern", ist ein fragwürdiges Ideal, um es mal zurückhältend auszudrücken.
carla_______ schrieb: Die Zeiten der Großfamilien sind ja leider vorbei...die Kinder und Geschwister meines Stiefvaters haben sich leider schon relativ früh in seiner Krankenzeit abgesetzt und den Kontakt abgebrochen. Erbe war ja irgendwann nicht mehr zu erwarten, da alles Gespartes für die Pflege drauf ging.
Was kann man da denn machen? Eine Petition einreichen? Demonstrieren? Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt, da muss doch gehandelt werden!
Das hat mir gefallen:
http://www.psyheu.de/6622/die-kraft-der-zehn-prozent/