@Josephine77 Das ist ganz sicher unglaublich schwer, sich von einem Menschen zu verabschieden, der noch da ist, lebt und redet. Aber es ist halt nicht mehr der bekannte Mensch, nicht mehr die Mutter oder der Vater, und es ist auch nicht die Hilflosigkeit und Veränderung eines Kranken. Und es kann eben so sehr lange dauern.
In meiner Familie gab es nur einen dementen Onkel, der sich mit Alkohol zu Grunde gerichtet hatte. Die Folgen waren dieselben, und es war ebenso schwer für die Tochter (er war kein schlechter Mensch, auch als Säufer).
Der Mensch, den man immer als Vertrauensperson empfand, von dem man sich immer Geborgenheit wünschte, der immer stärker und klüger sein sollte, der wir immer mehr zum irrationalen Unbekannten. Nicht zum Kind, denn das lernt stetig dazu, sondern zu etwas vollkommen unbestimmbaren. Und das ist, was so anstrengend ist: Nicht zu wissen, was man damit anfangen soll. Woher soll man auch die Distanz nehmen, die sogar professionellen Pflegern zum Teil schwer fällt...
Manchmal denke ich, unsere Gesellschaft ist viel zu arm an so etwas wie Ritualen.
Es fehlt uns die Möglichkeit, sich von dem Menschen als das, was er einem bedeutet hat, zu verabschieden und ihn als etwas anderes zu betrachten.
So trauert man fortgesetzt, jedes mal wenn man sich begegnet, um das Unerfüllte.
Niemand sagt einem: Das ist nicht mehr Deine Mutter. Das ist eine kranke, pflegebedürftige, liebesbedürftige Frau, die aber nie wieder Deine Mutter sein kann und die sich immer weiter von Dir entfernen wird. Und wenn Du das nicht aushältst, dann sind andere dafür da, das auszuhalten. Niemand kann das von Dir verlangen, das irgendwie zu verarbeiten.
Ich kann einigermaßen nachvollziehen, wie schwer es ist, die Bilder zu ertragen. Zwar habe ich zwei Menschen gepflegt, die nur wenige Monate bis zum Tod hatten und die bis zuletzt bei Bewusstsein waren. Aber es ist ja trotzdem nicht leicht, das zu verkraften, was man da erlebt.
Kommt dazu noch die psychische Komponente, wird es wirklich hart.
Die Nachbarin auf dem Dorf pflegte die Schwiegermutter hingebungsvoll und eines Abends stand die im Nachthemd und vollgepinkelt auf der Straße und schrie, sie würde vergiftet ... erst da ahnten wir, was die Schwiegertochter und der Sohn durchmachen.
Vielleicht ist eine Selbsthilfegruppe eine gute Idee. Kann auch sein, dass Dir der Jammerverein nicht liegt.
;)Aber man könnte das ausprobieren. Ansonsten ist so ein Forum hier auch keine schlechte Idee ...
:)Und Du solltest auch darüber nachdenken, ob Du Dir jemanden zum quasseln suchst. Es wäre eigentlich das Normalste von der Welt, wegen so etwas eine handfeste Depression zu entwickeln, denke ich. Und spätestens dann wäre professionelle Hilfe ganz sicher das Richtige. Du musst das nicht alleine durchstehen oder denken, dass Du irgendwie versagen würdest. Niemand kann so etwas wegstecken, und das ist das Tückische an der Demenz: Sie betrifft nicht nur den Dementen, sondern gerade auch die Angehörigen. Der schleichende, jahrelange Verlauf macht es umso schlimmer, da man psychisch nie wirklich auf den nächsten (Rück-)Schritt vorbereitet ist. Wir können so eigentlich gar nicht denken.
Jedenfalls drücke ich Dich ganz fest, und wünsche Dir, dass Du alle Unterstützung bekommst, die Du brauchst.