@FPF Danke für dein ausführliches Post.
FPF schrieb: Aber, ich kenne ihn persönlich, deswegen dachte ich auch, daß ich hier etwas beitragen könnte.
... finde ich gut, dass du schreibst. Ich antworte dir nun einfach mal, warum es mir so schwer fällt, seine Darstellung der Dinge zu glauben.
FPF schrieb: Auf jeden Fall war der Zeitraum, in dem sich die 3 Personen kannten, viel zu kurz um derartige Haßgefühle aufbauen zu können. Gerade mal 3, 4 Monate und 100 km räumlich voneinander entfernt, das muß man sich vor Augen halten. Es gab auch keinen Grund, daß sie mehr miteinander zu tun gehabt hätten.
Da hast du natürlich Recht. Allerdings war JS ja völlig in EH verliebt und die hasste ihre Eltern, aus welchen Gründen auch immer. Dieser Hass nahm ja einen prominenten Platz in der Weihnachtskorrespondenz ein ... das Paar war ja gerade frisch zusammengekommen, so finde ich das ein eher ungewöhnliches Thema. JS scheint EH in den Briefen ja nicht davon abzuhalten, ihren Eltern den Tod zu wünschen (spekulativ von meiner Seite, da wir den Inhalt dieser Briefe nicht kennen). Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass dieser Hass auf ihn überschwappte. Weißt du, was ich meine? Sollte seine Version der Dinge stimmen: Warum hat er, der so stringend und geradlinig denkt, nicht die Polizei gerufen? Wenn nicht im ersten Schock, dann danach? Warum deckt er einen solchen Mord, wenn er nicht involviert ist?
Ich finde, die folgenden Ereignisse zeigen sehr deutlich, wie involviert er war: Er verlässt seinen vollständig bezahlten Studienplatz, um mit EH durch Europa zu tingeln und sich als Kleinkrimineller über Wasser zu halten. Das macht doch niemand, der "nur verliebt" ist. Die waren ja bei ihrer Festnahme über ein Jahr zusammen. Da kommt doch der Moment, wo man sich selbst und sein Tun reflektiert. Gerade, wenn du wieder und wieder straffällig wirst (Scheckbetrug) und eigentlich weißt, dass du immer einen Fuß weit vom Gefängnis stehst. Da hast du doch keine Lebensqualität.
FPF schrieb: Wenn JS die Morde begangen hätte, dann würde er, auch wiederum nur meiner Meinung nach, mit seiner Persönlichkeitsstruktur und Intelligenz eine andere Methode gewählt haben. Z.B. die Eltern beim Essen zu vergiften (sie waren ja sehr schwer betrunken zum Todeszeitpunkt, da hätte man leicht etwas ins Glas schütten können, oder er hätte eine präparierte Flasche mitgebracht, etc.). Oder eine Pistole mit Schalldämpfer. Aber mit Sicherheit nicht wie ein Verrückter dutzende Male auf die Leute einzustechen und zu säbeln, bis sie endlich tot waren.
Ich stimme dir bei der Einschätzung zu. Die Frage ist, ob er die Wahl hatte. An Gift, das so giftig ist, dass es Leute sofort umbringt, muss man erst einmal kommen. Dann hat Gift oft einen unangenehmen Eigengeschmack, den man ziemlich gekonnt verdecken muss.
Dann gibt es Giftarten, die bringen dich zwar um, aber nicht sofort. Da lebt das Opfer noch lange genug, um eine Aussage zu machen. Giftmorde klappen eigentlich nur gut, wenn der Patient schon eine Disposition hat, dass man dann von einem natürlichen Ableben ausgeht. In dem Fall wollte der Mörder ja unerkannt entkommen. Also wäre Gift auch kein wirklich praktiables Mittel, da du in dem Fall sicherstellen musst, dass beide Personen eine lethale Dosis einnehmen und so schnell versterben, dass du dich wieder aus dem Staub machen kannst.
Zum Thema Pistole. Die muss man ja erst kaufen und sich auch vermutlich im Waffenland USA registrien lassen. Dann ist es ohne Übung gar nicht so einfach, jemanden totzuschießen. Dann hinterlässt die Pistole ja eindeutige Spuren auf den Patronen, die wiederrum die Pistole identifizierbar machen. Würde ich noch für wahrscheinlicher halten als das Gift, aber eben auch mit Problemen verbunden.
Daher erscheint mir das Messer als Waffe gar nicht so unlogisch. Man konnte ja auch nicht ahnen, dass es dann derart blutig wird und dass sich DH so massiv zur Wehr setzt. Für mich ist das kein Gemetzel aus Lust, wie es ein Psychopath machen würde, sondern ein Messermord, der länger dauerte als geplant.
Auch denkbar ist, da EH ja das Thema Raub und Vodoo anschneidet, dass man versuchte, es so aussehen zu lassen, als sei es die Tat eines Irren. Das man ziemlich gekonnt versuchte, dem Mord eine andere Handschrift zu geben, um von sich abzulenken. Für den Fall, dass EH mit im Haus war, ist das Messer auf einmal gar keine so unlogische Waffe mehr. Sie ist leicht zu besorgen. Leicht zu entsorgen. Eventuell im Haushalt sogar vorhanden. Und gut für einen emotionalen Mord geeignet, wenn du praktisch aus Vergeltung wirklich selbst Hand anlegen willst. Du willst praktisch den Menschen in deiner Hand sterben spüren.
Wie gesagt, ich war natürlich auch nicht dabei, aber das sind so meine Gedanken zum Thema.
FPF schrieb: Wie gesagt, wenn JS trotzdem dazu fähig gewesen wäre, weil er irgendwo ein Rad abhatte, dann wäre das aber in 30 Jahren Knast irgendwann einmal wieder bei ihm hochgekommen, bzw. die Mitgefangenen hätten es dahingehend provoziert.
Es ist durchaus möglich, dass er die Tat verdrängt hat. Es ist keine Tat, die in sein Persönlichkeitssschema passt. Die Flucht danach ist nichts, was zu ihm passt. So gesehen ist schon die Partnerwahl mit EH nichts, was so wirklich zu ihm passt. Die gesamte EH Episode passt nicht zu ihm. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihm dieses Kapitel in seinem Leben nun so fremd ist, dass er es einfach verdrängt. "Folie de deux" ist hier das Stichwort - er hat für ein Jahr nicht mehr eigenständig gedacht, sondern befand sich in einer gedanklichen Symbiose mit EH. Diese endete in der Festnahme bzw. mit dem Brief, als sie die Beziehung beendet.
FPF schrieb: Das amerikanische Justizsystem ist eines der schlimmsten und korruptesten der Welt. Kein Land hat mehr Leute hinter Gittern wie die USA, es sind über 2,3 Millionen dort in den verschiedenen Knästen eingesperrt, plus noch mal 4-5 Millionen auf Bewährung. Es ist monströs. Dahinter steht ein Gerichtswesen, wo die Staatsanwälte und Richter sehr daran interessiert sind, mit ihrer eigenen Karriere weiterzukommen, in die Politik zu kommen, etc.
Ja, aber JS wäre vermutlich in jedem Justizsystem der Welt verurteilt worden. Er war bei seiner Verhaftung mehrfach straffällig geworden (Scheckbetrug). Er hatte einen Doppelmord gestanden. Nur das Strafmaß und das etwas absurde Parole System schaden ihm nun immens.
FPF schrieb: Der Richter in diesem Fall war persönlicher Schulfreund von Frau Haysom, und ihr Bruder, der bis heute noch massiv Druck auf die Politik und Presse in Va. ausübt, hat mit Sicherheit im Hintergrund dafür gesorgt, daß der Fall mit möglichst wenig Schande für die Familie ausging.
Gut, aber für schuldig befunden wurde er ja von der Jury, nicht von dem Richter. Und das ziemlich flott, die Urteilsfindung dauerte nur vier Stunden. Warum wurde denn damals kein Befangenheitsantrag gestellt? Das ist auch in den USA sicher möglich. Der Richter war übrigens ein Schulfreund von NHs Bruder, nicht von ihr selbst. Es ist aber auch die Frage, wie eng er mit NH befreundet war, da diese ja wiederrum gar nicht ihre gesamte Kindheit und Jugend in den USA verbrachte. Aber ich gebe dir prinzipiell in dem Punkt recht, dass es natürlich eine sehr unglückliche Konstellation ist.
FPF schrieb: Elizabeth war ja auch an der Tat beteiligt, aber sie als Elternmörderin zu verurteilen, wäre für die Südstaatenmentalität ein Unding gewesen, noch dazu, wo man ja einen zweiten, oder gar Haupttäter in der Person eines arroganten und auch noch deutschen Schnösels hatte. Jens' Rechtsanwalt war unfähig, aber das war eher sein eigener Strategiefehler, er hätte ja einen anderen Anwalt nehmen können.
Ich stimme dir zu, dass EH vermutlich viel zu gut weggekommen ist. Ich schätze ihre Tatbeteiligung auch höher ein. Sie wollte vermutlich der Todesstrafe entgehen. Ich glaube auch, dass ihr Lügen imProzess dadurch zu erklären ist. Sie musste ja gestehen, um Hafterleichterung bzw. Straferleichterung zu bekommen. Da denke ich, sie hat einige absurde Geschichten erzählt, damit sie sich nicht selbst verrät. Ansonsten ist das gar nicht wirklich zu erklären, zumal sie nicht auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert hat.
FPF schrieb: Der einzige „Beweis“ war in der Tat der blutige Sockenabdruck, der aber erst später von einem wirklichen FBI-Mordexperten analysiert wurde. Der stellte dann auch fest, daß die Fußgröße viel kleiner als von JS war. Der angebliche Experte vor Gericht war nur ein Gutachter für Reifenspuren
Das ist so nicht korrekt. Er wurde auch aufgrund seiner detaillierten Geständnisse, die sieben massive Fehler, aber auch Täterwissen enthalten, aufgrund der Blutspuren der passenden Gruppe 0, dem fehlenden Alibi, den Briefen und Dokumenten und seinem Verhalten nach der Tat (Weigerung der Kooperation mit der Polizei, Weigerung, Abdrücke abzugeben, Verweigerung eines Lügendetektortestes, Flucht).
Das mit den Reifenspuren wurde erst die Tage ausführlich diskutiert. Es stimmt nicht, dass es ein Experte für Reifenspuren ist. Der Mann ist Forensiker. Es gibt sehr kontroverse Meinungen über den Fußabdruck. Ich verstehe nicht ganz, warum man nicht einen von beiden ausschließen kann. Soweit wir hier wissen, hatte EH Schuhgröße 39, JS aber 42. Dazwischen liegen 2cm Unterschied. Daher kann es meiner Meinung nach nicht sein, dass der Abdruck beiden zugeordnet ist. In der Fernsehsendung Autopsie zeigt ein Forensiker, dass der Abdruck sehr gut auf Sörings Fuß passt - er ist nicht zu klein.
FPF schrieb: Ich habe auch einige Male mit einer von Jens' späteren Rechtsanwältinnen, Frau Gail Marshall, gesprochen, eine ehemalige Vize-Justizministerin von Virginia, und sie hat tatsächlich die ganzen Gerichtsakten und alle Beweismittel studiert und teilte mir klar mit, daß es keinerlei stichhaltige Anhaltspunkte dafür gäbe, daß JS die Tat begangen habe. Ich würde ihre juristische Meinung doch als sehr kompetent einstufen, sie arbeitet auch ehrenamtlich an dem Fall und hat ihre Karriere schon lange hinter sich (ich meine, sie ist bereits über 70).
Mich würde sehr interessieren, warum sie ihn für unschuldig hält.