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Nein danke! Verweigerung als Gegengift

341 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Arbeit, Konsum, Streik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Nein danke! Verweigerung als Gegengift

07.01.2014 um 20:01
@Koreander
Als "eigene" Konvention meinte ich den Rucksack aus Elternhaus, Tradition, den ein jeder so mit sich rumschleppt- meistens wohl eher unbewusst- und damit seine Kinder belastet/belästigt.
Das Foto bekam ich vor Ewigkeiten mal als Link gesendet ..Quelle deswegen unbekannt


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Nein danke! Verweigerung als Gegengift

08.01.2014 um 11:42
@Piorama: Dein Bild habe ich auf FB eingestellt. Sogleich waren die Erziehungs- Apologeten zur Stelle.


Kommentar:
Ein Kind kann nicht die Erfahrung sammeln, dass es bei -10° lieber eine Jacke anziehen sollte oder es lieber die die Finger vom Starkstrom lassen und nicht am Fliegenpilz knabbern sollte.
Dieses Verhalten muss ihm anerzogen werden. Auch eine Katze lehrt ihre Jungen, Mäuse zu fangen und erzieht sie damit.
Und natürlich entsteht ein Macht und Herrschaftsverhältnis. Daraus resultiert auch die Pflicht verantwortungsvoll damit umzugehen und den Kindern die nötige Erziehung mitzugeben, so dass sie nicht alle Fehler (wie das Starkstromkabel oder den Pilz) selbst machen müssen. Die Eltern entscheiden somit u.a., welche Fähigkeiten man haben muss und was für einen wichtig ist.
Meine Antwort: Ständig sehen wir Kinder, die frieren. Sie laufen im Winter nackt herum- immer dann, wenn kein "Erziehungsberechtigter" da ist. Kinder suchen Gefahren und wollen leiden. Deshalb müssen sie erzogen werden. Ähnlich wie die kleine Katzen, welche von ihren Katzen- Eltern mit Mausfang- Unterricht malträtiert werden. "Nenne die Teile der Maus!", "Mit welcher Geschwindigkeit läuft die Feldmaus?"
"Sitz gerade während des Maus- Unterrichts!" Dabei würden sich die kleinen Katzen so gern von Starkstrom- Kabeln ernähren...


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Nein danke! Verweigerung als Gegengift

08.01.2014 um 11:43
@Piorama: Dein Bild habe ich auf FB eingestellt. Sogleich waren die Erziehungs- Apologeten zur Stelle.


Kommentar:
Zitat von KoreanderKoreander schrieb: Ein Kind kann nicht die Erfahrung sammeln, dass es bei -10° lieber eine Jacke anziehen sollte oder es lieber die die Finger vom Starkstrom lassen und nicht am Fliegenpilz knabbern sollte.
Dieses Verhalten muss ihm anerzogen werden. Auch eine Katze lehrt ihre Jungen, Mäuse zu fangen und erzieht sie damit.
Und natürlich entsteht ein Macht und Herrschaftsverhältnis. Daraus resultiert auch die Pflicht verantwortungsvoll damit umzugehen und den Kindern die nötige Erziehung mitzugeben, so dass sie nicht alle Fehler (wie das Starkstromkabel oder den Pilz) selbst machen müssen. Die Eltern entscheiden somit u.a., welche Fähigkeiten man haben muss und was für einen wichtig ist.
Meine Antwort: Ständig sehen wir Kinder, die frieren. Sie laufen im Winter nackt herum- immer dann, wenn kein "Erziehungsberechtigter" da ist. Kinder suchen Gefahren und wollen leiden. Deshalb müssen sie erzogen werden. Ähnlich wie die kleine Katzen, welche von ihren Katzen- Eltern mit Mausfang- Unterricht malträtiert werden. "Nenne die Teile der Maus!", "Mit welcher Geschwindigkeit läuft die Feldmaus?"
"Sitz gerade während des Maus- Unterrichts!" Dabei würden sich die kleinen Katzen so gern von Starkstrom- Kabeln ernähren...


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09.01.2014 um 11:21
Beziehung oder Erziehung?


Mit Erziehung ist ein Prozess gemeint, der ein Machtverhältnis zur Grundlage hat. Menschen, die sich als ebenbürtig- nicht: "gleich"- betrachten, erziehen einander nicht.
Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Gleichzeitig stellen sie ihre unauflösbare Fremdheit fest. Sie sind im Gespräch, in ebenbürtiger Beziehung zueiander.
Ivan Illich beschreibt eine solche Situation. Er besuchte ein arabisches Land und gab einem Bettler ein Geldstück. Dabei vermied er den Blickkontakt und entfernte sich diskret wieder.
Sein Freund forderte ihn auf, zurück zu gehen und sich vor dem Bettler zu verbeugen. Illich tat es. Der Bettler segnete ihn.
Illich nennt diese Begegnung ein Fest der disharmonischen Ebenbürtigkeit. Das Geldstück und der Segensspruch sind unvergleichbar. Illich und der Bettler sind es ebenso.
Sie konnten einander in die Augen sehen als Du und Du. Keiner hatte Macht über den anderen. Keiner "erzog" den anderen.
Wie ist das nun mit Eltern und Kindern? Gewiss, Eltern machen Kinder auf Gefahren aufmerksam. Bedeutet das aber, dass Kinder ihre Eltern auf nichts hinweisen?
Dass wir von Kindern nichts lernen können, noch nicht einmal die Erinnerung an unser eigenes Kindsein, an unsere einstige Natürlichkeit und Unbekümmertheit?
Erleben wir nicht die Welt neu und anders, wenn wir das Staunen des Kindes über einen Schmetterling teilen? Lernen wir nicht auch aus ihren Fragen?
"Papa, warum brennt die Sonne nicht aus?", fragte mich meine Tochter. Ich wusste es nicht. Hat mich nun meine Tochter zum Nachdenken über die Sonne "erzogen"?
Erziehung ist ein Prozess. Sie kann nicht an einem Einzelbeispiel festgemacht werden. Das Zurückreißen des Kindes vor einem sich nähernden Auto ist ein einzelner Hilfs- Akt.
Er ist not- wendig. Dabei kann das Kind in diesem Fall noch nicht einmal als "gehorsam" bezeichnet werden. Gehorsam, auf den Erziehung ja schließlich abzielt, setzt die Lähmung des eigenen Willens voraus.
Wenn mich jemand mit Gewalt zurückreißt ( oder zieht), ist das keine Erziehung. Es sei denn, man betrachtet das menschliche Miteinander grundsätzlich als gegenseitige Erziehung.
Dann kommt man jedoch nie wieder aus der Erziehung heraus. Liebende erziehen einander, Bäcker und Kunde tun es usw. Die Welt- eine Erziehungs- Anstalt?
Erziehung setzt voraus, dass es pädagogische Normen gibt. Erziehungsnormen. Standards sind das Ziel. Böse gesagt: Gleichschaltung von Individuen. Die Zensur im Unterricht gehört dazu- schon ihr Name lässt nichts Gutes ahnen. Man assoziiert damit Kontrolle, Überwachung, Beschneidung, Einengung. Fraglich ist auch, wie sinnvoll das tägliche Konzentrations- und Disziplinierungslager "Schule" überhaupt ist.
Warum müssen alle Gleichaltrigen das Gleiche lernen? Wer bestimmt, was normal ist? Wer hat die "diagnostische Macht"? Ist Kompetenz nur durch beschriebene Papierfetzen, Zeugnis oder Diplom genannt, erweisbar? In der Festlegung der Norm, des Standards und in der Sanktion der Abweichung davon besteht die größte Macht. Sie dient der Zementierung von Herrschaftsverhältnissen, der Gleichschaltung des Denkens.
Das lässt bei vollem Bewusstsein niemand gern mit sich machen. Deshalb bedarf es der "Erziehung".
Auch dem sollten wir uns verweigern.


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Nein danke! Verweigerung als Gegengift

09.01.2014 um 14:33
Zitat von KoreanderKoreander schrieb:Erziehung setzt voraus, dass es pädagogische Normen gibt. Erziehungsnormen. Standards sind das Ziel. Böse gesagt: Gleichschaltung von Individuen. Die Zensur im Unterricht gehört dazu- schon ihr Name lässt nichts Gutes ahnen. Man assoziiert damit Kontrolle, Überwachung, Beschneidung, Einengung
Nebenbei wird einem auch noch die natürliche Lust am Lernen genommen, wer hat schon Lust ein Standardprogramm wiederzukäuen in dem kaum Raum für eigene Ideen/Interpretationen ist..?! Lesen, Schreiben und Rechnen -Danke Schule!- den Rest hab ich mir selbst beigebracht.
Hab erst nach meiner Schulzeit wirklich angefangen zu lernen - mit Spass an der Freude.
Ach ja, Spass darf es ja in der Vorbereitung auf den Alltag eigentlich auch nich geben.

Leider gewöhnen sich zuviele Leute an diese feste Struktur und daran, unbedeutender zu sein als irgendwelche Autoritäten, die ihnen sagen wo`s lang geht. So stimmt man sein Wesen immer mehr auf die Außenwelt ein und merkt nicht mal, dass man nur noch fremdgesteuert ist.
Anders lässt sich nicht erklären warum Menschen die aus ihrer Arbeitsmühle entlassen werden oft überhaupt nich wissen was sie mit sich anfangen sollen.
Ohne Anleitung von Außen geht dann oft gar nichts mehr.
Tja.. Kontrolle und Abhängigkeit sind schon mal 2 wichtige Grundpfeiler in diesem "Theater".


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09.01.2014 um 23:32
@Piorama: Ich frage mich nur, was da noch hilft: Revolution oder private Nische?
Bei Letzterem scheinen mehr Leute mitzumachen.


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12.01.2014 um 19:53
Verweigern wir uns der Erziehung!
Erziehung tötet Kreativität und Begeisterung. Kinder sind keine Hühner.

Prof. Gerald Hüther:
… Im Grunde ist die ganze Kindheit davon geprägt, dass Kinder herausfinden, was sie alles können und wer sie selbst sind. Dafür muss man ihnen Raum geben, Spielräume schaffen, Freiräume, in denen sie nicht mit Erwartungen, Absichten, Zielen oder Ideen von außen konfrontiert werden. So komisch es klingt, aber für die Entwicklung des Gehirns ist Langeweile wesentlich besser als gut gemeinte Frühförderung.
… Mit all den Frühförderprogrammen kann man meist nur kurzfristig Effekte erzielen, langfristig ruiniert man die Lust am Lernen, da das Kind nur auf das reagiert, was von außen kommt.
Wer hingegen Langeweile hat, fängt an zu überlegen, was er als Nächstes tun möchte, und kommt so den eigenen Fähigkeiten auf die Spur. Das Problem ist, dass Eltern oder Erzieher die Kinder in gewissem Sinn für defekt halten. Sie wollen sie trainieren, dass etwas aus ihnen wird, möglichst viel aus ihnen herausholen.
Aber Kinder haben das nicht verdient. Sie wollen von klein auf Verantwortung übernehmen, sie haben eigene Erinnerungen, Erfahrungen, Fertigkeiten und Ziele. Sie sind freie Menschen, nicht verfügbar. Kinder sind Adler, keine Suppenhühner.
Prof. Gerald Hüther, Hirnforscher.

Quelle: http://www.welt.de/politik/deutschland/article109581679/Hochbegabung-ist-mehr-als-gute-Schulnoten.html


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13.01.2014 um 21:52
Theoretisch ist das „Erziehen“ von Kindern eigentlich ganz einfach.
Dazu wäre nichts weiter zu tun, als dass Eltern/ Erzieher sich selbst so verhalten, also „einfach“ so sind, wie sie ihre Kinder gern hätten.

Vorleben ist das Stichwort. Stattdessen wird von unseren Kindern und Jugendlichen erwartet, dass sie sich vernünftiger und erwachsener verhalten, als es die „Erwachsenen“ in unserer Gesellschaft tun.

Wirklich Erwachsene könnten mit dem Verweigern von Unvernunft voranschreiten.

Wobei sich nun natürlich endlos darüber diskutieren ließe, was Vernunft/Unvernunft - vernünftig / unvernünftig überhaupt ist, denn auch das liegt, wie alles um uns herum im Auge des Betrachters und dessen subjektivem Empfinden.

Das große Dilemma, das uns Menschen so oft voneinander trennt.

Aber dennoch:

Beispiel nützt zehn mal mehr als Vorschrift
Carles James


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14.01.2014 um 01:21
@Koreander

Hi Koreander,

ich bin Deinem Link gefolgt und habe den interessanten Artikel gelesen, der mir aus dem Herzen spricht.
In meiner Zitatensammlung habe ich das perfekte Zitat dazu gefunden:

Jeder ist ein Genie, doch wenn Du einen Fisch nach seiner Fähigkeit beurteilst, auf Bäume zu klettern, wird er sein ganzes Leben im Glauben verbringen, er sei dumm.
Albert Einstein

:-)


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14.01.2014 um 09:38
@Emze: Tatsächlich werden in unserer Gesellschaft jede Menge Möglichkeiten verschenkt, verbaut und eingeengt.
Wie viele völlig verschulte Menschen merken noch nicht einmal, was mit ihnen gemacht wird?
Da gibt es Leute, die stolz sind auf ihre Schichtarbeit. Dass sie damit auch ihre Gesundheit ruinieren, scheint sie nicht zu jucken.
Professor Gerald Hüther, Hirnforscher, auf die Frage, ob er selbst es durch seine umfassende Ausbildung nicht weit gebracht habe: "Schon, aber was wäre aus mir geworden ohne diese Ausbildung?"
Es gibt genügend Beispiele für äußerst kreative "Dilletanten", Autodidakten. Schriftsteller etwa.
Heute beklagen sich Professoren über die fehlende Fähigkeit zu komplexem, strukturellem Denken bei ihren Studenten.
Das hat Methode. So postete gerade gestern eine Studentin voller Stolz ihr Konzept für eine Masterarbeit zum Thema "Inclusive Arbeit mit Behinderten".
Darin fanden sich viele Plastikwörter wie "Inclusion", "Segmentierungsanalyse" usw., aber nicht ein Hinweis darauf, dass Behinderte in einer Leistunmgsgesellschaft nun mal schlechte Karten haben.
Dabei weiß diese Frau wirklich eine Menge. Den Behinderten wirds nichts nützen. Sie sollen irgendwie in die Gesellschaft eingebunden werden.
Diese Relativierungen von echten Problemen erzeugen immer mehr Fachidioten, sog. "Experten" und "Spezialisten", die immer rätseln, woraus ein Baum besteht, während der Wald brennt.


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14.01.2014 um 14:08
@Koreander

Hallo Koreander,
eigentlich wollte ich nur einen kurzen Streifzug durch dieses Forum machen aber da ich merke, wie sehr sich unsere Erkenntnisse gleichen möchte ich doch nochmal „Laut geben“ ;-)

Das Stichwort Behinderte in Deinem Beitrag erinnerte mich daran, dass ich mich vor vielen Jahren einmal mit dieser Problematik auseinandergesetzt habe.
Deshalb habe ich eben hierzu ein neues Thema mit dem Titel "Behinderte - provokante Betrachtung" erstellt.
Persönlich hatte ich noch keinen Kontakt, mit gehandicapten Menschen, aber ich mache mir eben über alles Mögliche meine Gedanken.
Übrigens bin auch ich durch und durch Autodidakt. Schon als Kind in der Schule habe ich mich oft regelrecht geweigert, Lehrmeinungen anzunehmen. Für mich bestand schon immer ein besonderer Reiz darin, meine Welt auf meine eigene Weise zu ergründen.
Ich will nicht bestreiten, dass mich manchmal eine gewisse Reue über meine vermeintliche Lernfaulheit, die mir letztlich nur einen mittelmäßigen Hauptschulabschluss einbrachte, streift, denn ohne eine Handvoll von Stempeln und Zertifikaten bleiben einem in unserer Hamsterradgesellschaft natürlich etliche Türen verschlossen.
Aber dennoch bereue ich nichts. Um es mit einem Zitat, welches mir aus dem Herzen sprich auszudrücken:

„Mir ist es lieber bei etwas zu versagen was ich mir selbst ausgesucht habe, als Erfolg zu haben bei etwas, was man mir aufgezwungen hat.“
Aus dem Film Groupies forever

;-)


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14.01.2014 um 19:32
Liebe/r E.,

danke für Deine ermutigenden Worte. Wir haben wohl wirklich ähnliche Erfahrungen. Mein höchstes Zertifikat ist ein "Schülerdiplom" der 10. Klasse: zwei mal eine "2"- sonst alles Einsen.
Ich brach ein Schauspiel- Studium ab. Habe kein Abitur. Was mich nicht daran hindert, heute einen Stundenlohn von 50 Euro zu beziehen- bei ca. 15 Stunden Erwerbsarbeit pro Woche.
Ich lebe und habe Zeit zum Leben.
Ein Autodidakt oder "Dilletant" fühlt sich oft wohler als ein zigfach bescheingter Experte. Daneben gibt es tägliche Kämpfe mit jenen, die zur Schubladisierung ihrer Erkenntnisse Dich auf jeder Party fragen: "Was machst du?"- anstatt "Wer bist du?".
Wir lernen dann am besten, wenn wir uns für etwas begeistern. Es ist doch vorstellbar, dass ein 85jähriger, der sich in eine flotte 65jährige Chinesin verliebt und mit ihr nach China zieht, binnen kurzer Zeit Chinesisch lernt. Dieses Beispiel habe ich von dem Hirnforscher Gerald Hüther (auf youtube gibt es einige Vorträge von ihm).
Die "Behinderten" oder "Verrückten" sind oft jene, die weit gesünder sind als die "Normalen". Sie entziehen sich, auch wenn das oft unbewusst geschieht, der Normalität, welche meist nichts anderes ist als eine Krankheit. Wer setzt die Standards? Es sind die Herrschenden mit ihrer "diagnostischen Macht" (Marianne Gronemeyer, ebenfalls mit Vorträgen auf youtube zu finden)
Natürlich ist es schwer, sein eigenes, richtiges Leben im falschen zu behaupten. Doch das lohnt sich.
So fragte mich vor Kurzem meine Tochter, was sie machen müsse, um so "cool" zu leben wie ich. damit meinte sie meine reichlich bemessene Freizeit, meinen kaum aktiven Wecker und meine dennoch regelmäßigen Reisen. Am meisten jedoch ferue ich mich darüber, immer mehr Menschen kennen zu lernen, die auf dem besten Wege sind, eigene Wege zu gehen.
Deine Nachricht ist das schönste Erlebnis dieses Tages für mich. Nochmals: Danke.

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen" (T. W. Adorno)


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15.01.2014 um 12:11
Warnung laaaanger Text ;-)

Lieber Koreander,

in Foren gibt es nach meiner Erfahrung zwar nur wenige Freunde langer Texte und ich weiß nun nicht, zu welcher Sorte Du gehörst ;-), aber ich möchte Dir und Euch dennoch mal etwas aufs Auge drücken, von dem ich denke, dass es hier gut hineinpasst.

Jeder hat ja so seinen Plan zur Rettung der Welt und seine ganz eigene Vorstellung von den Ursachen all unserer Probleme. Jeder kennt den Spruch, für jedes Problem gibt es eine Lösung. Doch der Haken bei dieser Weisheit ist, sie ist ebenso richtig wie falsch, denn es gibt nicht nur eine Lösung, sondern Hunderte, Tausende, Millionen, nämlich für jeden Menschen eine andere.

Und so ist meine Ursachenforschung und mein Lösungsidee auch nur eine von Millionen. Und die schildere ich hier mal in einem Auszug aus einem noch viiieel längeren Taxt, den ich vor Jahren mal geschrieben habe:


„Jeder Mensch ist ein individuelles Einzelstück, mit individuellen Stärken, Schwächen und Bedürfnissen und hat instinktiv den Drang, diese auszuleben und zwar jeder auf seine ganz persönliche Weise. Und genau dieser natürliche Drang wird von unserem Gesellschaftssystem permanent unterdrückt, kaum dass wir auf der Welt sind.
Jeder von uns wird mit bestimmten Talenten und Begabungen geboren. Jeder!
Aber wir werden von Anfang an, ohne Rücksicht darauf in ein Korsett gepresst, dass im Laufe unseres Lebens immer enger gezogen wird und uns mehr und mehr die Luft zum Atmen nimmt.
Das Beginnt oft schon damit, dass viele Eltern eine genaue Vorstellung davon haben, was aus ihrem Kind einmal werden soll, meistens schon bevor es überhaupt geboren wird. Der Vater ist Arzt, klar dass der Sohn auch einmal Arzt wird und die Praxis übernimmt. Die Mutter wollte studieren, was ihr aus irgendeinem Grund verwehrt wurde, klar dass nun der Sohn oder die Tochter studiert, schließlich sollen es die Kinder einmal besser haben. Oder der Landwirt, für den klar ist, dass sein Sohn einmal den Hof übernimmt u.s.w..
Sicher sollen unsere Kinder es einmal besser haben, aber sie werden es nicht automatisch dadurch besser haben, indem sie die Wünsche und Vorstellungen ihrer Eltern erfüllen. Der Sohn des Arztes ist vielleicht ein Naturbursche und will lieber Landschaftsgärtner oder Förster werden...........“das kommt ja überhaupt nicht in Frage“ .Die Tochter will lieber Frisöse werden, weil ihr das einfach Spaß macht, während der Sohn des Landwirts vielleicht gern studieren möchte, was der Vater für Zeitverschwendung hält, für die Arbeit auf dem eigenen Hof braucht er kein Studium.
Na ja, ihr wisst sicher was ich meine.
Dann ist da unsere Schulzeit, in der auf besonders brutale Art an unserem Korsett herumgezogen wird. Sicher müssen wir etwas lernen, um im Leben weiter zu kommen. Aber nicht so.

Mindestens die Hälfte unserer gesamten Schulzeit wird sinnlos vergeudet, weil unser Schulsystem keine Rücksicht auf die persönlichen Stärken und Schwächen des Einzelnen nimmt.
Lesen, schreiben, rechnen, das ist das was wir wirklich lernen müssen und alles was darüber hinausgeht, werden unsere Kinder mit Leichtigkeit lernen, verstehen und begreifen, wenn sie es wollen und sie lernen es nicht, wenn sie es nicht wollen, denn wenn man mit Druck und Zwang versucht, ihnen Dinge einzutrichtern, die an ihren persönlichen Interessen, Begabungen und Talenten vorbeigehen, kommt letztlich bestenfalls nichts weiter dabei heraus, als dass sie sich vielleicht dem Druck fügen, irgendwelche auswendig gelernten Texte dahersagen oder schreiben um sie dann, wenn alles überstanden ist wieder zu vergessen. So etwas nenne ich schlichtweg verschwendetes Potential und vergeudete Zeit.
Es gibt den schönen Werbespruch von Herrn Hipp, „Man muss die Natur einfach machen lassen“. Und die Potentiale, die in jedem von uns stecken sind auch naturgegeben, sozusagen. Und sie würden naturgemäß auch zum Vorschein kommen, wenn man sie nur lassen würde. Jeder hat den natürlichen Drang, sein Potential auszuleben, aber unser System lässt die Natur nicht machen.
Unsere Geschichte ist voll von positiven Beispielen was passiert, wenn Menschen das lernen dürfen, was ihren individuellen, naturgegebene Begabungen und ihrem natürlichem Wissensdrang entgegenkommt«.

Auch darüber hab ich mal einen langen Text geschrieben. Ich hatte mir als Beispiele 5 bedeutende Erfinder des 19.Jhd ausgesucht, die unser heutiges Leben entscheident beeinflusst haben. Uind ich hatte diese gewählt, weil sie alle etwas gemeinsam hatten.
Sie alle mussten auf ihre Weise auch gegen das System ihrer Zeit kämpfen. Sie mussten Unglauben, Ignoranz und Intoleranz überwinden, um ans Ziel zu kommen.
Aber eines blieb diesen fünf großen Männern der Geschichte erspart. Sie kamen allesamt aus ärmlichen Verhältnissen und dort gab es noch kein Schulsystem, das sie in ein enges Korsett aus starren Lehrplänen zwängte. Sie haben, wenn auch unter schwierigen Umständen, gelernt, was sie wollten. Das was ihren Interessen und Begabungen entsprach. Sie konnten ihre innere Natur ausleben und sie selbst sein, Und ich denke, das machte sie stark und gab ihnen die Kraft alle Not und die widrigen Umstände ihrer Zeit zu überstehen und das Beste daraus zu machen.
Natürlich muss man nicht zwangsläufig aus ärmlichen Verhältnissen stammen und in Not und Elend aufwachsen um ein großer Mensch der Geschichte zu werden. Es gab auch viele „Träumer und Fantasten“, die aus sehr guten Verhältnissen stammten.
Leonardo da Vinci war zum Beispiel einer von ihnen. Aber ob nun arm oder reich, der Unterschied zur großen Masse mag der sein, dass sie von Natur aus auch etwas wissbegieriger und neugieriger waren als der Rest der Welt. Sie hatten den Drang, den Dingen die sie interessierten auf den Grund zu gehen.
In jedem von uns schlummern ungeahnte Fähigkeiten und Kräfte. Und die Betonung liegt hierbei auf >schlummern< Jeder von uns könnte ein paar verborgene Reserven hervorholen. Er bräuchte sich nur einige Fragen zu stellen.
Woher, wohin, warum und wie?
Um unser geistiges Potential zu aktivieren müssen wir uns auf die Suche begeben. Goethe sagte einmal, „Erfinden ist der Abschluss des Gesuchten“.
Doch die meisten von uns suchen nicht und stellen sich diese Fragen nicht. Wir nehmen die Dinge so wie sie sind. Uns genügt das was da ist. Uns fehlt der Antrieb uns den Kopf darüber zu zerbrechen, was sein könnte oder was überhaupt möglich wäre. Unser Denken ist mit den „kleinen“ Dingen des Alltags völlig ausgelastet. Wir wählen unseren Beruf nicht aus dem Antrieb heraus, hinter irgendwelche Dinge zu schauen, sondern allein mit dem Gedanken, welche Vorteile und welchen persönlichen Profit er uns bringt. Unsere natürliche, kindliche Neugier haben wir während unserer Schulzeit in den unendlichen Weiten starrer Lehrpläne längst verloren.
Wenn jeder Erwachsene mal darüber nachdenkt, was von all dem, was ihm während seiner Schulzeit eingebläut wurde am Ende hängen geblieben ist, wird er feststellen, dass es nur ein Bruchteil von dem ist, womit er sich jahrelang herumgequält hat. Und dieser Bruchteil umfasst genau das, was seinen persönlichen Interessen und Begabungen entspricht.
Allgemeinbildung hin oder her, sicher nützlich........, für eine Quizshow ;-). Aber wenn ich mich entschieden habe Elektriker zu werden, wozu muss ich dann wissen, wer, wann im dreißigjährigen Krieg wo gegeneinander gekämpft hat. Hilft mir das bei der Reparatur irgendwelcher Geräte oder dabei meinen Lebensunterhalt in meinem gewählten Beruf zu verdienen? Ich habe lesen gelernt, und wenn mich die Geschichte irgendwann interessiert, dann hole ich mir die entsprechenden Bücher und lese. So einfach ist das. Große Männer der Geschichte haben es vorgemacht. Und wenn ich Arzt werden will, wozu muss ich dann wissen, wie die Taiga hinterm Ural beschaffen ist und was da alles kreucht und fleucht. Ich kann lesen, und wenn mich das irgendwann wirklich interessiert....
Natürlich soll in den Schulen Erdkunde, Geschichte, Biologie, Physik, Chemie u.s.w unterrichtet werden, aber jeder Schüler sollte neben dem Pflichtprogramm Deutsch und einfache praxisnahe Mathematik, selbst wählen können was er darüber hinaus lernen will. Und was er selbst gewählt hat, das wird er mit Interesse und Freude in sich aufnehmen, weil es seinen persönlichen Begabungen und Bedürfnissen entspricht und er ausleben kann, was wirklich in ihm steckt. Und was man mit Freude macht, macht man automatisch gut und das ohne Druck und Zwang. Und eigene gute Leistungen steigern das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl und machen zufrieden.
Aber leider sieht die Realität anders aus. Niemand schert sich darum, was wir wirklich wollen oder können. Leistungsdruck bestimmt von Anfang an unser Leben und eine bekannte Tatsache ist, Druck erzeugt Gegendruck. Das weiß jeder, auch wenn er sich nie für Physik interessiert hat.
Allgemeinbildung entsteht ganz von selbst, wenn wir den Kopf frei haben und mit offenen Augen und Ohren durchs Leben gehen.
Und, wie äußert sich der Gegendruck, den unser System verursacht, indem es unsere natürlichen Bedürfnisse unterdrückt und einschränkt. Wir rebellieren dagegen, instinktiv, jeder auf seine, seinem Wesen entsprechende Weise, laut oder leise.

Wie gesagt, werden schon in unserem Schulsystem die Begabungen und Talente des Einzelnen völlig außer acht gelassen. Es gibt einen starren Lehr- und Zeitplan und wer nicht mitkommt, hat Pech gehabt. Unsere Kinder werden entweder über- oder unterfordert. Die Brutstätte einer perspektivlosen Null-Bock-Generation in der Potentiale unbeachtet verkümmern.
Und wer hört ihnen zu Hause zu, wenn ihre Kinderseele verzweifelt um Hilfe schreit und mit bunten Haaren oder Springer Stiefeln oder flegelhaftem Benehmen oder, oder, oder um Aufmerksamkeit bettelt?
Wo gibt es heute noch Eltern, die diese Zeichensprache verstehen, verstehen wollen? Und was ist mit all den anderen Menschen drum herum, die immer nur vermeintliches Fehlverhalten kritisieren und verurteilen ohne sich Gedanken über die Hintergründe zu machen.
Wie sollen junge Menschen sich dagegen wehren.
Scheißleben, wozu. Frust, Ohnmacht Unzufriedenheit. Die einen reagieren aggressiv, schlagen um sich, verbal oder mit Fäusten oder Waffen, andere depressiv, sie verkriechen sich oder benebeln sich mit Alkohol und Drogen, oder fressen sich fett oder essen gar nichts mehr, oder verfallen in Kaufrausch. Oder sie suchen sich andere Ersatzbefriedigungen indem sie sich mit einem Berg von Statussymbolen umgeben. Mein Haus, mein Auto, mein Pferd, größer, besser, schöner als der Nachbar.
Übrigens gab es bei den fünf großen Männer der Geschichte noch eine interessante Gemeinsamkeit. Sie hatten Ruhm und Ansehen erlangt und sind dennoch alle bescheiden geblieben. Sie konnten ihre Potentiale ausleben und mussten sich keine Ersatzbefriedigungen schaffen, denn die sind das Ergebnis von innerer Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit, weil unsere Gesellschaft dem Einzelnen zu wenig Raum und Möglichkeiten bietet ER selbst zu sein und seine angeborenen Potentiale zu entfalten. Wir haben kaum die Möglichkeit, sie überhaupt erst zu erkennen, weil wir viel zu sehr damit beschäftigt sind uns um Regeln, Gesetze Konventionen und dergleichen zu kümmern und darum, es allen recht machen zu wollen, zu müssen und jaa nicht anzuecken. Wer es zu etwas bringen will, muss sich fügen, anpassen, im konventionellen Sinne immer schön funktionieren.
Die permanente unterschwellige Frage, was ist richtig, was ist falsch, was sagen die Leute, bestimmt unser Leben im Alltag, in der Familie, im Beruf, sogar in der Freizeit. Natürlich rennen wir nicht den ganzen Tag mit dieser bewussten Frage im Kopf herum, aber sie ist immer irgendwie präsent, sowie unsere Ohnmacht, keine Antwort auf diese Frage zu finden. Und das ist kaum verwunderlich, denn wir stellen uns die Frage nach richtig oder falsch gut oder böse immer nur im Hinblick darauf, was andere von uns denken, wie andere uns be- oder verurteilen, wenn wir dieses oder jenes tun. Und unter diesem Gesichtspunkt können wir wohl kaum eine Antwort finden, denn ganz egal was wir tun, es wird immer Leute geben, die es richtig finden und solche die an unserer Stelle ganz anders gehandelt hätten.
Wer will bestimmen, was für jeden einzelnen von uns gut und richtig ist, ganz abgesehen davon, dass sich die Maßstäbe hierfür im Laufe der Zeit ständig ändern. Was z.B. vor fünfzig Jahren verwerflich oder undenkbar war, ist heute ganz normal und selbstverständlich. Woran sollen wir uns orientieren?
Natürlich muss es gewisse Richtlinien, Regeln und Gesetze geben. Aber vor allem Kompromissbereitschaft, die Bereitschaft Zugeständnisse zu machen, gerade weil die Menschen so verschieden sind, sonst ist das Leben in einer Gemeinschaft nicht möglich. Aber die Notwendigkeit von Regeln muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass diese im Gegensatz zu den unterschiedlichen Bedürfnissen des Einzelnen stehen müssen.

;-)


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15.01.2014 um 13:00
@Koreander

Hier zum Abschluss noch ein kleiner Nachtrag, der auch zeigen soll, wie in unserem System Potenziale verschwendet werden.
Erst gestern oder vorgestern sah ich im TV mal wieder, wie schwer es Firmen angeblich haben, geeignete Lehrlinge, bzw. qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.
Ein altes Thema, denn schon vor Jahren wurde in einer Doku mal das Auswahlverfahren gezeigt. Da konnte ich nur mit dem Kopf schütteln.

Kurz darauf berichtete meine Mutter (sie wohnt nahe Bremen) mir am Telefon von einer Bekannten, die genau das gerade erlebt hatte. Ihr Bekannter, Leiter einer großen KFZ Werkstat,t suchte ganz dringend einen Autoschlosser, aber es sei einfach keiner zu finden. Die zahlreichen Bewerber seien bisher alle ungeeignet gewesen und konnten die einfachsten Fragen auf dem Fragebogen zur Qualifizierung nicht beantworten. Die Bekannte meiner Mutter, die sich ebenfalls über die vermeintliche Dummheit der Bewerber entrüstete, nannte ihr eine Beispielfrage,

>wie heißt die Hauptstadt von ...äh...ach weiß ich nicht mehr, ist ja auch egal. Ich dachte ich hör nicht richtig. Aber ich wusste auch, dass ich leider genau richtig gehört hatte. Das ist genau das, was mich an unserem System auf die Palme bringt .

Wozu muss ein Autoschlosser wissen, wie die Hauptstadt von Dingsda heißt?
Es haben sich dort wohlgemerkt fertige Autoschlosser beworben, die wegen Unfähigkeit abgelehnt wurden, weil sie derartig blödsinnige Fragen nicht beantworten konnten.
Ich würde diese Burschen in meiner Werkstatt neben einen in seine Einzelteile zerlegten Motor stellen und sagen mach was draus. Und derjenige der das am schnellsten und besten macht ist der richtige Mann für diesen Job. So einfach ist dass.
Von einem Autoschlosser, der in der Werkstatt still vor sich hínwurschtelt muss ich keine sonderliche Allgemeinbildung verlangen. Bei einem Autoverkäufer könnte das eher von Nutzen sein, um irgendwelche reichen, intellektuellen, potentiellen Käufer zu beeindrucken, um denen teure Autos aufzuschwatzen. Dabei kann ein kluger small talk vielleicht mal hilfreich sein ;-)
Daran sieht man mal wieder, dass unser Gesellschaftssystem an allen Ecken und Enden brauchbarere Potentiale verschwendet.

Emze, Ende ;-)


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15.01.2014 um 13:11
@Emze: Danke für Deine Beiträge. Sie sind nicht zu lang. Dennoch werde ich sie erst gründlich lesen, wenn´ s dunkel ist. Die Natur lockt auch bei Nieselregen.

Hier noch ein Beitrag zum Thema:

Wir sind zu verschiedenen lebenslangen Strafen verurteilt: Beschäftigung, Konsum und Lernen.
Jugendliche wehren sich noch gegen die Vertreibung aus dem unproduktiven Paradies kindlicher Verantwortungslosigkeit.
Sie hängen ab, gehen schon mittags mit Bierflaschen durch die Stadt, feiern Endlos- Partys, welche die eigene Verwertungsmöglichkeit am nächsten Tag stark einschränken.
Schließlich entdecken sie die Wirkung von Konsumprodukten auf andere. Etwa auf das andere Geschlecht. Für den Erwerb möglichst neuer und damit teuerer Textilien, Elektronik oder gar
Fahrzeuge ist schließlich der Eintritt in das Laufrad der Erwerbsarbeit nötig. Dafür gilt es, alles zu lernen, was möglichst hoch honoriert wird. Die Entwicklung des eigenen kreativen Potentials ist dabei
zweitrangig. Die Zivilisations- Übungen und Rituale der Schule werden fortgesetzt. Man sitzt in geschlossenen Räumen und verhält sich gesellschaftlich kompatibel.
Hier vermischen sich nun echte Bedürfnisse, welche neben dem Erhalt des eigenen Körpers auch die Neugier auf das Leben beinhalten, mit Sekundär- Bedürfnissen.
Letztere weckt meist die Werbung. Probleme werden erfunden, um eine dafür geeignete Lösung zu verkaufen. Allein der Aufwand und die Abhängigkeiten, welche ein eigenes Auto mit sich bringen,
führt die Behauptung der Unabhängigkeit, Freiheit und des Zeit- Sparens durch ein Kraftfahrzeug ad absurdum.
Ein Auto ist auch ein idealer Entscheidungs- Lehrer. Durch die Scheibe nach vorn gesehen und durch den Rückspiegel ergänzt, drängen sich in rasender Folge Entscheidungszwänge auf.
Man wird nicht schneller, man legt nur weitere Strecken zurück. Selbst über Land zu fahren, durch die Natur, hat nicht mehr viel mit dem eigentlichen "Erfahren" zu tun.
Der Weg ist vorberechnet, die Straßen gut ausgeschildert. Es gilt nur noch, Zeit und Raum bis zum Erreichen des Ziels tot zu schlagen.
Dabei gibt es gar kein Ziel, denn hinter jedem Ziel lauert ein neues.
An dieser Stelle hat der Autor des Beitrags Lust auf einen Spaziergang. Bis demnächst.


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15.01.2014 um 13:18
@Koreander
Zitat von KoreanderKoreander schrieb:Danke für Deine Beiträge. Sie sind nicht zu lang. Dennoch werde ich sie erst gründlich lesen
Genauso mache ich es auch immer. Lange Texte schieb ich erst mal beiseite und lese sie später in aller Ruhe.
Ich wünsch Dir einen erholsamen Spaziergang durch die unendlichen Weiten, Deines ganz eigenen Wahrnemungsfeldes
:-)


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Nein danke! Verweigerung als Gegengift

23.01.2014 um 12:47
@ emze:

Entschuldige bitte, dass ich dir erst jetzt antworte. Zu meiner sozialen Verweigerungshaltung gehört auch, dass ich mich dem ständigen Erreichbarkeitsprinzip entziehe. Was waren das noch für Zeiten, als die Post eine Woche brauchte, um einen Brief zuzustellen? Umso bedeutsamer wurde jeder Brief, umso gründlicher überlegten sich die Briefschreiber, was sie da schrieben. Ich hoffe, dass ich deine Gedanken einigermaßen sinnreich beantworten kann.

>>Jeder Mensch ist ein individuelles Einzelstück, mit individuellen Stärken, Schwächen und Bedürfnissen und hat instinktiv den Drang, diese auszuleben und zwar jeder auf seine ganz persönliche Weise. Und genau dieser natürliche Drang wird von unserem Gesellschaftssystem permanent unterdrückt, kaum dass wir auf der Welt sind.<<

Die Unterdrückung ist allgemein, ja. Dabei lassen sich die meisten Unterdrückten die Akzeptanz ihrer Unterdrückung ins Gehirn bügeln. Sie wollen, was sie sollen. Sie verinnerlichen "Sachzwänge".
Beispiel: Du willst leben- also musst du fleißig arbeiten. Du willst arbeiten- also brauchst du ein Auto. Du brauchst ein Auto- also musst du besonders fleißig arbeiten. Das Auto und die Büroarbeit machen dich fett und träge? Geh ins Fitness- Studio. Arbeit und Alltag lassen dir keine Zeit für Bildung? Geh in einen Kurs. Du willst gesellschaftlich akzeptiert werden? Arbeite so viel, dass du dir Auto, Fitness- Studio und Kurse leisten kannst. Und so weiter. Arbeits- und Konsumzwang. Gleichschaltung von Bedürfnissen. Verdrängung des Individuellen.

>>Die Tochter will lieber Frisöse werden, weil ihr das einfach Spaß macht, während der Sohn des Landwirts vielleicht gern studieren möchte, was der Vater für Zeitverschwendung hält, für die Arbeit auf dem eigenen Hof braucht er kein Studium.<<

Gehen wir mal von einem Idealfall aus. Die Kinder lieben ihre Eltern. Soll ja nicht immer so sein. Verwandte kann man sich nicht aussuchen. Dennoch sind Verwandte manchmal auch echte Freunde. Warum sollte die Tochter nicht Friseurin im Dorf sein? Was will der Sohn studieren? Könnte es etwas sein, was im Dorf nützlich ist? Etwa Agrotechnik? Melioration?
Abgesehen von Ausbildungs- Möglichkeiten: gäbe es für die Kinder nicht auch in ihrem Dorf genug zu lernen? Warum muss das Lernen unbedingt institutionalisiert werden? Denn immerhin hast du geschrieben:

>>Mindestens die Hälfte unserer gesamten Schulzeit wird sinnlos vergeudet, weil unser Schulsystem keine Rücksicht auf die persönlichen Stärken und Schwächen des Einzelnen nimmt. <<

Das meiste, was wir lernen, lernen wir nicht in der Schule. Das liegt auch daran, dass in der Schule meist mit Angst gelernt wird. Was wir unter Angst lernen, löscht das Gehirn ganz schnell wieder, wenn die Angstsituation vorbei ist. Was wir dagegen mit Begeisterung lernen, behalten wir lange. Das Gehirn will sich begeistern. Es schüttet dann Belohnungsstoffe aus. Wenn sich also, wieder bezogen auf dein ländliches Beispiel, die Kinder und die Eltern an einer gelungenen Zusammenarbeit freuen können, so ist das eben jene Begeisterung, die uns nachhaltig lernen lässt. Im Gegensatz zu einem "Studium".

>> „Man muss die Natur einfach machen lassen“.<<

Einerseits muss man die Natur machen lassen, also das sich bilden lassen, was sich bilden will. Die Bildung von Pflanzen ist ihr ganz normales Wachstum. Eine Bauernweisheit sagt: was wächst, muss nicht gezogen werden. Das ist das Dilemma der Erziehung. Erziehung als künstliche Beschleunigung dessen, was sich von allein bildet. Die Aufgabe von Eltern ist es, ihren Kindern Barrieren weg zu räumen. Aber nicht, sie zu erziehen. Dazu hast du geschrieben:

>>Allgemeinbildung entsteht ganz von selbst, wenn wir den Kopf frei haben und mit offenen Augen und Ohren durchs Leben gehen.<<

So ist es. Und wenn man nicht nur wachen Sinnes, sondern auch mit offenem Herzen durchs Leben geht, wenn also zur täglichen Erfahrung ein gesundes Maß an menschlicher Empathie kommt, erübrigt sich die angebliche Notwendigkeit der umfassenden institutionalisierten Schulung.


>>Scheißleben, wozu. Frust, Ohnmacht Unzufriedenheit. Die einen reagieren aggressiv, schlagen um sich, verbal oder mit Fäusten oder Waffen, andere depressiv, sie verkriechen sich oder benebeln sich mit Alkohol und Drogen, oder fressen sich fett oder essen gar nichts mehr, oder verfallen in Kaufrausch. <<

Ich würde nicht sagen Scheißleben. Sondern Scheißsystem. Wir müssen es verändern oder verlassen. Wir müssen unsere Nischen finden, in denen wir dem System so weit es geht unzugänglich sind. Wenig Erwerbsarbeit, wenig unnötiger Konsum. Das meine ich mit Verweigerung.

>>Die permanente unterschwellige Frage, was ist richtig, was ist falsch, was sagen die Leute, bestimmt unser Leben im Alltag, in der Familie, im Beruf, sogar in der Freizeit. <<

Richtig und falsch sind wie eins und null. Auch unserer Digitalisierung müssen wir uns verweigern. Das Leben läuft analog.

>>Wer will bestimmen, was für jeden einzelnen von uns gut und richtig ist, ganz abgesehen davon, dass sich die Maßstäbe hierfür im Laufe der Zeit ständig ändern. Was z.B. vor fünfzig Jahren verwerflich oder undenkbar war, ist heute ganz normal und selbstverständlich. Woran sollen wir uns orientieren?
Natürlich muss es gewisse Richtlinien, Regeln und Gesetze geben. Aber vor allem Kompromissbereitschaft, die Bereitschaft Zugeständnisse zu machen, gerade weil die Menschen so verschieden sind, sonst ist das Leben in einer Gemeinschaft nicht möglich. Aber die Notwendigkeit von Regeln muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass diese im Gegensatz zu den unterschiedlichen Bedürfnissen des Einzelnen stehen müssen.<<

Die Anarchisten sagen: so viele Regeln wie nötig, so viel Freiheit wie möglich.


>>Von einem Autoschlosser, der in der Werkstatt still vor sich hínwurschtelt muss ich keine sonderliche Allgemeinbildung verlangen. Bei einem Autoverkäufer könnte das eher von Nutzen sein, um irgendwelche reichen, intellektuellen, potentiellen Käufer zu beeindrucken, um denen teure Autos aufzuschwatzen. Dabei kann ein kluger small talk vielleicht mal hilfreich sein ;-)
Daran sieht man mal wieder, dass unser Gesellschaftssystem an allen Ecken und Enden brauchbarere Potentiale verschwendet.<<

Tatsächlich sollten wir darüber nachdenken, was aus uns werden könnte, wenn wir nicht in einer Konkurrenzgesellschaft lebten. Das hauptsächliche Prinzip in der Natur heißt Kooperation.


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Nein danke! Verweigerung als Gegengift

23.01.2014 um 17:21
Es ist eigentlich leicht, aus dem System auszusteigen. Jeder könnte es hier und jetzt tun. Jeden Moment. Die meisten wollen aber nicht aussteigen, obwohl sie es schon sehen, dass vieles falsch läuft. Es gibt nämlich zu wenig eigenständige Menschen, die klar und offen ihre eigene Meinung vertreten. Anpassertum, Opportunismus, Diplomatie, Höflichkeit.. Es gibt einen unausgesprochenen Vertrag des Verdrängens, des bewussten Illusionierens in unserer Gesellschaft.

Es ist so: Wir stellen uns vor, es ist so, und dann leben wir danach. Aber wir leben oft gar nicht in der Realität. Wir verdrängen aus "pragmatischen" Gründen vieles aus unserem Bewusstsein. Dann kommt als Gegenantwort:

"Ja, wenn ich mir dies und jenes ständig klarmachen würde, dann würd' ich ja verzweifeln. Deswegen bild ich mir ein, es wäre alles schön. Mit dieser Illusion kann ich besser leben. Und jetzt red nicht mit mir zu lang drüber, sonst gehen meine kostbaren Illusionen kaputt!"


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Nein danke! Verweigerung als Gegengift

23.01.2014 um 20:08
@inspiratio: Deinem Kommentar ist schwer zu widersprechen. Hast Du konkrete Beispiele oder Erwägungen, woran dieses Duckmäusertum liegt?


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Nein danke! Verweigerung als Gegengift

23.01.2014 um 20:26
@Koreander
Am Leistungsdruck,am Zwang zum Konformismus,an Zukunftsängsten...und derer sind viele,die Angst nicht dazuzugehören,an der Angst unter der Brücke zu landen...oder im Arbeitslosen-KZ auf der grünen Wiese


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