Die Samurai, und ihr Geist
06.11.2005 um 19:08
Und noch einen Text mit dem Titel "Die ehre der Samurai"
Die Ehre der Samurai
Vieles im Zusammenhang mit Samurai und ihrem Kodex mutet für westliche Beobachter bizarr an. Seien es Samurai, die geschminkt und parfümiert in Kampf zogen, dichtende und malende Schwertkämpfer oder die vollendete Höflichkeit, bei der man soweit ging, dass man Köpfe nicht ganz abschlug, damit sie nicht herumrollten und eventuell das Auge Unbeteiligter beleidigten.
Manche Samurai sollen sich als Ninja betätigt haben, was so gar nicht zum Ehrenkodex der edlen Kämpen passen will. Loyalität, Treue, die Familie, all das mögen wichtige Werte gewesen sein für einen Samurai, allerdings war das allerwichtigste die persönliche Ehre. Das Leben ist endlich, ein Name dagegen kann zur Legende und somit unsterblich werden. Diesem Selbstverständnis hatte sich alles unterzuordnen. Ein Samurai lebte und kämpfte, um seinem Namen Ehre zu machen.
Selbst größere Schlachten bestanden häufig aus individuellen Zweikämpfen, wo ein Krieger vortrat, seinen Namen ausrief und nach einem gleichwertigen Gegner suchte. Es war wichtig, dass der Gegner wusste, mit wem er es zu tun hatte. Schließlich ging es auch um Reputation. Ein hoch angesehener Samurai war begehrt bei den einzelnen Kriegsherren, die sich über Jahrhunderte gegenseitig bekriegten um Macht und Einfluss.
So dienten auch die prächtigen Rüstungen erst in zweiter Linie dem Schutz. Vor allem waren sie Statussymbole. Ein aufwändiger Panzer war eine Aussage: Hier steht ein Krieger, mit dem man rechnen muss. Rüstungen waren so gehalten, dass sie martialisch wirkten, mächtige Helme und Gesichtsschutz verstärkten den ohnehin schon Furcht einflößenden Auftritt eines Samurai.
Einige der Kämpen gingen dagegen einen ganz anderen Weg. Sie wählten einen geradezu ausgelassen-heiteren Auftritt, um ihre Verachtung für Gefahr zu demonstrieren. Sie bemalten sich die Lippen und Wangen, trugen nur ein leichtes Gewand. Einige sollen so wunderschön gewesen sein, dass sie auf dem Schlachtfeld für Frauen gehalten wurden.
Kam es zum Kampf, gab es nur einen möglichen Ausgang. Einer der Kämpfer musste sterben. Entweder fiel er direkt im Kampf oder nahm sich nach einer Niederlage das Leben. Fast immer wurde dem Unterlegenen der Kopf abgeschlagen.
Viele Samurai sollen deshalb, bevor sie in die Schlacht zogen, das Innere ihrer Helme parfümiert haben, damit im Falle einer Niederlage ihr Bezwinger sich an dem angenehmen Duft erfreuen kann. Das mag uns seltsam vorkommen, war aber typisch für den Ehrenkodex der Samurai. Einem Gegner zollte man Respekt und man war immer bemüht, die Unannehmlichkeiten für seine Umwelt so gering wie möglich zu halten.
Das Abschlagen des Kopfes war sehr verbreitet. Es war üblich, dass wenn einer der Kämpfer merkte, dass sein Gegner überlegen war, er ihm regelrecht anbot, seinen Kopf zu nehmen. Die Dekapitation des Gegners wirkt sicher mehr als befremdlich.
Der Hintergrund war, dass der abgeschlagene Kopf einen sicheren Beweis darstellte, dass man einen Gegner bezwungen hat. Gegen Vorlage des Kopfes erhielt ein Samurai von seinem Kriegsherren die entsprechende Belohnung, sei es Land, Geld oder auch Geschenke.
An der Vererbbarkeit des Samuraititels änderte auch die Tatsache nichts, dass man sich bis hin ins sechzehnte Jahrhundert hinein selbst zum Samurai erklären konnte. So kam es, dass den Titel auch Frauen erbten. Japanerinnen mögen im Westen als gehorsam und sanft gelten, das bedeutet aber nicht, dass sie nicht wehrhaft gewesen wären.
In Japan sind Frauen bekannt und durchaus geachtet als grimmige und fähige Kämpfer. Einige weibliche Samurai brachten es zu großem Ruhm auf dem Schlachtfeld. Von Tomoe Gozen erzählt man, dass sie stärker als die meisten männlichen Samurai war. Auf ihrem Pferd ritt sie in die Schlacht und holte sich ihre Trophäen.
Der Legende nach war Tomoe eine ausgesprochene Schönheit, mit weißer Haut, lange Haaren und einem lieblichen Antlitz. Berühmt und berüchtigt war sie als Bogenschützin und Schwertkämpferin. Man sagt, ihr Geliebter – General Minamoto no Yoshinaka – schickte sie immer in die vorderste Reihe, weil sie als Kämpfer mehr Wert war als jeder seiner Krieger. Auf ihrem wilden Hengst ritt sie Fußsoldaten einfach nieder, jederzeit bereit, sich einem Zweikampf zu stellen.
Bei einer Gelegenheit geriet sie an einen feindlichen General. Er versuchte sie mit seinem Schwert zu töten, schlug allerdings daneben. Darauf fasste er ihr Schienbein und machte sich daran, sie vom Pferd zu reißen. Darüber war sie so erbost, dass sie ihm den Kopf abschlug und als Trophäe mit nach Hause nahm.
Frauen als Krieger waren sicherlich die Ausnahme, weibliche Samurai durchaus nicht. Im Allgemeinen wurde nicht von ihnen erwartet, dass sie in den Kampf zogen, wenn nötig konnten sie aber mit der Lanze umgehen. Als Zeichen ihrer Rangzugehörigkeit trugen weibliche Samurai einen in Brokat gehüllten Dolch, Schwerter waren – von Ausnahmen wie Tomoe einmal abgesehen – Männern vorbehalten.
Obwohl sie in vielen Bereichen Männern untergeordnet waren, hatte ihr Wort großes Gewicht. Gerade in Bezug auf die Clanpolitik war ihr Wort entscheidend, in Frauenhand lagen in der Regel auch die Finanzen. Heirat war eher eine politische als romantische Angelegenheit. Der Fakt, dass Samurai empfohlen wurde, mit ihrem Schwert zu schlafen, da sie ihren Frauen nicht trauen könnten, besagt eigentlich alles.
Samurai mussten mit einem fundamentalen Widerspruch leben und waren von ihm hin- und hergerissen. Die meisten waren Buddhisten. Ihre schiere Existenz widersprach Grundsatz und Glauben ihrer Religion, wenn man Buddhismus denn als solche verstehen möchte.
Im Buddhismus geht man davon aus, dass die Welt in Kreisläufen lebt, Geburt und Wiedergeburt. Jedes neue Leben hängt ab von der Tugendhaftigkeit und den Sünden des letzten Lebens. Töten war für einen Buddhisten geradezu eine Todsünde, das Dilemma ist offensichtlich.
Was konnte ein Samurai angesichts seines Handelns vom nächsten Leben erwarten außer Schmerz und Leiden? Tatsächlich besagte ein Samurai-Sprichwort, dass die Strafe für ihr verachtenswertes Leben sei, als Samurai wiedergeboren zu werden.
Samurai waren oft hoch gebildet, Kampf war durchaus nicht ihr Lebensinhalt. Viele übten sich in Poesie, es war durchaus üblich, ein Gedicht zu verfassen, bevor es in die Schlacht ging oder auch in den rituellen Seppuku (Harakiri). Mancher schrieb sich so seinen eigenen Nachruf.
Einige Samurai wurden zu gefeierten Künstlern. Die Bilder von Miyamoto Musashi sind hoch geschätzter Bestandteil von Sammlungen in ganz Japan. Musashi gilt als einer der größten Schwertkämpfer aller Zeiten und doch begründet sich sein heutiger Ruhm vor allem auf seine Malerei und philosophischen Traktate. Sein Buch der fünf Ringe wird von japanischen Geschäftsleuten heute noch als Handbuch für die Planung von Verkaufskampagnen benutzt.
Musashi mag das berühmteste Beispiel sein, mit seiner Hingabe an die feinen Künste stand er aber nicht allein. Unter Samurai galt sogar Ikebana – das Arrangieren von Blumen – als eine Kampfkunst. Es trainiert den Geist und die Konzentration.
Quelle: Kristian Büsch
Wer nicht weiß, was er selber will, muß wenigstens wissen, was die anderen wollen