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25.01.2025 um 23:36Heinrich Böll - Irisches Tagebuch
Heinrich Böll reiste 1954 mit seiner Familie nach Irland und veröffentlichte einen Bericht schrittweise in der FAZ, bis er 1957 als Buch herausgegeben wurde. Die Erzählweise ist chronologisch und zeigt zunächst einen Böll, der mehr oder weniger kein Englisch kann, und je weiter er sich von Dublin in den Westen bewegt, auch Probleme hat, die Deutsche Mark in Irische Pfund zu wechseln. Dennoch gelingt es ihm, in poetischer Sprache nicht nur Reiseeindrücke zu vermitteln, sondern auch die Menschen näher zu bringen.
Der Einstieg ist in Dublin, wo ihm die Begeisterung für Kinofilme auf der einen Seite, auf der anderen Seite der hohe Alkoholkonsum ins Auge sticht. So schildert er die Einzelkojen in Pubs, in denen sich Männer abgeschottet von der Gesellschaft mit Whiskey besaufen. Dublin selbst ist für ihn eine Stadt mit Slums, die ihn ans 18. Jahrhundert erinnern.
Irland wird als desolates Land charakterisiert:
Und die wirtschaftlichen Gründe für die Auswanderung werden eindringlich beschrieben:
Dennoch fasziniert ihn am armen Leben der Bevölkerung die Stressbefreitheit. Zeit scheint keine Rolle zu spielen, Pünktlichkeit ist nicht erwartet, selbst bei der Verkehrskontrolle spricht der Polizist über vergangene Ereignisse und das Wetter, bevor er um die Papiere bittet.
Die Armut führt aber auch dahin, dass viele Männer ihre Torf-Claims haben, um zumindest eine Kleinigkeit dazuzuverdienen zu können:
Heinrich Böll reiste 1954 mit seiner Familie nach Irland und veröffentlichte einen Bericht schrittweise in der FAZ, bis er 1957 als Buch herausgegeben wurde. Die Erzählweise ist chronologisch und zeigt zunächst einen Böll, der mehr oder weniger kein Englisch kann, und je weiter er sich von Dublin in den Westen bewegt, auch Probleme hat, die Deutsche Mark in Irische Pfund zu wechseln. Dennoch gelingt es ihm, in poetischer Sprache nicht nur Reiseeindrücke zu vermitteln, sondern auch die Menschen näher zu bringen.
Der Einstieg ist in Dublin, wo ihm die Begeisterung für Kinofilme auf der einen Seite, auf der anderen Seite der hohe Alkoholkonsum ins Auge sticht. So schildert er die Einzelkojen in Pubs, in denen sich Männer abgeschottet von der Gesellschaft mit Whiskey besaufen. Dublin selbst ist für ihn eine Stadt mit Slums, die ihn ans 18. Jahrhundert erinnern.
Irland wird als desolates Land charakterisiert:
Als es Freistaat wurde, im Jahre 1923, hatte Irland nicht nur fast ein Jahrhundert industrieller Entwicklung nachzuholen, es hatte auch mit allem, was sich an Entwicklung ergab, noch Schritt zu halten; fast keine Städte gibt es, kaum Industrie, keinen Markt für die Fische.Aber Irland hat auch seine skurrilen Seiten. Die Wirtin der heruntergekommenen Pension, die er mit seiner Familie vor der Rückreise in Dublin bewohnt und die ihm ihr Haus verkaufen will, hat ein offensichtliches Alkoholproblem und hört Stimmen in der Nacht. Aber ihr Bonmot lässt einen schmunzeln:
»Der Psychiater«, sagte sie plötzlich leise, »behauptete, dass die Stimmen aus der Flasche kommen, aber ich hab ihm gesagt, er soll nichts gegen meine Stimmen sagen, denn schließlich lebt er davon.«Seine Reise führt ihn ins County Mayo im Nordwesten der Republik, in dem er nicht nur Spuren der irischen Mönche des frühen Mittelalters vorfindet, sondern auch verlassene und verfallene Dörfer, Zeugen der lange Zeit andauernden hohen Auswanderung. Noch immer zieht ein Drittel der Bevölkerung nach England, in die USA, nach Australien, um bessere Lebensumstände zu finden sowie mit Geldsendungen ihre Familien zu unterstützen.
Und die wirtschaftlichen Gründe für die Auswanderung werden eindringlich beschrieben:
Die wenigen Männer, die ständig hier Arbeit haben, am Hafen, beim Fischfang, beim Torfstechen oder am Strand, wo sie Kies sieben, Sand laden, diese wenigen verdienen fünf bis sieben Pfund die Woche (1 Pfund = 11,60); und wenn man einen eigenen Torfclaim hat, eine Kuh, Hühner, ein Häuschen und Kinder, die helfen, dann kann man davon gerade leben - in England aber verdient ein Arbeiter, wenn er Überstunden macht, wöchentlich zwanzig bis fünfundzwanzig Pfund, und ohne Überstunden mindestens zwölf bis fünfzehn; ein junger Bursche kann also, selbst wenn er zehn Pfund in der Woche für sich verbraucht, in jedem Falle noch zwei bis fünfzehn nach Hause schicken, und es gibt hier so manche Oma, die von diesen zwei Pfund, die ein Sohn oder Enkel schickt, und manche Familie, die von den fünf Pfund, die der Vater schickt, lebt.Er schreibt von
mehr als vierzigtausend, die in jedem Jahr dieses Land verlassen: Arbeiter und Ärzte, Krankenschwestern, Hausgehilfinnen und Lehrerinnen: irische Tränen, die sich mit polnischen, italienischen mischen werden, in London, Manhattan, Cleveland, Liverpool oder Sydney.Aber deren Eltern werden im Voraus nicht wissen "wie viele von ihren Kindern die Slums von Liverpool, London, New York oder Sydney bevölkern - oder ob sie Glück haben werden."
Dennoch fasziniert ihn am armen Leben der Bevölkerung die Stressbefreitheit. Zeit scheint keine Rolle zu spielen, Pünktlichkeit ist nicht erwartet, selbst bei der Verkehrskontrolle spricht der Polizist über vergangene Ereignisse und das Wetter, bevor er um die Papiere bittet.
Die Armut führt aber auch dahin, dass viele Männer ihre Torf-Claims haben, um zumindest eine Kleinigkeit dazuzuverdienen zu können:
Torf, einziger natürlicher Reichtum eines Landes, das schon seit Jahrhunderten des Waldes beraubt ist, das sein tägliches Brot nicht immer gehabt1967 schrieb Böll einen Nachtrag zu seinem Bericht, da Irland, dem er weiterhin verbunden war, begonnen hat, sich radikal zu modernisieren, Folgendes:
Dreizehn Jahre später, in einem von zwei Jahrhunderten eingeholten und von fünf weiteren Jahrhunderten übersprungenen IrlandUnd heutzutage, fast weitere 60 Jahre später, ist Irland, nicht nur Dank der EU, zu einem hochmodernen Staat geworden.