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Welches Buch lest ihr gerade?

7.372 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bücher, Lesen, Literatur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

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27.12.2024 um 19:53
Zitat von GrouchoGroucho schrieb:Ich habe meine alle noch, einzig "Die schwarze Insel" kann ich nicht finden.
Die schwarze Insel finde ich besonders gut, und da den fiesen Dr. Müller und seinen Gorilla Rosco.


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27.12.2024 um 20:29
Zitat von parabolparabol schrieb:Die schwarze Insel finde ich besonders gut,
Gehört definitiv zu den besseren, mein absoluter Liebling ist allerdings "Die sieben Kristallkugeln"


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27.12.2024 um 20:42
Gestern den Zauberberg von Thomas Mann zum zweiten mal (zu Ende) gelesen.
Bin immer noch ergriffen davon und habe ständig die Melodie von „Am Brunnen vor dem Tore" im Kopf.
Mit diesem Lied auf den Lippen, stolpert der Held Hans Castorp nach siebenjährigem entrückten Aufenthalt im Schweizer Sanatorium, zu Beginn des Ersten Weltkriegs als einfacher Frontsoldat (höchst wahrscheinlich) in den Tod.


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28.12.2024 um 11:33
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Tier-Mensch-Wandelwesen scheinen im Augenblick der Kinderbuchrenner zu sein. 2016 hat die deutsche Kinderbuchautorin Katja Brandis mit diesem Auftaktbuch die Woodwalkers-Serie begonnen
In japanischen Märchen gibts auch häufig Verwandlungen von Tier zu Mensch, das Hauptmotiv ist meistens Täuschung
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:»Aber dafür musste ich reich und mächtig werden. So mächtig, dass niemand mich mehr aufhalten konnte. Erst recht nicht wegen einer Kleinigkeit wie Geld.« Er grinste freudlos. »Tja, das hab ich geschafft. Man kann eine Menge schaffen, wenn man all seine Energie in etwas steckt. Wenn man jeden wachen Moment an seinem Plan arbeitet und an nichts anderes denkt.
Klingt nach der Lebensphilosophie von Elon Musk


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29.12.2024 um 22:53
Walter M. Weiss - Herzstücke in Wien

Weiss-Wien

Der Wiener Fotograf und Fremdenführer Walter M. Weiss hat vor drei Jahren ein recht nettes Buch über Wien verfasst, ohne viel Hintergrund. Es werden viele Orte (von Gastgewerbebetrieben bis zu Sehenswürdigkeiten) kurz vorgestellt, die für Wien-Reisende durchaus interessant sein können. Als in Wien Lebender ist nicht sonderlich viel Neues dabei, außer dass ich das Lieblingskaffeehaus von Thomas Bernhard, das Café Bräunerhof, wirklich mal besuchen sollte. Das Inhaltsverzeichnis gibt es auf seiner Webseite.


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30.12.2024 um 13:31
Ursula Poznanski - Scandor

Poznanski-Scandor

Der nächste Thriller von Ursula Poznanski, der dieses Jahr erschienen ist. Streckenweise ist er der beste, da zumindest die Skizzierung einer der Hauptfiguren gelungen ist. Dennoch werde ich das Gefühl nicht los: Handwerklich gut geschrieben, aber am Reißbrett konstruiert. Die Idee, einen mutmaßlich fehlerfreien Lügendetektor von 100 Leuten im Echtleben austesten zu lassen und der Gewinner:in 5 Millionen Euro zuzusprechen, hat durchaus seinen Reiz. Schräg ist der Einsatz: Die Verlierer müssen etwas durchleben, wovor sie panische Angst haben.

Hauptfiguren sind die etwa 20-jährigen Tess und Philipp, die sich im Lauf der Challenge näher kommen. Vor allem die Szenen von Tess in der Bar, in der sie einen Studentenjob hat, sind köstlich. Sie darf die Gäste nicht anlügen, was ihr schließlich den Job kostet.

Die Auflösung ist jedoch wie oft bei Poznanski, dass eine Person mit persönlichen Interessen hinter den Machinationen steckt, in diesem Fall der Technologie-Unternehmer Xaver Colmar. Dessen Bruder Melvin ist vor zwei Jahrzehnten bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen und sein Ziel ist, die Wahrheit über dessen Tod herauszufinden.

Das Set-up: Vor etwa 20 Jahren waren die Eltern von Tess und Philipp gemeinsam mit Tess' Onkel Henrik und dessen Frau/Freundin Loreen auf der griechischen Insel Skiathos. Melvin Colmar stalkt Loreen und bei einer Nachtfahrt auf einem Schnellboot rammt Henrik das Boot von Melvin, der sie verfolgt. Melvin und der einjährige Philipp fallen ins Wasser. Tess' Vater springt nach und kann Philipp vor dem Ertrinken retten, aber irgendwer beschleunigt das Schnellboot rückwärts. Die Schiffsschraube zerfetzt Tess' Vater das Bein, Melvin wird getötet.

Eigentlich hätten statt Tess und Henrik die Erwachsenen an der Challenge teilnehmen sollen, aber der Zufall wollte es nicht. Womit sich jedoch die Frage stellt, ob Scandor manipuliert ist oder das ganze Set-up nur konstruiert. Denn wer kann garantieren, dass diejenigen nicht früh ausscheiden, weil sie fahrlässig lügen oder eine Frage nicht beantworten (Philipp oder Tess beantwortet einmal wirklich eine Frage nicht - Fehler im Manunskript oder versteckter Hinweis?). Auch weiß man nicht, ob die Zufallskandidat:innen wirklich ihren Einsatz durchführen müssen (von einem Mann in einem Quallenaquarium bzw. einer Frau beim Bungee-Jumping berichtet der an einem Arm angebrachte Scandor). Ein Mann wird eine Stunde lang lebendig begraben (aber er ist einer der handverlesenen Zeugen). Auf jeden Fall sind Tess und Philipp die letzten beiden in der Challenge, sie kennen bereits die Hintergründe und Philipp lässt Tess gewinnen (ihr Vater ist seit dem Unfall arbeitsunfähig). Der Roman endet, dass er einen Taucheranzug anlegt - seit dem Kindheitstrauma hat er panische Angst vor Wasser.

Wenn das letztlich unlogische Konstrukt nicht wäre, ein interessantes Buch. Das letzte Viertel, in dem die Fäden aufgelöst werden, war dann aber doch etwas langweilig, da sehr aufgesetzt.


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30.12.2024 um 17:19
Judith Kerr - Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Kerr-Kaninchen

Judith Kerr war die Tochter des bekannten Literaturkritikers Alfred Kerr und in der Figur der neunjährigen Anna zeichnet sie die Flucht ihrer Familie vor den Nationalsozialisten 1933 bis 1935 nach. Zunächst ziehen sie in die Schweiz und von dort weiter nach Paris. Die Familie ist verarmt, da sie keinerlei Vermögenswerte mit auf die Flucht haben nehmen können, und für ihren Vater ist es schwierig, in Frankreich Artikel gegen Geld verkaufen zu können. Eine Exilzeitung, in der er schreibt, kann aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wenig oder gar nicht zahlen. Nach zwei Jahren in Paris wird in England ein Filmmanuskript über Napoleon für 1000 Pfund gekauft, und die Familie entscheidet 1935, nach England zu ziehen.

Der Text ist strikt aus der Sicht von Anna geschrieben, was Kerr in beeindruckender Weise gelingt. Einerseits ist sie von den verschiedenen Eindrücken beinahe begeistert, andererseits schreibt sie von den Schwierigkeiten, sich in Frankreich einleben zu können, ihren verzweifelten Versuchen Französisch zu lernen, was ihr 1935 so weit gelingt, dass sie das französische Staatsexamen schafft. Auch wird geschildert, wie Anna und ihr Bruder Max (in Realität Michael) als Außenseiter versuchen, sich zu integrieren. Das geht so weit, dass der in Deutschland und der Schweiz "lernfaule" Max an der französischen Schule zum Klassenbesten wird. Auch Anna, die so mit dem Französischen gekämpft hat, bekommt einen Sonderpreis des französischen Präsidenten für einen der besten Aufsätze des Jahrgangs, in dem sie über die Geheimreise ihres grippegebeutelten Vaters nach Prag schreibt, um die Flucht vorzubereiten.

Der Bezug zum Titel ist, dass sie ein altes rosa Plüschkaninchen in Deutschland zurücklassen musste, und nach der Konfiszierung des gesamten Eigentums der Familie, meint die kleine Anna, dass Hitler nun wohl ihr rosa Kaninchen liebhabe.
Am Ende blieb nur Platz für ein paar Bücher und eines von Annas Stofftieren. Sollte sie sich für das rosa Kaninchen entscheiden, das ihr Spielgefährte gewesen war, solange sie sich erinnern konnte, oder für ein neues wolliges Hündchen? Es war doch schade, den Hund zurückzulassen, da sie noch kaum Zeit gehabt hatte, mit ihm zu spielen, und Heimpi packte ihn ihr ein.
Das Klavier war weg ... die Vorhänge im Eßzimmer mit dem Blumenmuster ... ihr Bett ... alle Spielsachen, auch das rosa Kaninchen. Es hatte schwarze, aufgestickte Augen - die Glasaugen waren schon vor Jahren ausgefallen - und es sackte so reizend zusammen, wenn man es auf die Pfoten stellte. Das Fell war, obgleich nur noch verwaschen rosa, so weich und vertraut gewesen. Warum hatte sie nur, statt ihres lieben rosa Kaninchens diesen blöden Wollhund mitgenommen? Das war ein arger Fehler gewesen, und sie würde ihn nie wieder gut machen können.

»Ich wußte immer, daß wir die Spiele-Sammlung hätten mitnehmen sollen«, sagte Max. »Hitler spielt wahrscheinlich im Augenblick Dame damit!«

»Und hat mein rosa Kaninchen lieb!« sagte Anna und lachte. Aber gleichzeitig liefen ihr Tränen über die Wangen.
Dieser erste Teil einer Trilogie erschien im Original 1971, übersetzt wurde er auf großartige Weise von Annemarie Böll.


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31.12.2024 um 17:00
David King - The Commissar Vanishes

King-Commissar

Der britische Grafiker David King hat viele Jahre seines Lebens - auch in der Sowjetunion - die Geschichte der Fotografie in der Sowjetunion ins Zentrum historischer Forschung gesetzt. Schwerpunkt waren dabei die Falsifikationen von Fotografien während Stalins Herrschaft. Dieser beeindruckende Fotoband erschien 1997 und seit 2015 ist er auch in deutscher Übersetzung vom Dietz-Verlag zu beziehen. Einige Dokumente sind erstmals in diesem Band veröffentlicht, wie zum Beispiel ein Gruppenfoto der Häscher des ersten Schauprozesses in Moskau unter Wyschinsky oder eine Fotografie des Ausweisungsbeschlusses des Geheimdienstes von Alma Ata (heute Almati), auf dessen Basis Trotzki die Sowjetunion verlassen musste.

Die Lebensschicksale von vielen der "Ausradierten" werden - soweit bekannt - genauso geschildert wie die angewendeten fototechnischen Retouchemittel, die eingesetzt wurden. Manchmal jedoch waren die Methoden einfach simpel: Gesichter wurden ausgeschwärzt. Diese Methode wurde hauptsächlich bei bereits gedruckten Expemplaren eingesetzt (sei es in Büchern oder auf Fotopapier), denn auch diese mussten der Damnatio Memoriae, dem Vergessen zum Opfer fallen. Ein Buch mit einem Foto von Trotzki in der Privatbibliothek konnte Inhaftierung, Gulag oder Tod bedeuten.

Als Beispiel für diese krude Art der Auslöschung sei der Usbeke Isaak Abramovich Zelensky genannt und präsentiert. Zelensky war Leiter der staatlichen Konsumgüterverteilung, aber als Kritiker Stalins 1937 verhaftet und am 15. März 1938 erschossen. Hier nun ein geschwärzter Eintrag zu Zelensky in Alexander Rodtschenkos Buch Zehn Jahre Usbekistan (zum zehnten Jahrestag der Mitgliedschaft in der Sowjetunion).

Zelensky


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01.01.2025 um 19:27
Hans Gotthard Vierhuff - Die Neue Sachlichkeit

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sachlichkeit126Original anzeigen (0,5 MB)
Informative Texte und Bilder


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01.01.2025 um 21:18
Lese gerade der Herr der Ringe ... also immer noch, lese langsam.
Naja, macht aber dennoch Freude.

Bin mit dem ersten Buch fertig und bin ernsthaft überrascht, wie sehr der Film vom Buch abweicht! Bis auf die Rahmenhandlung stimmt überhaupt nichts!

Zum Glück hab ich die Filme, obwohl ich sie toll finde, nicht ganz so oft gesehen. Bei machen ist es schon ein Ritual, die Filme an den Feiertagen am Stück zu schauen...

Das letzte mal, das ich die Filme gesehen hab, ist Jahre her. So bin ich unbeeindruckt davon.


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09.01.2025 um 22:00
@Negev

Ich war nach nach dem klasse Buch:
Die Wünstenblume von Waris Dierie, arg von den Film enttäuscht.
Seit dieser Erfahrung, frage ich mich, ob man nach einem tollen Buch sich seine eigene Vorstellungkraft des Gelesenes durch einen Film nichtig machen soll.
Aber es gibt auch genauso gute Filme wie das dazugehörige Buch.


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11.01.2025 um 03:21
Zitat von LadyWhiteRoseLadyWhiteRose schrieb:Seit dieser Erfahrung, frage ich mich, ob man nach einem tollen Buch sich seine eigene Vorstellungkraft des Gelesenes durch einen Film nichtig machen soll.
Ging mir zum ersten Mal so, nach dem ich "Papillon", den mit McQueen/Hoffmann gesehen hatte. Das Buch habe ich schon als Teenie zum ersten Mal gelesen, den Film sah ich als Erwachsener mal iwann im TV und war total enttäuscht.

Das 2. Mal war "Der Medicus" von Noah Gordon. Das Buch habe ich damals an einem Sonntag verschlungen! Als dann iwann die Trailer zum Film kamen habe ich es mir gespart, ihn zu gucken. Ok, zu der Zeit hatte ich das Buch mehrfach gelesen, ich lese Bücher die ich liebe und die mich fesseln durchaus auch mal im Ring - letze Seite und direkt nochmal. Nur hat mich der Trailer damals schlicht abgeschreckt, er hatte nicht mal ansatzweise was mit den Bildern im meinem Kopf gemein, die ich beim Lesen hatte.

Ich persönlich kenne kaum ein Buch dessen Verfilmung meiner Phantasie standgehalten hätte. "Das Boot" vielleicht oder "Die Buddenbrooks". Allerdings lese ich selten die Bücher zu Filmen, eigentlich nie....


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11.01.2025 um 17:23
Marc Elsberg - Blackout

Elsberg-Blackout

Dieser Thriller des österreichischen Schriftstellers Marc Elsberg (bürgerlich Marcus Rafelsberger) aus dem Jahr 2012 thematisiert die Folgen eines etwa zehntägigen großflächigen Stromausfalls in Europa und den USA während des Wintermonats Februar. Herbeigerufen wird er durch eine internationale Terrorgruppe, die durch die Folgen des Blackouts einen gesellschaftlichen Reset herbeiführen wollen, indem die Bevölkerung sich vom Konsumerismus verabschiedet und die Herrschenden entmachtet. Die Mitglieder stammen mehrheitlich aus einer gebildeten Mittel- und Oberschicht, einige mit Vermögen, womit die Vorbereitung und Dufchführung sowie die Söldner für Sabotageakte bezahlt werden können. Technisch wird der Angriff zunächst auf drei Ebenen durchgeführt:


  1. Ein Abschaltcode in italienischen und schwedischen Smartmetern, der in drei Smartmeter implementiert wird und von diesen ausgehend sich ausbreitet, schaltet die Haushalte vom Netz.
  2. Ein Schadcode, der bereits in der Erzeugerfirma implementiert wurde, zeigt in Kraftwerken falsche Spannungsverhältnisse an.
  3. Umspannwerke werden in Brand gesetzt und Starkstrommasten gesprengt.


Diese Attacken führen dazu, dass noch funktionierende Teile des Stromnetzes überlastet sind und ihre Frequenz nicht mehr synchronisieren können. Diese schalten sich ab.

Im Thriller-Teil ist der linksradikale Mailänder Hacker Manzano der Hauptheld. Er findet den implementierten Ausschaltcode in einem Smartmeter, er findet die Routine der Schadsoftware in den Leitstandcomputern und am Ende, nachdem er in die interne Kommunikation der Hackergruppe eindringen konnte, den Stoppcode, der gesendet werden muss, um einen weiteren, nicht genauer technisch erläuterten Angriff nach Festnahme der Terrorgruppen in Istanbul und Mexico City abzuwenden. Der Angriff wäre initiiert worden, wenn dieser Stoppcode 48 Stunden nicht gesendet wird - damit hat der Roman ein James-Bond-Feeling am Ende.

Die ethische Fragestellung für Manzano ist, ob er mit Europol zusammenarbeiten soll oder nicht. Da er aber Gewaltangriffe auf die Bevölkerung ablehnt, springt er über seinen Schatten und beginnt eine nicht immer reibungslose (Schießerein inbegriffen) Zusammenarbeit.

Sehr eindringlich werden die Auswirkungen eines länger dauernden Stromausfalles geschildert: Wohnungen ohne Wasser und Heizung, zusammenbrechende Versorgung, verzweifelte staatliche Notversorgung und Notlager, Zusammenbruch des Gesundheitswesens, verendende Kühe, kritische Situation in nicht mehr mit Notstrom versorgten Atomkraftwerken, Aggression, Raub und Plünderung, Schwarzhandel, Militärdiktaturen in Portugal, Spanien und Griechenland. Die weltweiten Todesopfer werden auf Hunderttausende geschätzt, Millionen müssen aus ihren Häusern fliehen (auch wegen Kernkraftwerksunfälle), die Wirtschaft wird Jahre brauchen, sich zu erholen.

Da die kurzen Kapitel zwischen verschiedenen Schauplätzen in Europa wechseln, wird ein Überblick hergestellt und verschiedene Hauptfiguren werden zusammengeführt. Gut recherchiert, gut geschrieben, spannend. Durchaus eine Leseempfehlung.


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11.01.2025 um 20:03
Zitat von LadyWhiteRoseLadyWhiteRose schrieb:Seit dieser Erfahrung, frage ich mich, ob man nach einem tollen Buch sich seine eigene Vorstellungkraft des Gelesenes durch einen Film nichtig machen soll.
Meine Meinung: Man sollte sich vom Anspruch, dass ein/e Film/Serie genauso (gut) sein muss wie die Buchvorlage vielleicht sowieso verabschieden. Im besten Fall guckt man dann immerhin etwas, das einem unabhängig von der Vorlage gefällt, bei dem man aber trotzdem zumindest Vorwissen über die Handlung und die Entscheidungshintergründe der Protagonisten hat.

Ich habe z.B. früher die Bücher von Anne Rice wahnsinnig gerne gelesen. Vor einer Weile wurde dann "Interview mit einem Vampir" neu als Serie verfilmt. Ich habe mir die erste Staffel angeguckt, obwohl ich vorab wusste, dass dort nicht mal nur Details geändert wurden, sondern prägnante Teile der Handlung. Mir hat die Serie trotzdem gefallen. Weil die Änderungen in sich stimmig und logisch erklärt waren. Man hat ihnen angemerkt, dass sie von der Autorin nicht bloß toleriert, sondern sogar erwünscht waren und sich da nicht bloß ein Marketingteam überlegt hat, wie man eine größere Zielgruppe ansprechen könnte.


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11.01.2025 um 20:14
Zitat von SterntänzerinSterntänzerin schrieb:Ich habe mir die erste Staffel angeguckt, obwohl ich vorab wusste, dass dort nicht mal nur Details geändert wurden, sondern prägnante Teile der Handlung. Mir hat die Serie trotzdem gefallen.
Mir ging das damals mit Harry Potter so.
Ich mochte beides, die Bücher und die Filme.

Teilweise habe ich nicht mal gemerkt, was da verändert wurde, bis irgendwer im Internet sich darüber beschwert hat. :D


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12.01.2025 um 11:18
Henrik Ibsen - Die Wildente

Ibsen-Wildente

Die Moral dieses Theaterstücks des norwegischen Schriftsteller Henrik Ibsen aus dem Jahr 1884 ist schlicht und brutal: Offenheit und Ehrlichkeit kann Leben zerstören.

Protagonisten sind die Mitglieder zweier Familien in zwei bzw. drei Generationen:

  • Familie Werle: Der alte Werle ist reicher Bergwerksbesitzer, sein Sohn Greger hat sich von ihm abgewendet und kehrt nach Jahren zurück.
  • Familie Ekdal: Der alte Ekdal war Teilhaber am Bergwerk Werles, wurde jedoch wegen illegaler Finanzgebaren zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Verarmt zieht er zu seinem Sohn Hjalmar in ein schlichtes Haus. Am Dachboden hält er sich Tiere wie Tauben, Kaninchen und eine Wildente, die vor dem Ertrinkungstod gerettet wurde. Dort lebt er seine Jagdfantasien aus. Um seine Familie finanziell zu unterstützen, übernimmt er Schreibarbeiten von Werles Buchhaltung. Hjalmar ist Fotograf und hat mit seiner Frau Gina (ehemals Dienstmädchen beim alten Werle) eine Tochter, Hedwig.


Greger verwirft sich sehr rasch nach Rückkehr wieder mit seinem Vater und mietet ein Zimmer bei seinem alten Jugendfreund Hjalmar. Diesem erzählt er, da er von Offenheit und Ehrlichkeit schwärmt (Arzt Relling nennt es Rechtschaffenheitsfieber), dass dessen Frau Gina von seinem Vater, bevor sie ihn geheiratet hat, zum Beischlaf gedrängt wurde, welcher auch vollzogen wurde (Gina: "Er ließ mir keine Ruhe, bis er seinen Willen hatte."). Hjalmar zieht seine Schlüsse: Der alte Ekdal hat eine Augenkrankheit, an der er erblinden wird. Seine Tochter hat eine Augenkrankheit, an der sie erblinden wird. Hjalmar verwirft seine Tochter, plant den Auszug aus dem Haus und geht mit einem Arzt und einem Priester trinken. Gina möchte ein Opfer geben und das Liebste, das sie hat, töten, um die Liebe des Vaters zurückzugewinnen: die Wildente. Gina wird mit einer Schusswunde gefunden und stirbt. Ob Freitod oder Unfall, bleibt offen.

Der Arzt, Doktor Relling, bringt die Aussage dieses Stücks auf den Punkt.
Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück.



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23.01.2025 um 14:02
Hi an alle, aktuell lese ich das hier und muss sagen, mir taugts. Gruselige Stimmung und gut geschrieben. Richtig top! Bin da durch Zufall drüber gestolpert und kanns nur empfehlen.
Die Dunkelheit folgt dir - immer und überall
In einer Welt, in der das Unheil zu Hause ist, wirst du nie wirklich sicher sein, was dort draußen auf dich lauert. Sei vorsichtig, welche Türen du öffnest und wem du dein Vertrauen schenkst – das Grauen erreicht dich schneller, als du es dir vorstellen kannst.

Dunkle Erinnerungen, tödliche Lügen und übernatürliche Schrecken – diese sieben schaurigen Geschichten werden dich nicht mehr loslassen.

Traust du dich ...?
Quelle: Amazon

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24.01.2025 um 15:40
Karl Immermann - Münchhausen. Eine Geschichte in Arabesken

Immermann-Muenchhausen

Dieser 1841 erschienene Münchhausen-Roman von Karl Immermann ist ein Ungetüm von gedruckt über 800 Seiten. Nicht geboten werden Abenteuerepisoden, sondern ein Labyrinth an Figuren und Sprachbildern. Eingepackt in diese Arabesken (eigentlich orientalische Dekorschnörkel) sind knallharte Zeitaussagen, die skurrilen, surreal wirkenden Figuren in den Mund gelegt werden. Es fragt sich, ob dies nicht eine Methode ist, der Metternich'schen Zensur zu entgehen.

So gibt es einen alten Baron, bei dem sich Münchhausen einnistet und dessen Burg er einmal sogar gewaltsam besetzt hält, der noch nicht realisiert hat, dass es das alte Kaiserreich nicht mehr gibt, und seinen Geheimratsposten zurückhaben will. Ein alter Schulmeister ist wahnsinnig geworden, als eine Verordnung von ihm verlangt hat, die Kinder nach einer neuen Grammatik Deutsch zu lehren. Er selbst ist ein Anhänger der lakedämonischen (spartanischen) Methode: Nach vier Jahren müssen die Kinder nur ihren Namen schreiben können, ansonsten sollen sie sich so richtig austoben.

Der Roman beginnt gleich mit der Aussage Münchhausens bei einem Adelsbankett, dass auch sein Großvater ein Lügenbaron war, dessen Lügen mehr als 300 Menschen das Leben gekostet hätten.

An die typischen Geschichten von Münchhausen knüpfen wohl seine Kindheitsgeschichte und seine Luftverdichtungsaktiengesellschaft an.

Als Kind ist er von seinem Vater in einer Jackentasche ins Osmanische Reich mitgenommen worden und dort aus der Tasche gefallen, wonach ihn Ziegen aufgezogen haben und er selbst die Gestalt eines Wesens mit Ziegenkörper und Menschenkopf angenommen hat. So findet ihn ein Holländer, der ihn als kurioses Wesen mitnimmt und versklavt. Sein Vater kauft ihn frei und Münchhausen erhält wieder seine Menschengestalt.

Den Adeligen, bei denen Münchhausen "gastiert", will er Anteile einer Luftverdichtungsaktiengesellschaft andrehen. Er habe nämlich eine Methode gefunden, dass Luft so stark verdichtet werden kann, dass sie zu Stein wird. Dies werde eine erfolgreiche Methode für das Bauwesen sein und viel Gewinn abwerfen.

An Letzterem lässt Immermann Münchhausen reflektieren, warum Menschen Unsinniges glauben: Es sei die Hoffnung auf einen materiellen Vorteil.
»Theoretisch darf man den Leuten so viele Dinge, welche der Pöbel Lügen nennt, vorsagen, als man will, aber wehe dem, der ihnen etwas in den Kopf setzt, woran sich ihr Eigennutz heften kann! Sie glauben's, sie glauben's, und die Schüler treiben den Meister in die Enge. Ich fürchte, daß ich einen Fehler begangen habe, als ich die Luftverdichtungsaktienkompanie hier zur Sprache brachte, und der würde schlimmer sein, als ein Verbrechen.«
Angegriffen werden durchgehend Religion und Religionsgemeinschaften. So gebrochen über einen türkischen Freund, der Schweineohren esse und beabsichtige, in einem Buch nachzuweisen, dass Mohammed gar nicht existiert hätte, sondern nur "ein Produkt der Gläubigen sei". Die apostolische Kirche sei - sich auf David Friedrich Strauß berufend - "eine Art von Aktiengesellschaft gewesen, die sich den Erlöser auf gemeinschaftliche Kosten angeschafft habe, weil sie ihn bedurft".

Politisch ist durch diese Verwinkeltheit der Aussagen kaum mehr nachvollziehbar, wie Immermann selbst steht. Wenn er seine Figuren ultrakonservative Ansichten äußern lässt, ist einfach nicht klar, ob es ironisch gemeint ist oder nicht. So sei der moderne Staat ein "Not- und Bergehafen", der Freiheit und Selbständigkeit zertrümmert habe.

An einen Fortschritt durch Vernunft wird nicht geglaubt. Dieselben Dummheiten werden immer wiederholt.
Wenn ein Reich durch die Dummen und Memmen gestürzt und durch die Klugen und Tapfern gerettet worden, so beginnt einige Tage nach der Rettungsstunde ganz sicherlich die Herrschaft der Dummen und Memmen wieder. Wenn es Millionen Male vorkam, daß die Sklaven ihre Herren beraubten und ermordeten und nur die Treue des Freien fromm-schützend die Hand über Gut und Haupt des Gebieters hielt, so stellt sich die alte Liebhaberei für Sklaven jederzeit wieder ein, und wenn der menschliche Geist endlich auf den Punkt gediehen zu sein schien, die Geisterwelt im Geist zu erfassen, so ragt unversehens das verjährte, jämmerliche, krüpplichte Zeichen-, Wunder- und Gespensterwesen, der müffigste mystische Trödel in die nur scheinbar befreit gewesene Welt herein.
Der Küster (Kirchdiener) äußert ein sehr pessimistisches Menschenbild.
»Wenn man so wie ich auf vielen Hochzeiten gewesen ist«, sagte der Küster, »wenn man sieht, wie die jungen Leute einander heiraten, nach neun Monaten ein Kind kriegen, und dann immer so fort, jedes Jahr ein frisches Kind – nun stirbt dieses und jenes Kind, und die, welche leben bleiben, heiraten nach mehreren Jahren auch, und zuletzt stirbt alles miteinander, und hat das, wenn man seine sechzig Jahre auf den Schultern trägt, wie gesagt, einige Male mit durchmachen müssen, so kommt einem das menschliche Leben ganz einerlei vor und wie eine Kugel, die sich immer umdreht.«
Und wenn Immermann einen Hofschulzen (Gutsverwalter) als Ideal preist, so weist der Text 100 Jahre voraus, als der germanische Bauersmann gepriesen wurde.
Mein Hofschulze mag ein Mann von etlichen sechzig Jahren sein, doch trägt er den starken großen knochichten Körper noch ganz ungebeugt. In dem rotgelben Gesichte ist der Sonnenbrand der fünfzig Ernten, die er gemacht hat, abgelagert, die große Nase steht wie ein Turm in diesem Gesichte, und über den blitzenden blauen Augen hangen ihm weiße struppige Brauen, wie ein Strohdach. Er gemahnt mich, wie ein Erzvater, der dem Gotte seiner Väter von unbehauenen Steinen ein Mal aufrichtet und Trankopfer darauf gießt und Öl, und seine Füllen erzieht, sein Korn schneidet, und dabei über die Seinigen unumschränkt herrscht und richtet. Nie ist mir eine kompaktere Mischung von Ehrwürdigem und Verschmitztem, von Vernunft und Eigensinn vorgekommen. Er ist ein rechter uralter freier Bauer im ganzen Sinne des Worts; ich glaube, daß man diese Art Menschen nur noch hier finden kann, wo eben das zerstreute Wohnen und die altsassische Hartnäckigkeit, nebst dem Mangel großer Städte den primitiven Charakter Germanias aufrechterhalten hat. Alle Regierungen und Gewalten sind darüber hingestrichen, haben wohl die Spitzen des Gewächses abbrechen, aber die Wurzeln nicht ausrotten können, denen dann immer wieder frische Schößlinge entsprossen, wenngleich sich diese nicht mehr zu Kronen und Wipfeln zusammenschließen dürfen.
Und einen Diakon lässt er sagen:
Rede ich aber von dem Volke in dieser Beziehung, so meine ich damit die besten unter den freien Bürgern und den ehrwürdigen, tätigen, wissenden, arbeitsamen Mittelstand. Diese also meine ich, und niemand anders vorderhand. Aus ihnen aber, und aus dieser ganzen Masse haucht es mich wie der Duft der aufgerißnen schwarzen Ackerscholle im Frühling an, und ich empfinde die Hoffnung ewigen Keimens, Wachsens, Gedeihens aus dem dunkeln, segenbrütenden Schoße. In ihm gebiert sich immer neu der wahre Ruhm, die Macht und die Herrlichkeit der Nation
Ist das Ironie? Vielleicht nicht. An anderem Ort:
Der Bauernstand ist der Granit der bürgerlichen Gemeinschaft.
Und ein Kaspar, den Immermann "Patriotenkasper" nennt, hält eine Rede vor Gericht, wie die Hohen die Bauern im Stich lassen.
Herr Richter, ich mag mit meinem Schwerte und mit der Heimlichkeit am Stuhl wohl wie ein Narr da in den Schriften stehen, und Possen, wenn mir recht ist, nannte der junge vornehme Herr, an dem ich mich in meiner Angst vergreifen wollte, die Sachen, woran mein Herz gehangen hat. Ich will aber jetzt explizieren, was vor eine Bewandtnis es mit diesen Possen gehabt hat. – Allerhand habe ich erlebt in der Bauerschaft, Friedenszeiten und Kriegesläufte und Hagelschlag, Überschwemmung, gute Ernte und Mißwachs und Viehsterben. Nun sah ich denn, seitdem ich in die Jahre getreten war, wo das Menschenkind anfängt nachzudenken, daß hin und her die Herren kamen, die sich auf die Schreiberei verstehen und auf das Besserwissen als die Leute, welche die Sache angeht, und die kuckten nach, wenn alles geschehen war, das Korn niedergetreten und das Vieh in den letzten Zügen lag und die Wässer wieder im Ablaufen sich befanden. Hatte aber gar der Feind geplündert und ravagiert, da kamen sie vollends erst lange darnach und notierten sich's auf, denn während der Gefahr war meistens keiner der Herren zu finden.

Die Herren taten dann ordinieren, wie alles wieder in Richtigkeit zu bringen sei, mehrestenteils aber sagten sie Sachen des Sinnes und Verstandes, daß wenn der Hagel nicht gefallen wäre, so hätte sich das Korn nicht umgelegt und ohne die Lungenfäule müßten die Kühe noch am Leben sein. Unterweilen wurde auch wohl einiges Geld geschickt, es kam aber selten an den Rechten, und im ganzen rappelten diejenigen sich am besten wieder heraus, welche nicht auf die Hülfe der Herren da draußen warteten, sondern sich selber halfen, wohingegen ich manche Menschen habe ganz herunterkommen sehen, die immerdar bei jedem Unfall meinten, es müsse nun von da draußen ihnen das Malheur gutgemacht werden.
Dass Deutschlands Elite ein geistloser Haufen sei, lässt er einen Jäger äußern:
»Ich habe«, sagte der Jäger kleinlaut, »in einer hohen und vornehmen Familie, die ich vor kurzem auf meinen Streifereien kennenlernte, die zwanzigjährigen Töchter auf gut schwäbisch mit der ›Iphigenie‹ bekannt machen müssen, welche sie noch nie gelesen hatten, weil die Eltern Goethe für einen jugendverführerischen Schriftsteller hielten.«
Und der Diakonus setzt als Replik auf den Jäger noch eins drauf:
Die Vornehmen arbeiten aber nicht gern, sie ziehen es bekanntlich vor, zu ernten, wo sie nicht gesäet haben.
Die Unterdrückung der Frau wird angeprangert, interessanterweise vom Diakonus, der den Brauch anspricht, dass der Bräutigam bei einer Hochzeit verprügelt wird.
»Dieses Abklopfen des Bräutigams nach der Trauung ist ein uralter Gebrauch, den sich die Leute nicht nehmen lassen. Sie sagen, er solle bedeuten, daß der Bräutigam fühle, wie weh Schläge tun, damit er sein künftiges hausherrliches Recht wider die Frau nicht mißbrauche.«
Einen Deutschtürken namens Semilasso lässt Immermann Gedanken vortragen, die - wie schon die Bauernverehrung - weit vorausweisen: in eine Zeit des eugenischen Rassenwahns:
Wie entstehen die Menschen? Wie entstehen sie denn, mein Bester? Der Schwächling heiratet die kräftige Jungfrau, der kräftige Mann die Bleichsüchtige, häufig kommen auch Hektik und Hektik zusammen. Was für Kinder muß das geben? Auf das Physische wird gar nicht mehr gesehen, es ist, als ob wir nichts als Geist, Rücksicht, Verhältnis, Geld wären. Daher rührt denn das matte, aschgraue, totlebendige Geschlecht.

Sehen wir uns dagegen unter den Tieren um! Gehen wir in die Stammschäfereien, in die Gestüte, ja, besuchen wir nur einen tüchtigen Ökonomen, der auf sein reines friesisches Vieh hält. Wie macht man es denn da? Man hält auf Vollblut. Und eine edle Rasse folgt der andern. Da sitzt es. There's the rub. Will man wieder ein munteres, geistreiches, poetisches, lebensfrisches Menschengeschlecht haben, so muß man vor allen Dingen für Vollblut sorgen, man muß Rasse stiften. Reine Kreuzungen, reine Kreuzungen, junger Freund, darauf kommt es an!
Die Replik lässt jedoch keinen Zweifel aufkommen, was Immermann von solchen Ideen hält: gar nichts. Sie geht ad personam. Gegen die Person.
Semilasso, der diese Gedanken mit großem Feuer vortrug, ließ unerörtert, ob er auch bei seinen Standesgenossen Vollblut zu schaffen für möglich halte, Vollblut, nicht im aristokratischen, sondern im physischen Sinne. Aber mit graziösem Lächeln setzte er hinzu: »Ich bedaure nur eins, daß ich nicht mehr in den Jahren bin, um selbst praktisch die Sache angreifen zu können, ich werde mich leider auf die Verwaltung beschränken müssen, auf die trockene Verwaltung.«
Mit dem Rasseverwalter hat Immermann Vorahnungen, deren Düsterkeit er vermutlich noch nicht in ihrer Gänze erfassen kann.

Die vorgetragene Sündenbocktheorie lässt sich nicht von der Hand weisen. Beispiele werden aus dem Privatleben wie aus der politischen Welt vorgebracht.
Durch den Abzug des Schulmeisters waren die Akademiker von Schnick-Schnack-Schnurr desjenigen Individuums quitt geworden, welches einer jeden menschlichen Gemeinschaft not tut, nämlich des Sündenbockes. Irgendeiner muß in jedem Hause vorhanden sein, an welchem die übeln Launen, die Zornmütigkeiten und die verdrießlichen Stimmungen ausgelassen werden dürfen. Ohne einen solchen Abzugskanal läßt sich ein dauerhafter häuslicher Friede gar nicht denken. ... Und in der großen Welthistorie geht es mitunter nicht anders zu. Einem Volke tut ein tüchtiger Feind not, nur solange es ihn besitzt, ist es in Flor. Solange Rom sich mit Karthago herumbiß, setzte es alles böse Wesen draußen ab, als aber die Nebenbuhlerin in Trümmern rauchte, ging die innerliche böse Wirtschaft an; von Napoleon hat nicht einer bloß gesagt, er sei für uns viel zu früh gefallen.
Und Ärzte?
Vierundzwanzig Ärzte gab es in der Stadt; alle kommen nach und nach zu der leidenden Kreatur. Vierundzwanzig Ansichten werden laut, Vierundzwanzig verschiedene und entgegengesetzte Mittel werden verordnet. Der erste hält die Krankheit für eine Schwäche, der zweite für Hypersthenie, der dritte für eine neue Form der Schwindsucht. Der vierte verschreibt Sinapismen, der fünfte Kataplasmen, der sechste Blähungen; der siebente Adstringentia, der achte Mitigantia, der neunte Corroborantia; Ipekakuanha! ruft der zehnte, nein, Hyoscyamus! schreit der eilfte; keines von beiden, sondern Meerzwiebel, sagt ruhig der zwölfte; dreizehn, vierzehn, fünfzehn, sechszehn, siebenzehn operieren, skarifizieren, amputieren, evakuieren, trepanieren; Nummer achtzehn hat in der Diagnose recht, Nummer neunzehn findet die Prognose schlecht; der zwanzigste gibt Borax, der einundzwanzigste Storax, der zweiundzwanzigste findet des Übels Sitz im Thorax; der dreiundzwanzigste mir Frankenwein bot, der vierundzwanzigste macht mich Kranken scheintot.

Aus diesem Zustande erweckt mich ein Homöopath mit 1/6000000 Gran Arsenik. ›Herr Medizinalrat‹, flüstre ich ihm, entkräftet von vierundzwanzigfacher allopathischer Behandlung zu, ›Herr Medizinalrat, ich
Am Ende des Romans erscheint Immermann selbst im Roman und streitet mit Münchhausen, der ihn für einen "mittelmäßigen Kopf und seichten Geist" hält. Danach verschwindet Münchhausen.

Ganz zum Schluss ein versöhnlicher Ausblick. Ist er an die Zensoren gerichtet? Er klingt im Vergleich zu so vielem in diesem langen Text doch etwas platitüd.
Unsere Zeit ist groß, der Wunder voll, fruchtbar und guter Hoffnung. Aber irr und wirr taumelt sie noch oft hin und her, weiß die Stege nicht und plaudert wie im Traume. Das rührt daher, weil das Herz der Menschheit noch nicht wieder recht aufgewacht ist. Denn nicht abhanden kam der Menschheit das Herz, es ward nur müde und schlief etwas ein. Im Herzen müssen sich die Menschen erst wieder fühlen lernen, um den neuen Weg zu erkennen, den die Geschlechter der Erde wandeln sollen, denn vom Herzen ist alles Größte auf Erden ausgeschritten.
Ausgeklammert ist hier der Handlungsstrang zwischen zwei Liebenden und vieles mehr. Der Roman ist einfach zu lange, was das Lesen doch etwas anstrengend gestaltet.

Als ob er sich selbst mahnen wollte, lässt Immermann den Hofschulzen sagen:
Die Moral steckt aber in kurzen Sprüchen besser, als in langen Reden und Predigten.



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24.01.2025 um 16:45
Der Raub des Gottes (Rolf Torring 11)

Torring-11

Dies ist die bisher langweiligste Geschichte und Fortsetzung von Band 10. Familie Valentini, die von den Flammenpriestern gerettet wurde, wird per Boot ins britische Birma gebracht - dazwischen gibt es Kämpfe mit einem Tiger und einem Bären, ein schlafendes Nashorn wird nur fotografiert. Torring fährt mit dem Briten, dem das Boot gehört, zurück zur Insel der Flammenpriester, um deren Gott, den weißen Elefanten, zu entführen, was mit Hilfe des Gifts des Vergessens, das ihm in den Rüssel gesprüht wird, gelingt. Doch in Birma entläuft ihnen der Elefant wieder. Das war's auch schon.


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25.01.2025 um 13:11
Friedrich Schiller - Der Geisterseher

Schiller-Geisterseher

1787 erschien dieser Fortsetzungsroman in zwei Büchern Friedrich Schillers, das Ende jedoch blieb offen. Absicht oder Verirrung im Plot? Auf jeden Fall sind Elemente in diesem einzigen Romans Schillers wegweisend und von Einfluss auf die spätere sogenannte Schwarze Romantik.

Im Zentrum des Romans steht ein nicht namentlich genannter 35-jähriger württembergischer Prinz, der in Venedig residiert. Im ersten Buch schreibt ein Graf von O* über seine Begegnung mit dem Prinzen. Dieser erhält von Zuwendungen aus seiner Heimat, lebt eher zurückgezogen und liest viel. Die Ereignisse, mit welchen die beiden konfrontiert werden, haben es aber in sich.

  • Bei einem Spaziergang treffen sie auf einen sie verfolgenden armenisch gekleideten Mann, der dem Prinzen den Tod seines Cousins mitteilt. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, Thronfolger zu werden.
  • Bei einem Kartenspiel streitet der Prinz mit einem Venezianer, der seine Anwesenheit am Tisch nicht wünscht. Der Prinz und der Graf werden von der Staatsinquisition festgenommen und in einen Keller gebracht. Der den Prinzen beleidigt habende Venezianer wird geköpft.
  • Bei einer Geisterbeschwörung eines sizilianischen Magiers will der Prinz den Geist eines nach einer Schlacht verstorbenen Freundes beschwört haben, damit er dessen letzten unvollendeten Satz zuende sprechen kann. Die Erscheinung wird von einer zweiten unterbrochen, der behauptet, er sei der Geist des wirklich Verstorbenen. Und er beendet den Satz.


Der Sizilianer wird wegen Täuschung festgenommen und dieser Teil des Romans ist ein Debunking allererster Güte. Alle technischen Tricks und die akribische Vorbereitung der Magier dieser Zeit werden vorgestellt. Doch Schiller lässt eine Hintertür offen: Die zweite Erscheinung bleibt ungeklärt und vor ihr hat auch der Magier Angst. Auch die Person des Armeniers könnte übernatürlichen Ursprungs sein. Der Magier: "Bei uns kennt man ihn nur unter dem Namen des Unergründlichen."

Das zweite Buch besteht aus unbeantworteten Briefen eines Barons von F* an den abgereisten Grafen von O*. Religion wird das Hauptthema, das Okkultische wird nicht mehr aufgegriffen. Der Prinz versteigt sich in eine drückende Religiosität:
Alle seine Vorstellungen von Religion hatten etwas Fürchterliches an sich, und eben das Grauenvolle und Derbe war es, was sich seiner lebhaften Einbildungskraft zuerst bemächtigte und sich auch am längsten darin ershielt. Sein Gott war ein Schreckbild, ein strafendes Wesen; seine Gottesverehrung knechtisches Zittern oder blinde, alle Kraft und Kühnheit erstickende Ergebung.
Aus dieser Beklommenheit versucht sich der Prinz zu befreien, indem er sich der libertinen Geheimgesellschaft der Bucentauro (Goldene Barke) anschließt, sich der ausschweifenden Welt der Gesellschaft hingibt und Feste veranstaltet, die sein Budget bei Weitem übersteigen. Nach außen fröhlich, bleibt sein Inneres jedoch düster. Von einem Marchese Civitella, dem er das Leben gerettet hat, leiht er eine hohe Summe, und wegen seines Lebenswandels stellt seine Familie schließlich die Zahlungen ein, der Prinz wird gebeten, Venedig zu verlassen, was er verweigert, da er sich in eine angebliche Griechin verliebt hat.

Graf von O* reist nach Venedig, um dem Prinzen beizustehen, doch als er ankommt, sind dessen Schulden bezahlt, er lebe bei dem Armenier, habe eine katholische Messe besucht. Die angebliche Griechin, wohl eine illegitime Tochter eines hohen deutschen Adeligen, ist vergiftet worden.

Damit bricht der Roman ab. Viele Fragen bleiben auch im zweiten Buch offen. Ist der Prinz Ziel eines vatikanischen Komplotts? Will der Vatikan sich über ihn Zugang zu einem protestantischen Fürstentum in Deutschland verschaffen? Wäre der Fortgang des Romans ein Agenten-Thriller geworden? Diese Fragen hat Schiller nie beantwortet und sich anderen Texten zugewendet.

Hervorzuheben ist auch der gesellschaftliche Umbruch zwei Jahre vor der Französischen Revolution, den Schiller gestaltet. Man wird mit einem Adel konfrontiert, dessen Lebensführung die finanziellen Ressourcen übersteigt, und mit Venedig ist nicht nur ein mysteriöser Sehnsuchtsort gewählt, sondern auch eine reiche Stadtrepublik, die im Kontrast zur deutschen Welt des alten Adels steht.

Im vierten Brief des zweiten Buchs findet sich ein langer philosophischer Dialog, den Schiller ab der zweiten Auflage rausgenommen hat. Einige Bemerkungen sind durchaus interessant. So zum Beispiel über die Despotie:
Der Despot ist das unnützlichste Geschöpf in seinen Staaten, weil er durch Furcht und Sorge die tätigsten Kräfte bindet und die schöpferische Freude erstickt. Sein ganzes Dasein ist eine fürchterliche Negative; und wenn er gar an das edelste, heiligste Leben greift und die Freiheit des Denkens zerstöret - hunderttausend tätige Menschen ersetzen in einem Jahrhunderte nicht, was ein Hildebrand [der spätere Papst Gregor VII. (1073-1085)], ein Philipp von Spanien in wenigen Jahren verwüsteten.
Dennoch lehnt der Prinz die Einzelverantwortlichkeit ab, wenn Despoten ihre Ziele umsetzen. Als Beispiel nennt er "das jahrelange Komplott der Bartholomäusnacht" sowie "die Verschwörung des Cueva gegen Venedig".
Stellen Sie zusammen, was zusammengehört. War jenes Komplott eine Handlung, oder nicht vielmehr eine Kette von hunderttausenden? - und von hunderttausend mangelhaften, gegen welche Ihre kleine Wohltat noch immer im Vorteile stehet. Der Trieb der Menschenliebe schlief bei allen
Auch die Fernwirkung von längst Vergangenem hält er für bedeutsam:
Oft, sehen wir, läßt sie den Faden einer Tat, einer Begebenheit plötzlich fallen, den sie drei Jahrtausende nachher ebenso plötzlich wieder aufnimmt, versenkt in Kalabrien die Künste und Sitten des achtzehnten Jahrhunderts, um sie vielleicht im dreißigsten dem verwandelten Europa wieder zu zeigen, ernährt viele Menschenalter lang gesunde Nomadenhorden auf den tatarischen Steppen, um sie einst dem ermattenden Süden als frisches Blut zuzusenden, wie sie auf ihrem physischen Gange das Meer über Hollands und Seelands Küsten wirft, um vielleicht eine Insel im fernen Amerika zu entblößen! ... wie oft ward ein ganzes Leben vielleicht nur gelebt, um eine Grabschrift zu verdienen, die in die Seele eines späten Nachkömmlings einen Feuerstrahl werfen soll! - Weil vor Jahrhunderten ein verscheuchter Vogel auf seinem Fluge einige Samenkörner da niederfallen ließ, blüht für ein landendes Volk auf einem wüsten Eiland eine Ernte
Beinahe als Vordenker der Arbeitswerttheorie von Karl Marx erscheint der Prinz in dieser Passage:
Das eben ist das Schlimme, daß wir nur moralisch vollkommen, nur glückselig sind, um brauchbar zu sein, daß wir unsern Fleiß, aber nicht unsre Werke genießen. Hunderttausend arbeitsame Hände trugen die Steine zu den Pyramiden zusammen - aber nicht die Pyramide war ihr Lohn. Die Pyramide ergötzte das Auge der Könige, und die fleißigen Sklaven fand man mit dem Lebensunterhalt ab. Was ist man dem Arbeiter schuldig, wenn er nicht mehr arbeiten kann, oder nichts mehr für ihn zu arbeiten sein wird? Was dem Menschen, wenn er nicht mehr zu brauchen ist?



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