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Welches Buch lest ihr gerade?

7.342 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bücher, Lesen, Literatur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

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28.04.2024 um 21:01
Wer das vergessen stört von Tessa Duncan.
Der 1 Band der Canterbury Fälle

Als eine Patientin von der Psychologin Lily Brown von einen Hochhaus stürzt ist sie überzeugt, dass es Mord war.
Die verstorbene Patientin Vera hat zuvor versucht den Tod ihrer kleinen Schwester aufzuklären.
Lily versucht der Wahrheit auf die Spur zu kommen und begiebt sich selber in Gefahr.

Der Fall beruht auf ein wahres Verbrechen in England

20240428 205106Original anzeigen (3,4 MB)


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04.05.2024 um 13:27
Tim Wu - The Master Switch

Wu-Switch

Tim Wu ist US-amerikanischer Rechtswissenschafter und spezialisiert in Medienrecht. 2003 prägte er den Begriff Netzneutralität. Dieses Buch aus 2010 beleuchtet auf Basis von Schumpeters Wirtschaftstheorie des Zyklus von offenen Entwicklungen zu geschlossenen Produktimperien, von freiem Markt vieler zu Oligopolen und Monopolen, ob das Internet sich von einem offenen Medium zu einem geschlossenen entwickeln werde.

Basis seiner Ausführungen sind ausführliche, hochinteressante historische Rückblicke auf die Entwicklung der US-amerikanischen Telefonwirtschaft, der Filmindustrie, des Radio und des Fernsehens. Der Zyklus sei immer ähnlich gewesen: Von freien Anfängen hin zu staatlich geförderten Monopolen sowie deren Zerschlagung auf Basis von Anti-Trust-Gesetzen bzw. Gesetzen der Deregulierung. Erst mit der Zerschlagung des Telefonmonopols von Bell bzw. AT&T in den 1980er Jahren sei der Beginn der Internetrevolution möglich gewesen, da Bell und AT&T lange Zeit per Vertrag verhindert haben, dass Geräte von Drittanbietern (Fax-Geräte, Modems) für ihr Netzwerk verwendet werden dürfen.

Für das Internet sieht Wu die Entwicklung noch nicht entschieden. Für ihn sind zwei Regulationsentscheidungen bedeutend, dass das Internet nicht von einem Oligopol oder Monopol beherrscht wird:


  1. Netzneutralität: Es darf kein Premium-Service für Datenpakete geben. Alle Datenpakete müssen gleichrangig weitergeleitet werden.
  2. Segregation: Netzbetreiber (Hardware des Netzes bzw. Backbones), ISPs (Internetprovider) und Contentanbieter müssen getrennt bleiben. Niemand darf in zwei oder gar drei dieser Hauptbereiche tätig sein, wie es zum Beispiel in der Filmindustrie war und noch ist.


Vierzehn Jahre nach Erscheinen dieses Buches erscheint mir noch keine Entscheidung gefallen zu sein. Netzneutralität wurde 2020 in eine EU-Richtlinie aufgenommen (siehe Bundesnetzagentur). Die befürchtete Abschottung von Apple erfolgte nicht in der prognostizierten Radikalität, die gepriesene Offenheit von Google mit Android ist auch keine hundertprozentige.

Die Systeme sind weiterhin offen, eher mischt sich der Staat ein mit Überwachung (Wu bringt das Beispiel des Room 641A im Gebäude von AT&T in San Francisco, durch den ab 2003 der komplette Internet-Traffic geleitet und von der NSA abgegriffen wurde - die Enthüllung war 2006, also noch lange vor Snowden). Und China zeigt, wie man über ein Nadelöhr des Backbones Seiten ausknipsen kann (auch die EU kann es, wie es derzeit mit dem Blockieren von russischen Medienagenturen gezeigt wird).

Der andere Aspekt ist die Selbstzensur der Content-Vermittler, die in den USA nichts Neues ist, Hollywood hat sich von den 1930er bis zu den 1960er Jahren einen Kodex auferlegt, was alles nicht thematisiert werden darf bzw. wie Themen präsentiert werden sollen. In den USA ist das juristisch kein Problem, da das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Verfassung nur festlegt, dass keine Gesetze verabschiedet werden dürfen, welche das Recht auf freie Meinungsäußerung beschneiden. Wie es Private handhaben, ist in der Verfassung nicht festgelegt.

Letztlich ein immer noch aktuelles Buch mit einem grandiosen historischen Teil.


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04.05.2024 um 13:51
Franz Kafka - Der Riesenmaulwurf/Der Dorfschullehrer

Kafka-Riesenmaulwurf

Diese Geschichte aus 1915 ist keine Tierfabel, sondern es handelt sich um dem Streit unterschiedlicher Lebenswelten. In einer abgeschiedenen Gegend wird ein Riesenmaulwurf von etwa zwei Metern Größe gesehen. Der schon etwas ältere Dorfschullehrer mit einer großen Familie, selbst kein Zeuge, sammelt Indizien und Zeugenaussagen für ein Büchlein, von dem er sich Ruhm und wohl auch Geld erhofft, doch in der städtischen Gelehrtenwelt wird er ignoriert und verlacht. Ein Kaufmann, der die Geschichte glaubt, macht sich auf den Weg in das Dorf, ermittelt noch einmal, ohne den Dorfschullehrer zu konsultieren, da er ihm als unabhängiger Ermittler helfen will. Obwohl nicht vom Fachgebiet, veröffentlicht auch der Kaufmann (Ich-Erzähler der Geschichte) eine Broschüre, die ebenso verlacht wird. Dem Dorfschullehrer wurde kein guter Dienst erwiesen und dieser sucht am Ende den Kaufmann auf, macht ihm Vorwürfe und bleibt schließlich in dessen Wohnung sitzen. Der Kaufmann ist sich nicht sicher, ob er ihn je wieder loswerden könne.

Auch in dieser Geschichte bieten sich so viele Ansatzpunkte für eine Deutung: Konflikt zwischen einer städtischen und ländlichen Bevölkerung, Unzugänglichkeit nicht akademischer Forschungen in die akademische Gelehrtenwelt, Umgang mit nicht belegten Aussagen (es werden keinerlei Indizien vorgebracht). Nichts hat an Aktualität eingebüßt.


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04.05.2024 um 17:30
Animals by Kuniyoshi

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Kuniyoshi war ein japanischer Künstler aus dem 19. Jhrh., bekannt vor allem für seine Samurai- und Tierdarstellungen


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09.05.2024 um 09:29
Michel Foucault - Überwachen und Strafen

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1975 veröffentlicht, zeichnet Foucault die Entstehung des Gefängnissystems mit Beispielen hauptsächlich aus Frankreich im 18. und 19. Jahrhundert nach. Seine Hauptthesen sind, dass die gesellschaftliche Grundlage die Bevölkerungsexplosion und die Entstehung der industriellen Produktionsweise ist, welche eine Entwicklung bedingte, bei der das Gefängnis nur ein Ausdruck, wenn auch der radikalste, ist.

Durch die immer arbeitsteiligere Gesellschaft entstehen Disziplinen im doppelten Wortsinn. Einerseits sind es Fertigkeiten in einem engen Bereich, die erst im Zusammenspiel mit weiteren Disziplinen ein wirkmächtiges System ergeben (sei es beim Militär, sei es in der Produktion, sei es gesamtgesellschaftlich), andererseits ist es die streng nach Norm erfüllte Tätigkeit, die eine Übernahme des Körpers durch eine Anforderung von außen bedeutet.

Indem nun von Menschen erwartet wird, dass sie eine Disziplin beherrschen (Machtfaktor), werden sie durch ein Überwachungssystem (vom Notensystem an Schulen, über die Einstufung der Arbeitsqualität oder Qualifizierungen in der Arbeitswelt oder bis zur Polizei bzw. Justizwache in Gesellschaft und im Strafvollzug) in ihrer Disziplin individualisiert und eingestuft.

Für das Strafsystem bedeutet dies, dass an einem Deliquenten nun nicht mehr die furchtbare und grausame Rache des Souveräns vollzogen wird (Foucault bringt Extrembeispiele an grausamen Bestrafungen zur frühen Neuzeit) und dass auch nicht die Reformbestrebungen sich durchgesetzt haben, dass eine Tat nach ihrem Charakter gleichförmig und öffentlich bestraft wird (Mord durch Tod, Diebstahl durch Vermögensstrafen), sondern ein am Kloster mit seinen Zellen und seiner strikten Zeit- und Tätigkeitseinteilung orientiertes Haftsystem, in dem der Verurteilte permanent überwacht wird. Ähnliche Systeme werden nun auch beim Militär (Kasernen), in der Ausbildung (Schulen, Internate), in der Produktion (Arbeitshäuser, Fabriken) errichtet.

Auch das Wesen der Strafen ändert sich. Immer stärker ist das Individuum und dessen Resozialisierbarkeit im Fokus. Normgerechtes, also diszipliniertes Verhalten kann zu einer Verkürzung der von einem Gericht festgelegten Strafzeit führen. Nicht normgerechtes, also undiszipliniertes Verhalten kann zu einer Verlängerung der Strafzeit führen. Um solche Entscheidungen treffen zu können, werden - wie in Schulen oder Krankenhäusern - Akte über jede Person angelegt, in denen alle Verhaltensauffälligkeiten (normgerechte wie gegen die Normen verstoßende) angelegt.

Das Gefängnissystem als Strafvollzug gegen Gesetzesverstöße funktioniert nun wie die disziplinierte Gesellschaft, die Norm- und Regelverstöße sanktioniert (schlechte Noten, Verlust eines Arbeitsplatzes, Ausstoß aus einer Gemeinschaft). Auf der anderen Seite funktioniert die Gesellschaft immer mehr wie ein Gefängnis: das Individuum wird permanent in seinem normgerechten, disziplinierten Verhalten bewertet, eingestuft und gegebenenfalls sanktioniert.

Der Kern für alle diese Systeme ist die Prämisse der Nützlichkeit des Individuums im jeweiligen Kontext. Ausgesetzt ist es einer Mikro-Justiz, mittels der Macht sich in unterschiedlichsten Gesellschaftsbereichen durchsetzt: Verhaltensregister, Prüfungen als Beispiele. Mittels dieser erlangen Individuen bei Normentsprechung Privilegien oder sie werden, wenn Normen nicht entsprochen wird, ausgeschlossen. Klassifikation und Besserung (im Sinne einer Normenentsprechung) sind die Ziele eines Systems der Mikro-Justiz.

Mit dieser Einstufung von Menschen nach ihrer Nützlichkeit entsteht auch eine Begrifflichtkeit über den Nützlichkeitswert, an deren unterster Stufe Menschen mit körperlichen Beeiträchtigung, die nicht mehr nützlich sein können. Diese werden nun als invalide, wörtlich: wertlos bezeichnet. Und zur Vergleichbarkeit der Einstufung, Normierung, Disziplinierung des Menschen entwickeln sich nun Humanwissenschaften mit ihren Unterwissenschaften: Psychologie, Pädagogik, Kriminologie und weitere.

Auch wenn das Buch mehr wie ein Essay und manchmal mäandernd geschrieben ist, so versucht Foucault auch die Mechanismen und Regeln der Disziplinierung auszuarbeiten. Dies verleiht dem Text, der sich mehr oder weniger auf das 18. und 19. Jahrhundert beschränkt, die Möglichkeit, die Gültigkeit der Aussagen auch für die aktuelle Gesellschaft zu überprüfen. Auch wenn das Werk in den letzten Jahren immer wieder kritisiert worden ist, besitzt es fast 50 Jahre nach seinem Erscheinen noch eine nachdenkenswerte Aktualität.


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09.05.2024 um 10:12
Free as in Freedom 2.0 - Sam Williams

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ist ein freies Buch (lizenziertes unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation) und handelt vom persönlichen Leben von Richard Stallman, geschrieben wurde das Buch von Sam Williams.

Williams führte mehrere Interviews mit ihm, außerdem sprach er mit ehemaligen Mitschülern und Kollegen von Stallman, auch sprach er mit seiner Mutter, während er das Buch schrieb.


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10.05.2024 um 23:25
Peter L. Bergen - Die Jagd auf Osama Bin Laden

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Peter L. Bergen ist Historiker und Journalist. Er war einer der wenigen westlichen Journalisten, die Osama Bin Laden interviewen konnten und dies ist sein drittes Buch über den Anführer von al-Qaida al-Jihad (Basis des Heiligen Kriegs).

Bergen zeichnet die Jagd auf Osama Bin Laden minutiös nach, stellt anhand unterschiedlichster Quellen (auch aus Wikileaks) seinen Weg nach dem gescheiterten Angriff in Tora Bora nach sowie sein Leben im Hochsicherheitshaus in Abbotabad mit drei seiner Frauen, Kindern, Enkeln und dem Kurier mit dem Decknamen Kuweiti, der den US-Geheimdienst schließlich aufgrund eines lokalisierten Handys den Weg nach Abottabad und seinem Haus wies.

Sehr genau wird auch die Ermittlung der US-Geheimdienste nachvollzogen sowie schließlich die Entscheidung Präsident Obamas, Bin Laden militärisch zur Strecke zu bringen, obwohl sein Aufenthalt im Haus in Abbotabad nur aufgrund von Indizien vermutet wurde. Obama hat bei seiner Übernahme den "Krieg gegen den Terror" umbenannt auf "Krieg gegen al-Qaida", um die antimuslimische Konnotation rauszunehmen, aber auch um den Fokus wieder auf den Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 zu legen. Sehr ausführlich werden sowohl die langen Diskussionen im Sicherheitsrat (12 Leute waren in den Entscheidungsprozess eingebunden), die militärischen Vorbereitungen wie die möglichen Implikationen auf das Verhältnis zu Pakistan geschildert und die minutiöse Wiedergabe des Einsatzes in Abbotabad macht jedem Thriller Ehre.

Dies ist eine extrem spannende Lektüre, wenn Bergen auch mit seiner Vorausschau, dass der extreme islamistische Terrorismus mit der Zerschlagung von al-Qaida sein Ende gefunden habe, falsch lag. Wie die aus dem Umfeld von al-Qaida hervorgegangenen neuen Organisationen wie der IS tickten, mahnte selbst Bin Laden an. Aus seinen Kommunikationen geht mehrfach hervor, dass er die Brutalität, welche der irakische al-Qaida-Ableger im Irak auch gegen Schiiten oder abtrünnige Muslime an den Tag legte, anmahnte und ablehnte. Sein Ziel waren die USA und deren Verbündeten.


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18.05.2024 um 11:52
Glenn L. Carle - The Interrogator

Carle-Interrogator

Glenn Carle war CIA-Agent im Außendienst (Lateinamerika, Afrika), zuständig für die Anwerbung von Informanten, und arbeitete in der Abteilung für Terrorabwehr, als er 2002 den Auftrag bekommt, einen Gefangenen, den er CAPTUS nennt, in einem Geheimgefängnis (Jordanien?) zu befragen. Er scheint Bankier gewesen zu sein, der auch Gelder von Al-Qaida transferierte. Die CIA nahm an, dass der Gefangene Kontakte zur obersten Ebene der Terrororganisation hat. Carle lehnt Folter ab und versucht ein Vertrauensverhältnis zu dem Entführten aufzubauen. Doch irgendwie geht nichts weiter, so wird CAPTUS in ein hartes Camp namens Hotel California verlegt (Afghanistan? Pakistan?). Man kann sich aus dem Text vorstellen, dass er dort "enhanced interrogation techniques" ausgesetzt war.

Carle vermeidet in seinem Buch, Konkretes offenzulegen, viele Stellen sind geschwärzt, worüber sich Carle aufregt, dass die CIA diese Teile nicht freigegeben hat. Als 2011 dieses Buch veröffentlicht wurde, war vieles schon bekannt, worüber Carle schreibt, interessant sind die detaillierten Beschreibungen des Arbeitsablaufs innerhalb der CIA. Warum er jedoch die Krankheit seiner Frau breittritt und der Öffentlichkeit in peinlichsten Details unterbreitet, bleibt mir ein Rätsel. Diese Teile des Buchs sind respekt- und geschmacklos und wertet die Gesamtlektür sehr ab: Über die CIA nichts Genaues, über seine Frau Details bis hin zur Kreditschädigung.


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19.05.2024 um 17:43
die-gaerten-der-tugendhaften-band-12

"Die Gärten der Tugendhaften" ist eine Hadith-Sammlung.
Hadithe sind Geschichten, von und über Prophet Mohammed.
Ich würde sagen, ein Klassiker, unter den Hadith-Sammlungen.


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20.05.2024 um 22:42
Peter Sloterdijk - Zeilen und Tage

Sloterdijk-Zeilen und TageOriginal anzeigen (0,2 MB)

Sloterdijk hat 2011 seine Notizhefte 100 bis 111 veröffentlicht. Relativ regelmäßig schreibt er morgens aktuelle Gedanken nieder, die sehr wenig von Persönlichem handeln, sondern Gedanken zu Aktuellem, zu Gelesenem und zu Allgemeinem formulieren. Auffällig ist dabei, dass er schreibt, als ob er veröffentlichen würde. Warum auch immer. Ins Auge sticht seine hohe Mobilität, er scheint fast immer unterwegs zu sein und meist zu Veranstaltungen, zu denen er eingeladen und an denen er präsent ist.

Roter Faden? Sehr oft lässt er sich über den mörderischen Kommunismus aus und disst mehr oder weniger alle Intellektuellen, die jemals diesem nahestanden. Vor allem französische. Die olympische Feier in Peking mit den turnenden Massen interpretiert er ziemlich treffgenau: "Das Individuum ist ein Pixel im Erscheinungsbild des totalen Staats."

Sein zweiter wiederkehrender Reibebaum ist Israel. Seine Kritik an einem gewalttätigen Staat akzeptiert er nicht als Antisemitismus. Ausgeglichen wird es mit dem Hinweis, dass arabisch-muslimische Sklavenhändler historisch etwa 17 Millionen Schwarzafrikaner:innen versklavt haben.

Und vielleicht um nicht einseitig dazustehen (obwohl, es sind Notizen!):
Im Grunde laufen die monotheistischen Lebensprogramme immer auf dasselbe hinaus: auf ein mutwilliges Sichvordrängen beim Dienen unter höchsten Adressen. Mit Allah kann man das übliche Ich-diene-dir-mit-Haut-und-Haaren-Spiel besonders leicht treiben, weil er ein hilfloser Alter ist, der dazu prädestiniert scheint, machthungrigen Experten der Vortäuschung von Selbstlosigkeit in die Hande zu fallen.
Auch mit Präsident Wulffs (den er nicht mag) Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, verfährt er scheinbar kritisch, bleibt jedoch nur an der sprachlichen Oberfläche hängen:
Gehört der Islam zu Deutschland wie der Daumen zur Hand oder wie der OP zur Klinik oder wie der Crash zum Autorennen oder wie Goethe zur Allgemeinbildung oder wie der Tod zum Leben? Das Präsidentenwort ist eine mereologische Sumpfblüte, die mehrere miteinander unverträgliche Varianten des Teil-von-etwas-Sein-Könnens gleichzeitig anspricht. Ist man erst einmal auf dieser schiefen Eben gelandet, kann man mit ebensoviel Recht sagen, die Hand gehöre zum Daumen, das Rennen zum Crash, das Leben zum Tod und Deutschland zum Islam.
In Bezug auf Israel verklausuliert er weniger:
Der Staat Israel bietet bis auf weiteres das Bild einer politischen Improvisation, die aus dem Stadium der Gründungsverbrechen nicht herauskommt. Die von den Gründern eingeleiteten und von den Erben fortgesetzten Gewalttaten, von der Ermordung britischer Zivilisten beim Anschlag auf das König David Hotel 1946 und der Vertreibung der Palästinenser aus ihren Gebieten 1948 bis zur fortgehenden landräuberischen Sied-lungspolitik und der kürzlich erfolgten Tötung türkischer Gaza-Hilfe-Aktivisten, können nicht in die Vergangenheit versinken, weil immer erneut aufbrechende Konflikte ihre historische Ein-klammerung nicht erlauben. Die äußere Lage, die durch mentale Fixierungen verschlimmert wird, macht die Bewohner des Landes geneigt, Akte der Gründungsgewalt vor den Augen der Weltöffentlichkeit teils verlegen, teils trotzig, gelegentlich sogar provokativ, zu wiederholen - eine Situation, wie geschaffen, um israelkritische Regungen zu animieren.

Erreicht die Kritik am israelischen Verhalten eine gewisse Schärfe, sprechen die Apologeten aufgrund einer unfehlbaren Automatik des A-Wort aus.

Binnen einer Sekunde versteinert die Debatte.
Beinahe könnte man meinen, Sloterdijk spricht Israel das Existenzrecht ab.

Es ist diese Sprunghaftigkeit bis hin zum Schenkelklopfer, welche die Lektüre von Sloterdijk mühsam macht. Da hilft auch seine Belesenheit, die manchmal zum Name-Dropping oder Zitate-um-sich-Schmeißen abgleitet und eine gewisse Arroganz zum Ausdruck bringt (auch die Leute, die er trifft, wie die besuchten Restaurants sind elitär). Nicht ungern hört (erfindet?) er von sich als "Hybrid aus Dieter Bohlen, Muammar al-Gaddafi und Carl Schmitt".

Zu den Schenkelklopfern zählen seine Bonmots über das moderne Universitätswesen mit seinem "stipendienbefeuerten Kognitionsluxus" samt "Lehrstühle für systemtheoretisch fundierte Forschungsnützlichkeitsvortäuschungsforschung". Und zur Betroffenheitskultur: "Unsere Studenten sind wie kostbare Ming-Vasen, ein kritisches Wort, und sie haben einen Sprung."

Auch eher abstoßend sind seine Länderklischees gegenüber Frankreich (Heuchler), Niederländer (gelogene Nachkriegswirklichkeit), Österreicher ("Überleben der Unfähigen", "Land der realen Canaillokratie?"), obwohl er oft in Frankreich und in Wien für seine Vorlesungen ist. Für Griechenland widmet er einen ganzen Absatz:
400 Jahre osmanische Besetzung, dann eine importierte Monarchie, später eine Junta von Gläubigern und ihren lokalen Handlangern an der Macht, dann deutsche Truppen, ein kleiner Demokratieversuch, beendet durch landeseigene Offiziere, dann wieder Demokratie auf Pump und zu schlimmer Letzt erneut die internationalen Gläubigerorgane.
Seine sozialen Ideen sind ein konservativ-libertäerer Mischmasch. So lehnt er eine Rentenanpassung an die Inflationsrate ab (die Leute bekommen zu wenig Kinder), Steuern sollten zur freiwilligen Gabe werden, Vermögens- und Erbschaftssteuern enteignen Familien binnen einiger Generationen. Zu den Rentnern (obwohl er selbst den Tod fürchtet) sehr herablassend: "Man wird die grauen Nomaden früher oder später stoppen müssen. Die Rentner der Ersten Welt sind die Heuschrecken unserer Zeit."

Historisch gesehen früh greift er Migration als Thema auf und tritt für einen Staat ein, der wie Kanada das Recht habe, sich seine Gäste auszusuchen. Er tritt ein für "eine gesteuerte Zuwanderung von Neubürgern aus leistungsorientierten Herkunftskulturen".

Dennoch hat er auch für einen Populismus nur hämische Worte über:
Das Grundschema ist immer das gleiche: der einsame Nichtskönner an der Spitze der Bewegung gemeinsam mit dem Pöbel gegen die erfahrenen Leute, denen man die Anmaßung des Konnens nicht vergibt.
Sein Geschichtsbild jedoch ist sehr eurozentrisch:
In zwei- oder dreihundert Jahren könnte Europa für die Mächte von morgen sein, was Griechenland für das aufsteigende Europa war, ein mythisches Damals, mit dem Unterschied, daß die kommenden Machtkomplexe im Osten und Süden alles, was sie vom »Westen« übernommen haben, für ihre eigene Erfindung halten werden. Die heute schon überall grassierende postkoloniale Unredlichkeit läßt unmißverständlich erkennen, wohin die Reise geht.
Beinahe im Widerspruch kritisiert er die Integrationsdebatte, die er als Wirklichkeit gewordene Brutalität sieht, nachdem der Staat selbst keine Inklusion mehr anbiete. Als Vorbild sieht er die österreichische Donaumonarchie:
Hatte etwa das Habsburger-Reich so etwas wie Integration nötig? Keineswegs, denn da es eine Konstruktion auf transzendenten Grundlagen darstellte, vermochte es den Völkern die Inklusion von oben anzubieten. Der Vielvölkerstaat versammelt, versöhnt und unterdrückt, er integriert nicht. Ist aber das überhöhte politische Gebilde in die Nationen zerfallen, beginnt das Zeitalter der einsprachigen Unbarmherzigkeit. Nun wollen die Nationalkulturen das Ihre mit allen Mitteln geltend machen. In der hysterischen Integrationsdebatte von heute hört man noch immer das Echo der Brutalität, die nach dem Verlust der Inklusion von oben um sich griff.
Den richtige Riecher hatte Sloterdijk bezüglich der Flüchtlinge aus den arabischen und nordafrikanischen Staaten im Zuge der Revolutionen von 2011:
Der Ansturm von Flüchtlingen aus Nordafrika hat begonnen. Die Schicksalsmaschine arbeitet mit der bekannten Ungerührtheit. Aus geographischen Gründen fällt zuerst den Italienern die Aufgabe zu, die unmenschlichen oder minimal-menschlichen Maßnahmen der Küstenwache durchzuführen, später wird die unumgängliche Häßlichkeit auf die übrigen europäischen Nationen übergreifen.
Das Buch schließt pessimistisch:
Wenn wir gehen, werden wir das Gefühl haben, wir hätten unsere Kindheit in der Antike verbracht, unsere mittleren Jahre in einem Mittelalter, das man die Moderne nannte, und unsere älteren Tage in einer monströsen Zeit, für die wir noch keinen Namen haben.
Warm werde ich nicht mit Sloterdijk, dazu ist er mir zu sprunghaft und arrogant.


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22.05.2024 um 09:30
Ich lese gerade etwas ganz Untypisches für mich (ich lese ja normalerweise eher Thriller, Fantasy, Horror), nämlich

Juliane Scholz
Die fidele Alten-WG in Laboe
Wir 8 leben an der Ostsee. Unsere Rente liegt zwischen 800 bis 1700 Euro. Jeder hat eine eigene Wohneinheit. Wir leisten uns eine Haushälterin und die Gewissheit, dass keiner im Altenheim landet. In unserem kleinen Buch könnt Ihr lesen, wie wir alles organisiert haben, wie wir leben, ticken, streiten und lachen
Ich möchte ja selbst in der Rente ans Meer ziehen und suche jetzt schon nach geeigneten Orten und Objekten, obwohl das mit der Rente bei mir noch etwas dauert 😉.

Es gibt bis jetzt drei Bücher über die WG und sie erzählen von der Gründung, dem Kauf der alten, renovierungsbedürftigen Villa, dem Umbau zu vier Wohneinheiten und dem Zusammenleben der vier Ehepaare. Dabei wird auch schonungslos aus dem Nähkästchen geplaudert und die Bewohner:innen kommen nicht immer gut weg, auch wenn immer ein liebevoller Unterton bleibt.

Die Bücher wurden eigenpubliziert und der merkt man auch: es sind Fehler enthalten, es fehlt halt die erfahrene Hand eines Profilektorats. Dafür gehen sämtliche Erlöse aber in karitative Zwecke, also ist das okay und verschmerzbar.

Die WG hat auch eine Facebookseite:

https://www.facebook.com/share/pfMzSQnmaDCy5mkV/


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25.05.2024 um 14:44
Enejida - Kotlarewskij (1798)
Die Enejida ist eine burleske Adaption der Aeneis des römischen Schriftstellers Vergil und gilt als das erste auf Ukrainisch gedruckte Werk.
Die Handlung und Figuren der Aeneis wurden in die Ukraine des 18. Jhrh. versetzt und neben antiken Göttern tauchen dort ukrainische Kosaken und und ukrainisches Bürgertum auf und es gibt viel Lokalkolorit. Das Werk ist teilweise satirisch, teilweise aber auch selbst ein Heldenepos.
Kotlarewskij stammte wie Gogol aus dem Gouvernement Poltawa und war auch mit Gogol bekannt.
Enejida (ukrainisch Енеїда) ist eine ukrainische Burleske des ukrainischen Schriftstellers Iwan Kotljarewskyj[1]. Sie gilt als das erste literarische Werk, das vollständig in der modernen ukrainischen Sprache veröffentlicht wurde.[2] Obwohl die ukrainische Sprache für Millionen von Menschen in der Ukraine eine Alltagssprache war, wurde sie in dem vom kaiserlichen Russland kontrollierten Gebiet offiziell von der literarischen Verwendung abgehalten.

Enejida ist eine Parodie auf Vergils Aeneis, in der Kotljarewskyj die trojanischen Helden in Saporoger Kosaken verwandelt.
Enejida wird oft als "Enzyklopädie der ukrainischen Lebensart" bezeichnet: Kotljarewskyj nutzte einen Großteil des Textes, um den Reichtum der ukrainischen Sprache zu erfassen, und lieferte ganze Listen von Gerichten, Getränken, Kleidung, Kartenspielen und anderen Aspekten des Alltagslebens, die damals beliebt waren.[
Wikipedia: Enejida
Wikipedia: Ivan Kotliarevsky


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26.05.2024 um 14:49
Ruth Garrett Millikan - Language. A Biological Model

Millikan-Language

Die US-amerikanische Philosophin Ruth Garrett Millikan legte 2005 eine Sammlung von älteren Essays zu Sprache vor. Ein vom Verlag angelegtes "biologisches Modell" der Sprache lässt sich nur indirekt ableiten, auch wenn im Vorwort konstatiert wird, dass Denken und Sprache einer "biologischen Norm" folgen.

Kernpunkt ihrer Thesen ist, dass Sprache konventionell, also eine Übereinkunft ist, die auf zufällige Art und Weise Lösungen anbietet, die gelernt und reproduziert wird, aber auch auf anderem Weg zum Ziel führt wie Konventionen in der realen Welt, deren Beispiele immer wieder wiederholt werden, so das Fahren auf der rechten Seite, bestimmte Dekorationen zur Weihnachtszeit oder Dress-Codes. Konventionslösungen folgen nicht ihrer Funktion. Dies jedoch ermögliche menschliche Kommunikation, da nicht ständig neue Kommunikationslösungen präsentiert werden, sondern gebräuchliche wiederholt angewendet werden.

Dies betrifft auch die Struktur einer Sprache (Grammatik, Wortschatz, Phrasen), sodass mit einem begrenzten, jedoch vor allem im Wortschatzbereich erweiterbaren Repertoire unbegrenzte Äußerungsmöglichkeiten gegeben sind. Für Kinder seien Konventionen im Sprachgebrauch unerlässlich, um eine Sprache zu erwerben. Die These ist: Ohne Konventionen könnte ein Kind keine Sprache erwerben, da Bezugspunkte zur Außenwelt nicht hergestellt werden könnten.

Sprache selbst vermittelt sowohl Beschreibendes (Wiedergabe der Außenwelt) wie auch Deklarierendes (wie die Außenwelt gestaltet werden soll). Das Besondere ist, dass beide Aspekte in Aussagen vorhanden sein können, zum Teil müssen, um wirksam zu sein. Angeknüpft wird an den Bienentanz: Dieser zeigt an, wo eine Nektarquelle ist (Beschreibung) und fordert die Bienenarbeiterinnen auf, dorthin zu fliegen, um Nektar zu sammeln (Deklaration). Falls die Beschreibung falsch wäre (sich dort ein See befindet), wäre die Aufforderung ohne Sinn. Die menschlichen Kommunikation funktioniere genauso. Eine Aufforderung im Badezimmer, Butter zu reichen, wäre sinnlos. Aber auch das menschliche Denken beinhalte beide Seiten: Ein sich selbst gesetztes Ziel muss mit der Außenwelt übereinstimmen und erreichbar sein. Sonst bleibt diese Zielsetzung ohne Verwirklichungsmöglichkeit. Diese zweiseitige Bedeutung nennt Millikan "Pushmi-pullyu"-Repräsentationen (PPRs).

Intentionen seien PPRs, aus diesem Grund seien sie keine konzeptionelle Wahrheit, sondern eine biologische und neurologische Wahrheit. Für Kleinkinder sei durch experimentelle Beobachtungen erwiesen, dass für sie sprachliche Beschreibungen (Deskriptionen) genauso wahr seien wie durch die Sinne Wahrgenommenes. In einem frühen Entwicklungsstadium sei sprachlich Wahrgenommenes genauso real wie durch Sinne Wahrgenommenes.

Eine Besonderheit der menschlichen Kommunikation seien "Thick Concepts" (Dichte Begriffe) wie Beleidigung, Dankbarkeit, Metaphern, Ironie, Sarkasmus. Diese ließen sich ausschließlich durch die situative Außenwelt, den Kontext ableiten. "Hals und Beinbruch" zu wünschen, funktioniert nur in einem Wunschkontext, nicht wörtlich genommen. Aus diesem Grund sind diese Sprachkonventionen anfällig für Missverständnisse: Entweder verwendet sie die Sprecher:in falsch, oder sie werden falsch aufgefasst.

Sprache sei aufgrund ihrer Konventionalität eine evolutionär stabile Lösung ("evolutionary stable solution"), die nicht leicht durch falschen Sprachgebrauch kompromittiert werden kann (Missverständnisse, falsches oder gar kein Verstehen) und es bedarf einer Kooperation der Sprecher:innen einer Sprache, um diese zu erweitern oder zu ändern (Bedeutungswandel, Sprachwandel, neue lexikale oder grammatische oder Aussprachenormen), was wiederum zu neuen Konventionen führen kann.

Aufgrund der Konventionalität ist es auch möglich, dass in stehenden Wendungen (Chunks) gesprochen werden kann, deren Einzelwortbedeutung nicht notwendig ist. Ein Beispiel funktioniert auch auf Deutsch: "nächste Woche", "nächstes Jahr" ist ohne Probleme verständlich, aber "nächsten Tag" statt "morgen" kaum bis nicht. "*Ich gehe nächsten Tag ins Kino."


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26.05.2024 um 15:24
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Ein Beispiel funktioniert auch auf Deutsch: "nächste Woche", "nächstes Jahr" ist ohne Probleme verständlich, aber "nächsten Tag" statt "morgen" kaum bis nicht. "*Ich gehe nächsten Tag ins Kino."
Das ist kurios, ja. 🙂

"nächste Woche", "nächstes Jahr" ist eher ein ZeitRAUM, während Tag vielleicht als ZeitPUNKT wahrgenommen wird, so wie "Stunde".
Man kann sagen
"Ich gehen DIE nächsten Tage (= Zeitraum) ins Kino."
"Ich gehen DIE nächsten Stunden (= Zeitraum) ins Kino."

Aber ja, ist Konvention.


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26.05.2024 um 23:42
Franz Kafka - Forschungen eines Hundes

Kafka-Forschungen

Diese 1922 entstandene Erzählung schreibt Kafka aus der Perspektive eines alten Hundes. Er lebt inmitten der "Hundeschaft", jedoch einsam und isoliert. An ihrer Gleichgültigkeit werde er zugrunde gehen. Auch kann er die einzelnen Hunde trotz ihres unterschiedlichen Aussehens nicht unterscheiden. Die Hunde leben außerdem so zerstreut wie kein anderes Lebewesen. Eine eigentümliche Begegnung in seiner Jugend mit Musikhunden, die Musik spielen, tanzen, obszön handeln, ihn entgegen der Hunderegeln ignorieren, führt ihn dazu, das Hundsein zu studieren.

Eine Kernfrage ist die der Nahrung. Auf die Herkunft der Nahrung kommt er jedoch nicht. Einerseits könnte sie durch Bebauung, deren Mittel die "Besprengung", also das Urinieren ist, wachsen, andererseits durch "Spruch, Tanz und Gesang" herbeigeholt werden. Dass die Hunde Nahrung nie teilen, hält er nicht für Eigennutz, sondern für die Aufhebung dessen, da Hunde mit Nahrung immer in Minderzahl wären. Auch ein Hungerexperiment bringt ihn der Wahrheit nicht näher.

Rätsel gibt ihm der Mythos der hübsch gepflegten Lufthunde auf. Sie schweben in der Luft, ohne sich irgendwie zu bewegen, scheinen gut genährt und sich fortzupflanzen, obwohl sie durch ihre Lebensweise eigentlich zu schwach dafür sein müssten. Selbst hat er in seinem Leben nie ein Exemplar gesehen.

Als alter, hungernder Hund begegnet ihm in einem Wald ein Jäger (Jagdhund?), der ihn vertreiben will. Als er nicht weg will, hebt der Jäger einen Gesang an, der ihn schweben und wegspringen lässt. Ob dies eine reale Begegnung oder eine Hungerhalluzination gewesen ist, bleibt offen.

Gespräche mit seinem sehr alten Nachbarhund führen nicht dazu, dass er mit ihm disputiert, sondern der Nachbarhund nutze die stärkste Waffe: Er stimmt ihm zu und damit wäre "die Sache begraben". Zustimmung als Mittel, ein Thema unter den Tisch zu kehren.

Am Ende sinniert er über die Freiheit, die zwar ein "kümmerliches Gewächs" sei, aber dennoch die Freiheit:
Es war der Instinkt, der mich vielleicht gerade um der Wissenschaft willen, aber einer anderen Wissenschaft, als sie heute geübt wird, einer allerletzten Wissenschaft, die Freiheit höher schätzen ließ als alles andere. Die Freiheit! Freilich die Freiheit, wie sie heute möglich ist, ein kümmerliches Gewächs. Aber immerhin Freiheit, immerhin ein Besitz.
Worüber schreibt Kafka eigentlich? Die Hundeschaft kann durchaus die Juden meinen. Auch in einem anderen Text spricht er sehr direkt die historische Konfliktsituation mit Arabern an, die Juden für Schakale halten. Hinzu kommt die Zerstreutheit der Hundeschaft (ihre Diaspora?). Ins Auge sticht auch, dass die Lösung Mensch bezüglich Nahrung ausgeklammert ist. Max Brod hat darin eine Parabel des Atheismus gesehen. Der Mensch sehe Gott nicht, wie der Hund in dieser Parabel den Menschen als Nahrungsgeber nicht sehe.


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27.05.2024 um 01:29
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Aus diesem Grund sind diese Sprachkonventionen anfällig für Missverständnisse: Entweder verwendet sie die Sprecher:in falsch, oder sie werden falsch aufgefasst.
Also das schlägt jetzt dem Fass aber wirklich die Perlen aus der Krone! 😉
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Ein Beispiel funktioniert auch auf Deutsch: "nächste Woche", "nächstes Jahr" ist ohne Probleme verständlich, aber "nächsten Tag" statt "morgen" kaum bis nicht. "*Ich gehe nächsten Tag ins Kino."
Ich finde das gut verständlich, es ist klar, was mit nächsten Tag gemeint ist. Es ist nur kein Standarddeutsch.


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27.05.2024 um 13:23
"The Girl in Red" - Christina Henry
Reds name isnt really Red - its Cordelia, but nobody calls her that anymore. At the age of eight she lost half her leg in a car accident but she doesnt want anybody feeling sorry for her - she can get along just fine, thanks very much. When a devastating disease destroys most of the U.S. population and Reds mother and father are killed by a group of wandering thugs Red and her brother Adam decide to try and reach their paternal grandmother, who lives over 200 miles away. Then Adam decides to join a homegrown militia, thinking its the only way to survive in this new world, but Red isnt joining any army. She strikes out on her own, crossing a large stretch of wilderness with only her wits and her backpack, intent on getting to her grandmas house come what may. But Red is about to find out that the woods are deep and dark, and there are far worse things than wolves out in the world.
Quelle: Thalia

habe die ersten Kapitel gelesen und es ist spannend, so wie alle Bücher, die ich bisher von der Autorin förmlich verschlungen habe.


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27.05.2024 um 21:30
Zitat von violetlunavioletluna schrieb:Narrenschiffer schrieb:
Ein Beispiel funktioniert auch auf Deutsch: "nächste Woche", "nächstes Jahr" ist ohne Probleme verständlich, aber "nächsten Tag" statt "morgen" kaum bis nicht. "*Ich gehe nächsten Tag ins Kino."

Ich finde das gut verständlich, es ist klar, was mit nächsten Tag gemeint ist. Es ist nur kein Standarddeutsch.
Interessant finde ich dabei auch, daß es in der Vergangenheitsform kein Problem darstellt. “Am nächsten Tag ging er wie gewohnt ins Büro.” Sind halt einfach Grammatik Vorgaben, die irgendwann mal so festgelegt wurden.


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27.05.2024 um 21:48
Funktioniert, bzw. ist üblich, genauso in der Zukunft:
"Am Ankunftstag werde ich nur spazieren gehen. Am nächsten Tag werde ich allerdings eine Wanderung unternehmen."

Der Grund, schlichtweg: Morgen ist der Tag der auf heute folgt - nicht der Tag der auf einen beliebigen anderen Tag (in Zukunft oder Vergangenheit) folgt.
violetaluna schrieb:Ich finde das gut verständlich, es ist klar, was mit nächsten Tag gemeint ist. Es ist nur kein Standarddeutsch.
Genau - daran kann man z.B. erkennen dass jemand nicht Deutschmuttersprachler ist.

@Narrenschiffer
Finde die meisten Bücher die du hier nennst auch sehr interessant; kann mit derartigem mehr anfangen denn mit gängiger Belletristik aus dem Beststellerregal :)


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01.06.2024 um 11:44
Soviet Metro Stations


61EW9PrcfNL. AC UL600 SR600600


soviet-metro-stations-christopher-herwigOriginal anzeigen (0,3 MB)

In der Sowjetunion hatten eine Reihe von Großstädten eine Metro, vor allem die Hauptstädte der Sowjetrepubliken.
Während im Westen die Architektur der Metro meisten sehr öde ist, war die Metro für die Sowjetunion ein Prestigeprojekt und zeichnete sich durch opulente Gestaltung aus. Da die Metros seit den 30ern bis zum Ende der Sowjetunion gebaut wurden, kann man die ganze Spannbreite von Stilen finden vom "Zarengewölbe" bis hin zur schicken Sowjetmoderne.


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