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7.321 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bücher, Lesen, Literatur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

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15.09.2024 um 13:07
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb am 02.09.2024:H. G. Wells - Die Zeitmaschine
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb am 02.09.2024:Er begegnet kleinen menschenähnlichen Wesen mit einer durchscheinenden Haut (Eloi), die gemeinsam in verfallenen Hallen schlafen, den Tag jedoch nur mit Spielen verbringen.
Da hat Wells die TikTok Generation vorausgesehen.
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb am 02.09.2024:Ein ertrinkendes Eloi-Mädchen wird vom Zeitreisenden gerettet, die anderen interessiert dieser Vorfall nicht. Dieses Mädchen, Weena, wird zur anhänglichen Partnerin des Zeitreisenden, jedoch während eines Ausflugs in einem Wald von den Morlock aufgegriffen.
Die "Zeitmaschine" ist nicht nur ein guter SciFi sondern eine gute Liebesgeschichte.

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englische-maerchen-english-fairy-tales-t
Flora Annie Steel - Englische Märchen
(zweisprachig)
Einige der Märchen sind brutal, z.B. "Henny-Penny"


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15.09.2024 um 22:59
Zitat von parabolparabol schrieb:Einige der Märchen sind brutal, z.B. "Henny-Penny"
Henny-Penny fängt ganz harmlos an:
Es gibt mehrere Versionen der Geschichte, von denen die bekannteste von einem Küken handelt, das glaubt, der Himmel würde einstürzen, als ihm eine Eichel auf den Kopf fällt

Wikipedia: Henny Penny

... Zum Schluss sind dann alle tot


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21.09.2024 um 13:27
9783822803936-de

package-design-in-japan-

package-design-in-japan-
Package Design in Japan (im Taschen Verlag)


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21.09.2024 um 13:36
Theodor Fontane - Effie Briest

Fontane-Effi-Briest

Dies ist wohl der berühmteste Roman Fontanes und vor allem in der ersten Hälfte schreibt Fontane in einem unglaublichen Flow, als er beschreibt, wie die siebzehnjährige Effi Briest in Kessin (dem Pommerschen Swinemünde nachgebildet) sozial verkümmert und von Geisterängsten geplagt ist, die ihr etwa 20 Jahre älterer Gatte Baron Geert von Innstetten durch ein leeres Stockwerk in einem etwas heruntergekommenen Haus mit Geräuschen und Erscheinungen eines Chinesen (es ist nie klar, ob sich Effie das einbildet) befeuert.

Beide sind sehr ehrgeizig und Effie scheint glücklich zu sein, als Innstetten in Berlin eine Ministeriumsstelle erhält. Doch als ihr Kind fällt und in einem Nähschränkchen nach Verband gesucht wird, findet Innstetten Briefe eines Major von Crampas, welche dieser sechs Jahre zuvor an Effie geschrieben hat. Ob sie ein Verhältnis mit ihm hatte, geht nie klar hervor. Innstetten fühlt sich in seiner Ehre gekränkt, tötet Crampas in einem Duell und wirft Effie aus der Wohnung, auch ihre Eltern weigern sich, sie zu sich zu nehmen. So lebt sie Jahre lang in einer kleinen Wohnung in Berlin, bis vor allem ihr Vater diese Situation nicht mehr ertragen kann und Effie zurück ins ländliche Haus ihrer Eltern zurückholt. An Schwindsucht (wohl Tuberkolose) erkrankt, stirbt Effie.

Große Literatur.


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21.09.2024 um 14:00
Arthur Schnitzler - Reigen

Schnitzler-Reigen

Dieses Theaterstück von Arthur Schnitzler aus 1897 wurde zunächst in Privatdrucken an Freunde verteilt und 1903 veröffentlicht. Die erste Wiener Aufführung 1920 war ein Skandal.

In zehn Szenen sehen wir Paare in intimen Situationen, die jedoch aneinander vorbei reden, über andere sprechen und sich schließlich trennen, wobei nie deutlich wird, ob sie den Liebesakt vollziehen werden bzw. vollzogen haben. Von jeder Szene wird eine Person in die nächste übernommen und in der ersten wie letzten Szene ist es eine Dirne. Der Reigen schließt sich.

Eine Beschreibung der zehn Szenen findet sich in meinem Blog.

Arthur Schnitzler - Reigen


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22.09.2024 um 11:54
Christa Wolf - Kassandra

Wolf-Kassandra

In dieser 1983 sowohl in der DDR als auch bei Suhrkamp erschienen Erzählung blickt Kassandra vor ihrem vermeintlichen Tod auf den Troianischen Krieg zurück. Der Text ist aus fünf Gründen schwer zugänglich: die abgehackte Sprache mit vielen unvollständigen Sätzen, die Themen- und Zeitsprünge, die vielen oft erst später vorgestellten Personen, die Voraussetzung von Detailkenntnissen der Überlieferung über den Troianischen Krieg, die versteckten zeitaktuellen Bezüge mit oft Schlüsselcharakter.

Für Kassandra ist der Troianische Krieg ein Männerkrieg. Dass ihr Bruder Paris überhaupt Helena aus Sparta entführt, liegt daran, dass sein Vater Priamos als König von Troia nicht darauf reagiert hat, als seine Schwester von den Griechen entführt worden ist. Die Entführung Helenas ist eine Reaktion auf dieses Nichtstun.
Ein König, der seine entführte Schwester nicht zurückzugewinnen suche, verliere sein Gesicht.
Männliche Gegenpole sind Aineias und der Achill ("das Vieh"). Aineias zieht schließlich mit einer Gruppe von Menschen aus dem zerstörten Troia weg (bei Vergil gründet er Rom), Kassandra bleibt zurück. Aineias wird als sanft und zurückhaltend beschrieben, der bei den ersten Treffen mit Kassandra nicht sexuell verkehren will und seine Männer nicht in den Tod führt, sondern auf den Berg Ida, um zu überleben. Kassandra dazu:
Aineias lebt. Aber muß ein Mann, der lebt, wenn alle Männer sterben, ein Feigling sein? War es mehr als Politik, daß er, anstatt die Letzten in den Tod zu führen, sich mit ihnen auf den Berg Ida, in heimatliches Gelände, zurückzog? Ein paar müssen doch übrigbleiben
Achill hingegen tötet einen Gegner im Friedensbezirk des Tempels von Apoll sowie die Amazonin Penthesilea, deren toten Körper er vergewaltigt.

Der Krieg selbst verändere die Männer, mache sie zu rasenden Kampfmaschinen, die sich Frauen nach Gutdünken nähmen. Griechen wie Troer. Die Frauen Troias ziehen sich in ihre Häuser zurück, erscheinen nicht mehr in der Öffentlichkeit.
... schienen die Männer beider Seiten verbündet gegen unsre Frauen. Entmutigt zogen die sich in die winterlichen Höhlen der Häuser, an die glimmenden Feuer und zu den Kindern zurück.
Und es sind die Frauen, es ist sie selbst, die sich gegen das Abschlachten gefangener Griechen stellt:
Da trat ich, ohne Priesterkleid, in diesen schmalen Zwischenraum, ging ihn, vom heißen Atem der Griechen, von den kalten Messern der Troer gestreift, Schritt für Schritt entlang, von der einen Wand zur andern. Alles still. Hinter mir sanken die Messer der Troer. Die Griechen weinten. Wie liebte ich meine Landsleute.
Paris vertrat mir den Ausgang. Du also, Priesterin, gestattest meinen Leuten nicht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. - Ich sagte: Nein.
Andererseits sind es die Frauen Troias, die es nicht zulassen, dass Troia sich ergibt:
Lieber kämpfend sterben, als versklavt sein, sagten ihre Frauen ...
Kassandra lehnt einen nationalistisch oder aus Kriegsgegnerschaft begründeten Abscheu gegen Griechen ab. Vielmehr verbringt sie ihre erste Liebesnacht mit dem Griechen Panthoos (Aineias war zu scheu dafür), welche sie so beschreibt:
Panthoos der Grieche tat, als kenne er die Wunde in meinem Herzen nicht; als mache es ihm nichts aus, in dies Herz eine mir selbst fast nicht bewußte, sehr feine, sehr geheime Feindschaft gegen ihn, den Ersten Priester, einzupflanzen.
Mein Griechisch hab ich ja bei ihm gelernt. Und die Kunst, einen Mann zu empfangen, auch. In einer der Nächte, da die frisch geweihte Priesterin beim Götterbild zu wachen hatte, ist er zu mir gekommen. Geschickt, fast ohne mir weh zu tun und beinah liebevoll tat er, wozu Aineias, an den ich dachte, nicht willens oder nicht fähig gewesen war. Daß ich unberührt war, schien ihn nicht zu überraschen, auch nicht, in welchem Maß ich körperlichen Schmerz zu fürchten schien. Zu niemandem, auch nicht zu mir, verlor er je ein Wort über jene Nacht. Ich aber wußte nicht, wie ich Haß und Dankbarkeit gegen ein und denselben Menschen mit mir herumtragen sollte.
Die Zeitbezüge zu sowjetisch-kommunistischen Herrschaftspraktiken sind zum Teil offenkundig. So zum Beispiel, dass diejenigen bestraft werden, die einen Missstand benennen, und nicht diejenigen, die ihn verursachen:
daß wir lieber den bestrafen, der die Tat benennt, als den, der sie begeht ... Sprach in Troia irgendein Mensch von Krieg? Nein. Er wäre bestraft worden.
An anderer Stelle:
Sie leisteten es sich, Mord und Totschlag weniger zu fürchten als die grollende Augenbraue ihres Königs und die Denunziation durch Eumelos.
Dem Seher Kalchas werden vom Königshaus positive Prognosen abgezwungen und dieses sei daher "seherlos". Kalchas ist zu den Griechen übergelaufen:
Das Königshaus hat ihm die günstigen Prophezeiungen abgezwungen.
Kassandra formuliert auch, wie mit einem Mitglied der Elite wie sie selbst gehandhabt wird, wenn es nicht mehr den Richtlinien des Herrscherhauses folgt:
Priamos der König hatte drei Mittel gegen eine Tochter, die ihm nicht gehorchte: Er konnte sie für wahnsinnig erklären. Er konnte sie einsperren. Er konnte sie zu einer ungewollten Heirat zwingen. Dies Mittel, allerdings, war unerhört. Nie war in Troia eine Tochter eines freien Mannes zur Ehe gezwungen worden. Dies war das Letzte. Als der Vater nach Eurypylos und seinem Heer von Mysern schickte, obwohl bekannt war, der wollte mich als Lohn zur Frau, da konnte jeder wissen: Troia war verloren.
Auch der Bruch mit der Rechtsstaatlichkeit im Krieg wird vom König nicht nur hingenommen, sondern mehr oder weniger gefordert:
Priamos erklärte mir, im Krieg sei alles, was im Frieden gelten würde, außer Kraft gesetzt.
Thematisiert wird auch ein Überwachungssystem durch das Königshaus (SED/Stasi?), aber auch die Zwiespältigkeit ihrer, Kassandras, eigenen Person (Christa Wolf selbst war von 1949 bis Juni 1989 Mitglied der SED):
Immer hat es mich gestört, wenn andre mehr über mich wußten oder zu wissen glaubten als ich selbst. ... Worauf sollten sie setzen: auf meinen Hang zur Übereinstimmung mit den Herrschenden oder auf meine Gier nach Erkenntnis.
Der Personenkult wird thematisiert, als Paris Helena nach Troia gebracht hat:
Jubelnd lief das Volk durch die Straßen. Ich sah eine Nachricht zur Wahrheit werden. Und Priamos hatte einen neuen Titel: »Unser mächtiger König«. Später, je aussichtsloser der Krieg wurde, mußte man ihn »Unser allermächtigster König« nennen.
Der Krieg der Griechen (Westen) und Troer (Osten) kann an manchen Stellen durchaus in der Bipolarität des Kalten Kriegs und in seinem wirtschaftlichen Hintergrund (nicht Helena sei das eigentliche Kriegsziel der Griechen) gelesen werden:
Zehn Jahre Krieg. Sie waren lang genug, die Frage, wie der Krieg entstand, vollkommen zu vergessen. ... Red keinen Unsinn, sagte Priamos. Die wollen unser Gold. Und freien Zugang zu den Dardanellen.
Doch wofür steht das hölzerne Pferd der Griechen? Mahnt Christa Wolf selbst an, dass das kommunistische System nicht den westlichen Verlockungen erliegen soll? Dass dies kein Sieg sei?
Der Zusammenbruch kam schnell. Das Ende dieses Krieges war seines Anfangs wert, schmählicher Betrug. Und meine Troer glaubten, was sie sahn, nicht, was sie wußten. Daß die Griechen abziehn würden! Und dieses Monstrum vor der Mauer ste-henließen, das alle Priester der Athene, der das Ding geweiht sein sollte, eilfertig »Pferd« zu nennen wagten. Also war das Ding ein »Pferd«. Warum so groß? Wer weiß. Ebenso groß wie die Ehrfurcht der geschlagnen Feinde vor Pallas Athene, die unsre Stadt beschützte.
Holt das Pferd herein.
Das ging zu weit, ich traute meinen Ohren nicht. Zuerst versuchte ich es sachlich: Seht ihr nicht, das Pferd ist viel zu groß für jedes unsrer Tore.
So erweitern wir die Mauer.
Jetzt rächte sich, daß sie mich kaum noch kannten. Der Schauder, der an meinem Namen hing, war schon verblaßt. Die Griechen haben ihn mir wieder angehängt. Die Troer lachten über mein Geschrei. Die ist verrückt. Los, brecht die Mauer auf! Nun holt doch schon das Pferd! Heftiger als jeder andre Trieb war ihr Bestreben, dies Siegeszeichen bei sich aufzustellen. So wie die Leute, die in irrem Taumel den Götzen in die Stadt beförderten, sahn keine Sieger aus.
Aineias verlässt die Stadt, Kassandra bleibt mit ihren Zwillingen, die ihr zwangsverheirateter Mann Eurypylos in der Hochzeitsnacht, einen Tag vor seinem Tod, gezeugt hat, zurück.


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25.09.2024 um 15:39
Ferdinand von Schirach - Der Fall Collini

Schirach-Collini

Dieser kurze Roman aus dem Jahr 2011 spielt 2001. Im Adlon wird ein 85-jähriger Industrieller namens Jean-Baptiste „Hans“ Meyer ermordet, der Mörder ist der italienische Fabriksarbeiter Fabrizio Collini. Als Pflichtverteidiger wird der junge aufstrebende Anwalt mit besten Referenzen Caspar Leinen bestellt, der den Fall zurücklegen will, da er herausfindet, dass er mit dem Mordopfer in seiner Kindheit bekannt war, mit dessen verstorbenem Enkel gemeinsam in die Schule gegangen ist und mit dessen Enkelin Johanna eine lose, auch sexuelle Beziehung hat. Collini wünscht ihn jedoch weiter als Anwalt, schweigt aber über sein Motiv.

Eine Verfahrenspause nutzt Leinen zum Aktenstudium und da der Mord mit der Wehrmachtswaffe Walther P38 begangen wurde, fährt er zur Ludwigsburger Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Er findet heraus, dass Meyer während der Besetzung Norditaliens im Raum Genua stationiert war. Collini ist nun bereit zu erzählen. Meyer vergewaltigte seine Schwester und ermordete seinen Vater während einer Vergeltungsaktion der Wehrmacht. Eine Anklage hatte keine Konsequenzen, da Meyer als Mordgehilfe gesehen worden sei und nach einem deutschen Gesetz von 1968 die Taten verjährt seien. 2001 habe er nach dem Tod seiner Tante beschlossen, Meyer zu töten, da er niemanden mehr in der Familie habe, den/die er mit seiner Tat belasten könne.

Die Frage, wie nun Collinis Tat zu beurteilen sei, beantwortet Schirach nicht. Er lässt Collini nach dessen Bericht über die Vergangenheit Meyers Selbstmord begehen.

Neben einigen Seitenhieben gegen die deutsche Justizlandschaft und dem EGOWiG (Gesetzesinfo auf der Wikipedia) kann das Werk an Schulen einen weiteren Lerneffekt bieten: Caspar und Johanna treiben es an einem Hotelfenster im Doggystyle ;)

Die Pornokamera scheint es der deutschen Literatur angetan zu haben. Ist mir in Dschihad Calling (einem Jugendroman) bereits aufgefallen.


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27.09.2024 um 13:28
Wolfgang Böhmer - Hesmats Flucht

Boehmer-Hesmat

Der österreichische Journalist Wolfgang Böhmer hat im Jahr 2002 im Innsbrucker SOS-Kinderdorf einen zwölfjährigen Flüchtling aus der nordafghanischen Stadt Mazar kennengelernt und dessen packende Flucht von Afghanistan über Tadschikistan, Usbekistan, Kasachstan, Russland, die Ukraine, Ungarn und die Slowakei nach Österreich in einem Radiobeitrag der Öffentlichkeit bekanntgemacht und 2008 in Form einer Dokufiktion als Roman veröffentlicht.

Der elfjährige Hesmat beschließt Ende 2000, aus dem von den Taliban regierten Afghanistan nach London zu fliehen, da sein Onkel dort Kontakte habe. Seine Mutter ist an einer Krankheit verstorben, sein Vater, der in den 1980er Jahren dem kommunistischen Regime diente, wurde ermordet. Bei seinem fundamentalistischen Großvater will er nicht bleiben. So plant er mit 7.000 USD, die er vom Verkauf des elterlichen Hauses hat, mit Hilfe eines befreundeten Apothekers die Flucht.

Zu Fuß geht er über den Hindukusch, trifft auf gegen die Taliban kämpfende Mudschahedin, die jedoch auch eine Gefahr darstellen, da viele von ihnen junge Knaben vergewaltigen. Schmuggler und Schlepper, auf die er trifft, können auch Menschenhändler sein. Er befreundet sich mit einem sechzehnjährigen Fahid, mit dem er zunächst dessen wohlhabenden Onkel Hanif in Duschanbe aufsucht, der wiederum die Schlepper nach Moskau organisiert. Mit dem Zug machen sie sich auf den Weg, müssen sich in den Zügen verstecken, werden jedoch in Usbekistan aufgegriffen und landen im Gefängnis. In Kasachstan wird Fahid in einem Schacht zwischen Außen- und Innenwand des Zuges versteckt, worin er elendiglich erstickt. Die Leiche wird aus dem Fenster geworfen. Hesmat überlebt in einer sargähnlichen Kiste. In Russland kommt er wieder ins Gefängnis, doch der organisierende Schlepper hat so große Angst vor Hanif, dass Hesmat wirder freigekauft werden kann.

In Moskau wird er afghanischen Bekannten übergeben, er zahlt Schlepper, um ihn in den Westen zu bringen. In der Ukraine hängen mehrere Flüchtlinge fest, aber dass der Bekannte die zweite Hälfte des Schlepperhonorars erst nach bestätigter Ankunft im Westen bezahlen will, ist für Hesmat eine Lebensversicherung und er wird bis nach Ungarn gebracht, dort jedoch gelegt. Bei einem Zaun in der Nähe von Budapest behaupten die Schlepper, dass dies der Grenzzaun nach Österreich sei. Hesmat signalisiert nach Durchschreiten dieses Zauns, dass er in Österreich sei. Er landet in einem ungarischen Flüchtlingslager, in dem es ihm gut geht, aber eine Flüchtlingsgruppe flieht weiter in die Slowakei, da sie eine Rückabschiebung in die Ukraine befürchten. Von der Polizei aufgegriffen, wird die Gruppe nicht sonderlich daran gehindert, mit Hilfe von Schleppern die winterliche Donau zu überschreiten.

Im österreichischen Auffanglager Traiskirchen fühlt Hesmat sich doppelt bedroht. Einerseits von der nüchternen Bürokratie der Anträge mit der Angst, abgeschoben zu werden, andererseits im Lager selbst, das gefährlicher sei als jedes Gefängnis zuvor, eben weil es kein Gefängnis ist und keine Wächter gibt. Das Lager wird von Banden beherrscht, Frauen und Kinder sind ständig in Gefahr, vergewaltigt zu werden.
In der Nacht versuchten sich die Frauen vor den alteingesessenen Männern zu schützen, draußen patrouillierten Man-ner mit Hunden, während drinnen Tschetschenen mit Messern aufeinander losgingen. Sobald die Türen der Häuser geschlossen waren, ließ jeder seinen Angsten, seinem Hass, seiner Wut freien Lauf. Niemand stellte sich ihnen entgegen, es gab keine Wärter, die die Wehrlosen schützten, keine Einzelzellen, in denen man sicher gewesen wäre.
So flieht er weiter über Wien und Tirol Richtung Italien, wird aber auf der Brennerstrecke im Zug aufgegriffen. In Tirol kommt er in ein SOS-Kinderdorf, wo Wolfgang Böhmer ihn kennenlernt. Mittlerweile sind die Taliban von US-Truppen verjagt und es besteht die Möglichkeit, dass er nach Afghanistan zurück abgeschoben wird. Nach der Radiosendung erhält er vom österreichischen Innenminister Strasser die Genehmigung, in Österreich bleiben zu dürfen.

Die Ausgabe von 2022 schildert weiter, dass Hesmat nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, als ausgebildeter Elektrotechniker arbeitet und Familienvater mit zwei Kindern ist.

Schwer zu durchschauen ist, warum die Organisatoren der Flucht (Hesmat ist am Ende seine gesamten Dollar los) große Teile der Fluchtstrecke ihm nachfahren, um ihn aus Schwierigkeiten zu holen. Der Schlepper Bachtabat aus Duschanbe, der sich vor Hanif fürchtet, fährt ihm bis nach Usbekistan nach. Auch Sayyid, der die Flucht von Moskau aus in den Westen mit Hesmats Geld bezahlt, hält bis nach Ungarn Kontakt zu dem Schlepperboss Musa. Dass es auf der ganzen Strecke ein Netzwerk an Schleppern und Drogenkurieren gibt, geht aus dem Buch eindeutig hervor, deren Tiefe wird nicht ausgelotet. Sie ist wohl Hesmat wie auch Böhmer nicht bekannt.


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29.09.2024 um 14:01
Hermann Hesse - Unterm Rad

Hesse-Unterm Rad

In diesem frühen Roman Hesses aus dem Jahr 1903 verarbeitet er seine eigene Schulzeit im evangelischen Seminar der Klosterschule Maulbronn in Schwaben. Im Mittelpunkt steht das Scheitern eines jungen Mannes namens Hans Giebenrath.

Giebenrath ist ein sehr ehrgeiziger Schüler aus einem kleinen schwäbischen Ort und wird beim schwäbischen Landesexamen Zweiter, was ihm einen Platz in der Klosterschule Maulbronn einbringt. Diesen Erfolg hat er sich hart erarbeitet, täglich lernt er bis Mitternacht und auch in den Ferien strebert er Latein, Griechisch und Mathematik. Nur selten geht er seinem einzigen Hobby, dem Angeln, nach. Die Kosten sind eine schwächliche Statur und ständige Kopfschmerzen.

In Maulbronn freundet er sich mit einem exzentrischen und von Dichtung begeisterten Mitschüler namens Hermann Heilner an (wohl ein Alter Ego Hesses, der wie Heilner nach sieben Monaten Maulbronn verlassen hat, um dem Traum eines Schriftstellerlebens nachzugehen). Heilner ist bei den Lehrern nicht gut angeschrieben und dies färbt auch auf Giebenrath ab, dessen Leistungen immer schwächer werden.

Nach einem Jahr verlässt Giebenrath Maulbronn (er wird mehr oder weniger rausgeschmissen) und beginnt in seinem Heimatort eine Schlosserlehre. Auf dem Heimweg von einem Sonntagsbesäufnis mit Arbeitskollegen in einem Nachbarort ertrinkt Giebenrath im Suff in einem Bach. Ob er den Freitod gewählt hat oder ob es ein Unfall war, bleibt offen.

Hesse zeigt einerseits das Scheitern eines besessenen Strebers, der nur dadurch ins Leben zurückfindet, dass er seine ursprünglichen Pläne nicht umsetzen kann, andererseits prangert er mit Giebenrath eine intellektuelle Arroganz gegenüber Handwerkern und Arbeitenden an, die Giebenrath am Ende verliert, indem er den Umgang mit seinen Arbeitskollegen und einem jungen Mädchen sehr schätzt. Dieser kritische Blick auf eine intellektuelle Arroganz ist in späteren Werken von Hesse nicht immer gegeben. Eine Synthese zwischen intellektuellem Streben und erfülltem Leben findet Hesse bei Giebenrath jedoch nicht. Heilner hingegen schafft den Schritt in die bürgerliche Welt.

Beklemmend fast ist die Schilderung, wie viele der Seminaristen im Laufe der vier Jahre Schulzeit in Maulbronn sterben.
Erfahrungsgemäß pflegen sich aus jeder Seminaristenpromotion einer oder mehrere Knaben im Laufe der vier Klosterjahre zu verlieren. Zuweilen stirbt einer weg und wird mit Gesang beerdigt oder mit Freundesgeleite in seine Heimat überführt. Zuweilen macht sich einer gewaltsam los oder wird besonderer Sünden wegen entfernt. Gelegentlich, doch selten und nur in der älteren Klasse, kommt es etwa auch einmal vor, daß irgendein ratloser Junge aus seinen Jugendnöten einen kurzen, dunkeln Ausweg durch einen Schuß oder durch den Sprung in ein Wasser findet.



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29.09.2024 um 14:49
Kirsten Boie - Nicht Chicago. Nicht hier

Boie-Chicago

Ein Gaslighting-Furioso aus dem Jahr 1999. Als Niklas einen neuen Klassenkameraden namens Karl erhält, müssen sie gemeinsam ein Referat in Geschichte erarbeiten. Bei zwei Besuchen stiehlt Karl eine CD und ein CD-ROM-Laufwerk, leugnet jedoch alles ab, er behauptet sogar, er habe es für 100 Mark gekauft. Auch stiehlt er den Pager von Niklas, wirft einen Stock zwischen die Speichen von Niklas' Fahrrad, sodass er zu Sturz kommt, und bedroht diesen mit einem Messer.

Als Niklas' Vater mehrfach Karls Eltern kontaktiert und sein Laufwerk zurückkauft, werfen diese Niklas vor, dass er mit Lügen Karl bezichtige, diese Taten begangen zu haben. Als Rache beginnt Karl einen Telefonterror mit Beschimpfungen und Gewaltandrohungen. Die Polizei lehnt Kassettenaufnahmen der Telefongespräche ab und will stichhaltige Beweise, die nicht vorgelegt werden können. Eine Fangschaltung ist den Eltern zu teuer. Außerdem seien laut Polizei diese Ereignisse Bagatellen und auch teure Anwälte würden nicht helfen, da weiterhin Aussage gegen Aussage stände und Karls Freunde seine Version als Zeugen bestätigen würden. Da helfe auch nicht, dass Niklas' Schwester Karl und Freunde über die Polizei, von der sie vorgeladen wurden und die sie belogen hätten, hat spotten hören.

Auch Niklas' Lehrerin zweifelt an seinen Vorwürfen und seine Eltern sind sich auch nicht sicher, ob Niklas wirklich die Wahrheit sagt, da er ja einmal über eine schlechte Mathe-Note gelogen hätte. Auch der Telefonterror und das Verschwinden ihres Kaninchens aus dem aufgebrochenen Käfig helfen nicht, die Zweifel aus dem Weg zu räumen.

Die Anzeige wegen Telefonterrors wird abgewiesen. Niklas' Gedanken, die den Text rahmen, zeigen seinen Entschluss, Selbstjustiz üben zu wollen. Der Text ist fett gedruckt.
Ich mach ihn tot.
Ich bring ihn um, ich schwör, ich mach ihn tot, ich tret ihm so die Fresse ein, dass er niemals mehr ...
Ich mach ihn tot.
Ich bring ihn um, ich schwör.
Eines der Telefongespräche (Thomas ist der Vater - die Eltern werden mit Vornamen angesprochen):
»... miese kleine Ratte!«, sagt die Stimme. »Für Auswurf wie dich ist kein Platz auf dieser Erde!
Horst du das, Schmutz? Dich haben sie hingekotzt, du bist ein Klumpen Kotze ...«
»So unglaublich«, sagt Thomas müde und spult ein Stück zurück. »Wenn ich es nicht mit meinen eigenen Ohren hören würde ...«
»... haben sie hingekotzt, du bist ein Klumpen Kotze, ein Fäkalienberg, Schmutz, weißt du überhaupt, was das ist? Du musst verschwinden, vom Angesicht der Erde, aus meinem Angesicht, denn ich bin Gott! Hast du mich gehört, Ratte, ich will dich nicht mehr sehen, verpeste mir nicht meine Luft, Gott lässt nicht mit sich spaßen! Und glaube nur nicht, dass ich nicht Ernst mache! Du kleiner ...«
»Nur ein Mal müssten sie sich das anhören bei der Polizei«, sagt Thomas. »Mein Gott. Der Junge ist doch krank.«
Die Lehrerin im Gaslighting-Modus:
»Er hat mich überfallen«, murmelt Niklas.
Er wollte es nicht sagen. Was man nicht beweisen kann, soll man für sich behalten.
»Überfallen?«, ruft Frau Römer. »Wie, überfallen? Zusammengeschlagen? Wie?«
»Mit dem Messer«, sagt Niklas. Er sieht sie nicht an. »Gestern. Darum will ich nicht so gerne.«
»Und da haben deine Eltern nichts gemacht?«, ruft Frau Römer. »Wenn die Geschichte wahr ist ...«
»Karl sagt, es stimmt nicht«, sagt Niklas. »Falls Sie ihn fragen sollten. Vergessen Sie's.«
»Ja«, sagt Frau Römer nachdenklich. »Niklas, warum hat er dich denn überfallen? Erzähl mir das mal.«
Niklas sieht nicht auf.
»Niklas?«, sagt Frau Römer. »Kein Mensch tut so etwas ohne Grund. Da musst du ihm doch zuerst irgendwas ...«
Niklas merkt, dass er gleich schreien wird.
So laut wird sein Schrei sein, dass alle Scheiben zerspringen.
»Vergessen Sie's«, sagt er, »vergessen Sie's doch«, und er wirft den Stuhl hinter sich um, so schnell rennt er aus der Klasse.
Wenn er jetzt nicht gerannt wäre, hätte er sie angebrüllt.
Der Vater im Gaslighting-Modus:
»Noch vor einem Jahr«, sagt Thomas, ohne Niklas anzusehen, »noch vor ein paar Monaten hätte ich dir geglaubt, bedenkenlos. Aber inzwischen ist zu viel passiert. Diese Lügerei wegen der Mathefünf und die Geschichte mit dem Messer.«
Niklas macht die Augen zu. Wegen Karl wird er nicht weinen.
»Der Dauerbrenner Karl!«, sagt Thomas. »Erst die Geschichte mit dem Quix, jetzt das Laufwerk - du bist wohl froh, dass du jemanden hast, auf den du alles schieben kannst?« Niklas ist still. Thomas wird ihm nicht glauben.
Niklas sucht eine Erklärung, warum ihm niemand glaubt:
Er kann Thomas verstehen und vielleicht sogar Frau Römer. Jungen wie Karl kommen in ihrer Welt nicht vor. Es gibt keine Menschen, die gemein sind ohne Grund.
Als Niklas zusammengeschlagen worden ist - was Karls Freund Rocky, der dabei war, leugnet -, glauben das nicht mal seine Eltern (Karin ist die Mutter):
»Zu sehen ist nichts«, sagt Karin und schüttelt den Kopf. »Na, da hast du Glück gehabt. So schlimm kann der Schlag nicht gewesen sein.«
»Doch!«, schreit Niklas. »Ziemlich schlimm, ich bin doch gefallen! Und Rocky hat das ja alles gesehen, Rocky hat ihn doch festgehalten, der hätte mich sonst totgeschlagen!«
»Unsinn«, sagt Thomas. Er sieht unsicher aus.
»Ich will, dass ihr zur Polizei geht!«, ruft Niklas. Seine Stimme klingt schrill. »Ich hab doch einen Zeugen! Und er wollte mich umbringen! Er wollte mich umbringen!«
»Du übertreibst«, sagt Thomas.



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06.10.2024 um 13:40
Heinrich Mann - Der Untertan

Mann-Untertan

Dieser Roman Heinrich Manns erschien von Januar 1914 bis Juli 1914 in Fortsetzungen, der Überfall auf Belgien im Rahmen des Frankreichfeldzugs ist also noch nicht bekannt. Mit Diederich Heßling charakterisiert Mann einen national gesinnten Provinzunternehmer in der fiktiven Provinzstadt Netzig.

Heßling wird während seines Chemiestudiums in Berlin Mitglied der schlagenden Verbindung Neuteutonia und er ist ein glühender Verehrer Wilhelms II., dem er in Berlin während einer Arbeitslosendemonstration begegnet und später in Rom als Groupie nachstellt.

Der Großteil des Romans spielt in Netzig, wo Heßling sich von einem eher heruntergekommenen Papierunternehmer zu einem provinziellen Monopolisten hocharbeitet, indem er ein Konkurrenzunternehmen in den Ruin treibt und billig übernimmt. In diesem Ort wird er auch Stadtrat und gründet eine nationale Partei, die immer mehr Einfluss in dieser bislang freisinnigen (liberalen) Stadt einnimmt und Heßling als wortgewandten Führer der nationalen Sache akzeptiert.

Heßling ist wie eigentlich alle Honoratioren dieser Stadt extrem egoistisch und es werden gegeneinander hässliche Intrigen gesponnen. Ein freisinniger Unternehmer, der seine Mitarbeiter an Gewinnen beteiligt, wird von Heßling dahingehend provoziert, dass er in der Verteidigung der jüdischen Menschen sich zu der Äußerung hinreißen lässt, auch im Hochadel gäbe es jüdische Vorfahren. Dieser Ausspruch wird vor einem Gericht als Majestätsbeleidigung angesehen, der Unternehmer Lauer wird zu sechs Monaten Festungshaft verurteilt.

Um gegen die freisinnige Partei vorzugehen, verbündet sich Heßling zu den Reichsratswahlen mit seinem Maschinenmeister Napoleon Fischer, der Kandidat für die Sozialdemokraten ist. Sie vereinbaren, bei Stichwahlen gegen die Freisinnigen die jeweils andere Partei zu unterstützen (eine Querfront wird gebildet). Preis: die Sozialdemokraten unterstützen ein Kaiser Wilhelm-Denkmal, die Nationalen ein Gewerkschaftshaus. So kommt es auch: die Sozialdemokraten gewinnen die Stichwahlen und der Roman endet mit der Einweihung des Denkmals, einem Slapstick: Heßling hält seine Rede bei einem Gewitterwolkenbruch.

Ende des Romans: Der alte Unternehmer Buck, ein Liberaler, stirbt, eine neue Ära bricht an.

Die Charakterisierung Heßlings ist eher holzschnittartig und nicht immer nachvollziehbar. So ist er als Kind von seinem Vater geschlagen worden, akzeptiert dies jedoch und übernimmt dessen hierarchische Weltvorstellung. Nach oben buckeln (zuoberst der Kaiser, dann Adelige und Offiziere), nach unten treten und gegen die Peers Intrigen schmieden. Dazu kommt ein unbändiger Aufstiegswillen, der auch mit Lügen verbunden ist. So verabschiedet er sich mit falschen Arztbefunden aus dem Militärdienst, gebiert sich jedoch als soldatischer Mann. Langatmig geraten sind der Gerichtsprozess gegen den Unternehmer Lauer (Intrigen zwischen Männern) und eine Theateraufführung (Intrigen zwischen Frauen und Familien).

Frauen sind für Heßling nur Objekt. Als Student schwängert er eine Agnes Göppel, unterstützt sie bei einer illegalen Abtreibung (in Netzig ist er gegen ein Säuglingsheim, das die Liberalen wünschen) und verlässt sie. Guste Daimchen heiratet er nur wegen des Geldes und weil sie feist ist.
... das dicke, rosige Gesicht mit dem fleischigen Mund und der kleinen, frech eingedrückten Nase; das weißliche Haar, nett glatt und ordentlich, den Hals, der jung und fett war, und in den Halbhandschuhen die Finger, die die Wurst hielten und selbst rosigen Würstchen glichen.
Seine drei Kinder werden ihm alles sein, seine Frau nichts.

Auf den Punkt bringt Heinrich Mann die politische Lage der 1890er Jahre im Deutschen Reich. Heßling unterstützt in seinen Reden das Weltmachtstreben Deutschlands und die damit verbundene Aufrüstung des Militärs auch mit einer Flotte. Heßling:
„Der Ozean ist unentbehrlich für Deutschlands Größe. Der Ozean beweist uns, daß auf ihm und jenseits von ihm ohne Deutschland und ohne den Deutschen Kaiser keine Entscheidung mehr fallen darf, denn das Weltgeschäft ist heute das Hauptgeschäft!"
Gänsehaut erzeugt der gewaltsame Antisemitismus (Heßling verprügelt als Student einen Juden, weil er Jude ist) sowie der Vernichtungswille gegen Behinderte:
Blödsinnige und Sittlichkeitsverbrecher waren durch einen chirurgischen Eingriff an der Fortpflanzung zu verhindern.
Und in seinem Innersten sehnt sich Heßling nach einer brutalen Diktatur, welche die Feinde ausmerzt. So nach einem Streit mit dem Freisinnigen Brietzen:
„Wenn Sie meinen, für Ihre Frechheiten bewilligen wir Ihnen auch noch die Militärvorlage! Sie sollen sehen, was Umsturz ist!"
Draußen in der einsamen Allee wütete er weiter, zeigte dem unsichtbaren Feinde die Faust und stieß Drohungen aus. „Das kann euch schlecht bekommen! Wenn wir mal Schluß machen!"
Zwei Jahrzehnte später wurde diese von Heßling ausgesprochene Drohung Realität.


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07.10.2024 um 22:39
E.T.A. Hoffmann - Der goldene Topf

Hoffmann-Topf

1814/19 entstanden, ist es eines der schrägen Werke Hoffmanns, die er nächtens geschrieben hat. Es ist in zwölf Kapitel eingeteilt, die er Vigilien nennt, also Nachtwachen oder Nachtgebete. Elemente des Märchens verlegt er nach Dresden und am Ende entrückt der Student Anselmus komplett aus der Welt und lebt in Atlantis mit seiner reptiloiden Frau.

Der Einstieg ist, dass Anselmus während des Himmelfahrtsfeiertags in einem Holunderbusch drei Schlangen sieht, die ihn bezirzen, nachdem er den Wagen einer Apfelhändlerin umgelaufen hat und von ihr verflucht worden ist. Eigentlich ist Anselmus ein hervorragender Student und Liebling des Konrektors Paulmann sowie des Registrators und späteren Hofrats Heerbrand. Bei einer Abendveranstaltung lernt Anselmus die 16-jährige Tochter Paulmanns kennen, die sich in ihn verliebt und davon träumt, mit Anselmus verheiratet zu sein, der es zu einem Hofrat bringt.

Doch Anselmus ist von den Schlangen im Busch noch immer betört und bei einer gemeinsamen Überfahrt über die Elbe, vermeint er in den Spiegelungen eines Feuerwerks wieder die drei Schlangen und vor allem Serpentina mit den blauen Augen sowie deren kristallenen Gesangsstimmen zu erkennen, denen Veronikas Gesangsstimme nicht gewachsen ist.

Tiefer in die geheimnisvolle Welt dringt Anselmus über Vermittlung seiner akademischen Freunde bei dem Archivarius Lindhorst, einem Alchemisten und Büchernarren, ein, bei dem er gegen Lohn sechs Stunden am Tag Bücher in Schönschrift zu kopieren hat, deren Zeichen er eigentlich nicht kennt. Es sind arabische und indische Bücher.

Lindhorst gibt sich als märchenhafter Salamander aus, dessen reptiloide Familie einst gegen Drachen gekämpft hat und deren Repräsentantin das Apfelweib sei. Dieses war die Amme von Veronika und fungiert auch als Seherin, die von Veronika aufgesucht wird.

Da Anselmus während einer Abschrift aus Ungeschicklichkeit Tinte auf das Manuskript tropfen lässt, sperrt ihn Lindhorst in eine Kristallflasche. Aus seinem Gefängnis sieht er noch weitere junge Männer in Glasflaschen, die sich ebenfalls erfolglos um Serpentina beworben haben, selbst jedoch nicht wissen, dass sie eingesperrt sind. (Das ist doch die Dulce-VT!)

Jedoch wendet sich die Geschichte. In einem Kampf verwandelt Lindhorst das Apfelweib, welches den vom Erdgeist stammenden goldenen Topf stehlen will, in eine Runkelrübe, die von einem seiner Papageien aufgefressen wird. Anselmus erkennt, dass der Weg zu Veronika und in die reale Welt der falsche ist, so erhält er eine zweite Chance.

Da er nun das indische Bhagavad Gita zur Zufriedenheit Lindhorsts in seinem Tropenhaus kopiert, kann er nun Serpentina heiraten und erhält den goldenen Topf als Mitgift. Mit Serpentina entrückt Anselmus nun auf ein Gut Lindhorsts in Atlantis, wo er glücklich lebt. Veronika heiratet den nunmehrigen Hofrat Heerbrand und kann sich ihren Traum erfüllen, als Hofräten von der Dresdner Bürgerschaft bewundert zu werden.

Am Ende durchbricht der Erzähler - wie zuvor schon öfter - die vierte Wand und wendet sich an die Leserschaft. Er selbst lebe verarmt in einer Dachkammer, doch könne jeder mit Hilfe der Poesie in die glückliche Welt des Anselmus eintreten.

Eskapismus pur, aber wie immer bei Hoffmann: fantastisch gut geschrieben.


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08.10.2024 um 10:30
Asimov - Die Stahlhöhlen (1954)
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Eines der besseren Bücher von Asimov, sonst finde ich Asimov relativ oberflächlich z.B. in Vergleich zu Lem, "Die Stahlhöhlen" ist auf jeden Fall anspruchsvoll. Die Geschichte spielt in der fernen Zukunft und ist eine Mixtur aus Scifiction und typischem Krimi.
Die Menschheit lebt einerseits in sehr dicht besiedelten Wolkenkratzerstädten (und leidet an Agoraphobie), der andere Teil der Menschheit (die Spacer), lebt in Behausungen, die sehr weit voneinander entfernt liegen und fühlt sich nur wohl wenn Menschen auf Distanz leben.
Die meisten Spacer leben in Kolonien auf anderen Planeten, es gibt aber auch eine Enklave der Spacer auf der Erde, in der eines Tages ein Mord geschieht, und den muss der Kommissar Baley (der an Agoraphobie leidet) aufklären.


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10.10.2024 um 12:07
Lena Hach - Grüne Gurken

Hach-Gurken

Mit diesem Jugendbuch aus 2019 führt uns Lena Hach in ein friktionsfreies Berlin mit lauter netten Menschen. Eine Idealwelt, in der die 14-jährige Lotte aufwächst, nachdem sie mit ihren Eltern aus einem ländlichen hessischen Ort in die Hauptstadt gezogen ist. Zunächst fühlt sie sich fremd, aber als sie sich einmal aus der Wohnung aussperrt, beginnt sie in einem Späti gegenüber zu arbeiten. Yunus (der Inhaber) und dessen Freundin Mira werden zu einer Zweitfamilie.

In diesem Laden verliebt sie sich in einen Jungen, der immer zehn grüne Gummigurken kauft, und als sie ihm einmal nachgeht, findet sie heraus, dass er sie in einem Altenheim einer alten Frau auf ein Bäumchen hängt. Die beiden finden zueinander, dass er ärmer ist als Lottes Familie stört nicht, auch er ist in sie verliebt und sehr behutsam.

Selbst als Mira Yunus verlässt, bleiben die beiden gute Freunde. Der kurze Roman endet am Ende der Sommerferien, wie es mit Lotte weitergeht bleibt offen.

Eigentlich ist es eine kitschige Story in einer rosaroten Welt, aber Hach schafft es, den aus der Ich-Perspektive Lottes erzählten Roman sehr witzig zu gestalten, auch sprachlich. Ergo: Ziemlich ok, wenn man mal nicht über katastrophale Lebensumstände lesen will. Oder wie sagt Lotte am Ende?
Denn die Hauptsache ist, dass es in meinem Leben etwas gibt, das mir wichtig ist und mich glücklich macht.



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11.10.2024 um 16:49
Viviana Mazza - Die Geschichte von Malala

Mazza-Malala

2014 veröffentlichte die italienische Journalistin Viviana Mazza eine Dokufiktion über die pakistanische Schülerin Malala Yousafzai aus Mingora im Swat-Tal, die 2012 als 15-Jährige im Schulbus von Taliban angeschossen wurde und das Attentat durch eine Behandlung in einem englischen Militärhospital überlebte.

Mazza geht auf die Vorgeschichte der Familie bzw. das Swat-Tal zurück, in dem 2007 eine Gruppe von Taliban die Macht übernahm, ein Terrorregime errichtete und Frauen aus der Öffentlichkeit verbannte, Mädchenschulen schloss. Malala stammt aus einer bildungsbürgerlichen Familie, ihr Vater leitet eine Mädchenschule, und während die pakistanische Armee die Taliban versuchte zu besiegen, wurden Hunderttausende evakuiert. Die pakistanische Armee konnte die Talibangruppe jedoch nicht vollständig vernichten, sondern handelte einen Waffenstillstand aus. Zwar wurden Mädchenschulen wieder geöffnet, Frauen konnten wieder ohne Burka und männliche Begleitung in die Öffentlichkeit, doch hörten die Drohungen nicht auf, und bei 80 Prozent Jugendarbeitslosigkeit gab es durchaus einen auch finanziellen Pull-Faktor, sich den Taliban anzuschließen.

Der Anschlag auf Malala war nicht Zufall, sondern er war gezielt. Sie war ab 2009 mit ihrer Familie eine öffentliche Figur. Die Familie wurde zum Teil von einem Fernsehteam begleitet und Malala bekannte öffentlich, dass Bildung und vor allem Bildung für Frauen der einzige Weg ist, Pakistan und die Swat-Region weiterzuentwickeln. Eine den Taliban konträre Auffassung. Unter einem Pseudonym schrieb sie als Zehnjährige bereits sechs Monate lang einen Blog für die BBC, in dem sie für das Recht auf Bildung für Mädchen eintrat. Nach der Rückkehr nach Mingora öffnete ihr Vater wieder seine Mädchenschule, Malala selbst ging auch wieder zur Schule. Einen militärischen Schutz lehnte der Vater ab. Vielleicht ein Fehler. Im Oktober 2012 drangen mehrere Schützen in den Schulbus, in dem Malala saß, ein und schossen gezielt auf sie.

Der besondere Wert dieses Buches ist, dass es sehr eindrücklich zeigt, was eine Taliban-Herrschaft für Menschen bedeutet, wie ihr Leben nicht nur eingeschränkt, sondern bedroht und von Grund auf verändert wird. Etwas ratlos ist man, dass es der pakistanische Armee nicht gelang, Terrormilizen aufzulösen, sondern dass die Regierung schließlich mit ihnen einen Kompromiss aushandelte und einen Waffenstillstand schloss.

Wie die Taliban in Mingora herrschten, zeigt das Beispiel der Hochzeitstänzerin und -sängerin Shabana. Sie wurde von ihrem Haus auf den "Platz des Blutes" verschleppt.
Auf dem Platz des Blutes dann hat Shabana nur noch eine Bitte geäußert ... und zwar, dass sie sie lieber erschießen mögen, statt ihr die Kehle durchzuschneiden. Und so haben sie es auch getan, während die Mutter vor ihnen auf die Knie gesunken ist. Am nächsten Tag lag Shabanas Leiche auf dem Platz des Blutes. Um sie zu verhöhnen, haben sie noch einen Haufen Geldscheine und CDs von ihren Aufführungen auf sie geworfen, und Fotos, die sie aus ihrem Album gerissen hatten.
Das weitere Leben Malalas ist bekannt, im Buch ist angesprochen, dass sie ihr Lebensziel geändert hat, sie will nicht mehr Ärztin, sondern politisch aktiv werden, um die Lebensumstände in Pakistan verbessern zu können. Ihr erster Job nach Entlassung aus dem Krankenhaus war eine Stelle im pakistanischen Konsulat in Birmingham.

Der Taliban-Führer aus dem Swat-Tal, Maulana Fazlullah, der vermutlich den Befehl für den Mordanschlag ausgab, ging nach Afghanistan und wurde 2018 bei einem US-Drohneneinsatz getötet.


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18.10.2024 um 22:26
Friedrich Hölderlin - Hyperion

Hoelderlin-Hyperion

Dieser Briefroman eines in Griechenland aufgewachsenen jungen Manns ist beinahe durchgehend monologisch, nur zwei Briefe stammen von Hyperions großer Liebe Diotima, die stirbt, während er 1770 am Freiheitskampf gegen die osmanische Herrschaft teilnimmt. Sein Denken und seine Lebenshaltung ist geprägt von seinem Lehrer Adamas, der ihn in die Welt des antiken Griechenland einführt. Hyperion sieht Mensch und Natur als Eins und somit als Göttliches.
Eines zu sein mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.
Dieses Eins mit dem Göttlichen führe zur Schönheit und die menschliche wie göttliche Schönheit habe zwei Kinder: die Kunst und die Religion. Diese Einheit war im antiken Athen gegeben. Und aus der Dichtung sei die Philosophie geboren worden. Dies wäre nur im freien Athen möglich gewesen und nicht bei von Despotien unterdrückten Völkern wie den Ägyptern.
Wer mit dem Himmel und der Erde nicht in gleicher Lieb und Gegenliebe lebt, wer nicht in diesem Sinne einig lebt mit dem Elemente, worin er sich regt, ist von Natur auch in sich selbst so einig nicht, und erfährt die ewige Schönheit wenigstens so leicht nicht wie ein Grieche.
Wie ein prächtiger Despot, wirft seine Bewohner der orientalische Himmelsstrich mit seiner Macht und seinem Glanze zu Boden, und, ehe der Mensch noch gehen gelernt hat, muß er knieen, eh er sprechen gelernt hat, muß er beten; ehe sein Herz ein Gleichgewicht hat, muß es sich neigen, und ehe der Geist noch stark genug ist, Blumen und Früchte zu tragen, ziehet Schicksal und Natur mit brennender Hitze alle Kraft aus ihm.
Obwohl er die meisten Briefe an einen deutschen Freund namens Bellarmin schreibt, hält er die Völker im Norden den Griechen und insbesondere den antiken Athenern gegenüber weit unterlegen.
Man muß im Norden schon verständig sein, noch eh ein reif Gefühl in einem ist, man mißt sich Schuld von allem bei, noch ehe die Unbefangenheit ihr schönes Ende erreicht hat; man muß vernünftig, muß zum selbst-bewußten Geiste werden, ehe man Mensch, zum klugen Manne, ehe man Kind ist; die Einigkeit des ganzen Menschen, die Schönheit läßt man nicht in ihm gedeihn und reifen, eh er sich bildet und entwickelt. Der bloße Verstand, die bloße Vernunft sind immer die Könige des Nordens.
Aber aus bloßem Verstand ist nie Verständiges, aus bloßer Vernunft ist nie Vernünftiges gekommen.
Diese deistische Auffassung führt ihn - wie in obigen Zitaten bereits angedeutet - weg vom rationalen, vernünftigen und wissenschaftlichen Denken, wie bereits zu Beginn festgeschrieben wird.
Ach! wär ich nie in eure Schulen gegangen. Die Wissenschaft, der ich in den Schacht hinunter folgte, von der ich, jugendlich töricht, die Bestätigung meiner reinen Freude erwartete, die hat mir alles verdorben.
Ich bin bei euch so recht vernünftig geworden, habe gründlich mich unterscheiden gelernt von dem, was mich umgibt, bin nun vereinzelt in der schönen Welt, bin so ausgeworfen aus dem Garten der Natur, wo ich wuchs und blühte, und vertrockne an der Mittagssonne.
O ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt ...
Und an anderer Stelle:
Aus bloßem Verstande kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn nur die beschränkte Erkenntnis des Vorhandnen.
Aus bloßer Vernunft kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn blinde Forderung eines nie zu endigenden Fortschritts in Vereinigung und Unterscheidung eines möglichen Stoffs.
Besonders verbittert ist Hyperion darüber, wie Wissenschafter des Nordens die Kulturgüter der Antike an sich gerissen und von ihrem angestammten Ort gestohlen haben.
sie haben die Säulen und Statuen weggeschleift und an einander verkauft, haben die edlen Gestalten nicht wenig geschätzt, der Seltenheit wegen, wie man Papageien und Affen schätzt.
Wie seine Liebe zum Schönen überhöht ist, so ist seine Ablehnung gegenüber rationalen Menschen zum Haß geworden.
Wie haß ich dagegen alle die Barbaren, die sich einbilden, sie seien weise, weil sie kein Herz mehr haben, alle die rohen Unholde, die tausendfältig die jugendliche Schönheit töten und zerstören, mit ihrer kleinen unvernünftigen Mannszucht!
Die gegenwärtige Welt ist geprägt von der Zerstörung dessen, was in der Antike Harmonie war.
... ins düstre Herz des alten Peloponnes, an die einsamen Gestade des Eurotas, ach! die ausgestorbnen Tale von Elis und Nemea und Olympia, wenn wir da, an eine Tempelsäule des vergeßnen Jupiters gelehnt, umfangen von Lorbeerrosen und Immergrün, ins wilde Flußbett sahn, und das Leben des Frühlings und die ewig jugendliche Sonne uns mahnte, daß auch der Mensch einst da war, und nun dahin ist, daß des Menschen herrliche Natur jetzt kaum noch da ist, wie das Bruchstück eines Tempels oder im Gedächtnis, wie ein Totenbild - da saß ich traurig spielend neben ihm, und pflückte das Moos von eines Halbgotts Piedestal, grub eine marmorne Heldenschulter aus dem Schutt, und schnitt den Dornbusch und das Heidekraut von den halbbegrabnen Architraven ...
Und an anderer Stelle:
Wir sind, wie Feuer, das im dürren Aste oder im Kiesel schläft; und ringen und suchen in jedem Moment das Ende der engen Gefangenschaft.
Aber sie kommen, sie wägen Aeonen des Kampfes auf, die Augenblicke der Befreiung, wo das Göttliche den Kerker sprengt, wo die Flamme vom Holze sich löst und siegend emporwallt über der Asche, ha! wo uns ist, als kehrte der entfesselte Geist, vergessen der Leiden, der Knechtsgestalt, im Triumphe zurück in die Hallen der Sonne.
Hyperions Individualismus und Traum von einer Welt kleiner Gemeinschaften lässt ihn den entsehenden modernen Staat radikal ablehnen.
Du räumst dem Staate denn doch zu viel Gewalt ein. Er darf nicht fordern, was er nicht erzwingen kann. Was aber die Liebe gibt und der Geist, das läßt sich nicht erzwingen. Das laß er unangetastet, oder man nehme sein Gesetz und schlag es an den Pranger! Beim Himmel! der weiß nicht, was er sündigt, der den Staat zur Sittenschule machen will. Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, daß ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte.

Die rauhe Hülse um den Kern des Lebens und nichts weiter ist der Staat. Er ist die Mauer um den Garten menschlicher Früchte und Blumen.
Hyperions Traum vom kleinen Leben wird poetisch geschildert. Tina ist der kleine Ort bei Smyrna (Izmir), an dem er als Jugendlicher glücklich war.
... ich betrachtete den Menschen, wie ich ihn empfunden und erkannt von früher Jugend an, in mannigfaltigen Erziehungen, fand überall dumpfen oder schreienden Mißlaut, nur in kindlicher einfältiger Beschränkung fand ich noch die reinen Melodien - es ist besser, sagt ich mir, zur Biene zu werden und sein Haus zu bauen in Unschuld, als zu herrschen mit den Herren der Welt, und wie mit Wölfen, zu heulen mit ihnen, als Völker zu meistern, und an dem unreinen Stoffe sich die Hände zu beflecken; ich wollte nach Tina zurück, um meinen Gärten und Feldern zu leben.
Seine Geliebte Diotima appelliert an Hyperion, sich doch auch den modernen Menschen zu betrachten, der doch auch dazu fähig sei, das Göttliche wiederzuerlangen.
Ich bitte dich, geh nach Athen hinein, noch Einmal, und siehe die Menschen auch an, die dort herumgehn unter den Trümmern, die rohen Albaner und die andern guten kindischen Griechen, die mit einem lustigen Tanze und einem heiligen Märchen sich trösten über die schmähliche Gewalt, die über ihnen lastet - kannst du sagen, ich schäme mich dieses Stoffs? Ich meine, er wäre doch noch bildsam. Kannst du dein Herz abwenden von den Bedürftigen? Sie sind nicht schlimm, sie haben dir nichts zuleide getan!
Dies bringt Hyperion dazu, seine Ablehnung der modernen Welt zu überdenken, und lässt ihn hoffen, doch einen Traum zu verwirklichen.
Menschheit und Natur wird sich vereinen in Eine allumfassende Gottheit.
Sein größter Wunsch ist die Erneuerung der alten Welt, was den träumerischen Hyperion nach Aufruf seines tatenfreudigen Jugendfreunds Alabanda zur Teilnahme am Befreiungskrieg motiviert.
O! zünde mir einer die Fackel an, daß ich das Unkraut von der Heide brenne!
Die Feinde werden entmenschlicht. Sie sind wie Steine, Erdklumpen, Unkraut auf einem Feld, die es zu beseitigen gilt.
... daß wir da sind, aufzuräumen auf Erden, daß wir die Steine vom Acker lesen, und die harten Erdenklöße mit dem Karst zerschlagen, und Furchen graben mit dem Pflug, und das Unkraut an der Wurzel fassen, an der Wurzel es durchschneiden, samt der Wurzel es ausreißen, daß es verdorre im Sonnenbrande.
An den Befreiungskampf knüpft er die Realisierung seiner erträumten Welt, wie er zu Diotima sagt:
Der neue Geisterbund kann in der Luft nicht leben, die heilige Theokratie des Schönen muß in einem Freistaat wohnen ... der Knechtsdienst tötet, aber gerechter Krieg macht jede Seele lebendig.
Hyperion weiß, dass die Griechen für das gegen das Osmanische Reich Krieg führende Russland nur Mittel zum Zweck sind, aber er baut darauf, dass die Griechen stark genug sind, ihre eigenen Ziele zu erreichen.
Ich weiß es wohl, die guten Russen möchten uns gerne, wie Schießgewehre, brauchen. Aber laß das gut sein! haben nur erst unsere kräftigen Spartaner bei Gelegenheit erfahren, wer sie sind und was sie können, und haben wir so den Peloponnes erobert, so lachen wir dem Nordpol ins Angesicht und bilden uns ein eigenes Leben.
Doch die Realität im Krieg holt ihn ein. Griechische Banden ziehen plündernd und mordend durch den Peloponnes.
Es ist aus, Diotima! unsre Leute haben geplündert, gemordet, ohne Unterschied, auch unsre Brüder sind erschlagen, die Griechen in Misistra, die Unschuldigen, oder irren sie hülflos herum und ihre tote Jammermiene ruft Himmel und Erde zur Rache gegen die Barbaren, an deren Spitze ich war. ... An allen Enden brechen wütende Haufen herein; wie eine Seuche, tobt die Raubgier in Morea und wer nicht auch das Schwert ergreift, wird verjagt, geschlachtet und dabei sagen die Rasenden, sie fechten für unsre Freiheit. Andre des rohen Volks sind von dem Sultan bestellt und treibens, wie jene. ... Du führtest sie zur Freiheit und sie dachten an Raub. Du führst sie siegend in ihr altes Lacedämon ein und diese Ungeheuer plündern und verflucht bist du von deinem Vater, großer Sohn! und keine Wildnis, keine Höhle ist sicher genug für dich auf dieser griechischen Erde, die du, wie ein Heiligtum, geachtet, die du mehr, wie mich, geliebt.
Auf Basis dieser Nachrichten wird Hyperion von seinem Vater verstoßen, er kann nicht mehr zu ihm zurück. Seine Geliebte ist verstorben. So bleibt ihm nach der Ausheilung einer Kriegswunde nur noch, in den eigentlich verachteten Norden, nach Deutschland zu gehen, um dort als Eremit abgeschieden von der Gesellschaft mit der Natur zu leben. Das Vermächtnis von seinem Vater lässt ihn ohne Sorgen sein.
In Griechenland ist meines Bleibens nicht mehr. Das weißt du. Bei seinem Abschied hat mein Vater mir so viel von seinem Uberflusse geschickt, als hinreicht, in ein heilig Tal der Alpen oder Pyrenäen uns zu flüchten, und da ein freundlich Haus und auch von grüner Erde so viel zu kaufen, als des Lebens goldene Mittelmäßigkeit bedarf.
Wie Hyperion den Westen und Norden Europas sieht, lässt er durch Alabandas Schicksal sprechen.
Ich ging einst hülflos an dem Hafen von Triest. Das Kaperschiff, worauf ich diente, war einige Jahre zuvor gescheitert, und ich hatte kaum mit wenigen ans Ufer von Sevilla mich gerettet. Mein Hauptmann war ertrunken und mein Leben und mein triefend Kleid war alles, was mir blieb. Ich zog mich aus und ruht im Sonnenschein und trocknete die Kleider an den Sträuchen. Drauf ging ich weiter auf der Straße nach der Stadt. Noch vor den Toren sah ich heitere Gesellschaft in den Gärten, ging hinein, und sang ein griechisch lustig Lied. Ein trauriges kannt ich nicht. Ich glühte dabei vor Scham und Schmerz, mein Unglück so zur Schau zu tragen. Ich war ein achtzehnjähriger Knabe, wild und stolz, und haßt es wie den Tod, zum Gegenstande der Menschen zu werden. Vergebt mir, sagt ich, da ich fertig war mit meinem Liede; ich komme so eben aus dem Schiffbruch und weiß der Welt für heute keinen bessern Dienst zu tun, als ihr zu singen. Ich hatte das, so gut es ging, in spanischer Sprache gesagt. Ein Mann mit ausgezeichnetem Gesichte trat mir näher, gab mir Geld und sagt' in unserer Sprache mit Lächeln: Da! kauf einen Schleifstein dir dafür und lerne Messer schärfen und wandre so durchs feste Land. Der Rat gefiel mir. Herr! das will ich in der Tat; erwidert ich. Noch wurd ich reichlich von den übrigen beschenkt und ging und tat, wie mir der Mann geraten hatte, und trieb mich so in Spanien und Frankreich einige Zeit herum.
Was ich in dieser Zeit erfuhr, wie an der Knechtschaft tausendfältigen Gestalten meine Freiheitsliebe sich schärft' und wie aus mancher harten Not mir Lebensmut und kluger Sinn erwuchs, das hab ich oft mit Freude dir gesagt.
Ich trieb mein wandernd schuldlos Tagewerk mit Lust, doch wurd es endlich mir verbittert.
Man nahm es für Maske, weil ich nicht gemein genug daneben aussehn mochte, man bildete sich ein, ich treib im stillen ein gefährlicher Geschäft, und wirklich wurd ich zweimal in Verhaft genommen. Das bewog mich dann, es aufzugeben und ich trat mit wenig Gelde, das ich mir gewonnen, meine Rückkehr an zur Heimat, der ich einst entlaufen war.
Und über die Deutschen findet Hyperion kein gutes Wort, obwohl er nun mit ihnen lebt.
So kam ich unter die Deutschen. Ich foderte nicht viel und war gefaßt, noch weniger zu finden. Demütig kam ich, wie der heimatlose blinde Oedipus zum Tore von Athen, wo ihn der Götterhain empfing; und schöne Seelen ihm begegneten –
Wie anders ging es mir!
Barbaren von alters her, durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Religion barbarischer geworden, tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark zum Glück der heiligen Grazien, in jedem Grad der Übertreibung und der Ärmlichkeit beleidigend für jede gutgeartete Seele, dumpf und harmonielos, wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes – das, mein Bellarmin! waren meine Tröster.
Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ichs, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen – ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut im Sande zerrinnt? ... Deine Deutschen aber bleiben gerne beim Notwendigsten, und darum ist bei ihnen auch so viele Stümperarbeit und so wenig Freies, Echterfreuliches. ... Die Tugenden der Deutschen aber sind ein glänzend Übel und nichts weiter; denn Notwerk sind sie nur, aus feiger Angst, mit Sklavenmühe, dem wüsten Herzen abgedrungen, und lassen trostlos jede reine Seele, die von Schönem gern sich nährt, ach! die verwöhnt vom heiligen Zusammenklang in edleren Naturen, den Mißlaut nicht erträgt, der schreiend ist in all der toten Ordnung dieser Menschen. ...
... töten könnt ihr, aber nicht lebendig machen ...
Die wiedererlangte Einheit mit der Natur jedoch stimmt Hyperion fröhlich.
Ihr Quellen der Erd! ihr Blumen! und ihr Wälder und ihr Adler und du brüderliches Licht! wie alt und neu ist unsere Liebe! - Frei sind wir, gleichen uns nicht ängstig von außen; wie sollte nicht wechseln die Weise des Lebens? wir lieben den Aether doch all und innigst im Innersten gleichen wir uns.
Auch wir, auch wir sind nicht geschieden, Diotima, und die Tränen um dich verstehen es nicht.
Lebendige Töne sind wir, stimmen zusammen in deinem Wohllaut, Natur! wer reißt den? wer mag die Liebenden scheiden? -
O Seele! Seele! Schönheit der Welt! du unzerstörbare! du entzückende! mit deiner ewigen Jugend! du bist; was ist denn der Tod und alles Wehe der Menschen? - Ach! viel der leeren Worte haben die Wunderlichen gemacht. Geschiehet doch alles aus Lust, und endet doch alles mit Frieden.
Was ist dieses Werk? Naivität und Eskapismus in sprachlicher Vollendung? Eigentlich nicht. Denn dazu sind die gesellschaftlichen und politischen Beobachtungen zu scharf, das Beklemmende, was Hyperion an der Gegenwart verzweifeln lässt, tritt sehr deutlich hervor.


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21.10.2024 um 23:34
Der Incal - Band 5 - In weiter Ferne -Moebius/ Jodorowsky


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incal 05 s seite 3Original anzeigen (0,3 MB)

Band 5 des Comic Epos, man sollte alle 6 Bände lesen, denn sie bilden eine Einheit und sonst versteht man nix.
Inhaltlich am besten ist der erste Band, der setzt mit einem Riesenschwung an, in den weiteren Bänden verzettelt sich die Geschichte aber immer weiter.
Graphisch anspruchsvoll sind sie alle.
Beim Incal sind auch einige Ideen des SciFi Autors Philip K Dick verarbeitet, der Film Blade Runner wurde sowohl direkt von einer Kurzgeschichte von Philip K Dick als auch vom Incal beeinflusst.
Die Incal-Reihe ist typisch für die 1980er Jahre, sie breitet einen Genre- und Themenmix von Gesellschaftskritik und Esoterik, Science-Fiction und Krimi, Märchen und Abenteuer- sowie Liebesgeschichte aus.[1] Außerdem ist sie voll mit kosmischem Irrsinn, die Windungen der Geschichte und die Unübersichtlichkeit des ausufernden Personals sind bezeichnend... Ridley Scott hat sich durch diese Zukunftsvision bei seinem Film Blade Runner inspirieren lassen, Luc Besson bei Das fünfte Element.
Wikipedia: Der Incal
Blade Runner [bleɪd ˌrʌnɚ], in der deutschen Erstveröffentlichung 1982 Der Blade Runner, ist ein am 25. Juni 1982 erschienener US-amerikanischer Science-Fiction-Film des Regisseurs Ridley Scott. Literarische Vorlage ist der Roman Träumen Androiden von elektrischen Schafen? von Philip K. Dick. Dieser Roman wurde später ebenfalls unter dem Titel „Blade Runner“ vertrieben.
Ridley Scotts Film eröffnete das Genre des Cyberpunk für das Kino und machte den Autor Philip K. Dick nach seinem Tod über die Science-Fiction-Fanszene hinaus berühmt
Wikipedia: Blade Runner
Philip Kindred Dick (* 16. Dezember 1928 in Chicago, Illinois; † 2. März 1982 in Santa Ana, Kalifornien), Pseudonyme Jack Dowland und Richard Phillips, war ein US-amerikanischer Science-Fiction-Autor. Bekannt ist er unter anderem für seine dystopischen Romane wie Träumen Androiden von elektrischen Schafen? oder Das Orakel vom Berge, die vielfach adaptiert wurden. Während Dick zu Lebzeiten über das Science-Fiction-Fandom hinaus kaum bekannt war, gilt er heute als bedeutender Pionier und Visionär des Cyberpunk-Genres.
Wikipedia: Philip K. Dick


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25.10.2024 um 22:46
letzte-instanz-roman-dt-von-nikolaus-sti

Dialogroman - wer wissen will, wie sich aus Gequatsche eine Geschichte entspinnt, der liest Gaddis.


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26.10.2024 um 13:35
Vea Kaiser - Blasmusikpop

Kaiser-Blasmusikpop

2012 veröffentlichte die noch nicht 24-jährige österreichische Autorin Vea Kaiser ihren Debutroman über ein fiktives Alpendorf St. Peter am Anger, das nur durch eine einzige Straße erreichbar, ansonsten von den ebenfalls fiktiven Sporzer Alpen umgeben ist. Die etwa 500 Bewohner schotten sich seit Jahrhunderten von der Außenwelt ab, bis auf den Ersten Weltkrieg konnten sie sich um Kriegsteilnahmen drücken.
... festzuhalten gilt nur, dass die Krisenzeit des Kontinents eine Zeit der Blüte in St. Peter am Anger war. Die Bewohner organisierten sich autark und lebten glücklich ohne Kontakt mit der von Krisen geplagten Welt.
Fremdenverkehr gibt es kaum, Kontakte zu umliegenden Gemeinden sind selten. Dementsprechend ist die Inzuchtquote hoch, wer die Väter der Kinder sind, ist oft unklar. Haupteinnahmequelle ist der Verkauf von Adlitzbeeren.

Der Roman selbst durchläuft eine Zeitspanne von 1959 bis 2010 und ist in chronologischer Reihenfolge verfasst. Zwischen barocker Fabulierlaune und sentimentalem Kitsch wird eine große Bandbreite an Provinzliteratur abgeklappert. An Fantasie und Sprachfertigkeit mangelt es Vea Kaiser definitiv nicht.

Hauptfigur ist der Anfang der 1990er Jahre geborene Johannes A. Irrwitzer. Dessen Großvater, der Holzschnitzer Johannes Gerlitzen, verlässt, nachdem er an einem riesigen Bandwurm litt und dessen Tochter dem verhassten Nachbarn aus dem Gesicht geschnitten aussieht, das Dorf, zieht in die Hauptstadt, studiert nach Kauf einer Studienberechtigung Medizin mit Spezialgebiet Wurmforschung. Nach sieben Jahren zieht er nach St. Peter zurück, versöhnt sich mit seiner an Parkinson langsam sterbenden Frau und Tochter und arbeitet als Allgemeinmediziner im Dorf. Sein Herzensmensch wird sein Enkel Johannes, der wieder eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm aufweist, und ihn führt er in Weltliteratur und Naturwissenschaften ein. Johannes (der Enkel) ist hochbegabt und erhält ein Stipendium für das Klostergymnasium im nächsten größeren Ort, in das er täglich mit dem Bus pendelt.

Ab nun wird es ein Initiationsroman mit vielen Episoden, die am Rande von Schenkelklopferwitzen sich bewegen. Am Gymnasium schließt sich Johannes einer Gruppe an, welche die antiken Werte hochhält, er selbst wird Fan des griechischen Historikers Herodot und dessen Methode, die Barbarenvölker zu beschreiben. Als die Klosterschule aus finanziellen Gründen einem Trägerverein überschrieben wird, beginnt der Abbau der humanistischen Bildung und der Ausbau von wirtschaftlichen Fächern. Die Gruppe geht in Widerstand und Johannes legt es sich mit dem neuen Direktor, der sein Geschichtelehrer wird, an und schafft die Reifeprüfung erst im zweiten Anlauf.

Im Dorf selbst verliebt er sich in die rothaarige Tochter eines Architekten, der am Ortsrand eine Villa errichtet hat (neben einem ehemaligen Fußballnationalspieler einer der wenigen Auswärtigen im Dorf), aber wie die Liebesgeschichte ausgeht, bleibt offen. Außerdem wird Johannes Schriftführer im Organisationskomitee für die Einweihung einer Flutlichtanlage am Fußballplatz, und ihm gelingt es, den FC St. Pauli für ein Freundschaftsspiel ins Alpendorf zu locken. Damit ist der ehemalige Sonderling nun ein Held und im Dorf integriert. Damit endet auch der Roman. Angedeutet wird noch, dass mit Entmachtung der vier senilen Alten im Ältestenrat geplant ist, das Gletschergebiet für den Skitourismus zu erschließen.

Eingebaut in den Roman ist ein schülerhaft geschriebener Text über die Geschichte der Bergbarbaren von St. Peter am Anger von der Christianisierung bis zur Gegenwart. Diesen wird wohl Johannes A. Irrwein verfasst haben.

Vor allem das erste Viertel des Romans ist brillant geschrieben, doch je mehr Schenkelklopferwitze eingebaut werden, desto mehr Längen weist er auf. Aber letztlich obsiegen Fantasie und Sprachwitz, sodass es eine witzige Lektüre war. Vea Kaiser selbst ist übrigens studierte Altphiloglogin (Latein und Altgriechisch), stammt jedoch nicht aus den österreichischen Bergen, sondern aus dem niederösterreichischen Flachland.


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28.10.2024 um 09:49
Arthur Conan Doyle - Die Abenteuer des Sherlock Holmes

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Dies ist die erste Sammlung von zwölf kurzen Erzählungen Doyles über Sherlock Holmes, erzählt von Dr. Watson. Gleich in der ersten Geschichte wird der Charakter von Holmes präsentiert. Holmes ist Kokainist (er injiziert Kokain), Trinker, Pfeifen- und Zigarettenraucher sowie geldgierig. Nüchtern und von seinen „Drogenträumen erwacht“ ist er eine perfekte „Denk- und Beobachtungsmaschine“, die seinen Platz auch in den Wissenschaften haben könnte, doch Holmes zieht das lukrative Dasein als Detektiv vor. Auch die Art seines Vorgehens überschreitet nicht nur einmal die Grenzen der Legalität. Als Holmes’ methodisches Prinzip wird in einer Geschichte die „Beachtung von Geringfügigkeiten“ genannt, in einer anderen das des „Deduzierens und logischen Synthetisierens“.

Ausführliche Beschreibungen in meinem Blog.
Arthur Conan Doyle - Die Abenteuer des Sherlock Holmes


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