Schnitzler-Reigen

Dieses Theaterstück von Arthur Schnitzler aus 1897 wurde zunächst in Privatdrucken an Freunde verteilt und 1903 veröffentlicht. Die erste Wiener Aufführung 1920 war ein Skandal.

In zehn Szenen sehen wir Paare in intimen Situationen, die jedoch aneinander vorbei reden, über andere sprechen und sich schließlich trennen, wobei nie deutlich wird, ob sie den Liebesakt vollziehen werden bzw. vollzogen haben. Von jeder Szene wird eine Person in die nächste übernommen und in der ersten wie letzten Szene ist es eine Dirne. Der Reigen schließt sich.

Die Dirne und der Soldat: Eine Straßensexarbeiterin will bei der Augartenbrücke in Wien (zwischen erstem und zweitem Bezirk) einen jungen Soldaten zu sich locken, würde ihn sogar gratis nehmen, ihm ist der Weg zu ihr jedoch zu weit, da er pünktlich in der Kaserne sein muss. Ihre Adresse gibt Leocadia (so nennt sie sich) nicht. Das Angebot, sich gleich an der Donau zu lieben, lehnt er schließlich ab und geht weg. Als sie um Geld für den Hausmeister bettelt, beschimpft er sie als „Wurzen“, worauf sie ihm „Strizzi! Falott!“ nachruft.

Der Soldat und das Stubenmädchen: Nach einer Tanzveranstaltung im Wiener Prater begleitet der Soldat ein molliges Stubenmädchen und wird in einem dunklen Weg zudringlich. Das Mädchen wehrt sich und beide gehen zurück zu Tanzveranstaltungen.

Das Stubenmädchen und der junge Herr: Der Sohn der Familie (Alfred), bei der das Stubenmädchen (Marie) angestellt ist, macht eines Nachmittags, als er alleine im Haus ist, Avancen, küsst ihre Brust, ihr scheint das zu gefallen, doch als es an der Tür läutet und niemand da ist, geht er aus. Marie scheint enttäuscht zu sein.

Der junge Herr und die junge Frau: Alfred lädt eine verheiratete Frau (Emma), die er von einem Ball kennt, in eine Wohnung, die wohl ausschließlich für Damenbesuch eingerichtet ist. Sie hat Angst, von Nachbarn gesehen zu werden, will nur fünf Minuten bleiben, lässt sich jedoch entkleiden und legt sich ins Bett. Zu einem Zusammensein kommt es nicht, die Frau schwankt zwischen Hingabe und dem Wunsch, diesen Kontakt überhaupt zu haben. Als sie gegangen ist, sagt Alfred: „Also jetzt hab' ich ein Verhältnis mit einer anständigen Frau.“

Die junge Frau und der Ehemann: Karl liegt mit seiner Ehefrau, mit der er seit fünf Jahren verheiratet ist, und hofft auf neue Flitterwochen, neue Verliebtheit. Aber sie sprechen nur, vor allem auch über die Untreue von Frauen und Männern. Beide wollen voneinander wissen, ob sie andere hatten oder gar haben. Der Schlusssatz von Alfred: „O komm …“

Der Gatte und das süße Mädel: Ehemann Karl ist mit einem süßen Mädel in einem Separee eines Gasthofs. Lange Zeit sprechen sie über vergangene und gegenwärtige Liebschaften. Sie wollen einander aushören. Bei dieser Neckerei ist es unklar, ob sie auch sexuell miteinander verkehren.
Der Gatte küßt ihre Augen.
Das süße Mädel Nein, nein - das vertrag' ich schon gar nicht... o bitt' dich - o Gott... nein, laß mich aufstehn... nur für einen Moment...
bitt' dich.
Der Gatte immer zärtlicher O nein.
Auch ihre Identitäten wollen sie verschleiern. Karl behauptet in Graz zu leben, das Mädel zu ihrem Alter, dass sie „Neunzehn vorbei“ sei. Am Ende versprechen sie einander, sich wieder zu treffen.

Das süße Mädel und der Dichter: Das süße Mädel ist bei einem Dichter, der es für dumm hält, aber eben deswegen liebt. Der Dialog ist platt und geht nur darum, ob sie jemand anderen lieber haben. Der Dichter verschweigt seinen Namen und spielt mit Pseudonymen wie unterschiedlichen Tätigkeiten. So gibt er sich als Dichter Biebitz aus, dann ist der wieder ein anderer. Nach einer Einladung ins Theater, wo ein Stück von Biebitz gespielt werden soll, scheint es dem Mädel zu blöd zu werden: „Jetzt, die G schicht mit dem Biebitz - da bin ich schon ganz blöd’.“ Oder auch nicht. Der Schluss ist doppeldeutig:
Das süße Mädel So... ich bin fertig.
Der Dichter Komm, mein Schatz!
Der Dichter und die Schauspielerin: Der Dichter ist mit einer Schauspielerin in einem Zimmer eines Gasthofs auf dem Land. Wie schon mehrfach hält der Mann die Frau für einfältig und eben daher für ein Genie und liebenswürdig. Das Gespräch dreht sich wieder darum, ob sie sich gegenseitig betrügen und ob sie sich wirklich lieben. Für die Schauspielerin ist der Dichter zunächst eine „Laune“, einige Gesprächsfetzen später dreht sie ihre Aussage um: „Ich sterbe vor Liebe zu dir, und du nennst es Laune -?!“ Ein Fritz, den sie zuvor geliebt haben will, ist für sie nun nur „ein Galeerensträfling“. Das sind Gaslighting-Dialoge.

Die Schauspielerin und der Graf: Diese Szene spielt mittags im Schlafzimmer der Schauspielerin, welche eigentlich die Menschen hasst, wie sie sagt. Auch sie ist geprägt von gegenseitigem Runtermachen. Der Graf ist für sie ein „jugendlicher Greis“ und sie kann nicht verstehen, warum er so lange in Ungarn gedient hat. Ihm jedoch ist es egal, wo er lebt, überall gibt es Orte zum Trinken und Frauen, die verführt werden können. Um die Schauspielerin über eine Gelegenheitsliebschaft zu stellen, sagt der Graf zu ihr: „Frauen wie du... nimmt man nicht vor dem Frühstück zu sich.“ Es kommt zu keinen Vertraulichkeiten, aber ein Wiedersehen am Abend ist geplant. Die Schauspielerin: „Nun, heut abend soll es kein Anstandsbesuch werden.“

Der Graf und die Dirne: In der zehnten und letzten Szene schließt sich mit der Dirne der Reigen. Ein Graf ist zu Mittag zu Besuch, die Dirne schläft, auf einem Diwan liegt angekleidet der Graf. Sie sprechen über das Alter, dass die Dirne seit einem Jahr Prostituierte ist und am Nachmittag auf den Straßenstrich geht. Der Graf ist seit der Nacht bei ihr und kann sich wegen seiner Trunkenheit nicht mehr daran erinnern. Er verlässt das Zimmer.