Heinrich August Winkler - Die Zeit der Weltkriege 1914-1945Auch der zweite Band von Winklers
Geschichte des Westens umfasst in der Druckversion etwa 1350 Seiten. Höchst detailliert beschreibt er die Geschichte der westlichen Staaten, wobei Deutschland wieder einer der besonderen Schwerpunkte ist. Ausflüge gibt es in die Geschichte Russlands bzw. der Sowjetunion, Chinas und Japans. Insgesamt wieder ein trotz der Länge spannend und kurzweilig geschriebenes Werk, wobei aber diesmal in der von mir gelesenen ersten Auflage aus 2011 ein etwas schleißiges Lektorat ins Auge sticht. So finden sich immer wieder falsche Jahreszahlen oder falsche Vornamen. Inwiefern diese Fehler in der dritten, durchgesehenen Auflage von 2016 korrigiert sind, kann ich nicht beurteilen.
Gleich zu Beginn stellt Winkler ins Zentrum, was das Erbe des Ersten Weltkriegs sein wird: Nicht Demokratie, sondern die Idee des Nationalstaats, die wiederum in den neu entstandenen Staaten befeuert wird, da sie Nationalitätenstaaten sind. Und antidemokratische Regime sind nicht nur autoritär, sondern sie sind totalitär (Bolschewismus, Faschismus, Nationalsozialismus). Diese erheben den "Anspruch auf den ganzen Menschen und die Ausrichtung der Politik auf das Ziel, einen neuen Menschen hervorzubringen". Vor der Machtübernahme waren alle drei Bewegungen gekennzeichnet durch extreme Gewalttätigkeit und das Aufbrechen des staatlichen Gewaltmonopols inklusive politischer Morde (Mateotti in Italien als Beispiel), das sie nach Erringung der Macht radikalst einforderten und durchsetzten, auch wenn für sie selbst und die paramilitärischen Gruppen der Partei dies nicht galt, solange sie deren Richtlinien folgten. Aufgeklärte Vernunft werde durch instinktiven Willen ersetzt. Jede Opposition wird unterdrückt, eine Geheimpolizei überwacht, Sondergerichte urteilen über Staatsverbrechen, Straflager werden errichtet.
Für den Zweiten Weltkrieg ursächlich sieht Winkler drei Versuche spätimperialistischer Reichsbildung. Die Ursache liege in dem "zwanghaft kompensatorischen Streben dreier vermeintlich vom Schicksal benachteiligter Mächte, den weltpolitischen Status quo zu ihren Gunsten zu revolutionieren und sich so dauerhaft den Platz zu sichern, auf den sie einen Anspruch zu haben glaubten."
Bei den nach dem Ersten Weltkrieg neu entstandenen Staaten ist beobachtbar, dass bis zur Mitte der 1930er Jahre mit Ausnahme der Tschechoslowakei alle Staaten eine Form von autoritärer Regierung hatten. Dies galt jedoch auch für Griechenland oder Portugal. Die spanische Republik wurde in einem mehrjährigen Bürgerkrieg, in dem Deutschland und Italien aktiv involviert waren, niedergerungen. Winklers These: Wirtschaftliche Rückständigkeit habe autoritäre Tendenzen befördert.
Die skandinavischen Staaten, allen voran Schweden, wurden zu Mustern sozialdemokratischer Wohlfahrtsstaaten, auch wenn das schwedische Eugenik-Konzept sehr grenzwertig anmutet. Gemeinsam sei diesen Staaten ein hohes Bildungsniveau, eine kompromissbereite Sozialdemokratie sowie ein freies Bauerntum gewesen.
In der neuen türkischen Republik von 1923 wurde mit dem Vertrag von Lausanne international erstmals ein Bevölkerungsaustausch abgesegnet, um national homogene Staaten zu kreieren: Griechen von Kleinasien nach Griechenland, Türken und Muslime von Griechenland in die Türkei. Gefragt wurden die Leute nicht. Ein Konzept, das in der Konferenz von Potsdam 1945 wieder beschlossen wurde. Diesmal betraf es Polen und Deutsche.
Zwar wurden vom Völkerbund Minderheitenschutzverträge eingefordert, deren Umsetzung in vielen europäischen Staaten jedoch mehr als rudimentär war. Einzig Estland gestand seinen nationalen Minderheiten 1925 Kulturautonomie zu.
Der Erste Weltkrieg sticht ins Auge mit noch nie dagewesenen Opferzahlen und Zivilisationsbrüchen gleich zu Beginn des Krieges, als die deutsche Armee über 5000 belgische Zivilisten abschlachteten und im Hinterland sogar Wissenschafter und Intellektuelle wie Fritz Haber oder Gerhart Hauptmann in einem Aufruf an die Kulturwelt diese Massaker leugneten, jede Kriegsschuld zurückwiesen und postulierten, "ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden vertilgt worden". Anfang 1915 begann im Osmanischen Reich der Genozid an den Armeniern, Ende 1915 setzte die deutsche Armee bei Ypern erstmals in der Kriegsgeschichte Giftgas ein.
Die Zahlen sprechen für sich: "Mindestens 65 Millionen mobilisierte Soldaten, 8,5 Millionen Gefallene, über 21 Millionen Verwundete, 7,8 Millionen Kriegsgefangene und Vermißte, über 5 Millionen zivile Kriegstote in Europa ohne Rußland". In Frankreich fielen über 10 Prozent der männlichen Bevölkerung.
Sehr akribisch und in seinen Schritten wird dargelegt, wie die Bolschewiki unter Lenin die repräsentative Demokratie 1917 unterminierte und aus einem staatlichen Doppelherrschaftssystem (Parlament und Räte) eine Einparteiendiktatur errichtete, Mussolini die Herrschaft in Italien an sich reißen und eine Einparteiendiktatur installierte und wie Hitler ab 1930 die Schwäche des Regierungssystems der Weimarer Republik zu seinen Gunsten ausnutzen konnte, um zum Reichskanzler ernannt zu werden.
Der 11. November 1918 war nicht in allen Gebieten das Ende von Kampfhandlungen. In Rußland entwickelte sich ein Bürgerkrieg, in weiteren Staaten gab es bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen. Das neu erstandene Polen wurde binnen Kurzem in einen Krieg mit dem bolschewistischen Russland verwickelt, das Polen Gebiete östlich der Curzon-Linie brachte, darunter die Städte Pinsk, Tarnopol und Lemberg. Die russischen (bolschewistischen) Überfälle auf die baltischen Staaten misslangen ebenso. Im russischen Bürgerkrieg übten beide Seiten Terror auf die Bevölkerung aus, auf bolschewistischer Seite wurde dieser auch von Lenin angestachelt, so in einem Telegramm an den Sowjet der russischen Stadt Pensa am 11. August 1918:
Hängt (hängt sie unbedingt, so daß die Leute sie sehen) mindestens hundert bekannte Kulaken, Reiche und Blutsauger auf ... Sofortige Durchführung nach Erhalt des Telegramms.
Die Wirtschaft in Russland kollabierte nach der bolschewistischen Herrschaftsübernahme. 1918 war die Industrieproduktion auf ein Fünftel von 1913 gesunken, Arbeiter wurden mit Lebensmitteln und Naturalien bezahlt, privaten Handel gab es nicht mehr. So wurde in den Putilow-Werken 1918 Lenin bei einem Besuch von den Arbeitern ausgebuht. Der Ernteertrag lag 1921 bei 37 Prozent von 1913. Neben zahlreichen Streiks und Bauernrebellionen war 1921 die Meuterei der Matrosen von Kronstadt Aufsehen erregend, der niedergeschlagen wurde. Die Reaktion war einerseits das Verbot der Sozialrevolutionären Partei wie der Fraktionierung in der bolschewistischen Partei (also nicht nur eine Einparteienherrschaft, sondern auch in der Partei gab es nur mehr eine Linie), andererseits die Wiederbelebung des Handels durch die Neue Ökonomische Politik (NEP). Die Requirierungen wurden eingestellt, Bauern mussten nur mehr Abgaben leisten und durften ihre Produkte auf Märkten verkaufen. Auch die Verstaatlichung von Kleinbetrieben wurde rückgängig gemacht. Im Gegenzug wurde eine staatliche Planungskommission eingerichtet, der Gosplan. Dies öffnete den Weg zu Wirtschaftskooperationen mit anderen Staaten, besonders mit Frankreich.
Nach Ausschaltung Trotzkis und möglicher innerparteilicher Opposition setzte sich Stalin mit seinem Kurs, den Sozialismus in einem Land errichten zu wollen, durch. Die NEP wurde gestoppt, die opferreiche Kollektivierung der Landwirtschaft sowie die Forcierung der Industrialisierung begonnen. Gosplan erstellte 1928 den ersten Fünfjahresplan. Nach Bauernaufständen wurden die Repressionen verschärft. Unzählige Kulaken (Großbauern) wurden deportiert, inhaftiert, ermordet. Der Ernterückgang sowie wetterbedingte Missernten und unverminderter Getreideexport gegen Devisen verschlimmerten die Lage, sodass in der Ukraine wie im Kaukasus so massiv requiriert wurde, dass den dort lebenden Menschen nicht aussreichend Nahrungsmittel zur Verfügung standen. Etwa sechs Millionen Menschen verhungerten, davon vier Millionen in der Ukraine. 1938 verschärfte Stalin noch mal den Terror, mehr als eine halbe Million Menschen wurden erschossen, darunter auch Kriegsinvalide, die nicht mehr arbeitsfähig waren. Mit ein Grund der Erschießungen: Entlastung der Arbeitslager. Opfer wurden auch Ethnien insgesamt, die Stalin als mögliche Kollaborateure mit Feindländer sahen. Grundsatz Stalins: Wenn fünf Prozent der Erschossenen Verräter sind, ist das Opfer der 95 anderen Prozent legitim.
Außenpolitisch war Stalins Politik ein Lavieren mit meist wohl egoistischem Hintergrund. Als nach der Besetzung Tschechiens durch Deutschland sowie der Albaniens durch Italien Chamberlain Stalin aufforderte, seinen Nachbarstaaten zu Hilfe zu kommen, schlug Stalin einen Dreier-Pakt mit Frankreich und Großbritannien vor, was nicht zustande kam. Noch im März hat Stalin in einer Rede am 18. Parteitag der KPdSU betont, er werde nicht für Kriegsprovokateure die "Kastanien aus dem Feuer" holen. Eine klare Absage an Großbritannien und Frankreich. Nach Chamberlains Aufforderung initiierte die Sowjetunion eine Annäherung an Deutschland, die schließlich am 23. August 1939 in einem Nichtangriffspakt mit Teilungsplan für Polen endete. Die Teilung Polens war Ende September 1939 vollzogen.
Italien fühlte sich nach dem Krieg übervorteilt, da es keinerlei Gebiete an der östlichen Adriaküste zugesprochen bekam. Einzig Triest und Istrien wurden im Herbst 1919 in den italienischen Staat integriert, das geforderte Dalmatien und Kotor blieben beim jugoslawischen Staat. Als Mussolini zum imperialistischen Schlag gegen Abbessinien ausholte, gab Frankreich ihm freie Hand, jedoch zerbrach am Widerstand Großbritanniens gegen den brutalst geführten Abessinien-Krieg die Stresa-Front mit Großbritannien, Frankreich und Italien gegen Deutschland und eröffnete die Annäherung Italiens an Deutschland. Dieses lieferte "auf Kreditbasis 10.000 Gewehre, 10 Millionen Patronen, Maschinengewehre, Handgranaten und etwa 70 Geschütze". Der Abessinienkrieg sei ein "rassistischer Vernichtungskrieg" gewesen. "Dem Angriffskrieg und dem anschließenden Besatzungsregime fielen zwischen 1935 und 1941 zwischen 350.000 und 760.000 der rund 10 Millionen Abessinier zum Opfer." Eingesetzt wurden "Splitter-, Brand- und Gasbomben auf menschliche Ziele". Der Völkerbund reagierte nicht und hob am 4. Juli 1936 jegliche Sanktionen gegen Italien auf. Nur die USA, die Sowjetunion, Mexiko, Neuseeland und Haiti anerkannten die Annexion Abessiniens nicht. Damit war der Weg zur Annäherung an Deutschland frei, die Österreich opferte und im Mai 1939 mit dem "Stahlpakt" in ein Kriegsbündnis mündete, das in jedem Kriegsfall schlagend ist.
Deutschland war nach dem Ersten Weltkrieg wirtschaftlich geschwächt, Räterepubliken wurden militärisch niedergerungen, rechtsautoritäre Gruppierungen waren bewaffnet. Gegenpole waren schließlich ein reaktionäres Bayern und als demokratische Hochburg Preußen. Reparationszahlungen waren drückend und die französische Ruhrbesetzung laugte den Staatshaushalt aus, das Ankurbeln der Gelddruckmaschine führte zu einer Hyperinflation. Opfer der Inflation: Sparer. Nutznieser: Haus- und Grundbesitzer, die mit einem Schlag schuldenfrei waren. Ernsthafte Putschversuche (Kapp 1920, Hitler 1923) konnten niedergeschlagen werden. Ein großes Problem der Weimarer Zeit sieht Winkler darin, dass die Parteien nicht an ein parlamentarisches System gewöhnt waren, sondern über Jahrzehnte gegenüber einer kaiserlichen Regierung in Opposition waren. Aus diesem Grund seien sie nur schwerlich kompromissfähig gewesen. Dies sei für ihn mit ein Grund, warum die Müller-Regierung am 27. März 1930 zerbrochen ist und im Anschluss nur mehr Präsidialregierungen möglich waren, da keine koalitionsbereiten parlamentarischen Mehrheiten sich gefunden haben. 1932 schließlich gab es eine negative Mehrheit der beiden totalitären Parteien: der NSDAP und die KPD.
Die europäischen Kolonialreiche waren nach dem Ersten Weltkrieg mit immer stärkeren Widerstand konfrontiert, der von starken Persönlichkeiten geprägt war, welche über Jahrzehnte das politische Geschehen prägen werden: Gandhi, Ho Chi-Minh, Sukarno.
Frankreich wurde aufgrund der ländlichen Struktur zwar nicht so stark von der Weltwirtschafskrise getroffen, die Krise hielt aber länger an. Die 1930er Jahre waren durch häufige Regierungswechsel gekennzeichnet, aber ab Mitte der 1930er auch durch eine Volksfrontregierung unter dem Sozialdemokraten Leon Blum. Nachhaltig war diese Periode darin, dass die Grundlagen für einen modernen Sozialstaat geschaffen wurden. Zerrissen wurde es nach der deutschen Besetzung und des Staatsgebildes des Vichy-Regimes unter Führung von General Petain. Ein Riss, der auch die französische Nachkriegsgesellschaft durchzog. Kollaborateure oder Resistance?
Großbritannien war relativ stabil, wurde aber schließlich durch die politischen Ereignisse in Zentraleuropa wieder ins Kräftespiel gezogen. Mit Frankreich unterstützte es die Appeasementpolitik gegenüber Hitler, vor allem unter der Regierung Chamberlain. Als nach dem Beschluss Hitlers, die Tschechoslowakei zu besetzen, ein Kreis um Generaloberst Ludwig Beck versuchte, Großbritannien von einem harten Vorgehen gegen Hitler, der ihrer Meinung nach Deutschlands Groß- und Weltmachtstreben durch ein Hasardspiel gefährde, zu überzeugen, wurden zwar Gespräche mit Außenminister Halifax geführt (Botschaftsrat Kordt), doch Großbritannien sah in den reaktionären Generälen mehr Gefahr als in Hitler, von dessen Befriedung durch Zugeständnisse sie überzeugt waren. So nahm das Münchner Abkommen über die Abtretung des Sudetenlands an Deutschland seinen Weg.
Mit dem Überfall auf Polen änderte sich die Politik. Marineminister Churchill überzeugte bereits im November 1939 Chamberlain, dass es notwendig sei, Bergen und Narvik im neutralen Norwegen zu besetzen und die norwegische Küste zu verminen, um die Verschiffung schwedischen Erzes nach Deutschland zu unterbinden. Im März 1940 einigten sich Großbritannien und Frankreich darauf, keinen Separatfrieden abzuschließen und gemeinsam an einer Nachkriegsordnung zusammenzuarbeiten. Im Mai 1940 wurde Churchill zum Premierminister ernannt.
Dennoch war die Beziehung zwischen Frankreich und Großbritannien nicht friktionsfrei. Französische Bitten um den Einsatz der Royal Airforce gegen die rollenden Panzer der Deutschen wurden Anfang Juni 1940 zurückgewiesen. Großbritannien bräuchte die Flugzeuge zur Verteidigung des eigenen Landes. Am 21. Juni kapitulierte Frankreich mit der Unterzeichnung eines oktroyierten Waffenstillstands. Großbritannien protestierte gegen den Bruch der Vereinbarung und anerkannte General de Gaulle am 28. Juni als Repräsentant des freien Frankreich.
Die USA zogen sich nach dem Ersten Weltkrieg zurück. 1928 nahmen sie den Roosevelt Corollary zurück und verzichteten auf das selbsternannte Recht zu Polizeiaktionen in Lateinamerika. Nach Boomjahren kollabierte die Wirtschaft im Oktober 1929. Die Gründe werden in einer schwachen Diversifiktion (Boom-Branchen waren nur Bau- und Automobilindustrie), in fehlendem Massenkonsum, in faulen Krediten, in der schwachen Position der USA im Welthandel und in der Schuldenstruktur (Kriegsschulden der Etente-Mächte bzw. Reparationszahlungen Deutschlands konnten nur mit neuen US-Krediten bedient werden) gesehen. Das Federal Reserve Board hab zu wenig Aktiva gehabt, um den Kreditspielraum der Banken beeinflussen zu können, die Überkapazitäten durch Automatisierung produzierte am Markt vorbei (es gab nicht ausreichend Abnehmer), die Politik habe sich zu stark am "Big Business" orientiert. Bis 1932 verminderten sich Außenhandel und Bruttosozialprodukt der USA um ein Viertel, die Arbeitslosigkeit lag bei zumindest 25 Prozent (zum Vergleich in Deutschland: 30 Prozent).
Unter Franklin D. Roosevelt wurde mit dem "New Deal" gegen die Wirtschaftskrise angegangen. Es wurde ein freiwilliger Arbeitsdienst meist im ökologischen Bereich (Naturschutz) für Jugendliche eingerichtet, der Mindestlohn für öffentliche Arbeiten wurde erhöht, die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse wurden angehoben, Institutionen zur Tarifschlichtung wurden eingerichtet, Großproekte für Wasserkraftwerke wurden initiiert. Nicht alles war nachhaltig. Der Arbeitsdienst war zu teuer und wurde eingestellt, Gehälter für Bundesbedienstete wurden wie Pensionen für Veteranen gekürzt. Der zweite "New Deal" 1935 brachte ein Infrastrukturprogramm (Straßen, Brücken, Parks, Gebäude, Flughäfen) sowie ein Elektrifizierungsprogramm für ländliche Gebiete (1935 hatte nur eine von zehn Farmen Elektrizität, 1950 waren es neun von zehn). Ansonsten sei der New Deal mehr ein Psychoprogramm zur Hebung der Moral als ein wirtschaftliches Erfolgsprogramm gewesen. Winkler zieht Parallelen des "New Deal" zu totalitären Staaten, auch wenn die Demokratie in den USA nie gefährdet gewesen sei, weder von der Regierung noch von einer Opposition:
Die Stärkung der Exekutivgewalt, die staatliche Lenkung der Wirtschaft, der Kult der Arbeit und eine kriegerische Rhetorik im Kampf gegen die Wirtschaftskrise, die pathetische Berufung auf die historische Sendung der eigenen Nation:
Roosevelt war weiterhin Isolationist und 1934 erhielten die Philippinen, die einzige Kolonie der USA, Autonomiestatus.
Auch waren die USA weiterhin ein Staat mit starken rassistischen Tendenzen. Die Zahl der Lychmorde an Afroamerikanern erhöhte sich. Roosevelt setzte sich nicht für Bürgerrechte der Afroamerikaner ein und unterstützte den Anti-Lynching-Gesetzesentwurf nicht. Ab 1921 wurden in Kalifornien auch Weiße und Japaner segregiert, während Japan selbst immer militaristischer wurde, 1931 die Mandschurei besetzte und ein Jahr darauf Pu Yi, den "letzten Kaiser" als Staatsoberhaupt einsetzte. Eine Marionette.
Roosevelt setzte 1937 ein Exportverbot in kriegsführende Länder durch, was besonders der republikanischen Regierung in Spanien schadete. Der Hintergrund: Die katholischen Amerikaner unterstützten eher Franco und Firmen wie Texaco wie General Motors belieferten während des Bürgerkriegs die spanischen Nationalisten. Ermöglicht wurde dies durch die Cash-and-Carry-Bestimmung. Es konnten Produkte exportiert werden, wenn sie selbst abgeholt wurden. Den Neutralitätskurs beendete Roosevelt nach der Reichspogromnacht in Deutschland, als er Frankreich den Kauf von bis zu 1000 Kampfflugzeugen ermöglichte und die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrach.
Ebenfalls 1937 reduzierte Roosevelt auf Basis guter Wirtschaftsdaten die öffentlichen Ausgaben. Die Auswirkungen waren extrem: zweifacher Börsensturz, Produktionsrückgang durch Investitionsausfall, Anstieg der Arbeitslosigkeit, Hungertote. 1938 schwenkte Roosevelt auf den Kurs des Deficit Spending, also der Ausgabeerhöhung in Krisenzeiten nach den Theorien von Keynes um.
Im März 1941 entschieden die USA mit dem Verleih- und Pachtvertrag sich für eine kostenlose Zur-Verfügungstellung von Kriegsmaterial an Großbritannien. Eine Form von Unterstützung, der im späteren Kriegsverlauf auch der Sowjetunion gewährt wurde. Bereits am 6. Januar 1941 wurde offenbar, dass Roosevelt von einer isolationistischen zu einer interventionistischen Politik übergegangen ist. In der State of the Union-Rede sagte er allen Demokratien wirtschaftliche und militärische Hilfe bei der Verteidigung der Freiheit (der Meinungsäußerung, der Religionsausübung, vor Not, vor Furcht) zu.
Am 12. August 1941 einigten sich Roosevelt und Churchill auf die "Atlantikcharta", in deren Grundsätzen Winkler "nicht mehr und nicht weniger als eine knappe Neufassung des normativen Projekts des Westens - eines Projekts, an dem sich die Nationen des Westens, an ihrer Spitze die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich, messen lassen mußten, wenn sie in der Nachkriegswelt glaubwürdig bleiben wollten", sieht.
Japan strebte nach der Besetzung Chinas nach einer Vormachtstellung in Ostasien, was auch die Vertreibung der Kolonialmächte wie die Rückdrängung des Einflusses der USA bedeutete. Der propagandistische Slogan war "Großasiatische Wohlstandssphäre". Im Feburar 1940 verhängten die USA ein Totalembargo von Stahl und Schrott über Japan, im September unterzeichnete Japan den Dreimächtepakt mit Deutschland und Italien.
Am 24. Juli 1941 marschierte Japan in Französisch-Indochina ein. Die USA froren sämtliche japanische Guthaben ein und erweiterten das Embargo auf Rohöl. Da die Reserven nur für drei Jahre reichten, äugte Japan nun in Richtung Niederländisch-Indien. Ein Treffen zwischen Roosevelt und Kaiser Hirohito kam nicht zustande. Anfang November entschieden die japanische Regierung mit dem Militär, am 1. Dezember 1941 in Krieg gegen die USA, Großbritannien und die Niederlande zu treten.
Am 26. November 1941 werden Japan die US-Bedingungen für einen friedliche Beilegung des Konflikts überreicht: Rückzug der japanischen Truppen aus China und Indochina, der Verzicht auf alle exterritorialen Rechte Japans in China, die Anerkennung der Regierung Tschiang Kai-schek als einziger legitimer Vertretung Chinas und die Außerkraftsetzung des Dreimächtepakts. Für Japan waren diese Bedingungen nicht akzeptabel. Am 7. Dezember wurde Pearl Harbor angegriffen. Winkler argumentiert, dass ein genaues Vorwissen seitens der USA nicht gegeben war.
Japan eroberte binnen eines halben Jahres Hongkong, Manila, Singapur, ganz Niederländisch-Indien, die Philippinen. Die Wende war die Schlacht um Midway, bei der Japan vier Flugzeugträger verlor und den Angriff beenden musste. Im Pazifikkrieg ein Wendepunkt. Ende 1943 begann das Inselspringen.
Den Zweiten Weltkrieg sieht Winkler als Zivilisationsbruch. Von deutscher Seite wurde er als Vernichtungskrieg gegen Juden, Slawen wie Roma und Sinti geführt. Bereits im Polenfeldzug waren Einsatzgruppen der SS für Massaker an Juden und slawischer Zivilbevölkerung (hauptsächlich der Intelligenz) verantwortlich. Auch die Sowjetunion war im besetzten Polen nicht zimperlich und deportierte etwa eine Million Menschen aus Ostpolen, 21.300 Personen wurden exekutiert. Die Morde von Katyn sind ein Teil dieser Mordaktionen.
Ins offene Messer dürfte die Sowjetunion gelaufen sein, als Molotow am 12. November 1940 bei einem Treffen mit Hitler in Berlin nicht auf dessen Ansinnen, die Sowjetunion solle seine Bestrebungen Richtung Indischen Ozean gegen die Briten richten, während Deutschland Vorherrschaft in Europa ausübe, eingehen konnte und seinerseits Finnland als sowjetische Einflusssphäre beanspruchte und Deutschland aufforderte, Finnland nicht mehr als Operationsbasis gegen Norwegen zu nutzen. Auch äußerte Molotow sowjetisches Interesse an Polen, Ungarn, Jugoslawien, Griechenland, dem freien Zugang zur Ostsee sowie der Errichtung von Stützpunkten am Bosporus und den Dardanellen. Dies abzulehnen dürfte Hitler nicht schwer gewesen sein und seine alten Pläne zur Eroberung von Lebensraum im Osten befeuert haben. Dass der Angriff erst am 22. Juni begann, schreibt Winkler nicht den Hilfsaktionen für Italien in Afrika und Griechenland zu, sondern einem verspäteten Frühjahrtauwetter mit Hochwasser der großen russischen Flüsse wie auch interner Organisationsproblemen zu. Dass Hitler den Krieg als Vernichtungskrieg plante, geht aus den Aufzeichnungen von Generalstabschef Halder vom 30. März 1941 hervor. Der "Generalplan Ost" sah vor, "daß 31 Millionen einheimische Bewohner nach Westsibirien ausgesiedelt wurden, während 14 Millionen 'Gutrassige' an ihren Wohnsitzen verbleiben konnten".
Die massenhafte Ermordung von Juden begann mit dem Ostfeldzug. Diese wurde hauptsächlich von vier Einsatzgruppen der SS durchgeführt und in den ersten fünf Kriegsmonaten wurden etwa 500.000 Juden ermordet. Zum Teil beteiligten sich auch Einheimische an den Morden. Und da nun alle Hemmungen gefallen sind, begann auch in verbündeten Staaten das große Morden. Die rumänisches Armee und Gendarmerie ermordeten zwischen 300.000 und 400.000 Juden. Die kroatische Ustascha ermordete etwa 300.000 bis 400.000 Serben sowie die meisten in Kroatien lebenden Juden (etwa 45.000). Die etwa 18.000 ausländischen in Ungarn lebenden Juden wurden der SS übergeben und in der Westukraine ermordet. Die Slowakei begann im März 1942 mit der Deportation ihrer Juden ins Konzentrationslager Auschwitz.
Die von Hitler am 30. Januar 1939 im Reichstag angekündigte Vernichtung der jüdischen Rasse im Falle eines Weltkriegs hat begonnen. Am 16. November 1941 schrieb die deutsche Wochenzeitung
Das Reich offen darüber, was vorging:
Wir erleben eben den Vollzug dieser Prophezeiung, und es erfüllt sich damit am Judentum ein Schicksal, das zwar hart, aber mehr als verdient ist. Mitleid oder gar Bedauern ist gänzlich unangebracht. Das Weltjudentum hat in der Anzettelung dieses Krieges die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte vollkommen falsch eingeschätzt, und es erleidet nun einen allmählichen Vernichtungsprozeß, den es uns zugedacht hatte und auch bedenkenlos an uns vollstrecken ließe, wenn es dazu die Macht hätte. Es geht jetzt nach seinem eigenen Gesetz: "Auge um Auge, Zahn um Zahn!" zugrunde.
Mit der Kriegserklärung an die USA waren endgültig alle Hemmschuhe abgelegt. Hitler wird keine Depeschen mehr schicken wie diejenige an Heydrich nach Kaunas am 30. November 1941: "Judentransport aus Berlin! Keine Liquidation." Die Anweisung kam übrigens zu spät. 1000 der 5000 Menschen des Transports wurden in Riga erschossen. Hans Frank am 12. Dezember bei einer Regierungssitzung im Generalgouvernement: "Wir ... werden aber doch Eingriffe vornehmen können, die irgendwie zu einem Vernichtungserfolg führen". Himmler notiert am 16. Dezember nach einem Gespräch mit Hitler: "Judenfrage./als Partisanen auszurotten." Im Januar 1942 schließlich die Organisationskonferenz am Wannsee.
Das erste Vernichtungslager mit einer ortsfesten Gaskammer wurde im Oktober 1941 errichtet. Am 8. Dezember begann die Ermordung von polnischen Juden und Roma durch Gaswagen in Chelmno/Kulmhof.
Auch verselbständigte sich die Mordmaschinerie. Eine territoriale Lösung war nicht mehr möglich (kein Madagaskar, keine Lager am Eismeer). Eine Letztverantwortlichkeit war gegeben, jedoch:
Hitler drückte seinen Willen zur "Lösung der Judenfrage" so aus, daß die nachgeordneten Führer, vom Reichsführer SS über die Höheren SS- und Polizeiführer bis zu den Führern der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos, die radikalste Verwirklichung der Weisung für diejenige halten mußten, die den Wünschen des "Führers" am besten entsprach.
Im Kriegsverlauf wurden beinahe alle Juden, derer die SS habhaft werden konnte, in Lager verfrachtet. Die Mordrate war enorm. Nur in Dänemark konnte eine Evakuierungsaktion nach Schweden organisiert werden.
Was war das Wissen über diesen Genozid im Westen? Im Sommer 1942 meldete der deutsche Chemiker Kurt Gerstein, der für Zyklon B zuständig war und Zeuge einer Vergasung wurde, diese Ungeheuerlichkeit in Berlin einem schwedischen Diplomanten. Schweden gab diese Information nicht an die Alliierten weiter. Sie erhielten sie von dem deutschen Industriellen Eduard Schulte, der einem jüdischen Geschäftspartner in der Schweiz von den Massenmorden berichtete. Dieser informierte den World Jewish Congress und über diesen kam die Information zu den Außenministerien in Washington und London. Als sich die Indizien mehrten, wurde Ende 1942 die Weltöffentlichkeit informiert. Militärische Aktionen zur Unterbindung des Holocaust gab es nicht. Einzig in Budapest gelang es, ein von der Schweiz und Schweden initiiertes Schutzghetto für 30.000 Juden zu errichten. Da waren aus ganz Ungarn bereits 438.000 Juden deportiert, von denen 394.000 sofort nach Ankunft vergast wurden. Und dennoch wurden Juden weiterhin zu Todesmärschen (nicht ganz eine Million, eine Viertelmillion ist gestorben) getrieben oder in Budapest von Schlägerbanden der Pfeilkreuzler ermordet (zwischen 10.000 und 20.000).
Neben dem Holocaust, dem Massenmord an Slawen, dem Genozid an Roma und Sinti stellten sich unzählige Verbrechen während des Kriegsverlaufs an Zivilpersonen. Beispiele sind Vergeltungsaktionen, bei denen Ortschaften ausgelöscht wurden. Bekannt sind Orte in Tschechien, Frankreich, Italien, kaum bekannt sind die über 600 Orte in Weißrussland.
Wie soll sich der Westen verhalten? Er ist im Bündnis mit einem mörderischen Staat (Sowjetunion). Winkler betont, dass auch die westliche Kriegsführung sich an einen enthemmt brutalen Feind anpasst. Flächenbombardements in Deutschland und Japan seien an der Grenze zu Kriegsverbrechen, beschlossen auf der Konferenz von Casablanca. Die Sowjetunion beschoss gezielt Flüchtlingstreks aus Ostpreußen und versenkte Schiffe mit Flüchtlingen.
Brüche zwischen den Westalliierten finden sich in der Endphase des Krieges. Churchill will so rasch wie möglich nach Berlin und Prag, wohin auch die Sowjets unterwegs sind. Eisenhower will in den Süden, zur Alpenfestung, wo er noch mit massivem Widerstand rechnet. Churchill warnt intern bereits von einem Vorhang, der sich zwischen sowjetischer und westlicher Einflusssphäre senken wird, aber es waren seine Abkommen mit Stalin, die genau dies ermöglichte, dass Stalin Einfluss im osteuropäischen Raum erhielt. Auch war es Churchill, der auf eine frühe Invasion in Nordafrika und nicht in Europa drängte. Es waren die britischen Interessen im Mittelmeerraum, die in höchster Gefahr waren. Andererseits konnte die Schattenregierung Dönitz wegen britischer Duldung noch bis 23. Mai existieren, bis Eisenhower sie auf sowjetisches und französisches Drängen verhaften ließ.
Mit dem Einfluss der Sowjetunion musste der Westen sich wohl oder übel abfinden. Einzig Tito in Jugoslawien hatte seinen Spielraum, der darauf beruhte, dass keine Armee von außen Jugoslawien von Besatzern und Faschismus befreit hat, sondern seine Partisanenarmee mit massiver materieller Unterstützung durch den Westen. Doch wie mit den Rachemassakern umgehen, die nach Ende des Kriegs begangen wurden. Winkler gibt keine Antworten, er beschreibt.
Und was wird aus Deutschland? Österreich wurde zwar auch in Besatzungszonen geteilt, erhielt jedoch eine eigene Bundesregierung für den Gesamtstaat, die schließlich, da von demokratischen Parteien gebildet und nicht unter einer kommunistischen Fuchtel, auch von den Westmächten anerkannt wurde. Der Morgenthauplan einer Zersplitterung und Agrarisierung ist vom Tisch, aber die Militärstruktur trägt den Keim der Spaltung. Zwar entscheidet der Alliierte Kontrollrat über gemeinsame Angelegenheiten, aber oberste Regierungsgewalt in einer Besatzungszone hat der jeweilige Oberbefehlshaber. Das nicht an der Potsdamer Konferenz beteiligte Frankreich legte ein Veto gegen jegliche zentrale deutsche Verwaltungseinheiten ein. Auch wird Frankreich seine Zone nicht für Flüchtlinge aus den Ostgebieten öffnen. In den Ostgebieten Deutschlands waren die Verwaltungsbefugnisse zwar ein Provisorium, de facto übte in den "neuen Westgebieten" Polen die souveräne Staatsmacht aus. Deutschland in den Grenzen von 1937, wie auch Stalin zugestimmt hatte, war bei der Potsdamer Konferenz nur noch Fiktion.
Bezüglich Reparationen sah die Potsdamer Konferenz vor, sie aus der Demontage von Industriebetrieben - vornehmlich militärischen - sowie dem deutschen Auslandsvermögen zu begleichen, nicht aus der laufenden Produktion. Die Sowjetunion hielt sich nicht dran. Der Schlüssel war, dass die Sowjetunion als Hauptgeschädigter 56 Prozent der Reparationen aus allen Besatzungszonen erhält plus zehn Prozent der abgebauten Industrieanlagen der westlichen Zonen. Reparationsansprüche Polens waren aus dem sowjetischen Reparationsanteil zu befriedigen.
Aus dem Potsdamer Abkommen ging Deutschland gespalten hervor und es war absehbar, dass nicht nur Deutschland, sondern Europa in zwei Interessenssphären gespalten sein wird. Eine Zusicherung von Freiheitsrechten und Mitbestimmung stimmte hoffnungsvoll, aber nur im Westen, wie Winkler betont.
Ein eigenes Unterkapitel widmet Winkler der Atombombe und überraschend für mich ist, dass dieser renommierte Historiker davon ausgeht, dass die deutsche Atomforschung 1944 auf dem Entwicklungsstand war wie 1941 das Uran-Komitee in den USA bei Aufnahme ihrer Tätigkeit. Und noch überraschender: für Winkler ist es Fakt, dass Deutschland zwei Atomversuche durchführte. Einen auf Rügen im Oktober 1944 und einen bei Ohrdruf in Thüringen im März 1945.
Bezüglich des Einsatzes im Krieg war Truman schon vor dem erfolgreichen ersten Test am 16. Juli 1945 überzeugt, diese Waffe einzusetzen, wenn der Krieg gegen Japan weitergeht. Die Armee rechnete mit etwa 270.000 gefallenen US-Soldaten, falls der Krieg konventionell zu Ende geführt werden soll. Diese Opferzahl wollte Truman nicht hinnehmen. Das Ultimatum vom 26. Juli mit der Androhung einer Vernichtung der Streitkräfte und der Verwüstung der Inseln wurde von Japan ignoriert. Erst nach Abwurf der zweiten Bombe war Japan bereit zu kapitulieren, wenn die Rechte des Kaisers als souveräner Herrscher nicht berührt würden. Am 15. August wurde die Kapitulationsbereitschaft der Öffentlichkeit bekanntgegeben, einen Tag darauf ruhten die Waffen.
Winkler teilt die Auffassung, dass ohne Einsatz der Atombomben der Krieg in Japan sehr viel länger gedauert habe. Zwar sei mit ihrem Abwurf Truman nicht mehr bereit gewesen, die Sowjetunion an der Besetzung Japans zu beteiligen, aber Winkler sieht keine bewusste Machtdemonstration in Richtung Sowjetunion, da der Kalte Krieg erst später begonnen habe. Das Argument überzeugt nicht ganz, immerhin haben am 20. April die beiden Länder Korea in zwei Besatzungszonen mit Trennlinie des 38. Breitengrads aufgeteilt.
In China dürfte Stalin den KP-Führer Mao durch einen Freundschafts- und Bündnisvertrag mit Tschiang Kai-schek am 14. August etwas brüskiert haben. Zwei Jahre später gewann Mao den Bürgerkrieg und vertrieb die Kuomintag auf die Insel Taiwan.
Die Kolonien Ostasiens haben unterschiedliche Entwicklungsverläufe. 1946 werden die Philippinen unabhängig. Die Niederlande ziehen sich zurück, Indonesien wird 1949 unabhängig. In Vietnam begann der Indochinakrieg mit Frankreich, nachdem Ho Chi-Minh im Norden die Demokratische Republik ausgerufen hat.
Unvorstellbar sind die Todeszahlen des Zweiten Weltkriegs mit geschätzten 60 Millionen Toten, 27 Million davon Soldaten (gefallen oder in Kriegsgefangenschaft gestorben) und 33 Millionen Zivilisten. Nach Ländern gelistet (Soldaten und Zivilisten):
Sowjetunion: 27 Mio Tote
China: 13,5 Mio Tote
Deutschland: 6,35 Mio Tote
Indien: 3 Mio Tote
Japan: 2 Mio Tote
Nur im Dreißigjährigen Krieg sieht Winkler die Grenze zwischen Kombattanten und Zivilisten so verschwinden wie im Zweiten Weltkrieg. Das Gebot der Gebot der Haager Landkriegsordnung von 1907, nur militärische Ziele anzugreifen und Zivilisten zu schonen, sei auch von demokratischen Staaten immer mehr missachtet worden. Doch seien weder Flächenbombardements, mit denen auf gleiche Kriegsführungspraktiken Deutschlands und Japans reagiert worden sei, noch die Umsiedelung von Polen und Deutschen unter Berufung auf ähnliche Abkommen zeitgenössisch als Kriegsverbrechen wahrgenommen worden. Offensichtliche Kriegsverbrechen wie die Ermordung polnischer Offiziere durch die Sowjetunion oder die auf Wiesen eingerichteten Kriegsgefangenenlager am linken Rheinufer wurden nicht thematisiert oder gar geahndet.
Die Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg bzw. Japan, die im Londoner Abkommen festgelegt wurden, waren eine Herausforderung für die westliche bzw. anglosächsische Gerichtsbarkeit, in der das Grundprinzip gilt, dass es ohne Gesetz keine Strafe gäbe (nulla poena sine lege) und Gesetze keine rückwirkende Kraft haben dürfen. Rechtstheoretisch wurde ein Rückgriff auf naturrechtliche Prinzipien gewählt. Winkler: "Die Verwerflichkeit der Taten, über die es in Nürnberg zu urteilen galt, war mit anderen Worten so groß, daß das Rechtsgefühl ungleich stärker verletzt worden wäre, wenn diese Verbrechen keine Sühne gefunden hätten."
Insgesamt wurden in den Westzonen inklusive Nürnberger Prozesse 806 Todesurteile ausgesprochen und 486 vollstreckt. Die Zahlen für die sowjetische Besatzungszone sind nicht bekannt. Bekannt sind etwa 120.000 in Speziallagern Inhaftierte (Nationalsozialisten, Demokraten, Sozialdemokraten, oppositionelle Kommunisten), von denen 48.000 in diesen Lagern verstorben sein sollen. Eines dieser Lager wurde im ehemaligen KZ Buchenwald eingerichtet.
Die sogenannte Entnazifizierung von nicht wegen Straftaten Belangbaren milderte sich in den westlichen Zonen, je stärker der Konflikt mit der Sowjetunion eskaliert. 1949 konnten die meisten in ihre frühere berufliche Stellung zurückkehren. Die Sowjetzone handelte gegenüber "kleinen" Nazis ähnlich.
Winkler sieht ab 1945 etwas gegeben, das nach dem Ersten Weltkrieg nicht geschehen ist: die Entmachtung der hauptkriegstreibenden sozialen Schichten. Durch die Bodenreform in der sowjetichen Zone und den Verlust Ostpreußens existiert der ostelbische Rittergutsbesitz nicht mehr. Die Schwerindustrie wurde im Osten enteignet, im Westen entflochten. Winkler: "Damit konnte keine dieser Machteliten, die in ihrer Mehrheit vor 1933 entschiedene Widersacher der Demokratie gewesen waren, nach 1945 dieselbe oder eine ähnliche Rolle spielen wie in der Weimarer Republik."
Winklers Fazit, wie es in Deutschland zur Diktatur der Nationalsozialisten und folglich dem Holocaust kommen konnte, liest sich so:
Nach der Niederlage von 1918 galt die parlamentarische Demokratie von Weimar einem großen Teil der meinungsbildenden Eliten als Staatsform der Sieger und damit als "undeutsch" - eine Deutung, der sich auch Hitler anschloß.
Der Nationalsozialismus war die extremste Steigerung des antiwestlichen Ressentiments der Deutschen. Was "modern" war am "Dritten Reich", reflektierte immer auch die normativen Defizite des deutschen Modernisierungsprozesses.
Ohne den Rückhalt bei den vor- und antidemokratischen Traditionen, an die er anknüpfen konnte, hätte Hitler Deutschland 1933 nicht seiner Herrschaft zu unterwerfen vermocht, und nur weil er im Besitz der Staatsmacht war, konnte er eine radikale Lösung der Judenfrage, einen zentralen Teil des nationalsozialistischen Projekts, in Angriff nehmen und verwirklichen. Der Holocaust hatte eine Vorgeschichte, die über die Geschichte des Antisemitismus und Rassismus hinausreichte und nicht zu trennen war von der allgemeinen deutschen Geschichte - der Geschichte eines weithin westlichen Landes, dessen traditionelle Eliten sich einer Öffnung gegenüber der politischen Kultur des Westens bis 1945 beharrlich verweigert hatten und das nun die Folgen dieser katastrophalen Politik tragen mußte.
In Italien gab es keine internationale Justiz. Kriegsverbrechen wurden kaum geahnt. 1946 stimmte die Bevölkerung in einem Plebiszit für eine Republik und gegen die Monarchie. Im Pariser Friedensvertrag von Februar 1947 verlor Italien Istrien an Jugoslawien und die Dodekanes an Griechenland. 1954 kam Triest zu Italien zurück. Die Kriegsflotte sicherten sich Frankreich, Griechen-land, Jugoslawien und die Sowjetunion.
In Japan blieb die Monarchie erhalten, der Kaiser entsagte seiner Göttlichkeit und Souveränität. Japan wurde zu einer parlamentarischen Demokratie und verzichtete auf ein Militär sowie auf das Recht der Kriegsführung. Nach einer Bodenreform mit Entschädigungen durfte bis auf der Insel Hokkaido kein Besitz größer als 3 Hektar betragen.
Dass die Kräfte, die eine Entkolonialisierung anstrebten, gestärkt aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgingen, lag laut Winkler vor allem an der geschwächten Lage der Kolonialmächte und nicht an einem Willen Hitlers.
Die Weltsituation selbst sei radikal vereinfacht worden: "Es gab nur noch zwei Weltmächte, die USA und die Sowjetunion."