Roman Töppel - Kursk 1943Original anzeigen (0,2 MB)Töppel ist freier Historiker aus München und war am Institut für Zeitgeschichte als Mitherausgeber der kommentierten Ausgabe von Hitlers
Mein Kampf tätig. Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind die Panzerschlachten des Zweiten Weltkriegs und in diesem Band (2. Auflage, 2017) setzt er sich akribisch auf Basis von zugänglichen deutschen und sowjetischen Zeitquellen mit der Schlacht um Kursk (Operation "Zitadelle", Kämpfe im Donbass, Kampf um Charkow) auseinander.
Eines seiner Ziele ist, mit verklärender Legendenbildung sowohl der sowjetischen (und immer noch russischen) Geschichtsschreibung bzw. der deutschen Seite (aufbauend auf sog. Kriegeserinnerungen) aufzuräumen. Dazu nutzt er Lageberichte, Tagebuchaufzeichnungen und andere zeitgenössische und zu den Kämpfen zeitnahe Quellen.
So entwirft Töppel zum Beispiel die These, dass Hitler nicht wegen der Landung der Alliierten auf Sizilien die Operation "Zitadelle" (die Einkesselung sowjetischer Einheiten in einer Frontausbuchtung bei Kursk) abgebrochen hat, da er Einheiten dort benötigt hätte (es wurden keine Einheiten abgezogen), sondern wegen des bevorstehenden sowjetischen Angriffs im Donbass und im Donezbecken, einer wirtschaftlich bedeutsamen Region.
Auf Hätte-Wenn-Spiele lässt Töppel sich nicht ein. So ließe es sich nicht sagen, ob bei einem Nachrücken der zweiten Linie zu Beginn die Einkesselung hätte gelingen können. Was sich aber sagen ließe, ist die technische und taktische Überlegenheit der deutschen Truppen gegenüber den sowjetischen Einheiten, und die sowjetischen Truppen hätten den Sieg in dieser sechswöchigen Schlacht mit unglaublichen Opfern errungen. Das Verlustverhältnis Wehrmacht zu Rote Armee betrug bei menschlichen wie materiellen Verlusten in etwa 1:6 (eins zu sechs!), ein Faktum, das bis heute in der russischen Geschichtsschreibung (auch auf offiziellen Druck basierend) unter den Tisch gekehrt werde. Töppels Berechnungen ergeben 1,2 Mio. Gefallene, Verwundete, Vermisste auf sowjetischer Seite und etwa 200.000 auf deutscher Seite.
Als Gründe für die enormen sowjetischen Verluste an Mann und Material listet Töppel diese:
- taktische und waffentechnische Überlegenheit der Panzer- und Luftwaffe
- optimales Zusammenspiel der Waffengattungen auf deutscher Seite
- enormer Munitionseinsatz auf deutscher Seite
- wirkungsvolle Angriffe deutscher Kampf- und Sturzkampfflugzeuge
- angreifende Einheiten erleiden grundsätzlich höhere Verluste als verteidigende, da offen agierend
- Aufsplitterung und Verheizung sowjetischer Einheiten durch fehlerhafte Befehle
- Angriffe auf die stärksten Stellungen der deutschen Front
- Verluste spielten für viele sowjetischen Armeeführer keine Rolle
- mangelhafte Ausbildung der sowjetischen Soldaten und Kommandeure
Was von den Soldaten auf beiden Seiten abverlangt wurde, zeigen zwei Belege, dass sowohl die deutsche als auch die sowjetische Seite Einheiten mit gezogenen Waffen zum Angriff trieben. Von einer deutschen Einheit ist in einem Frontbericht überliefert, dass nach drei Tagen Schlacht selbst unter Tötungsandrohung die Soldaten so apathisch waren, dass sie nicht mehr in den Kampf ziehen konnten.
Die deutschen Kriegsziele der Operation "Zitadelle", die allesamt nicht erreicht wurden, formuliert Töppel auf Basis des Tagebuchs und der Handakten von General Manstein wie folgt:
- Durchbrechung des sowjetischen Stellungssystems und Einkesselung der Roten Armee bei Kursk
- Liquidierung des Kursker Frontbogens und Frontverkürzung
- Psychologische Wirkung auf Verbündete wie Kriegsgegner
- Gefangene sowjetische Soldaten als Zwangsarbeiter (Arbeitskräftemangel in D) - nur 40.000 Gefangene
- Brechung der sowjetischen Offensivkraft
Die Folge war, dass für die deutsche Armee die Sommerkämpfe von 1943 eine verheerende Auswirkung auf die Kampfkraft gehabt hätten. Die horrenden Verluste waren für die Sowjetunion aufgrund der hohen Bevölkerungszahl leichter zu verkraften und im gesamten Kriegszenario hatten die Alliierten ein Vielfaches an Ressourcen im Vergleich zu den Kriegsgegnern. Alleine auf sowjetischem Gebiet verlor die Wehrmacht von Juli bis Oktober 1943 etwa 911.000 Mann, von denen nur 422.000 ersetzt werden konnten.
Psychologisch demotivierend war, dass Hitler selbst vor Beginn der Offensive die Sommerschlachten als Entscheidungsschlachten hochstilisiert hatte. Nach Verlust dieser Schlachten war auch das psychologische Momentum draußen. Major Markus von Busse hielt Mitte August 1943 in einem geheimen Frontbericht an den Generalstab fest: "Das Vertrauen in die Führung droht erschüttert zu werden. Der Angriff Zitadelle sollte die Entscheidung bringen - es folgten anschließend die schweren Kämpfe mit Rückzug. Es fehlt den Führern laufend eine Orientierung, da sie bei dem jetzigen Zustand die zahlreichen Fragen des Soldaten nicht beantworten können."
Die Sommerschlachten leiteten den deutschen Rückzug ein und Hitler verlegte im Herbst den strategischen Schwerpunkt in den Westen, um den Alliierten bei Landung in Frankreich eine schwere Niederlage beizubringen.