Groucho schrieb:So genau kann ich dazu gar nichts sagen.
Ich habe den mit 16 gelesen (lange, lange her....) und kann mich an Details gar nicht erinnern.
Das Einzige, was mir in Erinnerung blieb, war, dass ich es bisweilen recht zäh zu lesen fand.
Ja, das erging mir ähnlich. Streckenweise war das auch für mich etwas zäh zu lesen, allerdings hatte ich bei Tolkien nie das Gefühl, dass er da immer wieder mal ein paar Seiten mit etwas Fülltext eingefügt hat, nur um am Ende ein möglichst dickes Buch vorweisen zu können. Bei anderen Autoren hatte ich diesen Eindruck immer wieder mal, nicht aber bei Tolkien, bei ihm wirkt das trotz oder gerade wegen den "Längen" wie aus einem Guss.
Zu dem Thema fällt mir eine gewisse Parallele zur Musikwelt auf. Wenn man ein paar Jahrzehnte zurück geht und sich z.B. "Brigde Over Troubled Water" von Simon & Garfunkel anhört, dann stellt man fest, dass der Song relativ lange eher "dahinplätschert" und langsam Stimmung aufgebaut wird, bevor sich das dann nach fast vier Minuten in einem Finale entlädt, das (zumindest bei mir) noch heute für Gänsehaut sorgt. Aktuelle Songs haben kaum mehr solche "Plätscherpassagen", da gibt es das drückende Schlagzeug- und Gitarrengewitter von Anfang an bis zum bitteren Ende und die Songs sind häufig nach drei Minuten auch schon wieder vorbei.
Bei den Büchern ist das ähnlich, leider. Auch hier wird versucht, von Anfang an für Spannung zu sorgen, eine langatmige Einführung in die Geschichte kann sich ein Autor gar nicht erlauben, will er nicht riskieren, dass die Leser das Buch nach ein paar wenigen, ereignislosen Seiten bereits zur Seite legen. Um mal ein Beispiel zu bringen, The Da Vinci Code fängt stark an und danach wird zwanghaft versucht, diese Spannung irgendwie zu halten, was (meiner Meinung nach) nicht mal ansatzweise gelingt. Bücher und Musikstücke brauchen auch "stille" Passagen, damit sie funktionieren.
Groucho schrieb:Und um den Bogen zu diesem Thread zu schlagen:
Ich lese gerade Haruki Murakami - Die Ermordung des Commendatore.
Da ich davon auch nicht soo begeistert bin und gerade umgezogen bin (was viele Bücher, die in zweiter Reihe standen, wieder ans Tageslicht gebracht hat) habe ich dann zur Unterhaltung mal wieder in Daniel Kehlmann - Wo ist Carlos Montufar reingeschaut.
Von Haruki Murakami kenne ich bis dato leider nur IQ84, aber das kann ich bei Gelegenheit ja korrigieren.
Groucho schrieb:Und, welch ein Zufall, darin ein Essay über Tolkien.
1997 haben der britische Bildungskanal Channel 4 und eine Buchhandelskette eine Umfrage gestartet, welches das wichtigste Buch des 20. Jahrhunderts ist.
Das Ergebnis: Der Herr der Ringe.
Hat natürlich sofort im Feuilleton äußerstes Entsetzen ausgelöst.
Aber nach und nach meldeten sich einige Literaturwissenschaftler, die dieses Votum verteidigten.
Auch unter namhaften Schrifstellern (Iris Murdoch, W.H. Auden) hat Tolkien Fans/Verteidiger.
Das kann ich nachvollziehen, also sowohl dass Der Herr der Ringe als wichtigstes Buch gewählt wurde, aber auch das Entsetzen im Feuilleton. Das Buch, bzw. die Geschichte ist halt nicht mehr "zeitgemäss", kein Autor könnte sich so eine Geschichte heute noch erlauben, die Kritiker würden ihn zerfetzen. Nur mal so auf die Schnelle: Frauen spielen in der Geschichte praktisch nur Nebenrollen, die Elben sind alle schön, unsterblich und weiss, die Völker aus dem südlichen Teil Mittelerdes haben dunkle Haut und machen natürlich gemeinsame Sache mit Sauron. Die "goldgeilen" Zwerge könnte man als Juden missinterpretieren.
Nach heutigem Massstab gemessen, kann "Der Herr der Ringe" von daher natürlich eigentlich kein breites Publikum mehr ansprechen, aber wenn man die Zeit berücksichtigt, in der die Trilogie entstanden ist, dann muss man Tolkien doch zugestehen, dass er eine neue Welt erschaffen hat, die in sich stimmig ist und die Geschichte auch heute noch fesseln kann, solange man nicht den Fehler macht, unsere Welt auf Mittelerde übertragen zu wollen.
emodul