Die indische Symphonie
Den Gipfeln und Riegeln, die rings sich belaubten
Den Gipfeln und Riegeln, die rings sich belaubten,
Entschnellen auf einmal unendliche Kegel.
Was will sich vor mir gluthentfesselt behaupten?
Es ist, als ob Stummheit im Nebelschiff segel.
Von Zeit zu Zeit kann sich das Dasein verheißen!
Und Urbrunstgluth muß uns zum Ursprung berufen!
Ich seh jetzt die Erde Glastkrater aufreißen
Und Felszungen zuckend sich starr überstufen.
Doch stumm sind die Kletterblitzdonnerwuchtspuren,
Es wird wohl ein Wort bald das Weltall durchgellen.
Es sammelt, beim Rasten der Tagkreaturen,
Sich stets die Gesangskrast, vor Anspruchsapellen,
In Herzkammern an, um dann rasch zu erwachen.
So wird auch die Erde ihr Fieberlied hören,
Doch vorläufig wachsen noch Zeugen aus Rachen
Und Kratern empor, um das Sein zu beschwören.
Der Felskegel fünf recken, handhaft verbunden,
Sich steil über mir in den schweigenden Äther,
Und siehe, sie bluten aus furchtbaren Wunden,
Und jegliche Schramme wird stets aufgeblähter.
Dann schrumpft jede anders verrunzelt zusammen,
Nun kann sich der Handschatten plötzlich verkneten,
Auch er scheint dem selbigen Arm zu entstammen
Und will seine Wirklichkeit thätlich vertreten.
Ein eben verknorpelter Finger empfindet
Den Spender der eigenen Schattensaumseele,
Drum merk ich, wie einer den andern umwindet!
Der Wirklichen Größter trägt seltene Juwele.
Er kann sich nicht krümmen. Er stellt die Probleme
Und läßt sich von Augen des Schattens bestaunen.
Ein anderer besteht, da ich selbst ihn vernehme,
Und der kann dem Schattenohr Dasein zuraunen.
Der vierte, der dünnste und schwächlichste Finger,
Verschrumpft ohne Knöchel und sucht seinen Schatten,
Der rüsselhaft schnuppert, als wäre er Ringer,
Mit Wucht anzupacken; doch beide ermatten
Und ziehn sich verekelt zurück, so wie Schnecken
In Krampfschaalen, diese in Eigenschleimwände.
Der letzte bleibt wund, und, bedeckt von Blutstecken,
Beleckt ihn des Schemen erhebendes Ende.
Die Hände, die beide sich ängstlich ergänzen,
Sind Männlichkeit, Weiblichkeit, engangegliedert:
Die, Umrisse sprengend und trotzdem in Grenzen,
Sich selber, im Nebengeschlechte erwidert,
Urinnig genießen und sinnlich begreifen,
Doch ich kann sie dreifach, als Drittes, ermitteln:
Sie schaffen den Raum, den Gedanken durchschweifen,
Und Willenskraft schließt sich, mit jenen Zweidritteln
Des Menschenbewußtseins lebendig zusammen;
Und zwiefach erkenn ich, durch Sprache und Geste:
Es muß, was stets wechselt, sich selber entstammen,
Denn hier giebts nur Gluth, Luft, die Fluth und das Feste.
Drum seh ich auch Leichtigkeit, Fluchtsucht und Dauer,
Urrundwucht, Weltwechsel, Verfall und Allschmiegung,
Als sieben bewegliche Glieder auf Lauer
Nach einer vom Dasein geforderten Biegung.
Noch vier solche Wuchtgruppen sieht meine Seele,
Als irdische Gottheit, das Dasein gestalten.
Wer kann sie beschreiben! Ich staune und zähle
Die Handpalmen, die sich aus Armschaften spalten!
Ein Felstempel leidet und bebt jetzt lebendig
Und blickt in sich selber, mit allerhand Augen,
Ich selbst bin mehr drinnen und sehe inwändig
Die stetswunden Fühlspitzen Blut einwärts saugen.
Der sinnlichempfindende Zackenkamm gliedert
Sich achtzehnfach, leidvoll und lustreich, vom Stocke
Der fünf Gefühlspitzfühler los und erwidert
Dann sechstens, verrunzelt, verwirklicht, als hocke
Im Innern des Tempels, in selbstheller Engniß,
Verpriestert ein Finger, bewußt das Empfundene:
Er sperrt, was er spürt, ins Gedächtnißgefängniß
Und ihm nur verdankt sich das Rhythmischverbundene.
Den sechs Weltempfindungen setzen Gesichter
Sich, zerrbildhaft spiegelnd, genau gegenüber,
Drum ändern sich stets ihre Selbsteinblickslichter:
Entrückt die Empfindung, so werden sie trüber!
Erhebt sich der Finger der Eigenempfindung,
So scheint sein Gesicht ihn halbstarr anzustaunen;
Verbirgt er sich aber, als Brunstimpulswindung,
Verräth sich sein Schrumpfruck durch Auflachkrampflaunen.
Die Finger sind blaß. Und des Welttraumes Buntheit
Ergießt sich wahltrefflich ins All aus Pupillen:
Und ebenso trachtet das Erdsein die Rundheit
Und Rhythmensymmetrik, durch Ruhlust und Willen,
Die urfest bestehn, in uns zu erzeugen:
Und Süßgeschmack, Wollustduft sichern und regeln
Ideen, die unter sich Werdendes beugen,
Und zwingen sich stets, sich als Bild einzukegeln.
Der große Koloßklotz beruht auf Wühlfüßen,
Die zwei über fünfzig Gefühle verspüren,
Oft kann eins das andere stark übel versüßen,
Wo einige, vereinigt, das Leid herbeiführen.
Im Innern des Tempels verknüpfen die Enden
Von neun mehr als achtzig Welthanden als Herz sich
Und wollen, vertieft schon, sich Selbstdasein spenden
Und sitzen auf mir, denn stets bin ich inwärts Ich.
Doch tiefer als ich noch, im Schooß des Kolosses,
Erblick ich den Freiheitsohn selbsthell erleuchtet,
Dort reift er heran, in der Pracht eines Schlosses,
Und thront schon am Lothes, der nie sich befeuchtet.
Wahrhaftig, ich sehe das herrlichste Wunder!
Die Erde wird selbst ihren Heiland gebaren;
Erst wurde der Mutterleib runder und wunder,
Doch fängt jetzt der Geist an, das Fleisch aufzuzehren.
Das Kind, wie der Morgen im Irislichthemde,
Verweilt ernstbedenklich, von Engeln umlächelt:
Und Krüppel und Bettler entsendet die Fremde,
In welche der Wind schon die Botschaft gefächelt.
Wer bucklig war, schreitet heran wie ein Ritter.
Die Stummen beginnen Heilshymnen zu singen.
Die Blinden erschreckt noch das Taglichtgeflitter.
Und alles, was taub war, erhält Seelenschwingen.
Der Seele entreißt sich das Ursprungsgedächtniß.
Was eingesperrt war, überspringt seinem Kerker.
Die Menschheit erwirbt und verbirgt ihr Vermächtniß,
Denn ringsum erscheinen Ereignißvermerker.
Dem Himmel entsteigen jetzt Weltschlundkometen
Und wallen als Urwabezungen hernieder.
Das Kind aber wächst durch die Kraft von Gebeten
Und strahlt durch des Mutterleibs Honiggoldglieder.
Der Sohn kann der Mutter die Schönheit verleihen:
Der einfache schlanke Geburtszweckgedanke,
Wird alles jetzt weibereich, rhythmisch anreihen,
Und üppiger bleibt nur die Weltfruchtschaalflanke.
Und selbst alle Thiere durchzuckt das Menschwerden
Des Sohnes der Erde, der gar nicht empfangen
Und lustunbesteckt, ohne Schmerz und Beschwerden,
Im Mutterleib Kraft hat, sein Werk anzufangen.
Ein hellblonder Löwe vergnügt sich mit Kindern.
Und goldene Gänse durchstiegen den Äther,
Durch Liebesdurstbotschast Lustsehnsucht zu lindern.
Die Tigerbruth selbst sendet sanfte Vertreter.
Die Schlange Ananta verkrümmt sich als Brücke
Und läßt still die Thierstuch den Pfuhl überschreiten.
Die Singvögel jubeln von fristfreiem Glücke
Und lassen sich angstlos von Falken begleiten.
Im Waffer die Fische erheben die Köpfe
Und scheinen bereits die Verheißung zu hören:
Als ob dieser Freiheitssohn Erdfieber schöpfe,
Gelingt es jetzt Wildheit und Maß zu beschwören.
Ein Edelhirsch stürzt nun, mit goldenem Geweihe,
Gehetzt, aus dem Urwald hervor an die Lichtung,
Es scheint, daß der Heiland ihm Beistand verleihe,
Denn selbst bricht und lenkt sich der Pfeile Flugrichtung.
Es kann ihn kein Menschengeschoß je erlegen:
Verfolgen ihn ringsum auch hungrige Jäger,
Und rennen ihm einige hurtig entgegen,
So tauscht er gewandt jeden Fluchtwegverleger.
Wohl sind die Verfolger mit Blindheit geschlagen,
Denn niemand vermag es, das Kind zu erblicken,
Und jedermann trachtet die Thiere zu jagen,
Um endlich mit Speise den Leib zu erquicken.
Doch keinem gelingt es, ein Thier zu erhaschen:
Die Beute entgleitet sofort allen Händen,
Das kann zwar die Jäger gar stark überraschen,
Doch niemand befiehlt noch die Jagd zu beenden.
Verzweifelt, von Hunger gepeinigt, entschließen
Sich, fiebernd, die Menschen jetzt Beeren zu essen,
Doch selbst diese Früchte sind nicht zu genießen,
Es scheinen die Finger stets Perlen zu pressen.
Ein halbharter, dickfeuchter, prickelnder Reifen
Verteidigt auf einmal die mindesten Kräuter:
Die Menschen versuchen ins Obstfleisch zu kneifen,
Doch alles hat Stacheln, und nichts als Dickhäuter
Beherbergt der Forst jetzt, und selbst durch den Äther
Gelangt das Geflügel ganz heil, aus Gefahren,
Zum Wabealtar, wo die letzten Verspäter
Im Luftreich sich still um den Freiheitssohn schaaren.
Jetzt sehn sich die menschlichen Jäger den Schrecken
Des Endes durch Hunger und Furcht preisgegeben:
Ihr Bangen ums Dasein kann Mitleid erwecken,
Und Tauben beginnen erweicht zu erbeben.
Die fiebernden Thiere, die nimmermehr grasen,
Sehn wehmuthsvoll auf zum vermenschlichten Leiden,
Da sieht man auf einmal, erstaunt, einen Hasen,
Das Jägervolk auffordern, ihn auszuweiden.
Sofort wird das Opfer des Thieres vollzogen.
Doch kaum ward der Hase vom Menschen geschlachtet,
So steigen der Wabe schamkräuselnde Wogen,
Im Geiste der Jäger, der jäh sich entnachtet,
Gewaltsam empor: und auch sie packt das Wunder.
Sie sehn schon ihr Opfer sich goldroth erleuchten,
Ihr Leib fühlt sich satt an, die Seele gesunder
Wie je noch, wenn Fasttage Krankheit verscheuchten.
Jetzt fängt sich im Erdleib das Kind an zu regen.
Viel heller und greller noch blendet es alle.
Der Mutter entsteigt es und spendet den Segen.
Und gleich einem Leuschrei durchbebt es die Halle:
»Ich bin! das Martyrium der Erde verschwinde:
Mein Dasein erheischt aller Gottheit Verneinung,
Mein Licht blinkt von innen, und mild und gelinde,
Durchzieh ich die Welt als Urfriedenserscheinung.
Bald habt Ihr den Brahmakrampf ganz überstanden,
Die Tagkraft, der Arbeitsdrang darf rasch verfallen,
Das Licht aber geht Euch dafür nicht abhanden,
Es mag aus Euch allen ins Ätherall wallen.
Es wird jedes Kalpa aus mir jung geboren,
Die Felsen erschüttert mein Erdlichterklimmen,
Aus Seelenschluchtthoren zu Mutterleibsohren
Verkünden mein Kommen komethafte Stimmen.
Vernehmt meine heutige Seelenverheißung:
Die Wabe in mir, die ich machtvoll entfalte,
Verspricht Euch die herrlichste Lichtschmerzentreißung
Und schließt manche Scharte und Taggattungsspalte.
Es kann Euch der Hase der Umwelt versöhnen,
Denn jetzt bleibt die Wabe den Erdkindern nahe,
Kein Opferthier soll je zum Sonnengott stöhnen,
Damit sich das Fatum der Tagkraft bejahe.
Ganz schonungslos dürft Ihr nun keines mehr tödten,
Das Lebensleid sollt Ihr gemeinsam verneinen,
Das Weib, das mich jetzt ohne Schmerzschrei und Nöthe
Gebar, aber darf Euch noch unrein erscheinen.
Auch wird meine Mutter nach knapp sieben Tagen,
Nachdem sie mich sichtbar zehn Monde getragen,
Als unbefreit sterben, und weitere Plagen
Erwarten das Weib, doch laßt mich das sagen:
Nach mir kann dereinst sein Befreier erstehen,
Das Jungfrausymbol bleibt auch dann noch erhalten,
Das Kind aber wird mit entsetzlichen Wehen
Den Leib seiner schreienden Leidmutter spalten.
Das Weib jedoch wird dann am Leben verbleiben
Und sehn, wie die Menschheit den Erdheiland peinigt,
Ein Opferlamm nochmals sich willig entleiben,
Das Weib aber dann mit dem Manne vereinigt.
Die Wabe muß stumm um den Lichtaltar wallen
Und langsam den Gott mit dem Sohne vereinen:
Die Sünde dereinst auch vom Fleischgenuß fallen,
Und so sich das Jungfrausymbol selbst verneinen.
Dann werden verschiedene Mütter, vom Manne
Geschwängert, den eigenen Erdsohn gebaren,
Die Wabekraft kann einst, von Spanne zu Spanne,
Dem Tagjammer Helfer der Wahrheit gewähren.
Doch merkt es, die Wabe hilft ewig den Rassen,
Die rastlos sich aufwärts zum Lichtspender schwingen:
Und kann sie der Vater im Menschthum erfassen,
So dürft Ihr das Reich freien Friedens erringen.
Da giebt es aus Erden einst keine Verneinung:
Die Flamme wird tief in die Erdwabe greifen,
Die Liebe tritt wieder als Urlichterscheinung
Ins Dasein, zu welchem wir allesamt reifen.
Schon wartet im Norden der Hort der Befreiung:
Er schlummert im Schatzberge, Meru geheißen,
Und selbst meiner Wiedergeburt Prophezeihung
Verkündet er kühn, Völker an sich zu reißen!
So nennt mich denn Buddah und hört diese Wahrheit:
Ich werde im Dunkel der Menge verschwinden,
Mein Dasein verliert wieder langsam die Klarheit,
Mit der mich die leidreichen Menschen empfinden.
Ich gleiche dem Monde, der traurig verscheidet,
Sich selber erfüllend hingegen die Erde
Gar freundlich belächelt und Lichtschäfchen weidet,
Denn seht doch, auch ich sammle stets meine Heerde.
Bevor ich im Glanz meiner Machtpracht erstrahle,
Vergleicht mich dem Monde, in dem ich den Hasen,
Als Abbild vom sanften Verzichtideale,
Dort selbst, in verschiedenen Abnahmephasen,
Zum Abschiede, stets meinem Erdgeschlecht zeige,
Denn wißt: das Entsagungsthier hab ich mit Wabe
Dort tief eingemerzt, und ich selber entsteige,
Als Vollmondlicht, stets meinem nachtschwarzen Grabe.
Wie, gleich ich dem Vollmond? Der Mond bin ich selber!
Das Zeitleid durchbrech ich als Werth im Kalender,
Aus Herbstfeldern steig ich als reifer und gelber
Erdfruchtkern empor und belausche die Länder,
Die allesammt lang meine Nachtmacht ersehnen.
Gar pausbackig schau ich als Gautama nieder.
Als Erdgeist durchschimmere ich perlende Thränen,
Und Lichtflügel geb ich dem Erdfurchtgefieder,
Das fiebernd versucht, an der Mondbrust zu saugen.
Und seht, meine Milde entschwellt ihrer Hülle:
Mit Lichtmilch beträufle ich traurige Augen,
Und wieder verschwindet die Brust im Lichttülle,
In perlenden Schleiern und Irisgischtspitzen!
Denn wißt jetzt: ich wünsche mich wenig zu regen,
Ich bleibe, der Langlebigkeitsgottheit gleich, sitzen
Und bin drum stets lebend als Buddah zugegen.
Ich gleiche dem Monde, dem Sohne der Erde,
Der nimmer den Bruder befreit und alleine,
Voll Mitleid mit jeglicher Menschenbeschwerde,
Gar schweigsam dahinschleicht in bleichlichem Scheine.
Ich gleiche dem Monde, der Träume und Träumer
Der Erde entschmeichelt: ich kann auch die Brüder,
Die Buddahs, die schlummern, als Erdurschlundräumer,
Durch Ruhe gebären und werde nicht müder!
Ich gleiche dem Monde! Als Sohn dieser Erde
Und milder Verneiner des Sonnenrobottes,
Als Buddah, als der ich in Indien jetzt werde,
Bezweifle ich jegliches Sein eines Gottes!«
Kaum wurden die Worte von Buddah gesprochen,
So meldeten Wächter, im Festprachtgewande:
Ein goldener Vogel sei jäh ausgebrochen,
Nur weiß man nickt wo, ob im eigenen Lande,
Ob ferne im Osten, im Goldschloß der Sonne,
Ob südwärts, wo Meere der Stürme bedürfen,
Ob westlich, wo ewig die Wellen die Wonne
Des Sonnlichtes schmatzend und geilfletschend schlürfen.
Ob hoch, dort im Norden, wo Berge und Sterne
Beharren und nimmer den Wanderer bethören!
Der eine der Wächter sieht scharf in die Ferne,
Der andere kann alles was weitherstammt hören.
Sie lugen und lauschen und spüren noch immer:
Doch keiner vermag, was uns naht, zu errathen.
Da fang ich nun selbst an, in mir einen Schimmer,
Ein Klimperspiel, wie von verschiedenen Dukaten,
Genau, in der eigenen Welt, zu vernehmen.
Ich seh keinen Buddah mehr. Felstempel brennen.
Die Wesen verstecken sich, schreckhaft wie Schemen.
Und Werthe versuchen ihr Sprechwort zu nennen.
Da schlagen auf einmal unendliche Schwingen
Die Sprache der Indier, voll Pracht, auseinander:
Die Federn des Thieres sind Rhythmen, die klingen,
Doch fest, daß ihr Schallband das Weltall durchwander.
Und wahrlich, allüberall formen sich Sprachen.
Lautgruppen versuchen ihr Sein zu beflügeln
Und taumeln wie Nachen, die jäh in See stachen,
Noch auf und ab, tief zwischen Windwogenhügeln.
Der Mutterrumpf gleicht einem Glastpelikane,
Mit weiblichen Brüsten: und ist Mann und Ahne
Der Andern zugleich, und im Aufopferungswahne
Verpraßt er für Nachkommen Sprachenorkane.
Nun wird es mir klar: Indiens Sprache versprühte
Der innersten Mystik unendliche Güte,
Sobald ihre Fülle als Hymnus erglühte,
Und so im Gemüthe, den Ruhbuddab glühte!
Der Glaube, der voll aus ihr selber entstanden,
Befreit erst sein Wesen aus heimischen Banden,
Sein Flügelschlagbraus kann jetzt überall branden,
Und was ihm entstammt selbst im Ozean landen.
Und wirklich des Urrumpfes Achseln entschlüpfen
Schon allerhand Falter, die rings flugs weghüpfen,
Und einige, die flügge sind, fliehn und verknüpfen
Die Rassen, daß bald sich die Federn betüpfen.
Sonngoldene Möven enteilen dem Meere,
Damit sich der Anhang des Buddah vermehre,
Am Schwanz sitzt ein Kauz, Indiens heimliche Lehre,
Doch spürt kaum ein Goldthier die silberne Schwere!
Jetzt läßt mich die Welteinsicht wahrhaft erstaunen:
Die Sprachlaute stauten sich eben zu Daunen
Und schallen am Strande schon stark wie Posaunen,
Die Kauzart jedoch wird im Tempelgrau raunen.
Das schallt Mahabharata! Rakasch erwidern,
Als Echo, das Indieridiom in den Bergen.
Ich selber empfinde den Rausch in den Gliedern:
Und tief aus den Zwergen, die rings sich verbergen,
Verbreiten sich herrliche Lichthymnenfieber.
Der Taumel gefällt mir, denn rings tummeln Frauen,
Oh, könnte er dauern, je langer, je lieber:
Man kann nicht auf einmal das Traumgrau durchschauen.
Die zärtlichsten Winde, die Morgens liebkosen,
Ein mädchenhaft wahres und quellklares Lachen,
Dazu einen Dufthauch von Haut und von Rosen,
Das Auge der Frau, nach dem Brautnachterwachen,
Das alles erfaß ich, als greifbare Bilder:
Ein tanzender Ausbund von Jugendgestalten,
Umwirbelt mich sichtbar und schwingt immer wilder
Die Schleier zu blumenblattartigen Falten.
Und wirklich, beim Wirbeln, verwickeln die Hüllen
Sich krampfhaft, von Blumengedanken gehalten,
Sie schickten, verknüllten sich, Kelche zu füllen,
Als ob sich Dämone zu Tanzknäulen ballten.
Ein einziges Schleiergewirbel verknetet
Die Kleider zum Schlusse, und Jungfrauen hüpfen
Jetzt nackt in den Raum, wo die Priesterschaft betet.
Und wahrend die Hüllen sich bauschig verknüpfen,
Ergeben die Mädchen sich brünstig den Freiern:
Und aller Goldschutzschurz wird Pollen der Blume,
Aus plötzlich von Purpur durchglühten Brautschleiern:
Und oben hockt Schiwa im hochrothen Ruhme,
Der siegreichen eigenen Weltbildvereinung.
Sein Gluthgewicht senkt seinen Thron in die Tiefe,
Und rasch nur erfaß ich die Fiebererscheinung,
Es ist, als ob Gift aus dem Kelch übertriefe.
Ja, zwischen den Blattern liegt brunstschwül ein Panther,
Den Schiwa, sanft streichelnd, im Augenblick bändigt:
Doch tropft Schleim und Speichel ganz kurz übermannter
Thierurwuth vom Maul, wo das Reißzahnfleisch endigt,
Als Giftgeifersprudel hervor und durchrieselt
Die Blutblume, die unter Schiwa verschwindet.
Ein Stechregen, der nun ringsum niederrieselt,
Vertilgt jede Blattflamme, die sich entrindet.
Die Gluthzunge Schiwas, sein Raubkatzenauge,
Verschwinden zuletzt in der Schluftgruft der Erde,
Es scheint, daß der Gott alle Welthast aufsauge,
Denn jetzt stockt in uns jede Körpergeberde.
Die Brunstblume sinkt tief ins Innere der Seele
Des kummerlos schlummernden Tagelephanten,
Da ists, als ob Schiwa sein Kraftsein jäh stähle,
Als ob sich die Mannfasern ruckrasch anspannten.
Denn schon wälzt der weise Kolloß, wilderglühend,
Voll Brunst sich hervor, um die weibliche Erde
Mit Hast zu erfassen; lichtsprühend sich mühend,
Verschwitzt er aus Durstrausch und Auftauch beschwerde
Jetzt tausend Thaubäche, die perlend zerstießen;
Doch geht da die Nachttragpagode in Trümmer,
Das Lichtthier will nichts als den Erdleib genießen,
Es ist, als ob gar keine Weltpflicht ihn kümmer.
Der Sternbaldachin ist schon langst hoch verschwunden:
Der Purpurschabracke zerflatternde Fetzen
Zerstieben in kurzen Urbrunstlustsekunden,
In denen Thauströme die Erdstur benetzen.
Denn immernoch rieseln vom Lichtelephanten
Die Taggeilheitsbache wie Regen hernieder,
Die Perlmutterthürme mit hochimposanten
Prachtflanken, der Baubonzen Elfenbeinglieder,
Die Nachtherrschaftshallen sind alle zerfallen:
Der Tagelephant hat sie brunstwild zerschmettert:
Jetzt kann er sich platt in das Brunststeisch einkrallen:
Er wirst sich aufs Land, das er wuchtstumpf erklettert!
Doch kann mir nun Wischnu aufeinmal erscheinen;
Er thront ja mit Lackschmy, der Gattin, im Äther,
Ganz nackt, hockt er hoch mit verschlagenen Beinen,
Denn Dankgaben, Schambrauch, das alles verschmäht er.
Sein Fleisch strahlt so hell wie die Gletscher im Norden,
Wenn Rosenlichthauche sie Morgens umschmeicheln,
Sein Weib fächelt Wolken nach Blutstromakkorden:
Himalajas Eiswelt, die Stürme kaum streicheln,
Nur kann ich den Gott der Erhaltung vergleichen!
Die Gattin will ganz seine Anmuth genießen
Und wagt es, ihm prachtvolle Spangen zu reichen,
Und siehe, des Weltherrschers Füße umschließen
Bereits allerhand Glanzgeschmeide und Ringe.
Lichtkränze umwallen die Hüften und Schlafen,
Die Hände besetzen unzählige Dinge
Aus fernen, ausländischen Überseehäfen.
Die haarlose Nacktheit bleibt trotzdem erhalten:
Es läßt sie die Pracht nicht an Geltung verlieren,
Im Gegentheil trachtet das Weib, mannigfalten
Prunkgluthschmuck ums reizreiche Fleisch zu gruppieren.
Jetzt windet ein Weib sich, von Armen und Schlangen
Beinahe gebändigt, vor Wischnu in Krämpfen.
Ein Unthier, ein Jüngling, voll Brunstlustverlangen,
Versuchen gemeinsam, das Fleisch zu erkämpfen.
Das Weib aber weiß wohl sein Erbtheil zu stählen!
Geschickt wie die Schlange, entschleicht es dem Manne,
Verständig und fähig, Kampfkräfte zu wählen,
Enteilt es dem Thier, um die kleinste Zeitspanne.
Die Bestie, der Mensch müssen schnell unterliegen,
Denn siegreich erreicht jetzt das Weib beide Rhythmen,
Man sieht es den Feinden im Wirbel entfliegen
Und demüthig Wischnu sein Tanzkunststück widmen.
Die Männer, im Umkreise, athmen viel schwerer,
Da schwellende, fleischige Muskeln sie reizen.
Das Weib aber fühlt nun den Hauch der Verehrer
Und greift, wie um plötzlich mit Schönheit zu geizen,
Jetzt schamhaft zum Knie, um die Schenkel, das Becken
Verlegen mit Flechten gerecht zu verstecken:
Da stockt und da stockt nun der Odem der kecken
Gesellen und fängt an, das Weib zu bedecken.
Nun tanzt es auch wieder im wolkigen Hemde,
Und perlender Thau übersprüht seine Glieder,
Da wirbt und da stirbt jetzt ein Prinz aus der Fremde,
Und siehe, das Weib kriegt ein purpurnes Mieder!
Es tanzt noch, und Rosen, die fruchtlos verwehen,
Entsenden der Tänzerin duftmüde Hauche,
Die kann sie, beim Wirbeln, zu Blutschärpen drehen,
Und braucht sie symbolisch, beim landläufigen Brauche,
Die Scham vor den Menschen der Gottheit zu weihen.
Es scheint, daß ein Schleier ein Weib trefflich rüste;
Die Priester jedoch, die sich rings umherreihen,
Betrachten gar lüstern der Tänzerin Brüste.
Die Gluthblicke bleiben sogleich daran haften.
Im Nu überfunkelt ein Panzer den Busen,
Und Männer, die brunststarr die Nacktheit begafften,
Versuchen das Weib nun mit geilen, konfusen
Versprechungen dennoch zum Fall zu bewegen.
Das Weib aber kann jede Antwort verweigern,
Leicht lächelnd den Kriß in die Zahnklemmen legen
Und wieder den Wirbeltanz unbändig steigern.
Ein Glastpanther trägt dann das Mädchen im Panzer
Auf einmal davon, zu Verwandten und Ahnen,
Und Nachtelephanten und Grausfirlefanzer
Zerstampfen mit ganzer Gewalt die Brahmanen.
Die Nautsch knautschen laut und die Tagdewas spotten,
Um Nachdruck dem grausamen Rausch zu verleihen,
Und abermals lausch ich aufs Echo der Grotten
Und hör Zakhasch laut Mahabharata schreien.
Theodor Däubler