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Gedichte: Tragik

2.709 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedichte, Lyrik, Poesie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte: Tragik

13.01.2013 um 19:36

Burg Klam

Ich ließ im Schatten einer Allee
mich nieder auf eine Bank
und bewunderte die hehre Burg Klam
vor mir am Horizont.
Es rauschte in der Abendsonne
hinter mir leise das Wiesengras.
Ein Eichkater huschte
durch die Äste eines alten Alleebaumes,
und im nahen Wald erklang das Kuckuckslied.
Ich war auf einem wunderschönen Platze,
allein mit Gott und seiner wunderbaren Welt.
Jedoch ein gellender Gewehrschuss
herab von einem Hochstande
zerriss die Stille jenes idyllischen Moments,
riss mich heraus aus meinem Traume.

© Franz Christian Hörschläger




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Gedichte: Tragik

13.01.2013 um 19:39

Die Gefangene der Burg Nideck

Nach Reiner's französischer Ballade.
Aus Nid eck's alten, festen Zinnen,
Beim Wassersturze kühn erbaut,
Wo heut' noch moosige Ruinen
Einsam der Wandersmann erschaut,
Erschien oft, sank die Nacht hernieder,
Ein Mädchen, hold und wunderschön;
Der Lüfte wogendes Gefieder
Trug fernhin dann ihr Klaggetön!

Hart war das Loos der holden Dirne,
Gefangen schmachtete sie hier!
Ein Freiherr, alt, mit frecher Stirne
Bekannte schnöde Liebe ihr.
„Wer wird die arme Jungfrau retten"!
— Klagt sie mit thränenfeuchtem Blick —
„Brecht, Ritter, brechet meine Ketten"! . . .
Doch nur das Echo ruft zurück. —

Der biedern Kämpen ehr'ne Schilde
Erblickst du nicht, du arme Maid!
Denn Palästina's fern Gefilde
Bewundert ihre Tapferkeit.
Dort, unter Richard's * heil'gen Fahnen,
Bekämpfen sie des Sultans Macht;
Kannst drum nicht den Geliebten mahnen,
Kein Knappe frohe Kunde bracht'. —

Konrad, in seinem Felsenneste,
Trug der Gefangnen frommen Sinn,
Die nichts von dem Verlobungsfeste
Will hören — Monden schwanden hin.
Beim Becher sucht der Minnevolle
Gern süßen Trost, trinkt manchen leer.
Daß Ida keine Lieb' ihm zolle,
Drob staunt der arge Wüstling sehr.

Oft, auf des Schlosses hohe Warte
Stieg Ida still, beim Mondenschein,
Beweinte dort ihr Loos, das harte,
Mit ihrem Kummer ganz allein.
Die liebe, thränenfeuchte Laute
Klang wundersam in ihrer Hand,
Bis fern im Ost der Morgen graute
Sang sie der Lieb', dem Vaterland.

Der Lieder zauberreichen Klängen
Lauscht gern der schlichten Hirten Ohr,
Der frommen Schä'f'rin Seufzer drängen
Zur Dulderin sich still empor!
Und wenn Aurorens rosig Lächeln
Auf die Vogesen sich ergoß,
Dann trug des Zephirs sanftes Fächeln
Die Klage weit vom Felsenschloß. —

Ein Zug geputzter Zunggesellen
Folgt' einst, an einem Frühlingstag,
Gen Haslach's heiligen Kapellen
Den anmuthsvollen Iungfrau'n nach.
Um jeder Dirne weiche Locke
Schlang eine Blume sich, ein Band,
Und der Vasall, im Sonntagsrocke,
Hat sich zum Kloster hingewandt.

Der Klosterkirche weite Hallen
Sind reich und königlich geschmückt,
Und alles Volk, mit Wohlgefallen.,
Des Freiherrn Wappen drin erblickt.
Und frisch bemalt sind alle Stühle,
Vergoldet prangt der Schutzpatron,
Umringt von wogendem Gewühle,
Gleich einem Herrscher auf dem Thron.
Und Nideck's hohes Schloßgebäude

Krönt Konrads glänzendes Panier,
Verkündet flatternd in die Weite:
„Heut zum Altar ich Ida führ'!"
Die Thalbewohner ängstlich fragen:
„So wär's dem Freiherrn doch geglückt?
„Er spottet Ida's lauten Klagen,
„Und hat die Arme fest umstrickt!..."

Schon steh'n die frommen Kloster-Brüder
Im Fest-Ornate dort im Chor,
Der Orgel Töne schallen nieder
Und Weihrauch duftet hoch empor.
Seht! unterm hohen Kirch-Portale
Erwarten Sänger 's Hochzeit-Paar;
Und der Herr Abt, nicht ohne Galle,
Weilt nüchtern vor dem Hochaltar.

Man seufzt ob diesem langen Harren:
„Gewärmt muß wohl das Essen seyn!
„Will Konrad uns am Ende narren,
„Und lasset anderswo sich frei'n?"
Anton, der in der Küche waltet,
Der brummt voll Unmuth, lärmt und tobt,
Daß nun die Mahlzeit ganz erkaltet
An der er seine Kunst erprobt. —

„Wo bleibt die junge Braut so lange?
„Warum kommt wohl der Bräut'gam nicht?
„Die Glocke hat, mit hellem Klange,
„Sie längst gemahnt der heil'gen Pflicht!" —
Des Brautzug's harret man vergebens,
Nicht Bräutigam, nicht Braut erscheint;
Mög', Ida, mög' der Herr des Lebens
Dich schützen vor dem bösen Feind! —

Stets, edle Frauen, wollt ihr wenden
Vom Mann die Schmerzen liebend ab;
Und oft, mit grimm'gen Räuberhänden
Höhlt er euch früh des Glückes Grab!
Unschuld'ges Opfer wilder Triebe,
Du fromme, stille Dulderin,
Du überlebst nicht deine Liebe,
Nie soll das Glück dir freundlich blüh'n!

Ha! seht ihr dort des Freiherrn Knappen?
Er kommt auf's Kloster angesprengt!
Wie stachelt er den wilden Rappen!
Was ist's das ihn so mächtig drängt?
Jetzt steigt er ab, eilt durch die Thüre,
Reicht einen Brief dem Abte hin.
Stürzt wieder fort, mit Sporngeklirre,
Sein Aug' ist naß, die Wangen glüh'n!

Was war's?... Ich kann es euch nicht deuten;
Doch öde ward's am heil'gen Ort,
Der Todtenglocken dumpfes Läuten
Klang schaurig durch die Thäler fort.
Das Kloster Grabgesang erfüllte,
Verschwunden war des Brautfest's Pracht,
Und Konrad's alte Wappenschilde
Hat man nach Nidcck heimgebracht.

— Seit jener rätselhaften Stunde
Ertönt nicht mehr der Laute Klang,
Nicht mehr aus der Gefang'nen Munde
Der seelenvolle Klaggesang.
Weit von des Friedhofs heil'ger Stätte **
Ein schwarzes Todten-Kreuz man fand,
Tief in des Forstes grauser Oede,
Auf dem der Name: Ida! stand.

Georg Daniel Hirtz



* Eine große Anzahl elsäßischer Ritter und Herren nahmen im Jahr 1189
das Kreuz, und schlossen im gelobten Lande an König Richard sich an.

** Man begrub zu jener Zeit diejenigen nicht in geweihter Erde,
welche selbst das Leben sich nahmen. Allein öfters noch beraubte
man auch solche eines christlichen Begräbnisses, welche das Opfer
einer zügellosen Leidenschaft, oder einer grausamen Eifersucht
geworden, und deren Henker wünschen mußten, daß sie in Vergessen-
heit fallen möchten.




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Gedichte: Tragik

13.01.2013 um 19:40

Ballade von Burg Buchenried

Ich war auf einen Berg gestiegen
und sah die alten Mauern liegen,
von denen viele Mären sungen:
Ein Werk stand hier, des‘ Bau gelungen.

Hoch oben auf des Berges Rücken
bot ein Meisterstück den Blicken,
was an Harmonie den Geist erhebt,
selbst wenn um ihn die Erde bebt.

Und jeder, der mal drin gewohnt,
wurd mit Erinnerung belohnt.
Die gab dann Kraft und war stets da,
wann irgend Böses ihm geschah.

Doch bot die Tür sich fest verschlossen,
zeigt sich ein Gast darob verdrossen,
dass er so weit erst wandern musst‘,
um zu erkämpfen Höhenlust.

Der mochte dann an Türen rütteln,
da half auch nicht das kräft´ge Schütteln.
Der Eingang zeigt´ sich eisenfest,
Das gab dem Gast den letzten Rest.

Das Schlimmste kam dann nach paar Stunden,
die Burg war weg, einfach verschwunden.
Er mochte schreien, lange stehn.
Die Burg war weg, nicht mehr zu sehn.

Fragte man im Tal ihn dann:
"Wie fand´st du´s oben, lieber Mann?"
Dann konnt‘ vor Zorn er nur noch brummen:
"Bin auf euch reingefall´n, ihr Dummen!"

Doch mitunter kam verklärt
jemand, der die andern lehrt:
"Ich kann nur immer wieder loben
dieses wunderbare Schloß dort oben!"

Was hat sich dort nur zugetragen?
Keiner konnt´s dem andern sagen,
denn jeder kam aus fremdem Reich,
und nur im Schloß war´n alle gleich.

So bin ich selbst hinaufgegangen,
um dort die Antwort einzufangen.
Im Mauerrest setz ich mich nieder,
saug tief in mich den Duft von Flieder,

fühl mich erwartet - als Besuch -
und plötzlich liegt vor mir ein Buch,
gleich vorgezog´nen Gastgeschenken ...
Jedenfalls ist so mein Denken!

Mir durch die Finger gleiten Seiten,
die chronikhaft die Sicht geleiten,
um mich im Inneren zu lehren,
und mich Vergang´nem zuzukehren...

Der Bauherr, der den Plan ersann,
als erstes mit dem Platz begann;
und ihm - gewiß war er kein Tor -
schwebt gleich die Himmelsnähe vor.

Von Engelchen auf Wolke Sieben
ist allerdings nicht viel geblieben.
Und zum Wolkenkuckucksheim
fiel ihm auch nichts Rechtes ein.

Jerusalem als Doppelraum,
das war wohl eher schon sein Traum.
So ein Bau aus Sonnenstrahlen,
den begann er aufzumalen.

Und dann setzt er Strahl auf Strahl,
verfugt, fügt an und jedesmal,
sieht er etwas neu gelungen,
ist sein Dankeslied erklungen.

So strebt hinan voll Harmonie
die Burg durch Klang und Poesie
und des Berges höchster Rücken,
konnt‘ vor G´tt und Mensch sich schmücken.

Als "Buchenried" in Stadt und Land
wurd dieser Bau bald weltbekannt,
und an ihres Schmuckes Schätzen
fand ein jeder Gast Ergötzen.

Und jedem wurd‘ dank eignen Raumes
die Erfüllung seines Traumes.
Ein jeder fand zur vollen Fülle
in eigner Zelle heil´ger Stille.

Doch plötzlich kam zum heil´gen Berg -
ich glaub sogar, es war ein Zwerg -
der motzte auf, man hört ihn schrei‘n:
"So´n Kämmerchen ist mir zu klein.

Ich brauche meine Zuhörgruppe,
alles andre ist mir schnuppe,
wo soll‘n denn meine Fans hier sitzen,
wenn meine Kunst sie bringt zum Schwitzen?"

Gesagt - getan, ein Zwerg, ein Schrei,
ein zweiter folgt, dann waren‘s drei -
So kam‘s zur Stunde namens Ix
zur ersten Runde schon sehr fix.

Die eine Wand wurd‘ eingeschlagen,
die erste Gruppe, sie kann tagen...
und wurd‘ im nächsten Raum gehört,
was allerdings die Klausner stört.

Die wiederum komm´n erst zur Ruh,
legen sie sich Verstärkung zu.
So bandelt jeder Band zu Band,
bis schließlich keine Wand mehr stand.

Es gab nun einen Riesenraum,
und da war´s aus mit jedem Traum.
Man brüllte, raunzte, schrie und stieß;
es entwickelt sich zum Schlossverließ.

Mancher lief nach läng´rem Trauern
fort aus ehmals heil‘gen Mauern.
Doch die Zwerge, wie berufen -
verschmieren Schmutz auf gold´nen Stufen.

Da plötzlich spinnt sich Schriftzugs Rand
als Menetekel auf die Wand
und es erschallt als dumpfes Muss
der Huf vom Pferde Pegasus.

Der Einheitsdom wird nun gereinigt,
und eh jemand darin gesteinigt,
wird die Burg der Sicht entzogen
aller, die zu leicht gewogen...

Begrüßt jedoch wird jeder Gast,
der behutsam nach der Klinke fasst.
Sie läßt sich ganz leicht niederdrücken;
so entsteht ein Wohlentzücken...

Ich schrecke auf, was ist gescheh‘n:
Ich seh‘ die Burg hoch vor mir steh‘n,
und Rosen ranken allerwärts.
So freudig klopft mir jetzt das Herz.

Ein Wasserfall - es tönen Lieder -
Die Klinke springt von selbst fast nieder...
Ich trete ein in heil´gen Raum;
bin ich denn wach, leb ich im Traum?

Geliebter, du trittst mit mir ein.
Gleich, ob ´s Sein ist oder Schein...
Im Morgenrot wird sich erweisen,
Burg Buchenried geizt nicht mit Preisen.

© Tilly Boesche-Zacharow




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Gedichte: Tragik

13.01.2013 um 19:42

Das Zauberschwert

In eines wüsten Schlosses Hallen
Lag eingesperrt,
Bewacht von eines Drachen Krallen,
Ein Zauberschwert.

Schon mancher suchte es zu heben,
Vergebens doch,
Der Drache machte alles beben,
Im finstern Loch.

Bis doch ein Paladin aus Franken
Vorm Schlosse hält,
Der oft schon kühn zerbrach die Schranken
Der Geisterwelt.

Der Wagling eilt mit kühnem Mute
Zum finstern Grab
Und steiget rasch mit kühlem Blute
Den Gang hinab.

Er kömmt zur Gruft. Der Drache brauset
Vom Nest hervor,
Des Ritters Damaszener sauset
Dem Vieh ums Ohr.

Sein Rachen glüht im Feur und Dampfe,
Sein Brüllen gällt
Durchs Schloß, bis doch, nach langem Kampfe,
Das Untier fällt.

Das Schwert durchbohret seine Seite.
Nach seinem Fall
Nimmt unser Ritter hin, als Beute,
Den Zauberstahl.

Nun mähet, gleich den fleißgen Schnittern
Im Ährenmeer,
Er unter allen schwachen Rittern
Der Welt umher.

Doch endlich kam ein tapfrer Fechter,
Des Stimme schallt
Dem ewig nimmer müden Schlächter
Ein donnernd »Halt!«

Sie fechten. Doch im Kampf zerschellet
Der Talisman;
Und, ach! der fremde Ritter fället
Den Wundermann.

Ihr, die, die Rel'gion zu schänden,
Sophismen lehrt,
Merkts euch! Ihr führt mit frechen Händen
Das Zauberschwert.

Zwar werden manchesmal die Schwachen
Von euch besiegt;
Doch muß der Weise euch verlachen,
Den ihr bekriegt.

Franz Grillparzer




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Gedichte: Tragik

13.01.2013 um 19:44

Das Schreckbild

König Erich zog wohl auf und ab,
er traf an ein mächtiges Hünengrab.

Wer wälzt mir vom Grabe den schweren Stein?
Drin ruft es, als litt es viel grimmige Pein.

O Herr, nicht gut ist´s in Gräber zu schaun;
drin wohnet Entsetzen und finstres Graun;

drin sitzen die Geister mit grimmigen Blick
und halten verborgene Schätze zurück.

Die Geister zwinget mein Zauberschwert,
den Eingang lassen sie unversehrt.

Da regt sich der Stein von der Männer Gewalt
und es öffnet sich langsam ein finsterer Spalt;

und es öffnet sich weiter das finstre Tor,
ein greuliches Schreckbild drängt sich hervor.

Bleich ist es zu schaun wie der bleiche Tod,
von triefendem Blut sind sie Wangen rot.

Die Glieder sind zitterndes Totengebein,
und moderne Tücher hüllen sie ein.

Und der König entsetzet sich ob dem Gesicht,
da hebt es die Hände empor und spricht:

O König, wende dein Auge nicht ab!
Ein Lebender bin ich, doch wohn ich im Grab;

Mein Nam´ist dir und den Helden bekannt,
Asvit ward ich einst im Ruhme genannt.

Da staunt der König, es staunt das Heer:
Asvit, sie kamst du ins Grab hierher?

O König, ich schloß den Freundschaftsbund
auf Tod und Grab mit dem Held Asmund.

Wir trugen zusammen die Freud´und das Leid
wir fochten zusammen den heißen Streit.

Und als Asmund zu sterben kam,
seineRoß und Hunde er mit sich nahm.

Seine Roß und Hund´und das beste Kleid
und ich folt ihm ins Grab nach meinem Eid.

Die erste Nacht und den ersten Tag,
beweinend den Toten, ich trauernd lag;

Den zweiten Tag und die zweite Nacht
ergriff mich brennend des Hungers Macht;

Am dritten wühlt ich in Roß und Hund;
doch graute vor solcher Speise dem Mund;

Am vierten erlag ich der gräßlichen Qual,
ich schwelgt in dem blutigen Leichenmahl.

Das störte den Toten in finsterer Nacht
und der moderne Leichnam Asmunds erwacht.

Gewendet war seine Lieb und Haß,
seine Stimme war grimmig, sein Blick war graß.

Er stürzt auf mich in entsetzlicher Wut,
er saugt aus den Gliedern und Wangen das Blut;

Aus Lippen und Mund er den Atem mir saugt
und Grabesluft in die Brust mir haucht.

Allnachts mit dem Toten der Lebende rang
und doch nimmer die morschen Gebeine bezwang.

Drum sind meine Glieder wie Totengebein,
und moderne Lumpen hüllen sie ein.

Da sprach der König: Du treuer Mann,
deinem Schwur hast du wahrlich genug getan.

Der Lebend´ge sich nicht zu den Toten gesellt,
dem Toten der Lebende nicht gefällt.

Nun sollst du des Königs Gefährte sein,
und den Toten verschließe des Grabes Stein.

Johann August Apel




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Gedichte: Tragik

14.01.2013 um 15:29

Messina im Mörser

Aus meinen Gedanken der Groll nur schwer flieht,
Seht, die Erde geriet ins Wanken, die uns tragen soll.
Ihre Steine wurden lebendig, wie wilde Pferde, und toll,
Daß die Welt ihre Gräber weit aufspringen sieht
Und Schlafende und Wachende als Staub in den Staub zieht.

Aus einer Stadt wurde schnell ein Skelett, das will kippen.
Das Meer schoß groß von der Stell' und machte sich an Menschen fett.
Die geordneten Straßen zerbiß es zu Höhlen und Klippen;
Und manches Meerschiff warf es ans Land wie ein Brett.
Ein tausendfacher Schrei aufstand, der jetzt ewig dort Hilfe ruft;
Jedes Haus brüllte als Massengrab, jede Gasse als Massengruft.
Und nie mehr schweigt dort die Luft, auch wenn sie sich still zeigt,
Dort, wo endlos ein unendlicher Schmerz auf der gespanntesten Saite geigt

Wer schüttete über unsere Gesichter diese Tränen ohne Mut?
Wer tat eine Stadt in den Mörser mit Wutgebärde?
Wer zerstampfte schlafende Menschen zu Mehl und Blut?
Ist es dieselbe, die uns wohl tut, dieselbe Erde?

Wir erwachen und sehen die Wände sich spalten,
Die Sterne, die blauen, erscheinen, wir schauen in einen Rachen.
Wir stürzen, und die Hände, an die wir uns halten,
Werden Knöchel eines Toten, daß wir wahnsinnig lachen
Und unser Gelächter endet im Schmerzgeröchel.
Die Erde selbst spielt den blutigen Schächter,
Und das viele Blut weiß nicht, wohin es will.
Die Sonne erscheint, aber wer weiß, was sie tut?
Die unter den Steinen liegen jetzt totenstill.
Glaubt die Sonne, die Toten wurden gerechter?
Die Sonne beklag' ich, wenn sie zu richten meint.
Ein ewiger Tag ist an ihre Scheibe gemauert,
Daß man die Sonne erstaunt anweint,
Die trostlose, die ewig glückselig weiterscheint.

Von der mütterlichen Erde zertreten, daß die Menschheit erschauert,
Nicht länger, als ein Vaterunser dauert, starb eine Stadt.
Lebewohl, Messina! Du sei von allen Städten betrauert.
Lebewohl, Messina! Du, die wie wir auf die Erde vertraut hat.

Nicht bewichtigen kann die Morgensonne im Höhersteigen,
Sie will dem Schrecken den Weg hell zeigen.
Sie läßt Rauch und Feuer das Blut belecken
Und will ein neues Ungeheuer, das Tagesgrauen, erwecken.

Sieh, die totesten Dinge haben sich als Folterknechte aufgestellt,
Spielen noch ihr Totenspiel, als die Sonne ihr Licht hinhält.
Es hat ein Balkongitter sich zur Kralle verwandelt,
Wurde meuchlings zur Menschenfalle, hat zugegriffen und wie lebend gehandelt.
Es wurde zum Eisenungeheuer, hält am Fuß eingezwängt ein junges Mädchen schwebend,
Die hängt kopfüber herab am Gemäuer, wie an krummer Gabel über dem Feuer.

Sie fegt die Luft mit den Haaren, wie ein Pendel bewegt,
Und gleichmäßig ihr Kopf an die Mauer anschlägt.
Ihr Geschrei gellt, als will sie die Totenscharen, die zerschellt sind, aufwecken,
Die nackten Toten, die im roten Straßenpflaster stecken.
Hinauf reicht niemand zu ihr, die Kopfüberhängende befreit keine Hand,
Bis sie nach Stunden als kalte Masse todstill wie die Gasse stand.
Der verrenkte Balkon im Morgenlicht sich grausig als Grimasse aus Eisen gefiel.
Denn alle sonst toten Dinge waren Dämonen geworden
Und Spielten ohne Verschonen ein Totenspiel.

Sonne! Kehrst du nicht um? Kehr zurück nach Osten!
Wieviel Seufzer muß dich dein Morgenweg heute kosten.

Sieh, das rote Menschenblut kommt breit gegangen
wie aus Blut eine Sündflut.
Es rennt im weißen Kalk, stumm wie viele rote Schlangen, an den Wänden herum
Und sieht sich mit langen Fangarmen auf den Haustrümmern um.
Man könnte wähnen, es trieft nach der Menschenjagd
den Steinungeheuern Blut aus den Mähnen.
Die zerrissenen Häuser, die gleich Mäulern gähnen, zeigen
gerötetes Balkenwerk gleich blutigen Stoßzähnen.
Und es irren die Blutströme vogelfrei, wie auf Schlachttischen, auf die Gassen;
Vielerlei Blute mischen sich, auch die Blute, die sich hassen.
Und Blut, das im Leben nie geruht, sich auch im Tode keinen Einhalt tut,
Will hinstreben zum Leben, das ihm Liebe gegeben,
Und nach der Mutter sucht Kinderblut.

Ein Weib, vom Schutt halb bedeckt, auf den Rücken gestreckt, unter Balkengewalt,
Liegt mit roter Maske im weißen Kalk, vom Blut rot bemalt,
Unter warmen Blutbächen, die über ihr aus zerborstener Zimmerdecke brechen.
Das Blut rennt immer noch heißer herbei, immer geschwinder, als will's zu ihr sprechen,
Das Blut ihrer sterbenden Kinder, das zur Mutter hin will, auf die Mutter herab
Und dem Weib ins Gesicht. Ein jeder Tropfen ihr Abschied gab,
Bis sie allmählich dann fühlt, daß das Blut sich kühlt,
Und sein Strom wird schwach, aber steht noch nicht still.
Und der Söhne Blut hat, noch kalt nach Stunden,
Den Weg ins Gesicht der Mutter gefunden.

Und du, Sonne, gehst golden und jung wie immer
Durch die dachlosen, blutgetränkten Zimmer!
Die sind aufgebrochen wie hohle Nußgehäuse,
Und drinnen liegen bei verwelkten Menschen noch unverwelkte Blumensträuße.
Du, Sonne, siehst Geretteten nach, aber kannst die nicht mehr locken,
Die als Wahnsinnige auf verkohlten Balken wie Gespenster hocken.
Nacht nicht und kein Taglicht kann die mehr kümmern.
Die sind nur noch Schatten und suchen Menschen unter den Trümmern.
Sonne, du kannst diese Gesichter nicht mehr beglänzen mit deinem Brand.
Du fällst aus ihren Mienen heute ab wie der rieselnde Sand.
Diese Gestalten werden nie mehr hell in deinem alten Licht erscheinen.
Sonne, warum lernst du vor diesen nicht heute das Weinen.
O Sonne, sollen dich Menschen noch lieben, mußt du dich heute umnachten,
Mußt du, wie ein Menschenauge, diese Stadt durch Tränen betrachten.

. . . Und die Sonne ging unter. Und Sturzregen fiel über Regen.
Sieben Tage beweinte der Himmel Messina auf den zertrümmerten Wegen.
Und draußen das Meer gab langsam die Toten wieder her.
Aber drinnen die Stadt blieb totenleer, soviel auch mancher hineingerufen hat.
Es fragten nur kreuz und quer die Steinhaufen:
Wer ruft? Wer will mit uns raufen?
Dann kamen die Helferscharen mit Bahren, mit Verbänden gelaufen.
Aber wer fand vor dieser Hydra von Unglück in seinen Händen ein Retten,
Auf diesen Stätten, wo immer ein Töten hinter dem andern Töten aufstand,
Ein Verstümmeln, ein Ersaufen, ein Verbrennen, Stück um Stück,
Daß die Pestgerüche der Kadaver fortrennen wie stinkende Boten über das Land
Und melden: Hier ist Totsein, Glück und Weiterleben ein Unverstand.

Die Sonne kam wieder und hat ihren Weg nicht unterbrochen.
Sie geht über Balken, die zerschlugen einem jungen Weib Glieder und Rückgratknochen,
Und unter Gegreine ist von der toten Brust der Säugling fortgekrochen.
Der rutscht herum und tappt wie im Dunkel im Sonnenscheine
Hin zu den Bächen voll Blut, und Pflastersteine säugen das Kind.
Steine Säugen mit Blut, als ob da Bäche voll Muttermilch sind,
Als ob der Rindermund an lebenden Brüsten ruht.
Und das Kindlein schläft ein, genährt und gesättigt vom blutenden Stein.

Du, Sonne, du solltest heute ein blinder Totenkopf sein,
Ohne Augen, aus Knochen, eine Klippe bloß,
Daß sich dein Licht nicht geschändet und machtlos fühlt,
Wenn vor seinem Angesicht so viel Menschenwärme
an einem Tag endet und verkühlt
Und eine ganze Stadt voll Därme und Gerippe zum Himmel hinsteht;
Wo ein einziger Augenblick so viel Unschuld erschlagen hat, daß aller Menschenmut vergeht.
O daß deine Mittagsscheibe sich nicht wendet und dunkel werden mag!
Ungeheuerliche Sonne, hast du kein Herz im Leibe für diesen grimmigen Sterbetag?
Du willst nur weitergehen wie immer, sorglos und heiter;
Magst niemand beistehen, bist nur des Unglücks lachender Begleiter!
Du begegnest einem dort, der irrt schon acht Tage durch zerbrochene Kammern.
Er wird nicht von Hunger, Schlaf und nicht vom Verwesungsgestank verwirrt.
Er behorcht jene Mauern, in die seine schlafende Braut versank.
Er muß sich an Leichen, als wären sie Freunde, anklammern.
Manchmal glaubt er, daß er die Liebste hört, daß ihr Lachen girrr,
Aber es ruft aus der Mauernstille nur sein Wunsch und Gedank'.
Endlich, am neunten Tage, fällt er um und schläft ein.
Doch seine Sehnsucht nicht mit in den Schlaf versank,
Und ein Traum führt ihn in Ruinen hinein,
Zeigt ihm das Versteck und die Braut.
Und er erwacht, geht hin in der Nacht
Und hat seinem Mädchen das Leben gebracht.
Du, Sonne, hast nicht geleuchtet dabei!
Der Verliebte hat durch die Nacht geschaut.
Du, die uns immer ein ganzes Leben voll Licht verspricht,
Du scheinst tags, aber warum erleuchtest du die Nächte der Elenden nicht?
In den Straßen der Reichen, die dir, Sonne, an Glanz gern gleichen,
Liegen zweier Fürstinnen halbnackte und verstümmelte Leichen.
Nur ihre gestickten Kronen am Seidenhemd unversehrt erschienen,
Aber keiner erkennt mehr ihre ausgebrannten Augen, die einstigen Kronen ihrer Mienen.
Sonne, willst du tagaus, tagein weiter jetzt auf den Trümmern hier thronen?
Täglich treffen mit den Verwünschungen auch neue Aasvögel ein.
Willst du mit den schwarzen Wolken der kreischenden Raben zusammenwohnen?
Wie hungrige Gewitter fallen die Raubvögelscharen in die Ruinen hinein!
Ach, auch die Tiere können Mithelfer sein. Sonne, sieh in den Keller hinein!
"Maria, Maria," rief es, "Maria!" Und man rollte zur Seite Bretter und Stein.
Und dann hat man gelacht und einen grünen Papagein an den Sonnenschein gebracht.
Aber der ließ nicht ab mit Schrei'n. "Maria, Maria,"' rief der Vogel ohn' Ende.
Und vorsichtig grub man und bekam ein ohnmächtig Mädchen unter die Hände,
Die Herrin des grünen Papageien. Also tat ein simpler Vogel einen Menschen befreien.

In ewigen Litaneien könnten weiterschreien der Ruinen Legenden.
Ohne zu enden, müssen Schreckensgedanken mein Gehirn wie Verstümmelte umwanken.
Wer brüllt dort, ein Mensch oder Tier? Kaum mein Auge mir noch zu gehorchen sich traut.
Dieser Laut ist der schrecklichste schier, daß es dem Aug' vor dem nächsten Blick graut.
Bis ich endlich, ohne gleich zu verstehen, ein alt' Weib schreiend gesehen,
Dem schien eine Hand abgehauen, und scheue Menschen die brüllende Alte umgehen.
Zugleich entflieht eine Katze, fortsprinqend mit fahrigem Satze über die Trümmerwand.
Die Alte droht ihr mit der einzigen Hand, wo sie ging und stand wie besessen.
Denn jenes Weib lag begraben, und die Katze mit ihr,
Und am Verhungern waren Mensch und Tier,
Da begann die Katze, die bei der Eingeklemmten gesessen,
Die Hand der Alten zu fressen.
Die muß still halten. Und dieselbe Hand, die jene Hauskatze genährt,
Wurde vom hungernden Tier noch am lebenden Leibe verzehrt.
Ein Tier den Tod abwehrt, ein Tier mehr Qualen als den Tod beschert.
Wo bleibt, Sonne, dein fröhliches Licht, wenn der Schauder des Hungers spricht?
Ich sperre meine Tagaugen weit auf, und, Sonne, ich sehe dich nicht.

Sonne, rufe alle deine Sänger, alle Jahrtausende, die gedichtet!
Zeige ihre Abenteuer, ihre Sehnsuchtslieder, ihre Tragödien, aufgeschichtet,
Kein Scheiterhaufen aus Schmerzen war je so hoch und breit errichtet
Als in Messina, das zerbrochen liegt unter deinem Herzen.

Was antwortest du mir, heilige Madonna, die sie anflehend über den Schutt forttragen
Unter Gebeten, Klagen und mit geretteten Kirchenfahnen wehend?
Betrunkene Messiner hätten am Weihnachtsabend dein Christkind getreten und zerschlagen.
Drei Tage hast du dann noch, Madonna, die Stadt geschont,
Aber am vierten die Stadt der Verirrten wie einen verruchten König entthront.
Als man um Mitternacht in den Weihnachtsstraßen
den goldenen Bambino gezeigt,
Da sprangen betrunkene Spieler aus einer Schenkentüre,
Stießen Verwünschungen aus, Flüche und Schwüre.
Die Menge sieht zu und lacht und geigt,
Und die Besessenen reißen das Christkind empor im Gedränge.
Entsetzt auf den Lippen das Mettenlied schweigt.
Und sie haben die goldene Kinderpuppe zerfetzt unter Gelächter;
Zeigten sich wie du, überstarke Sonne, als aller Leiden Verächter,
Wollten nicht, daß das Mitleid das Kreuz besteigt.
Doch ich frage dich, Madonna, die sich gnadlos gezeigt:
"Macht das Sterben die Betrunkenen gerechter?"
Wimmernde Prozessionen tragen dich jetzt, Madonna,
du Schimmernde, über Trümmer und Schlacken.
Und die da beten und Kreuze schlagen, sie wollen
nichts retten, gehen gehüllt armselig in Laken,
Als ob sie all ihre Habe und all ihr Glück in ihrer bloßen Nacktheit tragen
Und reicher geworden sind und nichts zu wünschen hätten und nichts mehr vom Leben erfragen
Und sich nur ums Beten scheren, als ob sie damit ihre Herzen und ihren Magen ernähren.


Sonne, deine Weingärten brauchen hier keine Blüte mehr zu schlagen,
Deine Granatäpfelbäume und deine Brotfelder keine Früchte mehr!
Nahrungslos und nur von Schmerzen genährt, liegen hier die Menschen, die Sonne verachtend, umher,
Denn wie ein gefräsiger Heuschreckenflug Leid bei Leid hier einschlug
Und fraß die Menschen wie Halme weg. Und den es vergaß,
Dem drückt es ein Aas in den lebenden Arm,
Der liegt warm unter Leichen und muß die lebende
Bahre sein für den Totenschwarm.
Sein Haar wird erst grau von der schrecklichen Totenschau
Und dann vom Blut rot, das ihn zu begraben droht;
Denn es hält sich reich und arm hier, kalt geballt
Zu einer einzigen Leichengestalt.
Und will einem das Schicksal höhnisch gut, verlängert es langsam die Qual,
Legt ihn, mit Brot versorgt, in den Totensaal
Mit einem Lebensrest, den ihm ein Teufel borgt.
So traf es einen Graf, der aus dem Schlaf zur Küche hinsprang
Und mit dem Brotschrank unter das Haus versank
und hatte Nahrung tagelang,
Und er konnte leben von dem vielen Brot, das ihm verlängert die Lebensnot
Doch bei ihm saß stündlich der Todesgedank kalt und abgründlich.
Vier Tage lag er in Todesschauern, bedroht von überhangenden Mauern.
Man fand ihn endlich in einer Nacht samt seinem Schrank.
Doch war kein Gedank an Rettung im Dunkeln, die hätte Gefahr ihm gebracht.
Man vertröstet zum Morgen, und ein Arzt reicht ihm Äther als Schlaftrank.
Man glaubt ihn wohlgeborgen im Schrank, aus dem er den Rettern entgegenlacht
Am nächsten Tag aber lag Totennacht zwischen den Mauerwänden.
Man fand den Graf tot, in dem Schrank zwischen dem Brot,
Das leere Ätherfläschchen in den Händen, den erstarrten.
Er konnte nicht eine Nacht mehr auf Rettung warten.
Er lag mit dem Brotschrank, dem schweren,
Unter den grinsenden Leichenheeren.
Wohl war ihm im Schrank Brot geboten frisch und weiß,
Aber vier Tage als Trank sein eigener Angstschweiß.
Und er hatte mehr gehört und gesehen in den Nächten an Höllendingen,
Als hundert Leben nicht in Ohren und Augen bringen.
Sonne, wer beneidet dich noch um deine ewigen Tage!
Du mußt täglich jetzt anhören an deinem Wege die Klage,
Die aus dem Zerstören nie Ruhe mehr findet;
Die Klage, die sich mit dem Leichengeruch
Um Olivengärten am Meer hinwindet;
Sie hallt fort an den Telegraphendrähten,
Sprechend ein endloses Buch aus Fluch und Gebeten.
Und sie webt rings um die erschrockene Erde von Städten zu Städten
Aus Trauerfäden ein Trauertuch.
Und seht, Erde und Sonne, selbst eure Toten müssen noch töten!
Die sich überstürzenden Schreckensstunden stiegen gleich den Wassernöten.
Über die Lebenden fallen aus Messina her die Todesstunden.
Hört, Sonne und Erde, euere Dichter selber werden daran bereit zu sterben gefunden!
Ihre Herzen gehen, wie Messinas sonnige Fenster, vor Erbeben in Scherben.
Eine junge Dichterin wurde erdrückt von den Leidensbildern,
Von dem, was tags die Worte und nachts die Angstträume Schildern.
Täglich wachsen die Zahlenberge der Toten, täglich wie Wälder die Särge vor ihr auf.
Sie schichtet ihre Schriften, ihre Bücher, ihre Lieder. Zu Hauf,
Steckt eine Flamme darauf und legt sich ins Feuer nieder.
Dort kommt ihr ein Schlaf stiller als nachts in die Kammer.
Der Tod allein kann für ihr Grauen ein Ruhebett sein,
Und für ihr Frauenherz, angefüllt mit Messinas Gejammer.
O Leben, mitleidlos,
Zu schwach ist manch Amboß für deinen Hammer.
Einmal fuhr ich mit Vollblut rund um die Erde,
Wie die Sonne es täglich tut; hab' ihren weiten Weg gemacht.
In der zweiten Nacht erschien Messina mit breiten
Lichterreihen am Rand der Meerflut.
Seine Lampen sandten mir Abschiedslicht vom europäischen Heimatland.
Reine Lichterküste entstand mehr, bis die Afrikawüste aufstieg mit Port Said im Sand.
Noch heut in Erinnerung dank' ich euch, ihr Messinischen Lampen,
Die überm Nachtmeer standen wie lustige, helle Theaterrampen.
Sie glänzten, als ob man hier nachts die Messinaerde fand,
Eingekleidet in des Himmels Planetengewand.

Und sind jetzt alle deine Arme gebrochen, Messina,
und alle deine Augen versandet,
Und sind aus der Hölle an einem Morgen alle Unglücke ins Meer gestochen,
Und alle Qualen in Sekunden, wie Verfluchte, in deinem Hafen gelandet,
Und sind Feuer und Salzflut, Räuber und Geier über dich gekrochen,
Und bist überrascht worden noch im Schlaf, und traf dich der schrecklichste Morgentraum,
Und hatten Oben und Unten, schief und Grad den Sinn verloren und wurden wie Schaum,
Und ging die Erde in Wahnsinnswellen und tat wie ein Akrobat auf den Kopf dich stellen,
Und kam die zackige See gefegt und hat deine Hafenmauern auseinandergesägt,
Und tat sich zur tanzenden Stadt das Feuer mit rotem Atem gesellen,
Und hat ein einziger Todesschrei die Luft bewegt,
Schier wie vom Getier, das der Schinder erschlägt,
Und ist jetzt Totenstille bei dir, als wärst du vereist, –
Zu allen Zeiten stehen im Heuen, o Messina, deine Lampen vor dem Geist,
Der einmal durch Meeresnächte zu dir gereist,
Sie zünden sich nachts noch an, auf den zertrümmerten Schwellen,
Für den, der sehen kann,
Und können noch lang ihr Licht nicht einstellen.

Messina, du leuchtest noch gleich jenem Stern,
Den die Astronomen als gestorben kennen,
Dessen Lichtstrahlen auch ohne Kern
Noch durch Jahrhunderte für uns brennen.
Lebewohl, Messina, unter der Sonne!
Lebewohl, Messina, das lachend gebaut auf die Erdengüte!
Lebewohl, Messina, stille, zertretene Orangenblüte, gestorbene Stadt,
Messina, das wie wir und wie alle Städte dem Licht der Sonne vertraut hat!

Max Dauthendey




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Gedichte: Tragik

14.01.2013 um 15:31

KZ Neue Bremm

Die roten Kacheln im Waschraum
das Wasser wäscht sie tot die Männer
sie frieren sie tragen die Knochen zu Grabe
im Waschraum da liegt es sich gut
auf dem Martertisch im Waschraum da liegt es tot
das Skelett mit verdrehten Armen und Beinen
die Augen starren sie staunen
über das Weiß im Gesicht
„Das ist Hygiene in Deutschland!“

Der Löschteich ist kalt und verdorben
er spuckt ständig Schlamm und Geröll
die Männer sie hocken sie hüpfen
im Entengang unten am Teich da knarrt es
da kracht es sie fallen und fallen
Gewehrkolbenhiebe Fußtritte Schläge
sie peitschen sie hoch die Männer sie taumeln
am Teich am Morgen am Mittag am Abend

die seifige Planke neigt schräg sich zum Wasser
die Kipplade trägt ins Wasser den Tod
die Männer zerschlagen ihr Rot läuft davon
ins Nichts trägt die Luft die Skelette
die balancieren auf der Planke am Teich
die Kugel löscht die Bewegung im Grab
aus Wasser die Hände am Bassinrand noch klammern

Der ‚Salatkorb’ hält still entlässt seine Fracht
Kolonnen aus Widerstandskämpfern Gefangenen
sie reihen sich auf stehen stramm unter’m Schild:
„Ihr seid hier um zu leiden und zu sterben -
Die Nahrung die man euch gibt ist nur ein Geschenk“
Da sehen sie’s der Teufel ist hier der Teufel ist hier
„Juden und Priester vorgetreten!“ der Teufel ist hier
der Teufel ist hier er wütet er wütet

Der Kapo er schreit „Was ihr wollt nicht marschieren!“
und schlägt und schießt er tritt und brüllt:
„In die Hocke im Kreis um den Teich!“
die Stunden sie kreisen sie halten still
beim sechsten Schlag die Juden sind tot die Juden sind tot
die Priester im Schlamm im Rot die Soutane
Sie sollen noch nicht sterben, geschleift zur Baracke,
sie sollen langsam sterben sie knallen zu Boden
Ein Kohlblatt im Wasser der stinkenden Brühe
verfault sind die Rüben versalzen der Sud
das Brotstück im Magen der Hunger er wütet
in den Gedärmen der Männer von morgens bis abends
die Hasen wie Könige schlemmen im Stall
die Männer sind hungrig auf Verrat steht Brot
die Männer sind hungrig ein Dieb ist ein Held
ich hab was gehört ich hab was geseh’n

Der Teufel ist hier der Teufel ist hier
er greift nach den Frauen der Männer
er greift nach den Schwestern und Müttern
er zeichnet die Spur in den Leibern
Der Aufseher schnallt seinen Gürtel
der Teufel ist hier der Teufel ist hier
die Frauen sie wimmern sie torkeln
kein weißer Fleck im Gesicht zerrissen die Lumpen

Das Wasser im Waschraum es wäscht schon
die Kacheln sind rot die Kacheln sind rot
der Tisch wird geleert der Vorrat an Särgen
ist aufgebraucht wohin mit den Toten
der SS’ler sagt „Auf den Müll mit dem Müll“
die Aborte sie stinken der Haufen der Toten wächst täglich
das ist die Hölle in Deutschland der Teufel ist hier
der Teufel ist hier
im Lager des langsamen Sterbens
im KZ Neue Bremm

© Vera Hewener




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Gedichte: Tragik

15.01.2013 um 17:46

Höllenfahrt

Da ragt der wilde Waxenstein
hoch in der Lüfte zitterndes Blau; -
zur Hölle soll dort der Eingang sein,
so sagte mir eine alte Frau.
Ich bin ihr begegnet im tiefen Tann,
dahin mich vertrieben die Mittagsglut.
Sie trug den kecken Tirolerhut
und sah mich mit lauernden Blicken an.

»Der Eingang zur Hölle reizt mich schier.
Ich war im Himmel in dieser Nacht;
seine selige Wärme behagte mir, -
nun bin ich lüstern nach feuriger Pracht,
nach der ewigen Glut für Seele und Leib, -
wo geht der Weg in die Hölle, Weib?«

Und sie wies mit der dürren vertrockneten Hand
auf des Waxen steiltrotzige Felsenwand,
der in steinerner Ruhe, ein Warner, stand.
Um seine Höhen kein Lebenshauch,
auf seinen Schroffen nicht Gras noch Strauch,
die Wache hielten hier Tod und Graun.

Und ich ging den Weg, denn ich wollte schaun.

Ich ging ihn sicher und stieg empor
und stand vor der Hölle granitnem Tor.

Dreimal schlug ich mit starker Hand
an die lockende, klingende, brennende Wand.

Dreimal tönte der Widerhall
aus der schwindelnden Tiefe wie Glockenschall.

Dreimal klang er von Horst und Riff
aus der schwindelnden Höhe wie Geierpfiff.

Als er das erstemal verhallt,
sah ich in dem Stein einen schmalen Spalt.

Und als er verklungen das drittemal,
lag mir vor den Augen das Höllental.

Kein loderndes Licht, keine flammende Schau,
stahlhart die Wände und glimmerblau.

Von den Höhen fiel es wie Silber weiß,
und im Fallen erstarrte die Flut zu Eis.

Aus dem schäumenden Schlund, wo der Wildbach tost,
reckte die knöcherne Hand der Frost.

Und was er streifte, ward blinkend Eis;
in der Wurzel erstarb das Edelweiß.

In den toten Tiefen lag Schnee und Schnee,
und mir fror das Blut, und mein Herz tat weh.

Ein Schauder durchkroch meinen warmen Leib:
»Das ist die Hölle! Wahr sprachst du, Weib!

Das ist das Ziel unsrer Pilgerbahn, -
und die ewige Glut ist ein flammender Wahn.«

Mich packte der Schwindel. Mit sinkendem Blick
mit tastenden Schritten nur fand ich zurück

in den rauschenden Wald, an die strömende Flut,
in die sonnige, selige Sommerglut.

Clara Müller-Jahnke




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15.01.2013 um 17:48

Punschlied

Und wenn die Welt voll Teufel wär',
Wir würden sie besiegen!
Wir würden sie beim langen Schweif
Und bei den Hörnern kriegen.
Sie sollten unsre Sinne nun
Und nimmermehr bethören;
Wir schmeißen in die Hölle sie,
Da, wo sie hingehören!

Schlagt auf den Tisch mit derber Faust!
Wer hier bei vollen Bowlen
Nicht bis zum frühen Morgen haust,
Den soll der Teufel holen!

Und wenn sie voll Tyrannen wär',
Wir ließen uns nicht schinden!
Ein deutscher Bursche weiß sein Schwert
Dem Herzen nah' zu finden.
Dem freien Volke wollen wir,
Nicht den Tyrannen schwören!
Wir schmeißen in die Hölle sie,
Da, wo sie hingehören!

Ein deutscher Bursche liebt sein Schwert,
Wie diese vollen Bowlen:
Wer mit der Tyrannei verkehrt
Den soll der Teufel holen!

Und wenn sie voll Censoren wär',
Wir wollten sie schon streichen!
Da sie erröthen nicht vor Schaam,
So sollten sie erbleichen!
Wenn wir einst an's Censiren gehn,
Das wird gewaltig stören!
Wir schmeißen in die Hölle sie,
Da, wo sie hingehören!

Es hat sich kein Kameel verirrt
Hier, zu den vollen Bowlen;
Und wer von uns einst Censor wird,
Den soll der Teufel holen!

Und wenn die Welt voll Pfaffen wär',
Wir wollten ihnen pred'gen!
Schnell uns der Pietisterei,
Papisterei entled'gen.
Den Schwarzen mag die schwarze Zunft
Bedrohen und bekehren!
Wir schmeißen in die Hölle sie,
Da, wo sie hingehören!

Ein braver Bursch liebt seinen Gott, -
Doch bei den vollen Bowlen!
Wer ihn gebraucht zu Schand' und Spott,
Den soll der Teufel holen!

Und wenn die Welt wär' - mit Respekt!
Voll rußischer Kosacken,
Wir würden ihren zott'gen Bart
Mit unsern Fäusten packen.
Längst haben eine Picke wir
Auf diese Knutenbären!
Wir schmeißen in die Hölle sie,
Da, wo sie hingehören!

Wenn man nur die Kosaken nennt,
So frieren schon die Bowlen!
Das ganze Knutenregiment,
Das soll der Teufel holen!

Und wenn die Welt voll Teufel wär'
In allerlei Gestalten,
Als brave Bursche würden wir
Fest aneinander halten.
Für unsre Freiheit unser Blut!
Die Losung soll uns frommen!
Zur Hölle mit der ganzen Brut,
Da, wo sie hergekommen!

Für unsre Freiheit, unser Blut!
Die Losung soll uns frommen!
Zur Hölle mit der ganzen Brut,
Da, wo sie hergekommen!

Adolf Glaßbrenner




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Gedichte: Tragik

15.01.2013 um 17:49

Mönchspredigt

Es schlägt der Mönch aufs Kanzelbrett
Und macht gar schlimme Witze;
Sein Hals ist kurz, der Atem fett,
Sein Wort voll roter Hitze.

Er endet just, mit glühndem Hauch
Die Hölle heiss zu schildern;
"Gott selber," schreit er, "wollt’ er auch,
Kann jene Qual nicht mildern!

Gott schloss der Hölle schwarz Portal
Und hat den Schlüssel verloren!
Solange Gott lebt, lebt die Qual,
Das ist euch zugeschworen!"

Er rief’s; der böse Schwaden steigt
Aus seinen Eingeweiden;
Still rührt der Schlag - der Lästrer schweigt
Und endet ohne Leiden.

Ihr Christenleute, zittert nicht
Ob seinen wilden Scherzen!
Die Qual ist aus, die Hölle bricht,
Sie brach mit seinem Herzen!

Uns ist auf seiner fahlen Stirn
Ein guter Trost erworben:
Der böse Gott in seinem Hirn
Ist still mit ihm verdorben!

Gottfried Keller




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Gedichte: Tragik

15.01.2013 um 18:19
Bei einer Kindesleiche



Den niemand kommen hört und kommen sieht,
Er hat geweht, der Wind, den Baum geschwungen,
Des Wurzelwerk die Erde überzieht,
In dessen Kron' ich dieses Lied gesungen;
Das jüngste Knösplein, gestern dran erblüht,
Hat über Nacht sich leise losgerungen;
Es fiel, und niemand gab wohl weiter acht,
Als ich, der mit dem Zufall hielt die Wacht.



So bist erlöscht du, lieblich junges Licht,
Das mir erquickend in das Herz gezündet?
Noch sprach zwei Wörtchen deine Zunge nicht,
Doch hat dein Lallen mir so viel verkündet!
Das Sehnen, das die zartsten Bande flicht,
Es hat tiefinnig mich mit dir verbündet;
Ja, vor viel Grossem unter dieser Sonnen
Hab' ich dich kleinen Nachbar wertgewonnen!



Ob ich gen Himmel sah, ins blaue Meer,
Ob in dein Aug', es war das gleiche Schauen;
Es leuchtete aus diesen Sternen her
Ursprünglich helles Licht von schönern Auen.
Wie oft senkt' ich den Blick, von Mühsal schwer,
Ihn frischend, tief in dies verklärte Blauen!
Wie war das Lachen deines Mundes fein!
Wie echt war unsre Freundschaft, still und rein!



Nie hab' an deine Zukunft ich gedacht,
War ja die Gegenwart so klar und heiter!
Du hast wie eine Blume mir gelacht,
Nicht dacht' ich an gereifte Früchte weiter;
Ob einst vielleicht ein Held in dir erwacht',
Ob du am Fuße bliebst der langen Leiter:
Du lieblich Kind warst in dir selbst vollkommen -
Was sollte dir und mir die Sorge frommen?



Zu der du wiederkehrst, grüß' mir die Quelle,
Des Lebens Born, doch besser, grüß' das Meer,
Das eine Meer des Lebens, dessen Welle
Hoch flutet um die dunkle Klippe her,
Darauf er sitzt, der traurige Geselle,
Der Tod, verlassen, einsam, tränenschwer,
Wenn ihm die Seelen, kaum hier eingefangen,
Laut jubelnd wieder in die See gegangen.

Gottfried Keller (Gedichte über den Tod)


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Gedichte: Tragik

16.01.2013 um 19:23

Götterdämmerung

Der Wolf ward euch beschwerlich
Da fienget ihr ihn ein;
"Er ist uns zu gefährlich:
Er muß gebunden sein."
Daß er sich ließe zwingen,
Und würde fromm und brav,
Gabt ihr ihm noch zu schlingen
Der Heerde bestes Schaf.

So lag er nun gebunden,
Und knurrte nur für sich.
Wie ward zu diesen Stunden
Den Schafen wonniglich!
Sie giengen an der Weide,
Und grasten ruhig fort,
Befreit von allem Leide,
Gesichert vor dem Mord.

Nun hütet euch, ihr Schäflein!
Das Band hat sich gelüpft;
Ihr Fürstlein und ihr Gräflein!
Der Wolf ist losgeknüpft.
Bald kommt er angesprungen,
Und schonet euer keins:
Da wird von ihm verschlungen
Noch eins und aber eins.

Es ist mit solchen Wölfen
Nun einmal so bewandt:
Mit Schafen dreimal zwölfen,
Da sind sie bald zu Rand,
Wenn nicht ein Hirt den Schafen
Zur Seite geht und wacht:
O weh! wer nimmt die Grafen
Und Fürsten nun in Acht?

Ist euch nie kund geworden,
Ihr Herren, jener Sang?
Es droht' ein Wolf im Norden
Den Göttern Untergang.
Den Göttern wars beschwerlich:
Da stengen sie ihn ein;
Der Wolf war zu gefährlich:
Gebunden sollt' er sein.

Daß er sich ließe zwingen
In Kett und Eisenband,
Gab ihm getrost zu schlingen
Ein Gott die rechte Hand.
Was halfen alle Bande,
Seit er einmal verschlang
Des Einen Hand zum Pfande
Kür Aller Untergang?

So ließet ihr auch stecken
Die Hand, und habt den Stumpf:
Bald kommt der Wolf mit Schrecken
Und holt zur Hand den Rumpf.
Ihr Lämmer, ihr verirrten,
Habt Acht, o habet Acht!
Sucht einen starken Hirten,
Der über Alle wacht!

Karl Heinrich Wilhelm Wackernagel




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Gedichte: Tragik

16.01.2013 um 19:25

Bei einem Leichenmahl

Einen Edeln hat der Tod
Unserm Kreis' entrissen.
Laßt uns seinem Angedenken
Jährlich einen Abend schenken,
Bis wir sterben müssen!

Diesen Becher sahen wir
Ihn, als Bruder, leeren;
Hörten ihn, bei allem Hohen,
Untergang dem Laster drohen,
Und der Tugend schwören.

Auf! Ich füll' ihm diesen Kelch;
Schwört bei seinem Namen:
Wer des Bruders Angedenken
Will ein würdig Opfer schenken,
Such' ihm nachzuahmen!

Johann Martin Miller




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Gedichte: Tragik

16.01.2013 um 19:26

Titanic

Keine Bange, wir werden es schon schaffen
Die Kapelle spielt ja bis zum Untergang
Das kennt man doch von der Titanic
Also Fröhlichkeit, wer gnatzt wird hart bestraft

Wir schlummern wieder süß in Medienhaufen
Die Masse kriegt nur Fast Food fürs Gehirn
Man greift uns tief in unsere Taschen
Doch die kriegen wir,
wie heute unsre Münder nicht mehr zu

Feindbilder werden korrigiert
Wir beißen mit den dritten Zähnen
Gazetten werden abgeschmiert
Gefiltert werden wir abserviert
Und wieder sind Sie kräftig am lauschen

Keine Bange, wir werden es schon schaffen
Die Kapelle spielt ja bis zum Untergang
Das kennt man doch von der Titanic
Also Fröhlichkeit, wer gnatzt wird hart bestraft

Keine Panik, sagen Musterkoffermänner
Keine Panik, Lösung’n lieg’n parat im Safe
Wir wollen nicht darüber reden
Wir wollen es erst einmal erleben,
wie’n großer Kahn wie Deutschland sich ersäuft


Keine Bange, wir werden es schon schaffen
Die Kapelle spielt ja bis zum Untergang
Das kennt man doch von der Titanic
Also Fröhlichkeit, wer gnatzt wird hart bestraft

© Georg de Paul




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Gedichte: Tragik

16.01.2013 um 19:27

Götterdämmerung

Von kühnen Wunderbildern
Ein großer Trümmerhauf,
In reizendem Verwildern
Ein blühnder Garten drauf;

Versunknes Reich zu Füßen,
Vom Himmel fern und nah,
Aus anderm Reich ein Grüßen –
Das ist Italia!

Wenn Frühlingslüfte wehen
Hold übern grünen Plan,
Ein leises Auferstehen
Hebt in den Tälern an.

Da will sichs unten rühren
Im stillen Göttergrab,
Der Mensch kanns schauernd spüren
Tief in die Brust hinab.

Verwirrend in den Bäumen
Gehn Stimmen hin und her,
Ein sehnsuchtsvolles Träumen
Weht übers blaue Meer.

Und unterm duftgen Schleier,
Sooft der Lenz erwacht,
Webt in geheimer Feier
Die alte Zaubermacht.

Frau Venus hört das Locken,
Der Vögel heitern Chor,
Und richtet froh erschrocken
Aus Blumen sich empor.

Sie sucht die alten Stellen,
Das luftge Säulenhaus,
Schaut lächelnd in die Wellen
Der Frühlingsluft hinaus.

Doch öd sind nun die Stellen,
Stumm liegt ihr Säulenhaus,
Gras wächst da auf den Schwellen,
Der Wind zieht ein und aus.

Wo sind nun die Gespielen?
Diana schläft im Wald,
Neptunus ruht im kühlen
Meerschloß, das einsam hallt.

Zuweilen nur Sirenen
Noch tauchen aus dem Grund,
Und tun in irren Tönen
Die tiefe Wehmut kund. –

Sie selbst muß sinnend stehen
So bleich im Frühlingsschein,
Die Augen untergehen,
Der schöne Leib wird Stein. –

Denn über Land und Wogen
Erscheint, so still und mild,
Hoch auf dem Regenbogen
Ein andres Frauenbild.

Ein Kindlein in den Armen
Die Wunderbare hält,
Und himmlisches Erbarmen
Durchdringt die ganze Welt.

Da in den lichten Räumen
Erwacht das Menschenkind,
Und schüttelt böses Träumen
Von seinem Haupt geschwind.

Und, wie die Lerche singend,
Aus schwülen Zaubers Kluft
Erhebt die Seele ringend
Sich in die Morgenluft.

Joseph Freiherr von Eichendorff




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Gedichte: Tragik

16.01.2013 um 19:28

An Napoleon III

Er war ein Dämon,
Welchem du nachahmst: –
Bist das auch du?
Er war des Weltgotts
Erkorenes Rüstzeug:
Jenem entsetzlichen
Attila gleich,
Welcher die Völker
Scheu vor sich hertrieb,
Scheu wie die Geißel
Den zitternden Knecht. –
Doch als der grimme
Hunne vermeinte,
Solches vollführ' er
Aus eigener Kraft,
Und es drehe die Erde
Für ihn sich zum Spielball, –
Siehe, da ließ ihn
Die haltende Hand,
Und die hundertsträngige
Geißel zerbrach
Auf dem Feld von Châlons
Die germanische Faust.

Und als die Zeiten
Wieder im Schlamme
Müßiger Feigheit
Lagen versumpft,
Wählte die Gottheit
Ihn sich zum Schwerte,
Den korsischen Mann:
Ihn, der aus härtestem
Erz war gegossen,
Aus dunkelgewaltigem
Heldenmetall.
Riesengedanken
Auf finsterer Stirne,
Und das nimmer bezwungene
Schwert in der Hand: –
Also durchschritt er
Den stöhnenden Weltteil,
Jedes Wort eine Tat,
Jeder Tritt ein Triumph.
Und wie zu gottge-
Sendetem Unheil
Schauten zu ihm
Die Völker empor:
Ihn haßte der Gute,
Ihm fluchte das Recht, –
Doch sie zollten ihm staunend
Grausende Ehrfurcht:
Denn Er war gewaltig,
Ein Heros der Nacht. –

Doch als er für immer,
Ein Henker der Freiheit,
Schwang über die Häupter
Der Völker den Stahl, –
Siehe, da ließ ihn
Die haltende Hand,
Und das nimmer bezwungne
Korsische Schwert –
In Stücke zerbrach's
Auf dem flandrischen Feld
Die germanische Faust. –

Er war ein Dämon,
Welchem du nachahmst, –
Bist das auch du?
Bist du des Weltgotts
Erkorenes Rüstzeug,
Daß du dich solchen
Erkühnens vermißt?
Seh' ich die Häupter
Mit Graun sich dir beugen
Wie vor geahntem
Rächer des Herrn? –
Mit Zorn und mit Abscheu
Schaut dir ins Auge
Und mit heiligem Stolz
Jeder wackere Mann!
Wo sind die Zeichen
Göttlicher Sendung?
Sprich, wo des Heros
Erhabene Spur?
Nein, du verschmitzter
Tyrann von Paris,
Nächt'ger Gewalttat
Tückischer Held, –
Du bist kein Bote
Des ewigen Gottes! –

Oder ist's dennoch
Himmlische Schickung?
Kamst du den Meinen
Zu Frommen und Heil?
Darum die Gluten
Heil'ger Begeist'rung,
Wie rings sie entbrannt sind
In Süd und in Nord?
Sind sie die Feuer-
Zeichen der Eintracht?
Scharet mein Volk sich
Um Einen Altar,
Endlich den alten,
Flucherblichen Hader
Opfernd in Flammen
Des edelsten Zorns? –

O dann wird rasch
Dein Geschick sich erfüllen!
Heil uns, dann wandern
Die Völker aufs neu'!
Über die Alpen,
Über das Rheintal
Flutet der Deutschen
Versammelter Strom:
Wieder für alle
Stämme der Erde
Ringet und blutet
Und siegt mein Volk,
Übet sein altes,
Sein ritterlich Amt,
Vorfechter zu sein
Für die Völker zumal,
Vorfechter der Freiheit,
Der Zucht und des Rechts:
Und wiedereinmal
Vor dem Tor von Paris
Zertrümmert die Kette
Der blut'gen Gewalt
Die Rechte des Herrn:
Die germanische Faust.

Felix Dahn




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16.01.2013 um 19:29

Die Golems

Hätt' ich dich nicht als süßes Kind gekannt,
Mit deinem Seraph in den klaren Blicken,
Dich nicht leitend in der Märchen Zauberland,
Gefühlt der kleinen Hände zitternd Drücken:
Ich möchte wohl dich mit Behagen sehen,
Du wärst mir eine brave, hübsche Frau,
Doch ach, jetzt muß ich unter deiner Brau',
Muß stets nach dem entflohnen Engel spähen.

Und du, mit deinem Wort, bedacht und breit,
Dem klugen Lächeln und der Stirne Falten,
Spricht dir kein armer Traum von jener Zeit,
Wo deine Glut die Felsen wollte spalten?
Ein braver Bürger bist du, hoch zu ehren,
Ein wahrer Heros auf der Mittelbahn;
Allein mein Flammenwirbel, mein Vulkan —
Ach, daß die Berge Mäuse nur gebären!

Weh ihm, der lebt in des Vergangnen Schau,
Um bleiche Bilder wirbt, verschwommne Töne!
Nicht was gebrochen, macht das Haar ihm grau,
Was Tod geknickt in seiner süßen Schöne,
Doch sie, die Monumente ohne Toten,
Die wandernden Gebilde ohne Blut,
Die leeren Tempel ohne Opferglut
Die gelben Haine ohne Frühlingsboten!

's gibt eine Sage aus dem Orient
Von Weisen, toter Scholle Formen gebend,
Geliebte Formen, die die Sehnsucht kennt,
Und mit dem Zauberworte sie belebend;
Der Golem wandelt mit bekanntem Schritte,
Er spricht, er lächelt mit bekanntem Hauch,
Allein es ist kein Strahl in seinem Aug',
Es schlägt kein Herz in seines Busens Mitte.

Und wie sich alte Treu ihm unterjocht,
Er haucht sie an mit der Verwesung Schrecken,
Wie angstvoll die Erinnrung ruft und pocht,
Es ist in ihm kein Träumender zu wecken —;
Und tief gebrochen sieht die Treue schwinden,
Was sie so lang und heilig hat bewahrt,
Was jetzt nicht Lebens, nicht des Todes Art,
Nicht hier und nicht im Himmel ist zu finden.

O kniee still an deiner Toten Gruft,
Dort magst du milde, fromme Tränen weinen,
Mit ihrem Odem säuselt dir die Luft,
Mit ihrem Antlitz wird der Mond dir scheinen.
Dein sind sie, dein, wie mit gebrochnen Augen,
Wie dein sie waren mit dem letzten Blick;
Doch fliehe, von den Golem flieh zurück,
Die deine Tränen nur wie Gletscher saugen.

Annette von Droste-Hülshoff




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Gedichte: Tragik

19.01.2013 um 21:48

Wotanseiche

Im heiligen Hain
Weitwurzelnder Eichen,
Wie markige Recken
Uralter Mären
Bannschützend geschart,
Ragt bodenfürstlich,
Ehrfurchtgebietend,
Der auserwählte
Waldesriese,
Wotan geweiht.

Die Sonne spielt
Mit seiner Krone,
Hoch in des Himmels
Heiterer Bläue
Badet sein Haupt –
Doch drunten hütet
Er seines Schattens
Geheimnisschweres
Dunkles Schweigen,
Schicksalumraunt.

Der Donnerwettern
Blitzschwangrer Wolken,
Wildem Rasen
Stöhnender Stürme
Krachend standhielt –
Der schnödem Axthieb
Hainfremder,
Erdehassender
Jenseitsbettler
Hohnvoll getrotzt!

Dem, grauer Held,
Allvater Kraft gab –
Dir würd' auf weiter
Walstatt des Lebens
Gern ich gleich.
Daß mir zu Wipfel
Die Vögel wandern
Neuer Jugend,
Sonnenzwitschernd,
Urtraumvertraut.

Karl Henckell




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Gedichte: Tragik

19.01.2013 um 21:49

EISEN AUF IMMERDAR.

Das war ein heißer, froher Tag!
Im Ennstal Leiche auf Leiche lag,
Des wilden Wassers schäumende Flut
War rot gefärbt von Römerblut;
Dem beutegierigen Kaiseraar
Die Schwinge auf ewig gebrochen war,
Und hastigen Laufs nach Süden floh'n
Die letzten Trümmer der Legion.

Die Fremden mit den Augen wild
Lehnten sich müde auf den Schild;
Die weiße Frau mit dem gelben Haar
Brachte dem Wotan ein Opfer dar,
Und brausend zur Walhalla drang
Der Recken wilder Siegessang.

Da plötzlich aus dem Tannenwald
Hervortrat eine Mannsgestalt.
Der Riesenleib trug schlecht Gewand,
Das Haupt den Hut mit breitem Rand.
Ergraut war beides, Bart und Haar,
Das eine Auge geschlossen war.
Die starken Krieger erbebten leis.
Er aber trat in der Männer Kreis
Und sprach: „Was kämpfend ihr gewannt,
Sei euer neues Heimatland.
Wohl trägt es Weizen nicht, noch Wein,
Doch soll es reich gesegnet sein.
Sprecht, wollt ihr Gold auf hundert Jahr
Oder Eisen auf immerdar?"

Da klirrten zusammen die Schwerter gut,
Rot beronnen von Feindesblut,
Und brausend rief die ganze Schaar:
"Eisen, Eisen auf immerdar!"
Mit strahlender Brünne angetan
Stand plötzlich da der fremde Mann
Und sprach zum Volk: „"hr wähltet recht;
Glück auf, du eisernes Geschlecht!"
Und segnete mit seiner Hand
Die grünen Berge und verschwand.

Den fremden Männern kühn und stark
Ward Heimatland die Steiermark.
Sie schürften aus des Berges Schacht
Das Eisen, draus man Schwerter macht,
Und schürfen heute noch genug
So für das Schwert wie für den Pflug,
Und werden Eisen schürfen geh'n.
So lange als die Berge steh'n.

Mein starkes Volk, du wähltest recht.
Glück auf, du eisernes Geschlecht!

Rudolf Baumbach




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Gedichte: Tragik

19.01.2013 um 21:50

Die Reiter

Wotan, hilf! Die Rosse traben.
Wenn wir stürzen in den Graben,
rufen wir zu deinen Raben:
Helfet, helft! ihr dunkeln Raben
aus dem Graben, aus dem Moore –

Hastig beten es die Reiter;
doch sie kommen nie zum Tore.

Denn der Wettergott zieht weiter
und die Raben sind geblieben.
Helfen nimmer aus dem Graben,
helfen nimmer, und die Rosse
scheuchen sie mit Schnabelhieben,
scheuchen sie zum fernen Schlosse,
senken sich auf ihre Beute. –
Denn sie wissen nichts vom Heute.

Rudolf G. Binding




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