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Gedichte: Tragik

2.709 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedichte, Lyrik, Poesie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte: Tragik

09.01.2013 um 21:28

Die Heimat der Toten

I

Der Wintermorgen dämmert spät herauf.
Sein gelber Turban hebt sich auf den Rand
Durch dünne Pappeln, die im schnellen Lauf
Vor seinem Haupte ziehn ein schwarzes Band.

Das Rohr der Seen saust. Der Winde Pfad
Durchwühlt es mit dem ersten Lichte grell.
Der Nordsturm steht im Feld wie ein Soldat
Und wirbelt laut auf seinem Trommelfell.

Ein Knochenarm schwingt eine Glocke laut.
Die Straße kommt der Tod, der Schifferknecht.
Um seine gelben Pferdezähne staut
Des weißen Bartes spärliches Geflecht.

Ein altes totes Weib mit starkem Bauch,
Das einen kleinen Kinderleichnam trägt.
Er zieht die Brust wie einen Gummischlauch,
Die ohne Milch und welk herunterschlägt.

Ein paar Geköpfte, die vom kalten Stein
Im Dunkel er aus ihren Ketten las.
Den Kopf im Arm. Im Eis den Morgenschein,
Das ihren Hals befror mit rotem Glas.

Durch klaren Morgen und den Wintertag
Mit seiner Bläue, wo wie Rosenduft
Von gelben Rosen, über Feld und Hag
Die Sonne wiegt in träumerischer Luft.

Ein alter Schädel flattert aus der Gruft,
Mit einem feuerroten Haar beschwingt,
Das um sein Kinn, hoch oben in der Luft,
Der Wind zu feuriger Krawatte schlingt.

Die leere Grube lacht aus schwarzem Mund
Sie freundlich an. Die Leichen fallen um
Und stürzen in den aufgerissenen Schlund.
Des Grabes Platte überschließt sie stumm.


II

Die Lider übereist, das Ohr verstopft
Vom Staub der Jahre, ruht ihr eure Zeit.
Nur manchmal ruft euch noch ein Traum, der klopft
Von fern an eure tote Ewigkeit,

In einem Himmel, der wie Schnee so fahl
Und von dem Zug der Jahre schon versteint.
Auf eurem eingefallenen Totenmal
Wird eine Lilie stehn, die euch beweint.

Der Märznacht Sturm wird euren Schlaf betaun.
Der große Mond, der in dem Osten dampft,
Wird tief in eure leeren Augen schaun,
Darin ein großer, weißer Wurm sich krampft.

So schlaft ihr fort, vom Flötenspiel gewiegt
Der Einsamkeit, im späten Weltentod,
Da über euch ein großer Vogel fliegt
Mit schwarzem Flug ins gelbe Abendrot.

Des goldenen Tages Brücke spannt sich weit
Und tönt wie einer großen Leier Ton.
Die Pappeln rauschen mit dem Trauerkleid
Die Straße fort, wo weit der Abend schon

Mit Silberbächen überschwemmt das Land,
Und grenzenlos die ferne Weite brennt.
Die Dämmerung steigt wie ein dunkler Brand
Den Zug entlang, der in die Himmel rennt.

Ein Totenhain, und Lorbeer, Baum an Baum,
Wie grüne Flammen, die der Wind bewegt.
Sie flackern riesig in den Himmelsraum,
Wo schon ein blasser Stern die Flügel schlägt.

Wie große Gänse auf dem Säulenschaft
Sitzt der Vampire Volk und friert im Frost.
Sie prüfen ihrer Eisenkrallen Kraft
Und ihre Schnäbel an der Kreuze Rost.

Der Efeu grüßt die Toten an dem Tor,
Die bunten Kränze winken von der Wand.
Der Tod schließt auf. Sie treten schüchtern vor,
Verlegen drehend die Köpfe in der Hand.

Der Tod tritt an ein Grab und bläst hinein.
Da fliegen Schädel aus der Erde Schoß
Wie große Wolken aus dem Leichenschrein,
Die Bärte tragen rund von grünem Moos.

Georg Heym




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Gedichte: Tragik

10.01.2013 um 11:09
John Maynard

John Maynard!
"Wer ist John Maynard?"
"John Maynard war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

Die "Schwalbe" fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Fraun
im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
"Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
"Feuer!" war es, was da klang,
ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
am Steuer aber lagert sich´s dicht,
und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
der Kapitän nach dem Steuer späht,
er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
aber durchs Sprachrohr fragt er an:
"Noch da, John Maynard?"
"Ja,Herr. Ich bin."

"Auf den Strand! In die Brandung!"
"Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

"Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
mit Blumen schließen sie das Grab,
und mit goldner Schrift in den Marmorstein
schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

"Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
hielt er das Steuer fest in der Hand,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

Theodor Fontane


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Gedichte: Tragik

10.01.2013 um 15:32

Der Kobold

In einem Häuschen, sozusagen
(Den ersten Stock bewohnt der Magen),
In einem Häuschen war’s nicht richtig,
Darinnen spukt’ und tobte tüchtig
Ein Kobold, wie ein wildes Bübchen,
Vom Keller bis zum Oberstübchen.
Fürwahr, es war ein bös Getös.
Der Hausherr wird zuletzt nervös,
Und als ein desperater Mann
Steckt er kurzweg sein Häuschen an
Und baut ein Haus sich anderswo
Und meint, da ging es ihm nicht so.
Allein, da sieht er sich betrogen.
Der Kobold ist mit umgezogen
Und macht Spektakel und Rumor
Viel ärger noch als wie zuvor.
»Ha«, riet der Mann, »wer bist du, sprich?«
Der Kobold lacht: »Ich bin dein Ich!«

Wilhelm Busch




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Gedichte: Tragik

10.01.2013 um 15:34

Elfe und Kobold

Stehn zwei Sennenhütten ferne,
Wo die Alpenwiese lacht,
Ob den Giebeln halten Sterne,
Blumen vor der Schwelle Wacht.

In dem Moos der einen Hütte
Schläft die blonde Sennin leis;
Welches Alpenkind bestritte
Ihr der Schönheit ersten Preis?

Daß mein Aug’ noch Schön’res labe,
Müßt’ ich wandern wahrlich weit,
Wenn du, schöner Jägerknabe,
Nicht ihr lägest hier zur Seit’!

Und der Elf’, der weiße feine,
Der dieß Hüttlein treu bewacht,
Legt zu Häupten ihnen eine
Frische Rosenknospe sacht.

Als das Knöspchen aufgegangen
War zur blüh’nden Rose kaum,
Hat die Schlummernden umfangen
Gar ein lieblich süßer Traum.

In dem Moos der andern Hütte
Schläft die braune Alpenmaid;
Welch Gebirgskind wohl bestritte
Ihr den Preis der Häßlichkeit?

Daß Unholdres ich entdecke,
Müßt’ ich wandern wahrlich weit,
Wenn du, Köhler, schwarzer Recke,
Nicht ihr lägest hier zur Seit’!

Der Kobold, der braune Kleine,
Der dieß Hüttlein treu bewacht,
Legt zu Häupten ihnen eine
Frische Rosenknospe sacht.

Als das Knöspchen aufgegangen
War zur blüh’nden Rose kaum,
Hat die Schlafenden umfangen
Gar ein lieblich süßer Traum. –

Morgens als erzählt ihr Träumen
Dieses sich und jenes Paar,
Mocht’ es sich gar seltsam reimen,
Daß derselbe Traum es war!

Morgens als im Himmelsgarten
Früh der liebe Gott spaziert,
Seine Blumen mild zu warten,
Deren Pracht sein Haus umziert;

Fand er alle blühn zum Besten,
Sonnenrosen üppig glühn,
Feuerbüsch’ in Flammenästen,
Sternenblumen duftig sprühn;

Nur vom blühendsten Gesträuche,
Das ganz voll von Rosen stand,
Kamen Nachts ihm zwei ganz gleiche
Schöne Knospen heut’ abhand.

Anastasius Grün




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Gedichte: Tragik

10.01.2013 um 15:35

Knospen - Der Kampf der Geister mit den Knappen

Erster Bergknappe.
Hier bei der Lampe kargem Schein
Durch meines Eisens Macht
Gewinn’ ich froh des Erzes Stein.
»Glück auf!« schallt’s durch die Felsen drein,
»Glück auf!« im düstern Schacht.
Kobold.
Was kletterst du nieder aus glänzender Luft
Zum finstern Schoße der Erde?
Was suchst du in der grausenden Kluft,
Die des Tages Leuchte nicht klärte?
Halt ein, Verwegner, und hemme den Streich!
Denn weiter nicht dringst du ins Geisterreich.
Erster Bergknappe.
Was murmelt in dem Widerhall,
Was zu des Hammers Schlag?
Was rauschet in der Wasser Fall?
Vernahm ich nicht der Stimme Schall?
Wer war’s, der zu mir sprach?
Kobold.
Ich bin der Kobold, des Berges Fürst;
Mir gehören die glänzenden Funken;
Und wenn du mir willig nicht zollen wirst,
So sind sie dir ewig versunken.
Denn mein sind die Schätze im grundlosen Feld,
Und herrschend gebiet’ ich der staunenden Welt.
Erster Bergknappe.
Der Kobold du? des Berges Geist?
Glück auf! mir ist nicht bang’.
Wo sich das blaue Flämmchen weist
Mit bleichem Zittern, da verheißt
Es einen guten Gang.
Kobold.
Verwegner Knappe, zurück, zurück!
Willst du die Burg mir bestürmen?
Dich treibt’s nach des Goldes herrlichem Blick;
Doch rastlos will ich’s beschirmen.
Was gräbst du zur Tiefe die felsichte Bahn?
Dir log dein Gelüsten mit trügendem Wahn.
Erster Bergknappe.
Wer ist’s, der diese Arme hemmt?
Du zwingst nicht ihren Streich;
Und wer sich auch dagegen stemmt
Und Felsen vor den Eingang dämmt,
Ich dring’ ins finstre Reich.
Kobold.
Tollkühner! Was willst du? ein sichrer Tod,
Er winkt dir aus schrecklichen Spalten.
Sieh, wie er in vielfacher Bildung dir droht,
In gräulichen Nebelgestalten!
Widerstehst du den Geistern unsterblicher Macht,
So wag es, Verwegner, zerteile die Nacht!
Erster Bergknappe
(den Berg hinaufrufend:)
Hernieder, hernieder,
Getreue Brüder,
Zur grausenden Kluft
Aus sonnichter Luft!
Der Geist will des Eisens Gewalt überwinden;
Drum eilt, ihr Knappen, und helft mir ihn binden!
Kobold,
(in die Klüfte rufend:)
Geister, Geister!
Hört den Meister!
Hört! er ruft mit mächt’gen Worten.
Schnell herzu, wie er gebeut,
Durch des Erzes dunkle Pforten!
Denn der Knappe naht zum Streit.
Schleudert ihn mit gewalt’ger Faust
Hin, wo der Abgrund des Todes braust!
Hört den Meister,
Geister, Geister!
(Während der Beschwörung sieht man mehrere Bergleute
mit Grubenlichtern und Gezähe den Schacht herniederfahren.)
Chor der Bergknappen.
Glück auf! Glück auf!
Im eilenden Lauf
Sind wir zur Stell’
Was willst du, Gesell?
Erster Bergknappe.
Helft mir den Kobold, den mächtigen, zwingen!
Zu Hilfe rief er der Geister Schar.
Hört, wie sie nahen auf donnernden Schwingen,
Durch die gräuliche Nacht der Gefahr!
(Mehrere Flämmchen erscheinen im Spalte der Felsen.)
Chor der Geister.
Meister, Meister!
Hier sind die Geister.
Gehorsam dem ernsten Zauberspruch,
Drangen wir schnell durch den Felsenbruch.
Führ uns nun hin, wo die Stimme ruft,
Zur steilsten Höhe, zur tiefsten Kluft,
Nur nicht zu der Sonne strahlendem Licht!
Denn die Augen der Geister vertragen’s nicht.
Kobold.
Stürzt euch durch des Felsens Spalten
Schwingt euch donnernd durch die Luft,
Wälzt mit mächtigen Gewalten
Eine Wand vor diese Kluft!
Hinab! hinab! die Banden sind los!
Hinab in der Erde gebärenden Schoß!
(Die Flammen verschwinden mit Donner.)
Steiger.
Hört, wie sie brausen!
Wie Sturmwinds Sausen
Hallt’s im Gewölbe mit schrecklichen Tönen.
Drum rüstet euch zum gewaltigen Streit,
Macht euch zu blutiger Arbeit bereit!
Wir müssen die Erde kämpfend versöhnen.
(Die Flämmchen erscheinen aufs neue mit großem Geräusch,
und hinter jedem rollt ein Felsenstück.)
Chor der Geister.
Hier, Meister, hast du Felsenmassen;
Wie konnten sie kaum in Arme fassen.
Die kühnste Mauer, die du baust,
Die widersteht der Knappen Faust.
Erster Geist.
Ich bringe von allen die köstlichste Beute,
Stolz getürmt die metallne Wand,
Aus der Erde tiefstem Eingeweide;
Sie zerbricht keine menschliche Hand.
Kobold.
Türmt sie hoch empor
Vor das Felsentor!
Folget meinem Worte!
Schließt die steile Pforte!
Stein auf Stein zur dunklen Höh!
Mauer, steh!
Schütz das Reich!
Bändige der Knappen Streich!
(Die Felsen werden von unsichtbaren Händen
übereinander geschichtet)
Chor der Bergknappen.
Wie die Mauer sich erhebt,
Kräftig zu der Höhe strebt!
Wie dort tausend Felsenmassen
Sich zum ew’gen Bund umfassen!
Seht nur, seht! Sie wächst ohn’ Ende
Durch der Geister schnelle Hände.
Steiger.
Das Ungeheure müssen wir wagen,
Soll uns Licht in der Finsternis tagen.
Alles vermag die vereinte Kraft,
Und mit des Hammers Riesengewalten
Können wir kühn die Mauer zerspalten,
Die die Geister im nächtlichen Grausen geschafft.
Chor der Geister.
Wir haben’s vollendet;
Der Bau ist geendet.
Das Werk, das schreckliche, ist getan.
Tief in der Erde endlosen Weiten
Und fest im wogenden Strome der Zeiten
Ragt’s durch die ewigen Felsen hinan.
Steiger.
Gewaltig schließt sie die Pforte;
Die felsengekettete Wand
Gehorcht dem befehlenden Worte.
Genossen, jetzt seid mir zur Hand!
Glück auf! das Fäustel geschwungen!
Glück auf! durch die Wände gedrungen!
Chor der Bergknappen.
Nieder mit ihr! Im starken Verein
Stürzen wir Felsen und dringen hinein.
(Die Knappen arbeiten an der geschlossenen Kluft.)
Chor der Geister.
Hört ihr, wie die Eisen klingen?
Hört ihr, wie die Steine springen?
Schrecklich dröhnt der Wände Fall.
Lauter schon ertönt der Hammer
In der dunkeln Felsenkammer;
Lauter tönt der Stimme Schall.
Kobold.
Tollkühn sind des Berges Knechte,
Dringen in das Graus der Nächte.
Seht, da öffnet sich die Kluft!
Seh’ ich nicht mit zartem Flimmern
Dort die Grubenlichter schimmern
Durch die schwer beladne Luft?
(Die Wand bricht.)
Steiger.
Weiter klafft die Felsenhalle,
Und die Wand naht sich zum Falle;
Trügen mich die Augen nicht,
Seh’ ich durch des Felsens Splittern
Schon die blauen Flämmchen zittern.
Brüder, ja! die Mauer bricht.
Chor der Bergknappen.
Bricht die Mauer?
Ohne Schauer
Dringen wir ins dunkle Graus,
Treiben kühn die Geister aus.
Immer hinein! immer hinein!
Unser muß die Erde sein.
Kobold.
Geister, Geister! Neue Felsen
Vor das offne Tor zu wälzen,
Neue Berge schnell herbei!
(Die Geister füllen die Kluft aufs neue aus.)
So! - Doch soll des Hammers Eisen
Meine Mauern mir zerreißen?
(Die Wand bricht wiederum)
Wehe! Wehe! Unsre Wände
Stürzen durch der Knappen Hände,
Und die Kluft ist wieder frei.
(Die Geister weichen zurück.)
Weicht ihr sterblichen Gewalten?
Drängt sie durch die Felsenspalten,
Wenn die Wand auch treulos bricht!
Müssen sie gewaltsam siegen?
Soll ich ihrer Kraft erliegen?
Diese Schmach ertrag’ ich nicht.
Steiger.
Glück auf! Glück auf! Die Wand ist nieder.
Jetzt in die Schlucht, ihr wackern Brüder!
Dort seh’ ich noch des Kobolds Schein;
Drum stürzt euch kämpfend hinterdrein!
Der Knappe muß die Nacht besiegen
Und die Geisterwelt erliegen.
Kobold.
Wie? Höhnend wollen sie mich unterjochen?
Sind alle Schranken treulos gebrochen?
Ist die ewige Fessel des Bannes los?
Erde, so öffne die feurigen Schlünde,
Daß hier der Kühne den Untergang finde
In der Mutter alles verzehrendem Schoß!
Speie Flammen aus,
Funken sprühend!
Lichte das ewige Graus,
Furchtbar glühend!
Mutter, Mutter, spalte deine Glieder!
Zieh die Frevler zu dir nieder,
Zieh sie in des Abgrunds Falten!
(Die Erde öffnet sich, und Flammen lodern
rings um die Knappen aus dem Schlunde.)
Dank! Du hast mir Wort gehalten.
Chor der Bergknappen.
Wehe! Wehe! Welche Glut
Loht um uns in wilder Runde!
Steht die graue Geisterbrut
Mit der Erde selbst im Bunde?
Mächt’ger schon zur Felsenhöhe
Glüht das Feuer. Wehe! Wehe!
Geister.
Der Kobold siegt im schweren Kampf;
Seht nur, seht, wie die Flamme facht!
Den Knappen umhüllt ein gräulicher Dampf;
Er unterliegt der höllischen Macht.
Schrecklich gähnt der sprühende Rachen;
Hört ihr den Donner dort unten krachen?
Die Felsen splittern, die Feste wankt,
Daß dem Mond vor des Herren Falle bangt.
(Die Feen des Quells und ihre Königin erscheinen
in der Höhe des Gewölbes.)
Erste Fee.
Schwestern, Schwestern, hört ihr’s donnern
Unten dort im Felsentor?
Wie der Stimmen hohles Brausen
Aus der Tiefe tönt empor!
Zweite Fee.
Wohl vernahm ich dunkle Laute;
Doch mir graut’s hineinzusehn.
Dritte Fee.
Wo vernahmt ihr’s? Hier im Schlunde?
Schwestern, darf ich näher gehn?
Königin.
Unvorsicht’ge, bleibe, bleibe!
Doch die ältre gehe hin,
Forsche, was dort unten wühlet,
Prüf es wohl mit klugem Sinn!
Hüte dich vor jedem Blicke,
Vor der Stimmen leisem Ton,
Daß die Geister dich nicht schauen,
Da wir ihrer Macht entflohn!
Denn sie hielten uns gebunden
In der Klüfte düstrer Nacht;
Doch jetzt sind wir neu gerettet,
Frei durch eine fremde Macht.
(Die Fee geht weiter vorwärts.)
Steiger.
Immer näher flackert die Flamme,
Im gähnenden Schlunde fürchterlich
Auflodernd über dem Felsendamme,
Und weiter spaltet der Boden sich.
Heiland, laß uns verlassen nicht stehn,
Nicht im Flammenmeer untergehn!
Geister.
Hinunter! Die Felsenkluft schleudre euch
Aus des Lebens sonnichtem Blütenreich!
Kein Knappe steige zur Erde nieder!
Denn der Kobold bleibt des Berges Gebieter.
Chor der Bergknappen.
Rett uns, rett uns, ew’ger Gott!
Soll uns des Bösen Gewalt verderben?
Hör deine Knechte, Herr Zebaoth,
Bei deines Sohnes schuldlosem Sterben!
Heil’ge Jungfrau, so hold und so süß,
Nimm uns auf in dein Paradies!
Erste Fee.
Schwestern! Schwestern! Im glühenden Dampfe
Ward ich den feindlichen Kobold gewahr
Und furchtbar im gräßlichen, schrecklichen Kampfe
Seine nächtliche Geisterschar
Mit den Männern, durch die wir gerettet,
Als der Geist in der Kluft uns gekettet.
Sie lösten die Fesseln, sie machten uns frei,
Und sollten der Flamm’ unterliegen?
Hört ihr verschmachtend ihr Angstgeschrei?
Die Geister, die greulichen, siegen.
Königin.
Ach, so sind wir aufs neue verloren!
Sie haben uns ewigen Groll geschworen.
Ein Schoß zwar hat uns alle gezeugt;
Doch Herrschsucht gebietet, und Liebe entweicht.
Wohl möchte der Quell im Tageslicht funkeln,
Und rauschen möcht’ er in glänzender Luft;
Doch sie ziehn uns nieder zur felsichten Kluft,
Und gleiten muß er dahin im Dunkeln;
Versiegen wird er in ewiger Nacht;
Denn die Geister binden die wogende Macht.
Drum eilig, ihr Feen der Quellen
Und stürzt mit den schäumenden Wellen
Hinab in den feurigen Schlund!
Vereint euch im Strome zusammen
Und tötet die lodernden Flammen,
Zerreißt den schmählichen Bund!
Vermögt ihr’s kühnlich zu wagen,
Der Freiheit Licht soll euch tagen
Und herrlich bescheinen die Flut.
Drum dankbar den eigenen Rettern,
Stürzt rauschen aus Bergeswettern
Hernieder und löschet die Glut!
Feen-Chor.
(indem sie sich von den Höhen des Felsens in die Glut stürzen.)
Hinein, hinein!
Hört ihr die Knappen ängstlich schrein?
Schwestern, hinein! Schwestern, hinein!
Chor der Bergknappen.
Was stürzt sich vom Felsen, was braust und zischt
Und schleudert zur Höhe den rauschenden Gischt?
Wär’s uns Errettung vom schmählichen Tod?
Schimmert uns wieder des Lebens Rot?
Geister.
Sind des Gießbachs Dämme gebrochen?
Stürzt sich das Meer in der Erde Raum?
Hört ihr’s im Boden furchtbar kochen?
Seht, wie es wallt im weißlichen Schaum!
Toben, uns treulos, die Elemente?
Naht sich erschütternd der Welten Ende?
Feen.
Seht! Es verlöschen die Flammen,
Zerstört durch die schäumende Flut;
Die Felsen brechen zusammen,
Verschließen die furchtbare Glut.
Das haben die Feen des Quelles vollbracht;
Besiegt ist des Kobolds feindliche Macht.
Kobold.
Fluch euch, ihr Feen! Mit gleißenden Wellen
Zerstört ihr das ewige Reich der Nacht.
Nur wo die Kräfte vereinigt quellen,
Ist das geheime Schloß ihrer Macht.
Doch wo Elemente sich feindlich bekriegen,
Da muß der Mensch, der sterbliche, siegen.
Denn nicht das Eisen siegt und der Hammer,
Nur unser Zwist, nur die kämpfende Flut.
Bald ziehn sie euch aus der Felsenkammer,
Und das durch des Feuers dampfende Glut.
So zwingen sie uns durch die eigne Kraft;
Denn der Streit ist’s, der das Verderben schafft.
Das Licht des Tages hat euch geblendet,
Und der Elemente Reich ist geendet.
Geister, schon schließt sich der gähnende Spalt,
Und der Berg umarmt sich mit neuer Gewalt;
Und eh’ noch die Felsen gehorchend sich fügen,
So laßt uns zur tiefsten Tiefe entfliegen,
Wie die heulende Windsbraut durch finstere Nacht,
Nieder zum Schlund mit verzweifelnder Macht!
Chor.
Überwunden sind wir im schrecklichen Strauß;
Drum stürzen wir nieder ins ewige Graus.
(Sie stürzen sich in den Schlund; er schließt sich krachend.)
Chor der Bergknappen.
Sieg, Sieg! Die Geister entschwinden,
Fliehn zu der Erde unendlichen Gründen.
Frei ist des Berges glänzende Nacht.
Unsre Hoffnung war nur im Sterben;
Gerettet sind wir vom sichern Verderben,
Und wir sind es durch eure Macht.
Dankend nahen wir euch, ihr Feen;
Folgt uns hinauf zu den sonnichten Höhen!
Folgt uns hinauf zu dem rosichten Licht!
Gleitet, von blühenden Ufern umzogen,
Gleitet, spielend mit silbernen Wogen,
In der Sonne strahlendem Angesicht!
Feen.
Wir retteten euch aus dankbarer Treu’.
Ihr bracht unsre Ketten, ihr machtet uns frei.
Steigt nun sorglos zum Schacht hernieder!
Ihr seid des Berges kühne Gebieter.
Die edeln Steine, das schimmernde Gold
Ist reichlich Beute, ist herrlicher Sold.
Und was ihr erkämpft in düsterem Graus,
Was ihr in der Tiefe gewonnen,
Wir ziehen’s euch hilfreich zu Tage heraus,
Zum freundlichen Lichte der Sonnen.
Königin.
Euch öffnet sich willig die Felsenkammer
Und beut ihre Schätze dem jauchzenden Hammer,
Der kraftvoll ins innere Wesen ihr dringt.
Und wenn euch ermattet das Eisen sinkt,
Dann sollt ihr ruhen in unsern Armen,
Und an unsern Herzen sollt ihr erwarmen.
Steiger.
Glück auf! So lichtet sich die Nacht;
Die Liebe strahlt freundlich in den Schacht;
Mit den Feen des Quells sind wir verbündet,
Und das Grausen des einsamen Dunkels verschwindet,
Und in der Erde tiefunterstem Grund
Schließt uns das Schicksal des Glückes Bund.
Da fiel uns ein göttlich erhabenes Los;
Wir gebieten der Erde erzeugendem Schoß.
Es dringt der Knappe mit eh’rnen Gewalten,
Mutig kletternd auf schwankem Steig,
Nieder, wo Felsen sich endlos spalten;
Sein ist der Welt unermeßliches Reich.
Doch zur Sonn’ auch sehnt sich der liebende Blick,
Und freudig kehrt er zum Tage zurück.
Chor der Bergknappen.
Es zieht uns hinauf zu den grünenden Höh’n.
Lebt wohl, ihr freundlichen, lieblichen Feen!
Wir kehren wieder,
Wenn der Morgen taut,
Und steigen nieder,
Umfangen die Braut.
Jetzt treibt’s uns hinan,
Durch die felsichte Bahn.
Durch den Schacht auf der schwindelnden Fahrt hinauf
Zum rosichten Lichte. Glück auf! Glück auf!

(Karl) Theodor Körner




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Gedichte: Tragik

10.01.2013 um 15:36

Die Elfenburg

Als König Arthur Engellands
Uralten Heldenruhm belebte,
Zur Zeit da oft ein Elfentanz
Den Quell im Mondenlicht umschwebte,
Erschien am Hof ein edler Knecht,
Der Ritter Edwin schlicht und recht,
Nicht unerfahren in den Waffen,
Doch zum erschrecken missgeschaffen.

Den ganzen Rücken überzwerch
Umwuchs, sich bis ans Haupt verlängend,
Ein ungeheurer Knochenberg
Und drückte vorn die Brust verengend.
Allein ob fast ihm selber graut,
So oft er in den Spiegel schaut,
Ein Herz im Busen fühlt er schlagen
Und darf um eins zu werden wagen.

Der blonden Edith hätt er gern
Sich angetragen zum Gemahle;
Doch keine Schöne sucht den Kern,
Behagt ihr nicht zuvor die Schale.
Den Junker Topas schmuck und schier
Fand er im Lustwald einst mit ihr
Gar herzensminniglich vereinet,
Und starrt am Boden wie versteinet.

Zum wilden Forst schwärmt er allein
Voll melancholischer Gedanken,
Wo schauerlich im Mondenschein
Um ihn der Bäume Schatten wanken.
Jezt aus dem Traume schrecket ihn
Der alten Hünenburg Ruin,
Wo sich versammeln nachts um zwölfe
Kobold und Nix und Fei und Elfe.

Es sinkt der Mond, der Sturm erwacht,
Hohl seufzt der Wald und Wölfe heulen;
Die Stadt ist fern und schwarz die Nacht.
Was soll er? fortgehn oder weilen?
Ermattung bringt ihn zum Entschluß,
Mit Faßung sezt er seinen Fuß
Ins Thor der Burg und streckt die Glieder
Im morschen Rittersale nieder.

Auf durch die Hallen reißt ein Stoß
Die Riegelpforten wie zersplitternd,
Und krampfhaft zuckt der Erde Schoß,
Den weiten Felsenbau durchschütternd.
Er schaudert auf, er atmet schwer
Und sieht an Wänden rings umher
Und Kronenleuchtern wol zusammen
Dreihundert Kerzen sich entflammen.

Ein jugendliches Fraungekreisch
Hat kaum sein lauschend Ohr vernommen,
So hört er wandelndes Geräusch
Je näher ihm je lauter kommen:
Und aus dem Winkel, wo geduckt
Er unterm Mantel horcht und kuckt,
Schaut er ein bunt Gewühl von Leuten,
Die nach dem Anzug viel bedeuten.

Nie sah ein Hof so dichte Zahl
Prachtvoll geschmückter Herrn und Damen
Im blendenden Redoutensaal,
Als hier zum Gallafeste kamen.
Duft gab das Land, Gestein das Meer,
Der Himmel hell Gefieder her,
Der Süden seidene Gewänder,
Der kalte Norden Zobelränder.

Ein königlich geschmückter ragt
An Wuchs und Anstand über alle.
Als hinzuschaun der Ritter wagt,
Ruft er mit würdevollem Schalle:
»Wer von des Staubes Söhnen hat
Sich unserm stillen Kreis genaht,
Daß er die reinen Götterdüfte
Mit niederm Seufzerhauch vergifte?«

Doch Edwin hoch an Mut und Sinn
Und keinem Zauberschein erblassend,
Tritt mannhaft vor den Herrscher hin,
In seines Werts Gefühl sich faßend:
»Gewaltiger im Geisterreich!«
Beginnt er nun, »mich führt zu Euch
Kein eitler Vorwitz, kein begehren
Die Nachtversammlung hier zu stören.

Des Herzens Gram, die Höllenpein
Ein Mädchen ungeliebt zu lieben,
Hat mich durch Nacht und Wüstenein
Gedankenlos hierher getrieben.«
»Wohlan!« versetzt der Geisterfürst,
»Getrost, wofern du schuldlos irrst.
Hier wird kein leidender gekränket,
Sobald er redet, was er denket.

Vertraue deinem Stern hinfort!
Bevor wir von einander scheiden,
Erhebt sich dir, du hast mein Wort!
Aus dunklem Gram ein Stral von Freuden.
Der Zufall, der dich hergebracht,
Hat hohe Lust dir zugedacht.
Weil ich mit Mab der Fürstin tanze,
Nimm du die nächst' an Reiz und Glanze!«

Er sprachs und geistiges Getön
Wie sanft gerühreter Kristalle,
Ertönt in leiser Lüfte Wehn
Zu linder Aeolsharfen Halle.
Hier tanzet Oberon und Mab,
Dort Elf und Elfin auf und ab,
Und Edwin schwinget sich im Reihen
Mit Nuk, der lieblichsten der Feien.

Als man zur Gnüge nun getanzt,
Wird rasch von unsichtbaren Händen
Die volle Tafel hingepflanzt
Und drauf ein Nachtisch zum verblenden.
Geordnet ohne Schenken steht
Das wunderbare Trinkgerät,
Und gleich der bunten Seifenblase
Schwebt hin und her der Wein im Glase.

Mit Minnelied und Rundgesang
Wird zwischendurch der Wein gewürzet,
Und drauf mit manchem derben Schwank
Des Althertums die Zeit gekürzet,
Wo bald als Merkatz hüpft ein Geist,
Als Affe bald die Zähne weist,
Als Hase quikt, als Geißbock mäkert
Und gar als Kammerjunker schäkert.

Ein Kobold der als Schalk bekannt
Bei Nachtzeit faule Dirnen kneipet,
Knecht Ruprecht insgemein genannt,
Geht mit dem Aschsack um und stäupet.
Schnell faßt er Edwin nun beim Schopf
Und wirft ihn lachend über Kopf,
Daß er im Flug zum Balken schwebet
Und ach! der Höcker fest ihm klebet.

Laut ruft er zappelnd: »Gnug gelacht!
Nun löset mich, ihr Herren Geister!
Der Kobold hat es gut gemacht,
Er schlägt den Federball als Meister.«
»Geduld! antwortet Oberon,
Ein wenig noch Geduld, mein Sohn!
Du bist nicht übel aufgehoben,
Das Ende wird den Meister loben!«

Aufschauernd stuzt der Elfen Schar,
Sie wittern schon das frische wehen
Der Morgenluft, sie hören gar
Den Hahn im fernen Dorfe krähen.
Des ersten Wirbelwinds Gesumm
Durchsaust die Hallen wiederum,
Die Thüren in den Angeln beben,
Und Mab ermahnet fortzustreben.

Im Nu entschwirrt mit hellem Geschrei
Der Unterirdischen Gefunkel.
Hin fährt des Sales Täuscherei
Und aller Kerzen Glanz im Dunkel.
Und Edwin, nun des Zaubers los,
Fällt von der Deck' auf feuchtes Mos,
Daß ihm die Zähn' im Munde klappen
Und fängt im Dunkeln an zu tappen.

Bald weniger geblendet flieht
Er aus dem graulichen Gemäuer,
Und durch bethaute Blätter glüht
Die Morgenröt' im Rosenschleier.
Er fühlt so leicht sich und gewandt,
Er tastet rückwärts mit der Hand,
Und Heil ihm, Heil! vermisst den plumpen
So grässlich aufgeballten Klumpen.

Heim fliegt er in behendem Schritt,
An Herz und Rücken frei von Schwere.
Das Hofgesinde freut sich mit
Und staunet ob der Wundermäre.
Auch staunet Edith, ihn so schlank
Zu schaun, so edel und so frank.
Was hinterm Berge sonst gestecket,
Liegt sonnenklar und aufgedecket.

Der Junker Topas fühlt Verdruß,
Sich minder izt bemerkt zu sehen,
Und faßt den männlichen Entschluß,
Auch nach der Hünenburg zu gehen.
Nun zeigt, ihr Elfen, eure Kunst!
So denkt er. Schuf eure Gunst
Ein Engelkind aus einem Affen,
Was werdet ihr aus Topas schaffen!

Er geht zum Forst; die Nacht ist hell,
Er hört voll Angst Geheul von Wölfen,
Miaun der Katz' und Fuchsgebell
Und sieht mit graun die Burg der Elfen.
In Gottes Namen kehrt er ein,
Durchmustert lang im Mondenschein
Die Ungemächlichkeit der Trümmer
Und bettet sich im Tafelzimmer.

Auf prallem Mose lauschet er,
Ob bald das Ungethüm sich rege.
Er wirft sich hin, er wirft sich her
Und hört des Pulses laute Schläge.
Da saust der Wind, die Burg erbebt,
Da kömmt der Spuk hereingeschwebt,
Da leuchtet Kerzenglanz dem Balle
Bei sanfter Harmonien Schalle.

Voll Angstschweiß hatte Topas schon
Sich hinter den Kamin verkrochen.
Umschnüffelnd fragte Oberon:
»Ihr Geister, habt ihr nichts gerochen?
Wer von des Staubes Söhnen hat
Sich unserm stillen Kreis genaht,
Daß er die reinen Götterdüfte
Mit ängstlichem Gestöhn vergifte?«

In Demut eingeschmieget tritt
Zum Geisterkönige der Pinsel
Und lallt, genaht im Stutzerschritt,
Sein unterthäniges Gewinsel:
»Verzeiht, durchlauchte Majestät,
Daß Ihr mich armen Junker seht,
Der matt zu Eures Hofes Thoren
Nach langer Irre sich verloren!«

»Elender! rufet ernst der Elf
Mit abgewandtem Angesichte,
Du wähnest auch vor Geistern helf
Ein kleiner Kniff der Höflingswichte?
Wolan, für seinen Lug und Trug
Bestraft den feigen Gauch nach Fug!
Ihr Poltergeister mögt ihn tummeln,
Und wenn er müd ist, laßt ihn bummeln!«

Stracks nahet Tückebold im Sprung,
Der Hirten oft als Irrwisch narret,
Und schleudert ihn im Bogenschwung,
Wo Puck der Kobold seiner harret.
Hoch dreht und dreht ihn Schub auf Schub,
Und lachend ruft der Geistertrupp!
»Risch tummle dich, mein guter Junker,
Für dein hofjunkerlich Geflunker!«

Gar bunt durchwirbelt er den Raum,
Und bunter noch und immer bunter,
Im Luftrad und im Purzelbaum,
Kopfüber bald und bald kopfunter.
Zum Balken jezt in einem Ruck,
Wo Edwin klebte, schwenkt ihn Puck,
Daß wie am Rücken angepflöcket
Er alle vier herunter strecket.

Die Unterirdischen erneun
Nunmehr die Wendungen des Balles
Nach schön gemeßnen Melodein
Des anmutsvollen Zauberhalles.
Dann sitzt man am beladnen Tisch
Und lacht und schmaust und bechert frisch.
Spass machen Affen hier und Böcke,
Mehr Spass der Junker an der Decke.

Das Morgenlüftchen atmet kühl,
Fern kräht der Hahn. Nun saust die Halle.
Entflohn ist alles Nachtgewühl
Und ausgelöscht die Kerzen alle.
Vom hohen Balken sinkt herab
Auf pralles Mos der zarte Knapp,
Denn keines Zaubers Täuschung dauert,
Sobald der Morgen angeschauert.

Der arme Topas! müd und matt
Entschleicht er der verwünschten Trümmer
Und schleppt sich wiederum zur Stadt
Im angenehmen Morgenschimmer.
Doch ach! der Rücken schattet krumm!
Er kuckt und langt erschrocken um
Und sieht, da er am Quell sich spiegelt,
Sich Edwins Höker aufgehügelt.

Dies Märchen las mir, das Ihrs glaubt,
Aus einem alten Buch die Base,
Sie streichelte mein junges Haupt
Und nahm die Brille von der Nase.
»Sohn, sprach sie, denk der Elfenburg!
Wer gehen kann, der kommt wol durch,
Wer ohne Wert nach Scheine trachtet,
Wir ausgehöhnet und verachtet.«

Heinrich Christian Boie




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Gedichte: Tragik

10.01.2013 um 15:37

Naturstimmen

I.

Die freie Kraft, die in der Schöpfung waltet,
Die allbelebend jeden Raum durchdrungen,
Hat mit dem ersten Blümlein sich entaltet,
Ist aus des ersten Vögleins Lied geklungen.

Und diese Kraft hat nimmer sich veraltet
Sie hat sich durch Jahrtausende gerungen,
Hat sich zum freien Worte umgestaltet,
Und wird nun laut als Freiheitslied gesungen.

Die Freiheit haben wir von Gott gelernt —
Der Kraft, die nach Gesetzen frei erzeugt,
Die Welten schuf, die Himmel hat besternt.

Und hat die Menscheit sich von ihr entfernt,
Gibts Manchen doch, den die Natur gesaugt,
Und einen Sinn, der keinem Joch sich beugt.

II.

Und leise reget sich das freie Leben,
Das durch die Lüfte stürmt wie im Traum,
Die Blumen duften und die Schatten schweben -
Ein Ungeweihter hört die Sprache kaum.

Und Schwalbenfittige und Lüftchen heben
Die freien Kräfte in den Aetherraum,
Und aus des Mühlenrades Kerkerstäben
Springt frei hervor des Baches Schaum

Doch manchmal wird das Flüstern auch zur Stimme,
Die Kraft ertänt aus lautem Donnermund,
Der Bach stürzt über Felsen wie im Grimme,

Daß er im Falle perlenglänzend stimme,
Und lauter Sturm tobt durch den Waldesgrund
Als freies Lied durchs freie Erdenrund.

III.

Es war im Lenz als ich hinausgegangen
Ins grüne Feld mit hoffnungsvoller Lust,
Die Frühlingsluft umwehte mir die Wangen,
Daß ich in stiller Freude lächeln mußt.

Der Sonnenstral umzog mit goldnen Spangen
Der Frühlingserde jungfräuliche Brust,
Doch hielt er sie mit milden Glutverlangen,
Weil er des freien Athems Glück gewußt.

Die Blumen dufteten zum Himmelsbogen,
Vom blauen Liebesauge angelacht,
Und Blütenschnee kam leicht dahergeflogen.

Und diese Welt vom Friedensglück umzogen —
Dieß stille Glück - o hättet ihrs gedacht?
Hat freie Kraft im freien Raum gemacht.

IV.

So schritt ich selig durch die Frühlingsfeier,
Und wie ich still durch Feld und Wiese kam,
Wand mich ein Wald in seinen Schattenschleier,
Der grünend mich in seine Kühle nahm.

Und immer trauter, immer milder, freier
Des Waldes Friede liebend mich umschwamm,
Daß ich die Erde und ihr Schmerzgeleier,
Die ganze Welt vergaß und ihren Gram.

Hoch brausten über mir dei Eichenriesen,
Und ringsum prangte süßer Rosen Flur,
Die oftmals schon den Eichenwald gepriesen.

Daß er im Stamme ihnen Schutz erwiesen,
Daß er so treu war ohne Eid und Schwur
Als freier Sohn der freien Waldnatur.

V.

Bald hob den Blick ich auf zum Blätterdache,
Bald mahnte michs, daß nirgends Jubel fehle,
Da ringsum ja die Rosenflur mir lache.

So lauscht ich, stumm, daß jedes Wort ich
Der flüsternden, geheinmißvollen Sprache —
In süßem Zweifel, was ich lieber wähle,
Nicht wissend, ob ich träume oder wache.

Und zauberhaft es meine Sinne;
Der Waldesschatten sprach mit trautem Flüstern
Als sagt er mir, daß er ein Märchen spinne.

Als hätt der Waldbach ein Geheimniß inne,
So heimlich rann er durch das Waldesdüstern,
Und machte mich darnach unsäglich lüstern.

VI.

Ich komme her aus tiefem Waldesdunkel
So flüsterte der Bach vorüberrinnend,
Indeß ich in der Wellen hell Gefunkel
Mit heißer Sehnsucht blickte still und sinnend.

Wo Demant ruht und Silber und Karfunkel
Wo Kobold waltet, Goldgewänder spinnend,
Da woget meine Nymphe still im Dunkel
Auf goldnen Stufen Tageslicht gewinnend.

Mit Klagetönen ström ich aus der Erde,
Doch kaum erblick ich nur das Licht der Welt,
Kaum ahn ich nur, daß mir Befreiung werde,

Da spring ich laut mit jubelnder Geberde —
Von keinem Zwang der Erdennacht gequält,
Hinaus ins freie, blütenvolle Feld.

Hermann Rollett




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Gedichte: Tragik

10.01.2013 um 15:38

Hymnen im Süden

I.

Träume, mein Herz, den Traum der Schönheit!
Den fast verscholl'nen im wüsten Tagwerk,
Hier träum' ihn,
Selig einsam,
Unter Cypressen und Lorbeern,
Wo am sonnigen Strand
Die Rebe grünt, vom Perlenschaum
Des Südmeers golden bethaut.

Im Norden hört' ich
Verklingen das Lied
Im Tagslärm.
Andere Melodie'n will dort die Zeit
Als die der Schönheit.
Den Heroldsruf
Der Tagesfehde begehrt sie,
Nicht reiner Schönheit Sabbathglockenklang!
Hier aber klingen
Die Lüfte von Rhythmen,
Hier tönt noch,
Weltunbekümmert,
Anmuthiger Herzempfindung
Klangfrohe Musik!
Stimm' ein, o Lied, und wälze
Schönheittrunken
Aus Seelentiefen
Die süße Tonwoge des Rhythmenstroms!

Blüht Herrlicheres auf irdischen Au'n,
Erhab'neres in himmlischen Höhn,
Als Schönheit?
Sei's, daß auf blumiger Lenzflur,
Auf blauenden See'n im Glanzduft,
Oder am schroffen Gebirg
Ihr goldener Fittig schwebt, -
Sei's, daß das Räthsel des Daseins
In reiner, lebendiger Menschenblüte
Sie bildend lös't,
Durch den Reiz des Maßes
Den Schmerz der Schranke versöhnt,
Und mit Ahnungswonne
Künftiger Lebensvollendung
Schönheitdürstender Dichtersehnsucht
Urewige Qualfrage beschwichtigt -
Sei's, daß die Ströme der Brust
In süßen Gesangs
Zauberschale sie auffängt,
Zart umgrenzend
In holder Schranke des Rhythmus,
Formprächtige Tonkristalle
Wie Perlen ausstreut.

Mir hat sie die Seele berauscht,
Das Herz mir umstrickt mit golddichtem Netz!
Ihr Sklave bin ich!
Zukunftspropheten,
Welt-Heilsapostel,
Scheltet mich nicht!
Zeihet mich nicht der Thatlosigkeit!
Der Schönheit Evangelium ist Eins
Mit dem der Zukunft!


II.

Glückselig, wem zu Füssen
Des Häßlichen Wolke sich wälzt,
Indeß er mit leuchtender Stirn
Aufragt in der Schönheit
Heiterem Äther.

Sterbliche leben,
Unselige, die verdammt sind
Zur Hölle der Unschönheit:
Durch den Schlamm,
Wie Würmer im Pfuhl,
Geschleppte Seelen, an die der Gemeinheit
Fratze sich ankrallt, daß sie vergebens
Abschütteln den Unhold.
Andere sind, die rein
Hinwandeln, doch ihr Gemüth
Schaut Unholdes.
Und wo sie staunen,
Springt grinsend hervor
Das Häßliche wie ein Kobold.
Gespenster hetzen
In sternlosen Nächten sie müd,
Und wenn sie den Griffel fassen,
Leben hinzustellen,
So ists des Lebens kleinlich Unschönes,
Oder verzerrt Lachwürdiges,
Oder sein trostloser, lichtscheur Abgrund,
Was sie gestalten.

Noch Andere aber sind
Die Seligen, Sonnensöhne,
Die die Nacht nicht kennen, und wenn sie
Hinunterstiegen,
Mitbrächten das Licht.
Ihnen jauchzt aus allem Lebendigen
Entgegen der Sonnenfunke des Urlichts,
Farbig gebrochen in Urschöne.
Wie Sonnenblumen
Sind ihre Augensterne:
Das Häßliche schauen sie nicht,
Als vom Gipfel des Lebens aus,
Wo es einklingt
In die Lebenschöre des Allseins.
Von ewiger Schöne Pfeil
Zum Tode getroffen,
Doch selig entzückt,
Tönt ihr Mund nur Schönes,
Und keine Lust,
Als die Lust am Schönen,
Und keinen Schmerz,
Als die Sehnsucht nach Schönheit. -

Mit diesen möcht' ich
Aufstreben; und immerdar
Hinwallen,
Wie Sonnenaare morgendlich
Schweben, und Schwäne trunken
Gleiten in abendrother Glanzflut.


III.

Göttergesegnet,
Wenn auch schmerzlich bewegt und einsam,
Wandelt dahin
Der Liebhaber der Schönheit,
Das unauslöschliche Bild
Eines künftigen Reichs des Schönen
In seiner Brust.

Zuweilen aber,
In sonnelosen Stunden,
Steigen Dämonen um ihn auf, deutend
Auf des Lebens Wirrsal und matt
Schleichenden Niedergang.
Und sie flüstern ihm zu:

Sieh, fernab wandelt,
Fern und immer ferner
Vom Pfade der Schönheit
Dieß Geschlecht.
Nicht bilderstürmerisch zwar
Stürzen sie die verehrten
Idole des Schönheitstempels;
Aber sie rührt nicht mehr
Der Formenzauber des Schönen im Lied,
Nicht ideale Schönheit im Bilde,
Ein Höchstes den Griechen,
Und Raphaels Genossen.

Und sie merken nicht,
Daß der Schönheit Blütenstaub
Unbemerkt ihnen wegschwindet
Von der Blume des Lebens selbst.
Es verkümmert um sie das Dasein:
Und über des engen Kreises
Schranke hinweg
Nach schöneren Sphären zu blicken,
In goldenen Altern
Und bei gesegneteren
Völkern glückseligen Menschenthums
Bild in die Seele zu fassen,
Wer hat noch Sinn und Liebe genug?
So steigt vom Throne
Der Kunst, des Lebens,
Die Schönheit,
Umschleiert ihr Antlitz,
Und wandelt hin
In die Verbannung. -

Steigt etwa dereinst
Eine neue Schönheitsgöttin
Aus dem Zeitenstrome der Zukunft?
Schwer ists, zu glauben,
Das müde Leben
Sei noch mutterkräftig genug,
Zu gebären neue Götter.
Einst wohl sprangen sie
Aus seinem kraftüppigen Schoos
Mit den Geburten der Urwelt
Frisch und zahllos:
Doch heute, wo sind
Die Blumen-, die Thiergestalten,
Die neu auftauchen
Als nachgeborne Gedanken des Urgeists?
Geschweige neue Götter!
Nichts Neu-Lebendiges mehr
Springt hervor,
Das Alte aber
Taucht Eins ums Andre
Zur Tiefe hinab. -

So flüstern die Dämonen;
Der Liebhaber der Schönheit aber,
Mit halbem Ohre nur lauscht er,
Lächelt, stille bewegt,
Und zieht sich zurück
In die Heiligthume des Herzens,
Wo in Sehnsuchtsfluten sich ihm
Der Verheißung Sterne spiegeln,
Und Zeugniß geben,
Daß der Himmel noch blaut,
Weltentief und gestirnt,
Und die ewige Liebe wacht,
Wie in Urzeiten,
Auch über gesunk'nen Geschlechtern.

Robert Hamerling




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Gedichte: Tragik

10.01.2013 um 16:19

Die Totenschlacht

Im Teutoburger Walde
Entbrennt um Mitternacht,
Wenn Eulenruf erschallte,
Die wilde Totenschlacht.

Dann wird in Grabestiefen
Manch' alter Krieger wach,
Sie All', die lange schließen
Seit jenem Hermanns-Tag:

Sie fahren aus und stellen
Sich stumm in lange Reihn,
Die schlott'rigen Gesellen
Aus bleichem Totenbein.

Sie stehn in zwei Kolonnen
Wohl durch den düstern Tann:
"Das Leben ist zerronnen,
Die Totenschlacht bricht an."

Aus leeren Höhlen glotzen
Blutdurst und Rachelust;
Sie schlagen drein; sie trotzen
Sich mit entfleischter Brust:

Das ist ein Schlagen, Dröhnen,
Ein Drängen voller Hast.
Das ist ein grässlich Stöhnen,
Ein Kämpfen sonder Rast.

Die hagern Knochen-Wichte,
Sie schlagen brav und gut:
Manch' Schädel geht zu Nichte, -
Doch fließt kein Tropfen Blut.

Und wenn der Hahn nun krähet,
Dann ist die Schlacht vorbei;
Wann morgen Nachtwind wehet,
Entbrennet sie aufs Neu'.

- So schlagen zwei Nationen
Die grimme Totenschlacht,
Die römischen Legionen
Und der Cherusker Macht.

Ernst Ziel




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Gedichte: Tragik

11.01.2013 um 21:22

Lied eines Schweitzers über die französische Revolution

1.

Ist's Wahrheit oder ist es Wahn,
Was Frankreich worden ist,
Daß kein Minister-Tigerzahn
Mehr Mark des Landes frißt?

2.

Hat Weisheit und hat Muth gesiegt?
Gebeugt sich Tyranney?
Ist's wahr, daß Stolz im Staube liegt?
Ist's wahr: Der Frank' ist frey?

3.

Nein, Traum nicht, Wunder unsrer Zeit!
Es gieng, wie Hoffnung sang.
Der Traum, der ward zur Wirklichkeit,
Der kühnste Wurf gelang!

4.

Verehre, Menschheit, was geschah!
O Vorurtheil, entflieh'!
Die Zeit des Lichts und Rechts ist da!
Beug', Herrscherstolz, das Knie!

5.

Die höllengleiche Festung hat
Der Rache Hand zerstört!
Dich preist, dein freut sich, Heldenthat,
Wer je noch von dir hört.

6.

Des Unrechts Thronen, zittert nun!
Wank', o Despoten-Kron'!
O Fürsten, lernt: Nur Gutes thun
Befestigt Euern Thron!

7.

Sey ernstes, warnend Beyspiel du,
O einzige Geschicht'!
Und ruf' der Erde Herrschern zu:
»Drückt Euers Gleichen nicht!«

8.

Gieb deinem Gott, was Gottes ist,
O, menschliches Geschlecht!
Dem König, was des Königs ist,
Dem Volke Völkerrecht.

9.

Es freue sich, in wessen Brust
Ein Herz voll Freyheit schlägt!
Ist Völkerfreyheit dem nicht Lust,
Der keine Fesseln trägt?

10.

Zerbrochen ist ein Sklavenjoch,
Ein Freyheitsstaat erbaut!
O Schweitzerstaaten, freut Euch hoch!
Im Herzen erst, dann laut!

11.

Jahrhunderte genossen wir
Der Freyheit Ruh' und Glück!
Jahrhunderte genießt nun Ihr,
Ihr Franken, auch dies Glück!

12.

Wir jauchzen Euch als Brüder zu:
Seht uns als Brüder an!
Und wandelt nun mit Siegesruh'
Auf offner, freyer Bahn!

13.

Auf Eure Noth sah Gott herab
Mit mildem Vaterblick!
Genießt mit Dank, was Er Euch gab,
Und prahlt nicht mit dem Glück!

14.

Gerechtigkeit sey Euer Ruhm
Und Weisheit Euer Thun!
Verehrt, wie Gott, das Eigenthum,
Der Thaten Adel nun!

15.

Neigt Euch dem Könige, der treu
Sich dem Gesetze neigt
Und sich, ohn' alle Heucheley,
Als Freyheits-Ehrer zeigt!

16.

Und zürnt nicht mit der Priesterschaar,
Nicht mit dem Adelsheer!
Wer stolz und hart und herrschend war,
War's nur, und ist's nicht mehr.

17.

Entfernt Bestechung, Goldsucht, Zwang
In jeglicher Gestalt!
Zertrümmern wird, was Euch gelang,
Mißbraucht Ihr nun Gewalt.

18.

Deß, was die Blutgier einst gethan,
Sey nimmermehr gedacht!
Mit Abscheu, o, vergesse man
Der Mord-Oktobernacht!

19.

Wer Freyheit liebt und Ruhe sucht,
Der ehre Menschenblut!
Vergessen sey des Königs Flucht,
Wie jede Pöbelwuth.

20.

Nennt Demokraten-Tyranney
Nicht Recht, o, Freyheit nie!
Von Euern Gränzen ferne sey
Der Greuel Anarchie!

21.

Dem Staate Segen, der mit Muth
Und Großmuth Freyheit ehrt!
Er fürchte keine Schlangenbrut,
Die Ruh' und Eintracht stört!

22.

Wie schnell, wo niemand drücken will,
Hat Eifersucht verglüht!
Eh Hand um wird die Frechheit still,
Wo Recht und Tugend blüht.

23.

Sey Stolz und Herrschsucht ewig fern
Vom Kreis des Vaterlands!
Nur dem Gesetze fröhne gern
Der Bürger jedes Stands!

24.

Und jeder ehre Recht und Pflicht,
Und den, der beyde ehrt!
Und wer für Ruh' und Freyheit spricht,
Heiß' aller Ehren werth!

25.

Wer keine Ordnung je verletzt,
Zuvorkommt jeder Noth,
Gleich seiner – Aller Freyheit schätzt,
Der heiße Patriot!

26.

Nicht so, wer der Gesetze lacht,
Geheim nach Herrschaft geitzt,
Und schleicht, wie Pest, in finstrer Nacht,
Und zur Empörung reizt.

27.

Nein, Schweitzeradern, bleibet rein
Von solchem bösen Blut!
Der heiße Patriot allein,
Der Gutes will und thut!

Johann Kaspar Lavater




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Gedichte: Tragik

12.01.2013 um 15:31

Die zehen gebot

1.

Got hat uns geben die gebot,
das erst: solst glauben in ein got.
hie ler, das sich got eben
dir hat zu eigen geben.
Dank im, o mensch, der güte sein,
das er sich tut annemen dein,
ist dein erlöser woren
vor dem ewigen zoren.
Hie klag dein schult, das du so oft
in got nit traut hast und gehoft;.
bit, das dein sel, herz und gemüt
vor ungelauben wert behüt,
sonder auf got trau feste.

2.

Zum andern solt den namen sein
nit nennen unnütz und gemein.
hie solt sein namen leren
allein preisen und eren.
O mensch, dank hie dem schöpfer zart,
der dir sein nam hat offenbart,
das du in an magst rüfen,
sein hilf darbei tust prüfen.
Hie klag, das du sein heiling nam
hast braucht zu schweren, schant und scham;
bit got, das er dein herze ker,
das es sein namen preis und er
hie und dort ewiklichen.

3.

Zum dritten du die feiertag
solt heiligen nach gottes sag.
ler all welt gscheft zerstören
und gottes wort zu hören.
Dank got herzlich an disem ort,
das er dir geit sein heilig wort,
zeigt dir aus lauter güte
sein willen und gemüte.
Klag den sabbat, unnütz verbracht,
sein heilig wort gar oft veracht;
bit, das er treu prediger sent,
sein heilig wort nit von uns went,
vor irtum uns behüte.

4.

Zum vierten vatter, muter er.
aus dem, o mensch, so nim die ler,
sei in in vil und wenig
gehorsam untertenig.
Dank got, das er sorg für dich trug,
durch dein eltern dich auferzug,
züchtigt, strafet und leret,
dich speiset und erneret.
Klag, das du auch mit überlast
dein eltern oft betrübet hast;
bit der eltern und oberkeit
wolfart ietz und zu aller zeit,
auf das sie wol regiren.

5.

Zum fünften: du solt töten nit.
schau mensch, hie magstu leren, mit
dem nechsten gunst zu tragen,
nit bschedigen noch schlagen.
Dank got, das er so treulich wacht,
hat auf dich und all menschen acht,
das keins dem andern schade
bei seiner straf ungnade.
Klag, das durch zoren haß und neit
dem nechsten tetst oft herzenleit;
bit, das er dir geb senften mut,
deim nechsten zu nutz und zu gut
du auch in frit mögst leben.

6.

Zum sechsten, so brich nit dein e.
mensch, aus dem lert dich got, verste!
züchtig und keusch zu leben,
kein ergernus zu geben.
Dank hie der treuen gottes güt,
die dir töchter und weib behüt,
durch sein gebot und willen
tut er vil unzucht stillen.
Klag, das du brachst an diesem ort,
sein gbot mit danken, werk und wort;
bit, das got allen menschen geb,
das man elich und züchtig leb,
schamhaft, wie frume cristen.

7.

Zum sibenden nit stelen solt.
hie ler und hab dein nechsten holt,
um sein gut in nit treuge,
vervorteil, noch ableuge.
Dank got, das er auch hab in hut
so veterlich dein hab und gut,
tut das mit straf verfechten
vor allen ungerechten.
Klag, das du oft den nechsten dein
betrogen hast auch um das sein;
bit das wucher, geiz und fürkauf
bei aller welte höre auf,
das wir als cristen handlen.

8.

Zum achten kein falsch zeugnus gib.
wider dein nechsten, ler aus lib
all falsch nachred zu meiden,
heuchlen und er abschneiden.
Dank got, das er auch für dein er
und dein gut gerücht sorget ser,
kein falsche zung dir schade
bei seiner ungenade.
Klag, das dein zung in bitterm schmerz
betrübet hat auch manig herz;
bit, das got gebe alt und jung
ein warhaftig heilsame zung,
getreu und vol senftmüte.

9.

Zum neunten du deins nechsten haus
solt nit begeren. ler daraus,
nit zu haben begirde
deins nechsten stands und wirde.
Dank got, das er dein ampt und stant
treulich erhelt in seiner hant,
die dir heimlich nachstellen
nicht in ein unglück fellen.
Klag got, hastu heimlich verletzt;
deins nechsten haus girlich nachgsetzt;
bit got, das er dir geb ein mut,
das du begerst keins fremden gut,
laß dich an deim benügen.

10.

Zum zehenten fremd weib und kint
knecht, meit, ochsen, esel und rint
soltu gar nit begeren,
nachstellen, noch geferen.
Dank got, das er auch sorgt für dich,
für weib, kint, knecht, meit und das vich,
das dirs niemant verhetze,
abdring, stel, noch absetze.
Klag got, hastu dem nechsten dein
begirlich entwendet das sein;
bit einen guten geist von got,
zu wandlen in allem gebot
nach seinem willen. amen.

Hans Sachs, 1530




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Gedichte: Tragik

12.01.2013 um 15:36

Swaz ich nu niuwer maere sage

Swaz ich nu niuwer maere sage,
des sol mich nieman frâgen: ich enbin niht frô.
Die friunde verdriuzet mîner klage,
swes man ze vil gehoeret, dem ist allem alsô.
Nû hân ich sîn beidiu, schaden unde spot.
waz mir doch leides unverdienet, daz erkenne got,
und âne schulde geschiht!
ichn gelige herzeliebe bî,
ez hât an mînen fröiden nieman niht.

Die hôchgemuoten zîhent mich,
ich minne niht sô sêre, als ich gebâre, ein wîp.
Siu liegent und unêrent sich:
si was mir ie gelîcher mâze sô der lîp.
Nû getrôste si darunder mir nie den muot.
der ungenâden muoz ich und des si mir noch getuot
erbeiten als ich mac.
mir ist eteswenne wol geschehen -
gewinne aber ich nû niemer guoten tac?

Sô wol dir, wîp, wie reine ein name!
wie senfte du ze nennen und zerkennen bist.
Ez wart nie niht sô rehte lobesame,
dâ du ez an rehte güete kêrest, sô du bist.
Dîn lop mit rede nieman wol vol enden kan.
swes du mit triuwen pfligest, wol ime, der ist ein saelic man
und mac vil gerne leben.
du gîst al der werlte hôhen muot,
maht ouch mir ein wênic fröide geben?

Ich hân ein dinc mir fürgeleit,
daz strîtet mit gedanken in dem herzen mîn:
Obe ich ir hôhe werdekeit
mit mînem willen wolte lâzen minre sîn,
Alde ob ich wolte, daz si groezer sî
und si vil reine saelic wîp stê mîn und aller manne frî.
siu tuont mir beidiu wê,
ich enwirde ir lasters niemer frô,
vergêt si aber mich, daz klage ich iemer mê.

Des einen und dekeines mê
wil ich ein meister sîn, al die wîle ich lebe:
daz lop wil ich, daz mir bestê
und mir die kunst diu werlt gemeine gebe,
Daz nieman sîn leit alsô schône kan getragen.
dez begêt ein wîp an mir, daz ich naht noch tac niht kan gedagen.
nû hân eht ich sô senften muot,
daz ich ir haz ze vröiden nime.
owê, wie rehte unsanfte daz mir doch tuot!

Ez tuot ein leit nâch liebe wê;
sô tuot ouch lîhte ein liep nâch leide wol.
swer welle, daz er vrô bestê,
daz eine er dur daz ander lîden sol
Mit bescheidenlîcher klage und gar ân arge site.
zer welte ist niht sô guot, daz ich ie gesach, sô guot gebite.
swer die gedulteclîchen hât,
der kam des ie mit vröiden hin.
alsô dinge ich, daz mîn noch werde rât.

Reinmar von Hagenau


Neuhochdeutsch: Was ich jetzt Neues zu sagen habe

Was ich jetzt Neues zu sagen habe, / danach braucht mich niemand fragen: ich bin nicht fröhlich. / Die Freunde verdrießt mein Jammern: / was man zu viel hört, mit dem ist es immer so. / Jetzt habe ich deswegen beides, Schaden und Spott. / Was mir doch an Leid unverdient, weiß Gott, / und ohne mein Verschulden geschieht! / Wenn ich nicht mit meiner Herzallerliebsten schlafen kann, / dann hat niemand irgendwelche Freude von mir.

Die Frohgesinnten werfen mir vor, / ich würde jene Frau nicht so sehr lieben, wie ich behaupte. / Sie lügen und verletzen (damit) ihre eigene Ehre: / Sie war mir immer so (wert) wie mein eigenes Leben. / Aber sie hat mir niemals Trost gespendet. / Ihre Ungnade und das, was sie mir sonst noch antut, / muß ich (geduldig) erwarten, so gut ich es kann. / Früher manchmal ist es mir gut ergangen: / werde ich dagegen jetzt nie wieder einen guten Tag erleben?

Gepriesen seist du, Frau: welch ein edles Wort! / Wie angenehm du doch auszusprechen und zu erkennen bist. / Es gab niemals etwas so zu Recht Lobenswertes, / wenn du das Richtige und Gute tust, wie es deine Art ist. / Dein Lob kann niemand in Worten ausreichend preisen. / Wen du in Treue liebst, wohl ihm: der ist ein glückseliger Mann / und der kann in Freude leben. / Du gibst der ganzen Welt hochgemute Gesinnung: / Kannst du nicht auch mir ein bißchen Freude geben?

Einen Fall habe ich mir zur Entscheidung vorgelegt, / der streitet nun mit Argumenten in meinem Herzen: / Ob ich der Anlaß sein soll, / daß ihr hoher Wert vermindert würde, / oder ob ich wollte, daß jener noch zunehme / und daß sie, die reine und hochzupreisende Frau, frei bleibe von mir und allen Männern. / Beides bringt mir Schmerz: / Über ihre Schande wäre ich niemals froh; / aber wenn sie mich übergeht, so klage ich immer darüber.

In einem und nichts anderem mehr / will ich Meister sein, solange ich lebe: / von dem Lob will ich, daß es mir zukomme / und daß mir alle Welt einstimmig die Kunst darin zuspreche, / daß nämlich niemand (anderer) sein Leid mit so schöner Haltung zu tragen weiß. / Eine Frau verursacht mir, daß ich weder nachts noch tags schweigen kann. / Nun aber habe ich einen so sanften Sinn, / daß ich ihre Feindseligkeit als Freude nehme. / Ach, wie großen Schmerz bereitet mir das doch!

Es tut Leid nach Liebe weh, / und so tut vielleicht auch Liebe nach Leid gut. / Wer wolle, daß er froh bleibe, / der muß das eine für das andere erleiden, / mit einsichtiger Klage und ganz ohne schlechtes Benehmen. / Auf der Welt ist nichts, was ich je sah, so gut wie geziemendes Warten. / Wer das in Geduld zeigt, / der kam damit stets mit Freuden voran. / So hoffe auch ich, daß mir noch Hilfe zuteil wird.

Reinmar von Hagenau




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Gedichte: Tragik

12.01.2013 um 15:37

Moses - Der Berg Nebo

Warum, o Herr, mußte ich es sein,
Den du mit der Ungnade einer Sendung schlugest?
War kein anderer dir genehm, denn ich?
Herr, ich habe dich erfüllt, ich bin am Ziel,
Vor meinen Augen liegt das Land, das du verheißen.
Jetzt sieh mich an: Wer bin ich?
Ich bin ein Stamm, der so vom Wurm zerhöhlt,
Ein Fels, von deinen Wassern untergraben,
Daß er in sich zusammenstürzt.
Lebendiges schlägt nie aus ihm hervor,
Nur Todgeweihtes, - Sieh, das ist mein Fluch:
Ich glaube nicht an das gelobte Land,
Ob auch mein Blick es umfaßt
Von Gilead bis zu den Palmen Jerichos.
Kann denn ein Land Verheißung sein? Ist nicht ein jedes
Erde und Wasser nur, Bäume, Felsen und Felder,
Und ist mehr Frucht zur Speise schon Verheißung?
Verheißung ist nur dort,
Wohin der Mensch Erfüllung mit sich trägt,
Und die Erfüllung ist das reine Wollen
Zu dir!
Ich aber kenne jene, so ich führte,
Und ich weiß es:
Aus dem Lande der Knechtschaft
Bringen Sie keine Verheißung zum Lande
Da Milch und Honig fließt.
Denn sie sind unerfüllt von dir, wie schlechte Schläuche ohne Wein.
Ich sprach mit dir, mein Gott, auf heiligem Berge,
Gesetze gab ich in deinem Namen.
Was aber frommen Gesetze den Gesetzlosen?
Sie brechen aus ihnen heraus
Wie wilde Tiere aus Käfigen
Und zerreißen die Schwachen.
Herr, ich habe dein Volk erkannt:
Sie sind nicht die Auserwählten.
Fäulnis gärt in ihnen bis zum Überquellen.
Was ließest du sie nicht verdorren unter der Geißel des Machthabers?
Sie hätten dir gedient in der Qual ihrer Sehnsucht.
So aber werden Sie mit gesättigten Leibern
Dem goldenen Abgott verfallen.
Ihre Speise im Lande der Fruchtbarkeit
Ist der Tod.
Sie trugen dich nicht mit sich, Herr, durch die Wüste.
Was stelltest du mich zum Leitbock der räudigen Herde?

Meine Knochen sind morsch geworden im langen Weg durch die Wüste.
Nimm mich hinfort!
Decke mich zu mit dem Sande der Wüste,
Daß über meinem Staube im gelobten Land
Ihr Fuß dem goldenen Baal nicht tanze.
In ihnen ist keine Verheißung!
Nur ich, Herr, habe dich erfüllt.
Doch in mir schwillt der Zweifel am Segen der Erfüllung.
Ich bin ein dorrer Stamm, - jetzt fälle mich!

Hedwig Caspari




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Gedichte: Tragik

12.01.2013 um 21:36

Die Rache

Man sinnt im Herzen oft nach Rache.
Ein Dritter hat uns tief verletzt.
Zu Denken, das ist eine Sache.
Zum Handeln wird man aufgehetzt.

Wir überdenken Zukunfts-Taten.
Wir stellen unumstößlich fest.
'Ich wäre sicher falsch beraten,
wenn sich die Rache sehen lässt.'

Es schmollen Herz und die Gedanken.
Vom Handeln fehlt jetzt jede Spur.
Und auch der Vorsatz kommt ins Wanken.
Vertagt wird jeder Racheschwur.

'Beim nächsten Mal, will ich mich rächen.'
So heißt der Vorsatz, kurz gefasst.
Wir kennen uns, und unsre Schwächen.
Auch diese Chance wird 'verpasst'.

Wir können keine Rache üben,
Es überfiele uns ein Schmerz.
Ein fremdes Wässerchen zu trüben,
darunter leidet unser Herz.

© Roman Herberth




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Gedichte: Tragik

12.01.2013 um 21:37

Ibrahim

Eh Ferdinand mit frommer Wuth
Die Mauren von sich stieß,
Floß Omars junges Heldenblut
Durch Gusmanns Ritterspieß.

Aus Furcht der Rache (reich und groß
War dieser Saracen)
Floh Gusmann und bleib athemlos
Vor einem Garten stehn.

Hoch war die Mauer, doch er schwang
Sich wie ein Pfeil hinein,
Und fang in einem Bogengang
Den Herrn des Guts allein.

Er fleht um Schutz. Mit seinem Stab
Schlug Emir Ibrahim
Voll Ernst itzt einen Pfersisch ab
Und theilet ihn mit ihm.

Nimm hin, sprach er, du bist mein Gast,
Dies ist des Schutzes Pfand,
Den du von mir zu hoffen hast
Und gab ihm seine Hand.

Doch plötzlich rief ein Mütterlein
Den edlen Greis hinaus;
Er schloß, um unentdeckt zu seyn,
Den Gast ins Gartenhaus.

Drey Stunden harrt er hier voll Gram,
Ihm scheint kein Mondenlicht,
Bis sein Beschützer wieder kam
Mit Thränen im Gesicht.

Den du erschlugst, grausamer Christ
Sprach er, der war mein Sohn;
Schön ist die Rache, schöner ist
Gehaltner Treue Lohn.

Fleuch; vor der Gartenthüre steht
Mein bestes Pferd. Man sucht
Dich an der See. Fleuch nach Toled;
Gott schütze deine Flucht!

Siehst du im Greis den halben Gott?
Wer wohlthut seinem Feind,
Mein Kind, wär er ein Hottentott,
So ist er Gottes Freund.

Gottlieb Konrad Pfeffel




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Gedichte: Tragik

12.01.2013 um 21:38

Die Burg Liebeneck,
in der Gegend von Pforzheim,
welche im Jahr 1222 ruinirt wurde.



Siehe mit gerührter Miene
Diese alte Burgruine!
Des getränkten Kuhno Hand,
Hat einst Liebeneck verbrannt.

Hildegard, die Hochverehrte,
Deren Herz ihm angehörte,
Trug in diesem Schlosse Leid
Eine lange, lange Zeit.

Durch den Eisbart, muß man wissen,
Ward den Eltern sie entrissen
Und auf diese Burg gesetzt.
Wähnend, er bekomm' sie jetzt.

Trotz des Ritters Schmeicheleien
Wich sie doch nicht vom Getreuen,
Welcher aber weit hinweg
Nichts erfuhr von Liebeneck.

Endlich ist's ihm zugegangen,
Wo sein Fräulein sey gefangen.
Und er eilte jetzt im Flug
Hin mit einem Heereszug.

Als der Räuber ihn sah kommen,
Hat er sie in Arm genommen,
Sich mit ihr ganz fest geschürzt
Und in eine Bucht gestürzt.

Kuhno, der dieß noch gesehen,
Wollt vor Schmerzen schier vergehen;
Gräßlich schrie er: Höllenhund!!
Giengst du doch allein zu Grund!

Rache! Rache! Feuer! Feuer!
Schrie er jetzt ganz ungeheuer,
Und im Augenblicke stand
Dieses Räubernest im Brand.

Siebe mit gerührter Miene
Liebeneck, die Burgruine,
Wo die treue Hildegard
Fürchterlich zum Opfer ward.

Friedrich Samuel Sauter




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12.01.2013 um 21:39

Göttliche Rache

Man sucht die Unterthanen, die bey der Krieges-Zeit
Verkrochen und verlauffen sich haben weit und breit;
Die durch den Krieg getreten auß Gottes Eyd und Pflicht,
Solt er wol diese lassen und eifrig forschen nicht?

Friedrich Logau




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12.01.2013 um 21:40

Corsische Gastfreiheit.

Die Blitze erhellen die finstere Nacht,
Der Regen strömt, der Donner kracht,
Der mächtige Wind im Hochwald saust,
Der wilde Gießbach schwillt und braust.

Und düsterer noch, als der nächtliche Graus,
Starrt Rocco der Greis in die Nacht hinaus,
Er stehet am Fenster und späht und lauscht,
Und fährt zusammen, wann's näher rauscht.

»Der Bote muß es, der blutige, sein.
Du bist es, Vetter Giuseppe? – Nein. –
Die Zeit ist träg – es wird schon spat –
Ist solche Nacht doch günstig der That.

Du, Polo, bringst uns selber dein Haupt,
Hast thöricht die Rache schlafend geglaubt,
Hast her dich gewagt in unsern Bereich,
Die Rache wacht, das erfährst du gleich.

Du kommst dort über den Gießbach nicht.
Euch Schützen geben die Blitze Licht;
Geschmähet seid ihr – trefft ihn gut!
Wascht rein die Schmach in seinem Blut.«

Da pocht's an die Thür', er fährt empor,
Er öffnet schnell – wer steht davor? –
»Du, Polo? – zu mir? – zu solcher Zeit?
Was willst du? rede.« »Gastlichkeit.

Die Nacht ist schaurig, unwegbar das Thal,
Es lauern mir auf die Deinen zumal.« –
»Ich weiß dir Dank, daß würdig du hast
Von mir gedacht; willkommen, mein Gast.«

Er führt ihn zu den Frauen hinein
Und heißt sie ihm bieten Brot und Wein.
Sie grüßen ihn staunend, gemessen und kalt;
Die Hausfrau schafft ohn' Aufenthalt.

Sobald er am Herd sich gewärmt und gespeist,
Erhebt sich Rocco, der folgen ihn heißt,
Und führt ihn selbst nach dem obern Gemach.
»Schlaf' unbesorgt, dich schirmt mein Dach.«

Er steht, wie im Osten der Morgen graut,
Vor seinem Lager und rufet laut:
»Wach' auf! steh' auf, es ist nun Zeit;
Ich gebe dem Gast ein sich'res Geleit.«

Er reicht ihm den Imbiß und führet alsbald
Ihn längs des Thals durch den finsteren Wald
Und über den Gießbach die Schlucht hinan,
Bis oben auf den freieren Plan.

»Hier scheiden wir. Nach Corsenbrauch
Hab' ich gehandelt; so thätest du auch,
Die Rache schlief; sie ist erwacht:
Nimm fürder vor mir dich wohl in acht.«

Adelbert von Chamisso




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13.01.2013 um 19:34

Auf einer Burg

Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter;
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.

Eingewachsen Bart und Haare,
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.

Draußen ist es still und friedlich,
Alle sind ins Tal gezogen,
Waldesvögel einsam singen
In den leeren Fensterbogen.

Eine Hochzeit fährt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenscheine,
Musikanten spielen munter,
Und die schöne Braut die weinet.

Joseph Freiherr von Eichendorff




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Gedichte: Tragik

13.01.2013 um 19:35

Burg Falkenstein

Zur bewaldeten kuppe
stieg ich an neben dir
Wo auf rauh-gradem eckturm
sich der rundturm erhebt
Und aus verwitterter fuge
ein lebendiger baum.
Hier liegt der heiden-wall
dort das trümmerkastell:
Unten stufig sich senkend
ringsum hügel und ort
Bis zum fernen geleucht
unseres ewigen Stromes.

Ich deutete abwärts:
sieh das rätselgesicht
Dieser massigen veste
gegenüber im blau
Und das liebliche bachtal..
da fühl ich wie einst
In der friedvollen vorzeit
gemächlichem graun
In dem murmeln der haine
und abends im hüttenrauch
Eine ganze verträumte
kindheit erzittern.

Nachdenklich sprachst du:
>solch ein mächtigstes ding,
Zauber - ist anderer art
geht nicht gang der natur,
Kommt nicht aus geisterhusch
über gemäuer-verfall
Noch aus hangender zweige
nachtgespenstischem wehn.
Uns ist immer dahin
frist behaglichen glücks
Und der altväter gefühl
mit den schalmeien der schäfer

Denk dies volk und sein loos:
streng bemüht bis zur fron
Selten heimisch bei sich
ohne freude sein tun
Das - wie lang nicht - verspürt
den befreiteren drang,
Voll gedanken entbehrt
leichteren göttersinn.
Wo sie häuser gebaut
engt ein klemmender druck
Wo ein lied ihnen quoll
meist war es klage.<

Aber schon deutlichen klang
wittr' ich durch schläfrige luft:
Eh eine saite zerriss
war schon die neue gespannt.
Ungewohnt noch dem ohr
schwingt sich der goldene ton:
Frühester ahnen geheiss
unseres gottes verspruch...
Ab von dem schillernden sund
über der täler gewell
Dunstiger städte betrieb
zuckt er durchs alternde herz.

Über das felsengebirg
bis zu der zedern gewölb
Bis an den strahlenden golf
ohne vielstimmig gewirr
Hallend von reinerm metall
dringt der gewaltige hauch..
Mit der gestalten zug
flutet zum norden zurück
Mär von blut und von lust
mär von glut und von glanz:
Unserer kaiser gepräng
unserer kämpfer gedröhn.

Stefan George




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