Es haben die meisten ihr Viertel verlassen
Es haben die meisten ihr Viertel verlassen,
Es schleichen jetzt Diebe, verwegen und dumm,
Durch öde und schmutzige, brennende Gassen
Und schleppen die Beute fortplündernd herum.
Es folgen schon allseits den Räubern und Mördern
Die Flammentitanen mit flatterndem Bart.
Es scheinen auch Stürme ihr Wüthen zu fördern
Und nirgends bleibt irgend ein Stadttheil erspart.
Es stürzen sich Winde, in riesigen Wirbeln,
Ins lodernde Rom und zerschleudern es wild,
Es knattern rings Balken, wo Glastfalter schwirbeln,
Der Hunger der Gluthen wird nimmer gestillt!
Die gräßlichen Brände der Hauptstadt entfachen
Die Funken vom mittleren Feuersbrunstheerd,
Es tönt dort beständig ein furchtbares Krachen,
Die ganze Suburra ist längst schon verheert.
Wenn brennende Bretter beim Einsturz zerschellen,
Erheben sich Funken mit Asche vermischt,
Dann können Raketen sich plötzlich entschnellen
Und lohen, wenn es im Vipernneste dann zischt.
Die Stadt überrascht nun ein gräßlicher Regen
Von Funken, den Keimen zu künftigem Brand,
Und gleich darauf wollen sich Glastschlangen regen,
Gar gierig umzüngeln sie jegliche Wand.
So wie sie dann Pfosten und Balken erschleichen
Umschlingen sie sie, wie durch Hunger ergrimmt,
Es lodern sofort alle Bretter und Speichen.
Der Brand, der die Hügelstadt siegreich erklimmt,
Muß bald den Palast der Cäsaren erreichen!
Am Boden versengen besoffene Leute,
Die plötzlich die Gluth in Spelunken erfaßt,
Es stürzt aus den brennenden Häusern die Meute
Der Räuber fast immer zugleich mit dem Glast;
Denn Menschen beneiden die Gluth um die Beute
Und plündern beinahe mit ärgerer Hast.
Verworfene Weiber durchjohlen mit Dieben
Die Trümmer und scheinen verteufelt vergnügt,
Und werden sie endlich vom Feuer vertrieben,
So rauft sich das Pack, weil kein Raub ihm genügt.
Schon will man nach Christen zum Peinigen suchen,
Die Menge ist wieder zum Martern geneigt,
Der Pöbel beginnt auf die Juden zu fluchen
Und ruft: »Diese Schmutzbrut von Ratten entsteigt
Den Grüften von Rom, um die Stadt einzuäschern,
Drum spüret nach ihnen mit Hunden und Häschern!«
Doch findet der Pöbel nicht viele zum Hetzen,
Der Blutdurst der Massen wird noch nicht gestillt,
Es ist nach dem Rauben von Plunder und Schätzen,
Jetzt mancher zum Morden und Schänden gewillt.
Man flucht auf die Numen und huldigt dem Kaiser,
In Rom wird jetzt nimmer an Götter geglaubt,
Die Stadt hält es sicher für richtiger, weiser,
Wenn jeder die Wuth gegen Schemen verschnauft.
Es haben ja doch beim Verbrennen Penaten
Die Pflicht als Beschützer der Heerde verletzt,
Hingegen kann niemand des Kaisers entrathen,
Denn dieser hat stets, was da brannte, ersetzt.
Es freun sich die Römer, wenn Tempel abbrennen,
Wer wird sich zu Göttern, ohnmächtig ihr Gut
Vor Feuer zu schützen, noch weiter bekennen?
Fürwahr, die Olympier vernichtet die Gluth
Geschädigter Menschen, in Fieber und Wuth!
Entlaufene Sklaven, Soldaten und Metzen
Verprassen Geraubtes in wildem Genuß.
Sie plünderten, raubten zuerst auf den Plätzen
Und schwelgen jetzt roh auf der Insel im Fluß.
Der Äsculaptempel wird schleunigst erbrochen,
Im Inneren predigt ein junger Prophet,
Es scheint ihm das Blut in den Adern zu kochen,
Er schwört, daß er Zion als Lichtbraut erspäht.
Er fiebert von Sodom, Gomorrha, den Städten,
Die einstens Jehova mit Schwefel zerstört,
Er weiß es, die Bibel mit Rom zu verketten,
Und ruft, daß Gottvater, durch Frevel empört,
Beschlossen hat, Rom durch den Brand zu zerstören:
Er habe bereits Christi Jünger gesandt,
Die Welt noch zur Einkehr zu Gott zu beschwören,
Doch wurden sie alle verkannt und verbrannt.
Die Christen erschracken beim Sprengen der Pforten,
Sie wurden auch gleich von der Menge geplagt,
Doch hat es der Priester, mit feurigen Worten,
Zu sprechen und weiter zu donnern gewagt.
Es horcht nun der Mob auf den tapfern Zeloten,
Der alle Patrizier und Reichen verklagt,
Dem Volke, aus Goldgier und Hochmut verboten
Zu haben, verbrüdert und glücklich zu sein,
Doch Christus läd alle zum Abendmahl ein!
Er spricht von Verzeihung und Gnadenverleihung,
Vom himmlischen, allen verheißenen Reich,
Von Herrschaft der Liebe und Knechtebefreiung,
Und siehe, es wirkt diese Predigt sogleich!
Der Pöbel versteht seinen Gott der Zerstörung,
Und fängt schon, in wilder und blöder Empörung,
Im Tempel des Gottes der Heilsmächte an
Die Opfergeräte in Stücke zu schlagen.
Es findet dabei wo ein Mann einen Wagen,
Und rasch macht ein Haufe daraus ein Gespann.
Es wird einer Christin das Büßergewand
Auf einmal mit Johlen vom Körper gerissen,
Und Buben und Greise sind eben beflissen
Das Mädchen zu schmücken; mit komischem Tand
Bedeckt, steht die Nackte nun oben im Karren,
Und der fängt schon an, über Dielen zu knarren!
Obszön hergerichtet, voll Tempelbehängen,
Begleitet von höhnischen Pöbelgesängen,
Erscheint nun die Christin, den Ihren entrissen,
Im Freien. Und kraftlos als prächtiger Bissen
Gepriesen, entschwinden ihr endlich die Sinne,
Da heißt es, es schlafe die Göttin der Minne!
Bedroht durch die Flammen, verfolgt von der Hitze,
Verläßt man die Insel, die Feuer umloht.
Es droht noch der Priester und schreit nach dem Blitze,
Da schlägt ihn ganz einfach die Volksmenge todt.
Darauf zieht die Meute hinab zum Emporium
Und schlägt, in der Unordnung komisch vereinigt,
Ein liederlich klingendes MassenBrimborium.
Und trifft man wo Christen, wird flott losgepeitscht,
Ja, selbst alle Mächtigen, die nicht entflohn,
Begegnen in Rom jetzt verwerflichem Hohn.
Die Flammen erfaßten die Schläuche Boreas,
Da sind alle Winde dem Gotte entsaust,
Nun werden die Güter der Erben Äneas
Von Stürmen und Flammen zusammen zerzaust.
Die Gassen durchhallt wildes Brausen und Pfauchen,
Und oft dröhnt und donnert es plötzlich und kurz,
Das heißt dann, in Häusern, die lodern und rauchen,
Erfolgte ein Dachstuhl und Stützbalkensturz.
Es zerrt mancher Flüchtling des Hauses Penaten
Noch krampfhaft hervor aus dem gräßlichen Brand,
Und rechnet aufs Glück seiner künftigen Saaten,
Auf Zukunft und Wohlstand, durch eigene Hand!
Das Volk läßt sich schwer durch die Hitze vertreiben,
Es hängt noch am grauen, verlorenen Gut,
Und will nah beim Grab seiner Habe verbleiben
Und denkt still an das, was für immer dort ruht.
Doch langsam beginnt es nach oben zu drängen,
Es weiß sich vielleicht höher besser gefeit,
Doch liebt es auch sehr sich in Knäule zu engen
Und drückt sich an anderer Leiber und Leid.
Es suchen die Reichen sich hoch zu versammeln,
Auf kühleren Hügeln, vor Feuer geschützt,
Beschließen sie gleich jeden Weg zu verrammeln,
Damit nicht das Volk diesen Rückzug benützt.
Es muß sie die unklare Zukunft verstimmen,
Besitzende Menschen sind meistentheils scheu,
Sie zittern, wenn Herr oder Diener ergrimmen,
Und hassen und fürchten was fremd ist und neu.
Sie trachten, die raschen Entschlüsse zu meiden,
Sie haben sie oft schon, zu spät erst, gefaßt,
Sie bangen auch jetzt für die Götter der Heiden
Und wünschen dabei nichts als Aufschub und Rast.
Ja freilich, sie schmähten am liebsten, am stärksten,
Und schwer nur verbeißen sie Kummer und Wuth,
Es trifft doch das Feuer die Reichen am ärgsten,
Denn gar nichts verliert die plebejische Brut!
Doch hoffen sie, Nero wird alle beschenken,
Zumal, die das Feuer zu Bettlern gemacht,
Besitz in verläßliche Hände zu lenken,
Bewährt sich doch immer zum Stützen der Macht.
Gar viele erklären die Christen für schuldig
Und tuscheln, sie hätten die Hauptstadt zerstört;
Doch sagt man es nicht, und schweigt lieber geduldig,
Solang man nicht Neros Vermuthung gehört.
Dann wollen die Reichen vor ihm sich verneigen und stöhnen,
Bis endlich sein Herz sich der Ihren erbarmt;
Noch können sie Keiner die Christen verhöhnen,
Sie fühlen sich alle ein wenig verarmt.
Sie trachten nur Nero für sich zu gewinnen
Und sinnen nach Macht durch zäsarische Huld;
Und nennt dann der Kaiser die Träger der Schuld,
So wollen sie die ganz ins Trugnetz verspinnen.
Die Reichen geloben den Thron zu erhalten,
Sie haben im Freistaat das Alte gestützt,
Seit jeher gefiel ihnen machtvolles Walten,
Und oftmals schon haben sie Kaisern genützt!
Sie lassen sich immerdar schützen und führen,
Sie sind doch der Bürgerschaft sicherer Theil,
Auch können Propheten die Reichen nicht rühren
Und selten nur sind sie im Staatsdienste feil.
Das, denken sie, muß doch ihr Kaiser bedenken
Und ihnen, blos ihnen, sein Wohlwollen schenken!
Wahrhaftig sie sind auch kein schwankender Haufe,
Sie haben nur Sinn für die sichtbare Macht,
Sie folgen dem Strome auf jeglichem Laufe
Und haben es stets wie die Starken gemacht;
Ja, sinkt auf der Waage unsichtbarer Machte
Die Schaale des Neuen auf einmal beschwert,
So herrschen sie weiter; durch eherne Rechte
Wird wiederum der, der das Geld hat, geehrt!
Sie bleiben die Staats und Familienerhalter,
Die Herrscher in jeglicher Generation,
Sie lassen ihr Recht als Gesellschaftsverwalter
Bestimmt ihren Enkeln und meistens dem Sohn!
Doch seht nur, sie ehrten doch auch die Penaten,
Und brachten stets Opfer nach herrschendem Brauch,
Sie ließen für Jupiter Mastochsen braten
Und freuten ihn so durch den speckigen Rauch.
Sie stellten sich stets zum Olympe am besten,
Indem sie zu Ehren der Götter gepraßt,
Sie opferten immer bei häuslichen Festen,
Wie es Göttern und Priestern auf Erden gepaßt!
Ja, wurde bei Reichen ein Hymen geheiligt,
So hat man auch Opfergelage bestellt,
Stets waren die Götter beim Jubel betheiligt,
Und neidlos hat Zeus sich zu Menschen gesellt.
Nun haben die Götter die Reichen verlassen,
Sie denken, warum wurde Rom nicht verschont,
Was wollen sie, thun sie, man kann es nicht fassen –
Fürwahr ihre Freundschaft hat gar nicht gelohnt!
Besonders Vulkan wird von allen verlästert,
Es heißt schon, wo bleibt die hieratische Zucht,
Es sind diese griechischen Götter verschwestert,
Und Gift birgt der Inzucht verwerfliche Frucht.
Nun spricht ein Patrizier die folgenden Worte:
»Oh Jupiter Stator, beherrsch uns allein,
Wir halten zu Deinem gesetzlichen Horte,
Damit wir auf Erden fast sorglos gedeihn.
Erscheine als Adler und schrecke die Schlange,
Die fürchterlich wüthet, zurück in den Staub;
Es weilt ihre ringelnde Brut schon zu lange
Hier oben, Dein Rom wird ein Unterweltsraub!
Zertritt diesen Gluthwurm mit schmerzlosem Fuße,
Er knete sich rasch zum verzuckenden Knäul,
Oh Jupiter, hör uns, auch wir thuen Buße,
Gebiete dem furchtbaren Furiengeheul!
Wir lieben Dich, Jupiter, Herr unserer Schlachten,
Du solltest, Du guter und leuchtender Gott,
Die anderen Numen zu Tode verachten,
Sonst stürzt Dich noch einst ein Olympierkomplott.
Wir wollen von nun an nur Dir auf Altaren,
Was Du und was andere Götter begehren,
Zur Huldigung opfern, den Widder, den Stier,
Die Taube, das Schaf, jedes reinliche Thier,
Auch Sklaven, verlangst Du es, schenken wir Dir,
Der Kaiser und wir!« und es ruft schon die Menge:
»Oh Jupiter, herrsche allein auf der Welt,
Wir weihen Dir Tempel, und Feiergesänge
Ertönen für Dich, der die Ordnung erhält!«
Es greift jetzt der Brand nach den weitesten Gassen.
Als hungriger, allesverschluckender Wurm
Beginnt er die Vorstädte rings zu erfassen,
Und seht, seinen Durst löscht ein furchtbarer Sturm.
Doch müssen im Bauch die Metalle sich stauen,
Sie reißen des Drachen Gedärme entzwei,
Und was nicht die heißen Geweide verdauen,
Entfließt seinem Wanste als zuckender Brei.
Der Pöbel verlaßt nun die dumpfigen Stätten
Des Lasters, in denen der Brand ihn bedroht,
Man drangt aus den Schenken, sein Leben zu retten,
Und sieht sich schon himmelhoch, grellroth umloht.
Gewürgt von entsetzlichen Plagen und Sorgen
Verlieren die Menschen ihr letztes Vertraun,
Die Nacht ist voll Schrecken, und was bringt der Morgen?
Sie denken mit Grauen ans baldige Graun.
Jetzt fängt auch die gräßlichste Gier an zu schnauben,
Es folgt das Gelichter dem eigenen Drang,
Es kann sich nun allerhand Raublust erlauben,
Denn plötzlich sind Mörder die Meister vom Strang.
Es grinst die Begierde aus thierischen Zügen,
In Blutblicken fuchtelt die Schurkennatur,
Die Nasen verkrümmten entsetzliche Lügen,
Ein Mord ließ auf jeglicher Stirn seine Spur.
Ein Schrei seines Opfers durchgellte die Ohren
Von jedem Gesellen, der Trümmer durchsucht,
Die Ohrmuscheln sitzen wie knapp angefroren,
Das sagt, so ein Kopf ist von uran verflucht.
Da zieht so ein Haufe, mit Beute beladen,
Die Straßen entlang und verspottet Merkur,
Er ruft ihn, verspricht ihn zu Festen zu laden,
Doch zeigt sich vom Gott keine irdische Spur.
Da pfeift nun der Mob und ein wildes Geschrei
Erklärt, daß er nimmer die Raubgottheit sei!
Der Pöbel macht Aufruhr und schwört, daß er Ares
Allein seinen Diebsantheil abtreten will,
Er flucht und verspricht, daß des Kriegsgottaltares
Gesprenkelter Marmor vom März bis April,
Und dann von September bis Ende des Jahres,
Von Lenzzicken, Ferkeln und HerbstwurfHausthieren
Bedeckt sein wird, um seinen Tisch zu garnieren!
Es kommen jetzt abermals flüchtige Soldaten
Und Sklaven mit wimmernden Kindern und Frauen.
Sie mögen die Asche mit Opfern durchwaten
Und grausam sich, ringsum, am Grauen erbauen.
Oft tragen sie die noch zurück in Spelunken,
Wo Schwache, wie irre, den Flammen erst trotzen:
Doch wirbeln von überall glitzernde Funken,
Und alles beginnt in das Feuer zu glotzen.
Nun fangen die Römer an doch sich zu wehren,
Es packt sie die alte, fanatische Wuth,
Und siehe, sie treiben die Räuber mit Speeren
Und Steinen zurück in die zischelnde Gluth.
Sie sehen oft Mütter im Feuer verschwinden,
Und viele zerfetzen vor Schmerz ihr Gewand,
Die suchen verwirrt ihre Kinder zu finden,
Doch Mörder und Opfer vertilgt schon der Brand.
Es wagt es kein Mann, sie der Gluth zu entreißen,
Und schließlich, wen kümmert das Weibergeschrei?
Sie suchen den eigenen Gram zu verbeißen,
Und stehn, wenn ein anderer schluchzt, stumm dabei.
Es greifen die Gluthklauen immer noch weiter,
Das schnaubende Feuer wird nimmermehr satt,
Es glimmt und es klimmt auf der Hügelurbsleiter
Von Gasse zu Gasse, zum Saume der Stadt.
Es nahen von allseits die Flammen den Schaaren
Von Römern und Fremden in furchtbarer Noth.
Sie können nichts anderes als Feuer gewahren,
Das Grab ihrer Habe ist blutroth umloht,
Die Gluth leckt rings weiter, doch sonst herrscht der Tod!
Das Feuer an sich aber wird zum Gespenste,
Der Gott, der dem Moses im Strauche erschienen,
Und der über Daniel in Babel erglänzte,
Dem jetzt neben Juden auch Christen fromm dienen,
Hat eben sein Antlitz den Römern gezeigt,
Und sehet, das Volk hat vor ihm sich verneigt!
Bedrängt durch das Plündern und Morden der Horden,
Erstickt und bedroht durch den qualmenden Brand,
Sind alle beinahe zu Kindern geworden:
Da dünkt sich ein Träumer vom Himmel gesandt.
Er plappert emphatisch, zum Volke gewendet,
Es hätten die Götter die Tempel geschändet,
Und dann hat er laut in die Flammen geschrieen:
»Ihr Numen habt Eure Altäre bespieen!
Du Mars, hast die Pfeiler des Staates zerschlagen
Und nicht einmal Hera und Hesta verschont,
Die Flammen Hephaistos verdüstern den Wagen,
In dem herrlich Phöbos, der Sonnengott, thront.
Wir werden an Jesum von Nazareth glauben!
Wir wollen ihm Opferaltäre erbaun!
Es mögen die heidnischen Götter verstauben!
Wir können dem Jupiter nimmermehr traun!«
Die Worte des Priesters erschüttern die Menge,
Sie dünkt sich wahrhaftig von Göttern genarrt,
Doch fühlt sie zugleich die entsetzliche Strenge
Des Neuen, das dort aus der Gluthsäule starrt.
Sie konnte noch nie solche Wuthrede hören,
Was heute erscholl, hat noch niemand gewagt,
Sie will sich noch immer nicht offen empören,
Doch wird alles Alte forsch weiterbenagt.
Wer kann es verstehen, daß Götter verkommen?
Doch seht Euch nur um, allzuwahr ist der Greuel!
Der Herr aber, der seinen Weltthron erklommen,
Verschüchtert noch immer den hilflosen Knäuel
Von Heiden, den Funken und Sprühgarben taufen.
Und plötzlich spricht wiederum einer im Haufen,
Und zwar der verstockteste, grausamste Heide,
Der früher den Pöbel zum Morden verführt,
Von christlicher Hülfe, von siegreichem Leide
Und Herrschaft der Armen, die Jesum erkührt.
Ein anderer sagt mit ekstatischen Gesten,
Er sei aus den Höhlen der Christen entflohen,
Er kenne das Walten der Sekte am besten
Und fühle nun wieder sein Christenthum lohen.
Er habe sich völlig dem Heiland verschrieben,
Da dieser die Menschen als Brüder beschützt,
Er sei auch ein christlicher Priester geblieben
Und habe schon oft der Gemeinschaft genützt.
So werden die Bürger, die Rom tief betrauern,
Dem Christenthum langsam gewogen gestimmt,
Sie müssen sich selber so innig bedauern,
Daß endlich der Heiland in ihnen erglimmt.
Sie denken, ein Gott der sich selber gepeinigt,
Erspart uns, die leiden, bestimmt seinen Hohn.
Ein Gott, der in sich alle Welten vereinigt,
Und der seinen eigenen, leiblichen Sohn
Den Menschen geopfert hat, wird uns beschützen
Und freundlich beim Ausbau von Rom unterstützen.
Ein Weib kommt nun plötzlich wie rasend gelaufen.
Es scheint durch Geschautes verblüfft und verzückt.
Ein eisiges Staunen erfaßt schon den Haufen,
Er wird, wie aus Angst, auseinandergerückt.
Jetzt hält diese Frau ihre Hände erhoben,
Als folgte sie, sehend, der hellsten Vision.
Erst mag sie das Kreuz und die Märtyrer loben,
Und nun schreit die schauende, wilde Person:
»Ich habe zwölf Kinder auf einmal verloren,
Sie wurden vom höllischen Feuer verzehrt!«
Sie hätte acht Söhne dem Staate geboren
Und selber mit üppigen Brüsten genährt,
Nun hätten die Götter die Heimath vernichtet
Und die und sie alle zu Grunde gerichtet.
Nun sucht sie und scharrt sie, im Schutt der Ruinen,
Ihr Schreien hat furchtbar die Brandnacht durchgellt,
Es ist ihr des Heilandes Mutter erschienen:
Sie sieht sie als leuchtende Herrin der Welt.
Nun schwört sie, sie werde zum Throne gerufen,
Es habe die Mutter sich zu ihr geneigt
Und gleich dann, auf herrlicherleuchteten Stufen,
Ihr rings ihre Kinder als Engel gezeigt.
Nun ist sie im Taumel zu Boden gesunken,
Sie glaubt, sie hat himmliche Milde getrunken,
Es hat ihr die Jungfrau die Lichtbrust gereicht
Und drum ist ihr plötzlich so wonnig und leicht.
Doch faßt sie sich wieder, voll brünstigem Verlangen
Zum Volke zu reden, beginnt sie nun laut:
»Ich habe den Heiland, hoch über den Schlangen
Der lodernden Welten, voll Ruhe erschaut!«
Zuerst ist das alles nur schweres Gestotter,
Sie zerrt noch, zerzaust ihren Sprachenballast,
Doch plötzlich entwirrt und enthaspelt sie flotter
Die trefflichsten Worte, zu Sätzen gefaßt.
Stets schriller beginnt sie zu wüthen, zu wettern,
Als schlüge sie Blitze aus stahlhartem Stein,
Sie ruft, sie wird Götteraltäre zerschmettern
Und gleich darauf setzt sie den Weltheiland ein.
Schon folgen ihr Mütter und leidende Frauen,
Die viele verloren, die Kinder, den Mann,
Sie wollen von nun an der Leidmutter trauen,
Die schmerzensreich ewige Gnade gewann.
Nun zieht sie, im Zuge, in offene Gefilde,
Rings sieht sie den Dunst und die arge Gefahr,
Im Himmel erschaut sie die Göttin der Milde
Und baut ihr daselbst einen Sternenaltar.
Ja, Sterne sind wahrhafte Boten der Güte,
Denn immer, wenn lodernde Helle erblaßt,
Sobald nur der Blutring des Tages verglühte,
Erscheinen sie alle als Spender der Rast.
Ihr innerstes Wesen ist seelig beflügelt.
Ihr gläubiges Funkeln verstrahlt Gottes Macht.
Ihr Minnen ist frei und ihr Chaos gezügelt,
Und was da erkeimt, wird von ihnen bewacht.
Im Dasein der Sterne, den schützenden Müttern,
Sind Sorgen und Freuden urewig gepaart,
Drum muß auch ihr Leuchten die Frauen erschüttern,
Die sich schwach und hülfebedürftig gewahrt.
Die nächtliche Ewigkeit, sehen sie, spendet
Erlöschende Sterne der sterblichen Welt,
Die Milde der glücklichen Lichtfürsten sendet
Uns Erdkindern Grüße, durch Mitleid erhellt.
Nun flüstern die Mütter, wir werden allnächtlich
Uns hier, unter Bäumen, oft wiederum sehn,
Oh bleiben wir, tagsüber, reinlich und rechtlich
Und lassen wir Nachts uns von Schauern umwehn.
Oh bringen wir Blüthen, die Sterne des Tages,
Zum holden und herrlichen Gottesaltar,
Dann freuen die Augen des weltlichen Haages
Der Sterne urkindliche, liebliche Schaar.
Jetzt singen die gläubigen Weiber: »Wir pflücken
Die Blüthen der Felder, um Gott zu erfreun,
Wir wollen versammelt uns lieben und schmücken
Und dann wie die Blätter uns weithin zerstreun!«
Als vielerlei Länder Sybillen gebaren,
Hat Romulus Wölfin sie alle gesaugt,
Und jetzt stürzt ein Jude das Reich der Cäsaren,
Und ihn hat das Leid aller Menschen gezeugt.
Er ist ein unendlicher Seelenerwecker,
Er hat an dem Kreuze die Erde befreit,
Er ist aller Völker Verheißungsvollstrecker,
Und wer an ihn glaubt, überflügelt das Leid.
Es hat ihn die Weibheit der Erde getragen,
Er ist, wie das Licht, der Jungfräulichkeit Kind,
Er leidet das Leben und kennt keine Klagen,
Und schenkt uns sein Blut, wie ein Herbstwald dem Wind!
Es folgen ihm Weiber und gläubige Männer,
Durch ihn sind sie Alle zu sterben bereit,
Er ist unser gütiger Herzenserkenner,
Und wer ihn erfreut, ist von Zweifeln befreit.
Er machte die schweigenden Tiefen empfindlich,
Und als er die Römer zur Kreuzigung zwang,
Da wurden die Leidenden unüberwindlich,
Denn groß ist der Büßenden fürstlicher Gang.
Von glühenden Zungen, die Unheil verkünden,
Ist ringsum die Urbs des Genusses umloht,
Und Flammen, die Leiber und Seelen entzünden,
Bereiten den Gottheiten Sorge und Not.
Weltungeheuer, aus Zunder und Feuer,
Es sind Deine Numen in Satans Gewalt,
Es wird schon das Burgen und Tempelgemäuer
Von gräßlichen Klauen des Brandes umkrallt.
Die Auen des Pan sind unheimlich verglommen
Und Flammengedanken verschlingen sich tief
In Seelen, die leibliche Botschaft vernommen!
Erwacht ist der Weinberg, der still und stumm schlief!
Die Krallen des Brandes verschleudern die Steine
Der Tempel der alten, versinkenden Welt,
Verwüstet sind weithin die heiligen Haine,
Es haben Propheten die Eichen gefällt.
Ganz Rom kann die brennenden Tempel erblicken,
Die Numen sind alle vom Feuer bedroht,
Sie werden aus Angst in den Flammen ersticken,
Es naht ihr lebendiger, lodernder Tod.
Denn seht, diese Flammen beschützen das Leben,
Sie sind schon ein furchtbares Zukunftsgespenst,
Es kann sich der Erdgeist oft drohend erheben,
Doch er ist es, der uns mit Freuden bekränzt.
Der Boden muß ringsum Ideen gebären,
Die Erde trägt ewige Wälder im Schooß,
Sie labt, wer da Durst hat, mit Reben und Ähren,
Und wenn wir verzweifeln, so zeigt sie sich bloß.
Denn nackt sind die Flammen, ja Rankenskelette
Das haftige Wesen vom wachsenden Wald.
Gar vieles erzählen uns brennende Städte,
Und Roma entleuchtet Jehovahs Gewalt!
Doch Nero, von brüllenden Löwen umgeben,
Erblickt nur ein Schauspiel von singendem Gold,
Und wenn seine Bestien, vor Schrecken, erbeben,
So fürchtet er gar nichts, denn Zeus ist ihm hold!
Die Katzennatur scheint an Flammen zu saugen,
Vielleicht wird ihr Wüstenbedürfniß gestillt,
Die Grausamkeit gleißt schon aus grünlichen Augen,
Der Brand macht die Thiere erschrocken und wild.
Der Kaiser jedoch merkt kein Zerren und Pfauchen,
Er sieht nur ins Feuer, das Wunder versprüht,
Er schaut, – doch er ahnt nicht, daß Götter verhauchen,
Da jegliches Denken ihn fürchterlich müht.
Die nächsten Geschlechter begruben die Numen
Und haben sich Tempel aus Trümmern gebaut,
Ihr Gott aber wuchs nicht aus römischen Krumen,
Er hat auch nicht einfach ins Weltwerk geschaut.
Man wählte den Gott, der Ägypten gegeißelt
Und der seine Feinde im Meere ertränkt,
Man hat ihn sofort im Gedanken gemeißelt
Und so dessen mystisches Wesen gekränkt.
Man gab ihm bewegliche, griechische Glieder,
Ein jüdisches Haupt und etruskischen Rumpf,
Man webte sein Wesen in christliche Lieder
Und sang sie zu Ostern zum Sonnentriumph.
So müssen im Brande die Götter vergehen,
Das Bildniß des Zeus ist schon lange gestürzt,
Es haben die Stürme, die fürchterlich wehen,
Dem Feuer den Weg über Hügel verkürzt.
Die Flammen zerstören die Marmoraltäre,
Doch unberührt dauert des Weltherrschers Thron,
Dort schützt bald der Papst seine römische Lehre,
Dann später das Reich und die Inquisition.
Theodor Däubler