@Photographer73Photographer73 schrieb:OP bekannte sich in allen Punkten - not guilty, das war ja wohl ein klares Statement. Würde Roux wissen, daß dies gelogen ist, und dennoch seine Verteidigung darauf aufbauen, würde er entgegen dem handeln, was Du verlinkt hast.
Zumindest nach deutschem Recht wäre das so nicht zutreffend. Ein Rechtsanwalt darf den Mandanten auch verteidigen, wenn dieser (der Mandant) selbst auf unschuldig plädiert, auch wenn der Anwalt weiß, dass der Mandant schuldig ist. Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet die Lügen des Mandanten aufzudecken, um genau zu sein, darf er das gar nicht. Solange der Rechtsanwalt nicht aktiv beiträgt,, indenm er selbst Beweisanträge stellt, von denen er weiß, dass diese eine Lüge beweisen sollen - konkret zB ein Alibizeuge - dann ist das völlig zulässig. Der Rechtsanwalt darf zB auch "Entlastungszeugen" benennen, wenn diese eine wahre Tatsache bezeugen sollen, die - sollte sie im Prozess bewiesen werden - insgesamt sich positiv auf die Gesamtdarstellung des Mandanten auswirkt auch ohne dass sie eben konkret geeignet wäre seine Unschuld zu beweisen. Darüber hinaus eben besteht auch die Möglichkeit Belastungszeugen anzugreifen, wenn diese lügen oder Widersprüchliches von sich geben.
Photographer73 schrieb:Und genau da liegt nämlich auch mein Problem. Bisher bin ich immer davon ausgegangen, daß es für einen Verteidiger nur hilfreich sein kann, wenn er die Wahrheit kennt... umso besser kann er agieren, dachte ich zumindest. Aber wenn ich die Beiträge lese, was ein Anwalt darf und was nicht, dann sieht es wohl eher so aus, als wenn er durch die Wahrheit limitiert wird.
Das hängt alles von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und kann keinesfalls pauschal beantwortet werden.
1. Zunächst einmal gibt es sicherlich Anwälte, die auch kein Problem damit haben das Gesetz zu brechen. Für diese Anwälte ist es tatsächlich das beste die Wahrheit zu kennen. Nur dann kann der Anwalt diese auch effektiv bekämpfen, weiß was auf ihn zukommt usw. Solange der Anwalt immer die Möglichkeit hat plausibel zu dementieren, dass er die Wahrheit kannte, und er sich darauf verlassen kann, dass der Mandant ihn nachher nicht verrät (etwa wenn er den Prozess dennoch verliert), ist das für ihn auch ungefährlich.
2. Anwälte, die sich an das Gesetz halten, haben es schon ein bisschen schwerer. Hier gibt es aber wieder zwei Möglichkeiten:
a) Wenn es bereits für die Schuld des Mandanten erdrückende Beweise gibt oder aber die Ermittlungsbehöreden mit an sicher grenzender Wahrscheinlichkeit erdrückende Beweise für die Schuld des Mandanten finden werden, dann ist es besser, wenn der Anwalt die Wahrheit kennt. Denn dann muss sich in der Regel eine erfolgreiche Verteidigungsstrategie darauf konzentrieren ein möglichst mildes Urteil zu erreichen. Das geht - in Deutschland - am besten, indem der Täter geständig ist, Reue zeigt, sich an der Aufklärung seiner eigenen Straftat(en) aktiv beteiligt, Wiedergutmachung anbietet und es zu einem Täter-Opfer-Ausgleich kommt.
Aber selbst wenn man sich lieber auf eine Strategie konzentriert, mit der man einen Freispruch erreichen will, ist auch bei Kenntnis der Wahrheit für den Anwalt noch nichts verloren. Wie bereits dargestellt besteht immer die Möglichkeit, Beweisverwertungsverbote durchzusetzen, Belastungszeugen der Lüge zu überführen oder zumindest unglaubhaft erscheinen zu lassen und darüber hinaus Entlastungszeugen auf "Nebenkriegsschauplätzen" einzubringen, solange letztere wahre Sachverhalte bezeugen. Diese Strategie ist natürlich effektiver, wenn von vornherein klar ist, dass die StA wenig in der Hand hat.
b) Die andere Alternative ist die, dass der Anwalt grundsätzlich in eventuell selbst gewählter Unkenntnis bleibt, um alle Mittel - also auch Alibi- oder andere Entlastungszeugen, die die Unwahreheit sagen (was der Anwalt aber dann ja praktischerweise nicht weiß) einzubringen. Daraus können sich aber durchaus Nachteile ergeben, nämlich dann, wenn die Wahrheit eben doch ans Licht kommt. Hier wird der Anwalt dann mit bösen Überraschungen konfrontiert - Belastungszeugen, mit denen er nicht gerechnet hat, Alibizeugen, denen die Lüge nachgewiesen wird, usw.
All das setzt natürlich voraus, dass der Manant tatsächlich auch schuldig ist.
Im Endergebnis hängt hier viel von der persönlichen Einstellung des Anwalts, des Mandanten und den Gesamtumständen ab, wozu der Anwalt rät und was der Mandant von sich aus tut.
Das hier nur nochmal zur Ergänzung des von
@Interested zitierten Beitrags von mir.