@Photographer73 [...] das kann man dann auch nicht über einen Kamm scheren und jeden Anwalt als geldgeil und skrupellos einstufen.
Dem stimme ich vollumfänglich zu. Ich persönlich würde mich nicht als geldgeil und skrupellos bezeichnen. Ich kenne allerdings leider auch Kollegen, bei denen das durchaus zutrifft.
@sterntaucher sterntaucher schrieb:Danke für deine ausführliche und vor allem auch sehr gut verständliche Erläuterung!
Ich habe gelesen, du bist vom Fach, deshalb würde mich deine Meinung schon interessieren zu den eingebrachten "Beweismitteln" der Verteidigung: Der Hörtest, der Lichttest, das Bild vom Mann, der vor dem Fenster kniet und verdeutlichen soll, dass die Nachbarn nicht viel sehen konnten.....
Ich kann es einfach nicht nachvollziehen, so einem Mordvorwurf entgegenwirken zu wollen.
Nichts zu danken.
Ich muss ehrlich gestehen, ich habe den Fall nicht genauer verfolgt und hier in diesem Thema mich nur geäußert, weil
@Interested einen Beitrag von mir aus einem anderen Thema hier nach freundlicher Rückfrage eingestellt hat und ich den gerne noch etwas ergänzen wollte. Worum es hier im konkreten Diskussionsabschnitt geht, hat sich mir ehrlich gesagt auch noch nicht vollständig erschlossen.
Ich kann diese implizite Frage, warum man "einem Mordvorwurf entgegenwirken [wollte]", also allenfalls nur generell beantworten: Die Aufgabe der Verteidigung im Rechtsstaat ist es nun einmal, den Angeschuldigten und späteren Angeklagten nach bestem Wissen und Gewissen zu verteidigen, ohne sich dabei der Strafvereitelung schuldig zu machen. Dazu gehört es, sicherzustellen, dass der Angeklagte nur dann verurteilt wird, wenn die StA dessen Schuld über jeden berechtigten Zweifel erhaben beweisen kann. Das gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt weiß, dass der Angeklagte schuldig ist. Denn nur wenn der Angeklagte nicht befürchten muss, eine schlechtere Verteidigung zu bekommen, weil er dem Anwalt die Wahrheit gesagt hat, kann das Vertrauensverhältnis entstehen, das für eine gute Verteidigung absolut unabdingbar ist. Wird der schuldige Angeklagte freigesprochen, ist das im Rechtsstaat hinzunehmen, weil Einschränkungen der Verteidigungsmöglichkeiten eben immer viel größere Nachteile mit sich bringen, als die Tatsache allein, dass ein Straftäter einmal ohne Strafe davonkommt. Ein guter Strafverteidiger weiß das, und kennt den Wert seiner Arbeit für den Erhalt des Rechtstaates, dessen Gesellschaft und der Menschenrechte im Allgemeinen.
Wenn also im konkreten Fall die Verteidigung mit ihren Beweismitteln darlegen kann, dass die Augenzeugen gar nicht die Wahrnehmungen machen konnten, dann ist das absolut wichtig und richtig, selbst wenn das Ergebnis höchst unbefriedigend sein mag - wenn denn tatsächlich Pistorius der Täter ist. Denn andersherum würde es ja bedeuten das man Pistorius aufgrund falscher oder schlechter Augenzeugen verurteilt. Und das kann dann nicht nur einem schuldigen Angeklagten passieren, sondern auch einem unschuldig Angeklagten. Tatsächlich würde es den Rechtsstaat untergraben, wenn dieser Menschen auf der Basis falscher Zeugenaussagen oder anderer Beweismittel verurteilen könnte. Oder nochmal anders ausgedrückt: Im Rechtsstaat heiligt der Zweck eben nicht die Mittel. Wenn die StA nicht hinreichende Beweise liefern kann oder die vermeintlich erbrachten Beweise sich durch Tätigkeit der Verteidigung entkräften lassen, ist daran nichts Verwerfliches zu erkennen. Und aus diesem Grund kann ein Strafverteidiger durchaus auch guten Gewissens einen schuldigen Straftäter verteidigen.
Und dann besteht natürlich auch immer die theoretische Möglichkeit, dass der Angeklagte tatsächlich unschuldig ist.
Und dass es Strafverteidiger gibt, die bereit sind diese sicherlich auch nicht leifchte Aufgabe zu übernehmen, dafür sollte man genauso dankbar sein, wie für diejenigen die als Soldaten ihren Dienst tun oder die bei der Polizei oder im Gefängnis arbeiten. Alles Jobs, bei denen man an und für sich zu ethisch problematischen Tätigkeiten getwungen sein kann, die aber eben zum Schutze und dem Erhalt der Gesellschaft notwendig sind, genauso wie die der Srafverteidiger.