@ZitronellaAlso auf der offiziellen Seite der Polizeidirektion Lüneburg wird von einem dringenden Tatverdacht bzgl KWW gesprochen, da steht nichts von einer etwaigen Verantwortlichkeit.
https://www.pd-lg.polizei-nds.de/startseite/kriminalitaet/deliktsbereiche/cold_cases/ermittlungsgruppe-goehrde-113732.htmlVon Verantwortlichkeit wird lediglich in den Berichten des MDR
https://www.mdr.de/brisant/asservate-goehrde-morde-polizei-lueneburg-fall-wichmann-100.html und NDR
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/30-Jahre-Goehrde-Morde-Zeugen-erinnern-sich,goehrdemorde126.html gesprochen. Auf der offiziellen Seite der Polizeidirektion Lüneburg steht das so nicht. Dass jemand, auf dessen Grundstück die sterblichen Überreste einer Person gefunden wurden, als dringend tatverdächtig gilt, ist ja nur naheliegend.
Selbst wenn auf der Seite der Polizeidirektion Lüneburg etwas von Verantwortlichkeit stünde, also iSe Kausalität zwischen der Handlung des KWW und des Todes der BM, ergäben sich daraus eine Reihe weiterer Fragen, die juristisch äußerst bedeutsam und zur nach Möglichkeit lückenlosen Aufklärung dieses und möglicherweise anderer Tötungsdelikte erforderlich wären.
@SpäteSühne und
@LuckyLuciano sprachen im Verlauf der Diskussion ja immer wieder von einer möglichen und zu überprüfenden Komplexität des Geschehens. Das hat nichts mit deiner Unterstellung, wir würden KWW versuchen in Unschuld zu waschen, zu tun (warum auch???).
Warum ist die Berücksichtigung einer nicht auszuschließenden „Komplexität“ des Geschehens so wichtig? Als ehemaliger stud. Jur. möchte ich dir dazu einige grob skizzierte Überlegungen darbieten anhand des materiellen Strafrechts. Vorweg: Hier sind selbstredend die unterschiedlichsten Konstellationen denkbar (aufgrund unseres in diesem Forum nicht konkretisierten Wissensstandes). Ich kann also in diesem Rahmen nur auf einige Möglichkeiten eingehen.
1) Konstellationen, in denen KWW alleine handelte
Das wäre insofern die „einfachste“ Möglichkeit, als dass iSv Verantwortlichkeit KWW unabhängig vom konkreten Tatablauf für den Tod der BM verantwortlich wäre. Aber auch hier gäbe es eine Variation an rechtlich unterschiedlich zu behandelnden Möglichkeiten an Abläufen, die nicht zwangsläufig dazu führen müssten, dass KWW des Mordes oder Totschlags zum Nachteil der BM zu bezichtigen wäre. Es könnte sich also zB auch um eine fahrlässige Tötung oder um verschiedene Konstellationen der Vorsatz- und/ oder der schuldausschließenden Irrtümer gehandelt haben.
Davon geht die Polizei aber wohl nicht aus, zumal sie sonst Rechtfertigungsprobleme hätte gegen den bereits verstorbenen KWW weiter zu ermitteln
2) Konstellationen, in denen KWW nicht(!) alleine handelte
a) Hier sind zunächst mal unterschiedliche Variationen von Täterschaft und Teilnahme möglich. In Bezug auf die Täterschaft wäre zunächst zu klären welche Person(en) einer unmittelbaren, mittelbaren oder Mittäterschaft zuzuordnen wären. Bzgl möglicher Tatteilnahmen wären Anstiftung und Beihilfe zu berücksichtigen.
b) Grundsätzlich würde in einer solchen Konstellation auch in Frage kommen, was unter 1) beschrieben wurde. Dh die Täter müssen ursprünglich nicht in Tötungsabsicht zum Nachteil der BM gehandelt haben.
c) Geht man allerdings davon aus, dass in Tötungsabsicht gehandelt worden ist, so ergeben sich auch hier unterschiedliche Konstellationen, die man zu berücksichtigen hätte.
ca) Mittäterschaft: Alle an der Tat Beteiligten hatten den gemeinsamen Plan die BM zu töten und vollendeten die Tötung gemeinsam.
cb) Mittäterschaft: Alle an der Tat Beteiligten hatten ursprünglich den Plan die BM zu töten, eine oder mehrere Personen wurde die Sache „zu heiß“. Je nach Sachverhalt käme für diejenigen nur ein Mordversuch/ Versuch des Totschlags in Betracht. Letzterer wäre verjährt.
cc) Mittäterschaft: Alle an der Tat Beteiligten wollten BM ursprünglich entführen. In Zusammenhang mit der Entführung kommt es zu einem Mittäterexzess.
cd) Mittelbare Täterschaft: Der Tatmittler handelt ohne Tatbestandsvorsatz bzw ohne Absicht oder war zum Zeitpunkt der Tatausführung schuldunfähig/schuldlos.
ce) Mittelbare Täterschaft: Der mittelbare Täter veranlasst oder nutzt einen beim Tatmittler vermeidbaren Verbotsirrtum aus. Angenommen die BM wurde bereits vor der Schussverletzung von den Tätern als tot befunden, was sie aber faktisch nicht war und was Täter 1 wusste. Dieser veranlasst nun den Täter 2 auf BM zu schießen unter dem Vorwand sie sei bereits tot.
Entsprechend sind Konstellationen der Teilnahme zu prüfen.
Also kurzum: Es macht schon Sinn hier vorsichtig und zurückhaltend zu sein, gerade im Sinne einer möglichst lückenlosen Aufklärung der Geschehnisse. Das hat nichts mit einem etwaigen Versuch zu tun KWW in „Unschuld zu waschen“.