sandero schrieb:Euer (Palio, BoobSinclair, etc.) Narrativ aufgrund eines Bauchgefühl ist, dass Felix tot ist. Euer Vorurteil ist, dass die Ermittler alles getan haben, um einen lebenden Felix auszuschließen und ihr passt dann die Faktenlage an, indem ihr von M.H. als Mörder ausgeht und ihm eine Persönlichkeitsstörung andichtet, für die es außer eurem persönlichen Bauchgefühl überhaupt keinen Hinweis gibt. Alle eure Beweise für diese angeblich Persönlichkeitsstörung von M.H. gibt es nur, wenn euer Bauchgefühl stimmt. Das nennt man Zirkelschluss "
Nein, das ist nicht richtig. Du möchtest gern die These der StA und die der Großeltern gleichsetzen, aber das gelingt nicht, jedenfalls nicht, wenn man strukturiert vorgeht und nicht alles in einen Topf wirft. Der Einwand "Zirkelschluss" ist hier im Fall der Suizidthese selbstverständlich nicht zutreffend. Auch gehört eine mögliche Persönlichkeitsstörung überhaupt nicht zu dieser These.
Wie geht man also seriös vor?
Wenn es einen kriminalistischen Sachverhalt gibt (hier: Verschwinden eines Zweijährigen, Tod des Vaters), der eine Aufklärung und damit eine These erfordert, guckt man sich zunächst ganz wertfrei die vorgefundenen Hinweise an. Diese werden dann durch Interpretation zu Indizien/Beweisen.
Darauf basierend entwirft man eine Hypothese.
Alternative Hypothesen sind im Falle von sich widersprechenden indizien/Beweisen natürlich zu prüfen. Sie müssen aber ernsthaft bestehen, dürfen also nicht lebensfremd sein und müssen positiv gestützt werden. Geheimfakten, die nur in der Vorstellung existieren, gehören nicht zu den Stützen.
Indizien sind unterschiedlich zu gewichten.
Es gibt fallnahe Indizien. Das sind in diesem Fall solche, die sich direkt zeitlich, örtlich und inhaltlich auf den Tod des MH beziehen.
Es gibt fallferne indizien, das sind zum Beispiel hier eine mögliche grundsätzliche Lebenseinstellung des Toten,
dessen Lebensumstände oder besondere Ereignisse wie frühere Suizidversuche.
Fallnahe Indizien sind in der Regel immer! wichtiger als fallferne Indizien.
Es gibt verifizierte, eindeutige, vage und zweifelhafte Indizien.
Ich zähle die fallnahen indizien noch einmal auf, die in ihrer Gesamtheit widerspruchsfrei sind und bei vernünftiger Betrachtung einzeln und besonders insgesamt wenig Interpretationsspielraum zulassen:
Suizidliteratur in Form von Büchern und Ausdrucken in der Wohnung von MH.
Ein auf die Rückseite einer Führerscheinkopie gekritzelter Brief an die Ex-Frau.
Leere Flaschen hochprozentigen Alkohols im Biwak.
Angebrochene/leere Schlaftablettenpackungen, Tablettenrückstände im Verdauungstrakt des Toten.
Ein völlig derangierter und zur Witterung unpassender Bekleidungszustand:
Jacke fehlt, Brille fehlt, ein Schuh ist nicht am Fuß, Reißverschluss der Hose geöffnet, Socke wurde in die Hosentasche gestopft.
Das Auto ist seit 10.01. in Polizeigewahrsam.
Blutspuren und Leiche abseits des Weges, Blutspuren auch einen halben Kilometer weiter südlich, Biwak und Leichenfundstelle in verschiedenen, durch eine Straße getrennten Waldgebieten.
Ein verschwundenes, nicht allein überlebensfähiges Kleinkind.
Innere Verletzungen, die nicht lange überlebt wurden und nur bei einem geschwächten Gesamtzustand tödlich waren.
Keine Anzeichen von Fremdeinwirkung am Körper des Toten.
Welche These ergibt sich ehrlicherweise daraus, ohne jegliches Vorurteil?
Sollte eigentlich jedem klar sein - ein Suizidfall. Alles davon spricht für einen Suizid.
Damit steht die sich aus den Indizien zum Tod des MH ergebende Hypothese fest und das auch sehr schnell. Nun ist zu prüfen, ob es auch Indizien gibt, die dagegen sprechen.
Das gilt
nur für die Sichtungen. Wenn diese Felix und Michael Heger betreffen, kann MH nicht vor dem 12.01. gestorben sein und dann wäre ein Suizid weniger wahrscheinlich. Andere direkte Indizien, die der Hypothese "Suizid" entgegenstehen, gibt es nicht!
Wenn die Sichtungen MH und Felix betreffen, muss aber auch eine sinnvolle These entworfen werden, die mit den Sichtungen UND mit den anderen Fakten in Einklang gebracht werden kann. Die naheliegende Alternative ist sonst nämlich, dass diese Sichtungen nicht Felix und seinen Vater betreffen.
Zeugen sind auf Glaubwürdigkeit und Zeugenaussagen generell auf Glaubhaftigkeit zu prüfen.
Die angebliche Sichtung in Oftersheim beim Bäcker ist hochgradig unglaubhaft. Hier wurde schon gefragt, warum die Polizei diese denn gar nicht ernst genommen hat. Nun, ich kann das nachvollziehen. Diese Gesprächsführung zwischen zwei Unbekannten ist auffallend absurd und befremdlich, die Beschreibung der Kleidung von MH passt nicht, es passt nicht, dass er seine Pläne überhaupt einer völlig fremden Person anvertraut, als "hätte er einen an der Brezel", wenn ihm doch sonst angeblich so an Geheimhaltung lag. Es ist auffällig, dass die Zeugin sich wichtig machen will ("Wichtige Aussage") und ihre Angaben nochmal ändert. Die Unglaubwürdigkeit ist übrigens auch den Kriminalbeamten aufgefallen und das sind nunmal Profis mit Menschenkenntnis.
Es ist ferner nicht plausibel, warum MH am Vortag ins Bühlertal gefahren sein soll, dann wieder back to Oftersheim und danach dann wieder ins Bühlertal, jeweils 100 km. Zu der Hin-und Herfahrerei passt auch der Tankfüllungsstand nicht.
Die Sichtungen am 11.01. und 12.01 liegen eine Woche nach dem Verschwinden. Die Zeugen kannten MH und Felix nicht. Es könnte irgendein Mann mit irgendeinem Kind gewesen sein. Mit welcher These ist eine Sichtung eine Woche später, 30 km entfernt, ohne Auto, zu Fuß in Einklang zu bringen und warum sollte man deswegen alle wichtigen Indizien von oben ignorieren?
Ich sehe keine sinnvolle andere These. Für mich ist es klar, dass die Zeugenbeobachrungen nicht Felix und MH betreffen können.
MH war mMn. zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich bereits tot (dazu müsste man den Obduktionsbericht vollständig kennen), er hatte kein Auto mehr zur Verfügung, es wurden keine weiteren Personen gesehen, es gibt keine Hinweise aus den Handydaten, und es erklärt sich nicht, warum er überhaupt anschließend in den Wald zurückkehren und dort auf diese Weise sterben sollte.
Zu den weiteren Punkten, die du erwähnt hast:
sandero schrieb:Versäumnisse: die Staatsanwaltschaft geht von Alkohol- und Schlaftablettenkonsum aus, um den Suizid zu erklären
Was wurde versäumt? Tablettenrückstände wurden nunmal im Verdauungstrakt des Toten gefunden, ebenso angebrochene Tablettenpackungen und leere Flaschen. Es gibt Hinweise auf ein Verlassen des Biwaks in einem verwirrten Zustand, Zwischenaufenthalt im Auto, Herumirren im Wald. Damit ist der Alkoholabbau problemlos erklärt.
sandero schrieb:verweigert aber ein toxikologisches Gutachten
Wofür ist das toxikologische Gutachten notwendig? Welche Erkenntnisse könnten sich daraus ergeben? Kennst du die Begründung der Gutachter, warum sie ein toxikologisches Zusatzgutachten empfehlen?
sandero schrieb:es gibt eine Wunde am Handgelenk
Welche Untersuchung sollte da konkret gemacht werden um genau was herauszufinden? Welche Erkenntnisse stehen hierbei im Raum?
sandero schrieb:es gibt bis heute verschwundene Gegenstände
Warum passt dieser Umstand nicht zum Suizid mit vorherigem Verschwindenlassen von Felix und diesen Gegenständen?
sandero schrieb:es gibt einen Hund, der M.H.s Spur aus dem Wald zu einer vermieteten Wohnung verfolgt hat und von da aus wieder zurück zu seinem Auto
MH könnte im Wald entlang dieser Strecke herumgelaufen sein, der Hund könnte sich aber auch irren. Auch dies ist nur ein fernes Hilfsindiz ohne Beweiskraft.
sandero schrieb:es gibt zu guter letzt eine Reise des Vaters zu der "Märchen"sekte in Portugal und den durch Zeugenaussagen der Familie dokumentierten Wunsch dorthin wieder zurückzukehren.
Das war 1997. Was wurde aus dem Wunsch? Hat ihn der Aufenthalt tatsächlich nachhaltig inspiriert, so dass er sein Leben danach ausrichtete? Vielleicht gibt sein Werdegang Auskunft darüber. Wie geht's weiter mit der Lebenseinstellung und deren Umsetzung bei MH?
Er schließt sein Studium ab, wird Vater, heiratet, macht Gelegenheitsjobs und lebt in der von den Schwiegereltern bereitgestellten Wohnung.
Felix wurde am 8. April 2003 geboren. Ende Mai heiratete das Paar standesamtlich. Die beiden trennten sich ein paar Monate darauf im November 2003. Im Juni 2005 wurden sie rechtskräftig geschieden. Im Januar 2006 stirbt MH im Schwarzwald. Ich sehe da einen engen Bezug zu der negativen Entwicklung in der Partnerschaft, aber keinen zu seiner angeblichen Lebensphilosophie.
Also: Wir haben nahe fallbezogene Indizien, die in keiner Weise entkräftet werden durch ferne bzw. zweifelhafte Indizien. Wir haben eine These zur Todesursache von MH, die durch diese Indizien eindrucksvoll untermauert wird.
Und: Es gibt keine sinnvolle Alternativthese, die die relevanten Indizien chronologisch und inhaltlich stringent passend zusammenfügt.
Wenn sich MH gleich am Wochende umgebracht hat, dann sind die Sichtungen für den Fall und weitere Thesen hinfällig und es liegt nahe, dass er vorher auch seinen Sohn getötet und versteckt hat.