@justiciaDass Debra nun das zweite Mal wegen der gleichen Angelegenheit vor Gericht steht, ist uns allen bekannt und unstrittig. Eine der entscheidenden Fragen bzgl. „double jeopardy“ ist aber, ob die Staatsanwaltschaft im ersten Verfahren Kenntnis von Tatsachen oder Beweisen hatte und diese bewusst zurückgehalten hat, um ein für sie vorteilhaftes Urteil zu erreichen. Wenn man diese Frage bejaht, so kann man argumentieren, dass das Urteil aus Sicht der Anklage „abschließenden Charakter“ hatte, da ihr alle Begleitumstände vollständig bekannt waren. Somit wäre beispielsweise die Behauptung der Anklage, die Verfehlungen des Herrn Saldate hätten sich zum damaligen Zeitpunkt ihrer Kenntnis entzogen und der Prozess sei vollkommen korrekt abgelaufen, offensichtlich unbegründet. Debras Anwalt, Michael Kimmerer, hat vor Gericht versucht, mit Hilfe von Präzedenzfällen, in denen dem Antrag auf „double jeopardy“ stattgegeben wurde, diese Auffassung zu untermauern. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist durch die Aufhebung des Urteils durch das 9. Berufungsgericht der Sachverhalt letztlich quasi so, als hätte es einen ersten Prozess nie gegeben, Umstände für ein „double jeopardy“ Argument wären somit nicht gegeben.
Nach längerer Prüfung hat Frau Mroz der Argumentation der Verteidigung nicht folgen können und den Antrag auf Verfahrenseinstellung eben wegen „double jeopardy“ abwegig beschieden. Wie ich das sehe, auch in Anbetracht der bereits damals schon bekannten Verfehlungen des Herrn Saldate, habe ich schon zuvor in einem Artikel erwähnt. Ich halte Frau Mroz aber nach wie vor für überparteilich und korrekt, und wenn sie nach sorgfältiger Prüfung gegen die Buchstaben des Gesetzes zu der Auffassung gelangt, den gestellten Antrag ablehnen zu müssen, so wird sie ihre Gründe haben und ich habe dies zu respektieren. Bisher habe ich nicht den Eindruck, dass sie – bildlich gesprochen – von den „scharfen Hunden Arizonas“, wie du es formuliert hast, gejagt wird.
Die Vorgabe, dass ein Richter oder Staatsanwalt auch Kontrollpflichten hat und auch Argumente werten muss, die für den Angeklagten sprechen (und ggf. das Verfahren einstellen muss), existiert so in Deutschland und anderen Ländern der EU, nicht aber in den USA, wobei die Einzelheiten wiederum von den jeweiligen Bundesstaaten abhängen (in Arizona beispielsweise müssen entlastende Aspekte – so es welche gibt – der Verteidigung mitgeteilt werden). Die Staatsanwaltschaft in Arizona muss also das Verfahren (auch bei dürftiger Beweislage) nicht notwendigerweise einstellen, wenn sie der Meinung ist, irgendwie eine Verurteilung erreichen zu können. So, wie auch die Richterin frei in ihrer Urteilsfindung ist; sie kann das Verfahren einstellen (wenn sie etwa zu der Meinung gelangt, ein Schuldspruch sei nicht zu erreichen), sie muss aber nicht. Fälle wie Harry Wörz, Horst Arnold oder auch „Amelie“ zeigen auf, dass es bspw. auch in Deutschland wiederholt dazu kommt, dass Richter und Staatsanwälte trotz bestehender Kontrollpflicht dieser nicht zur Genüge nachkommen. Man kann trotz dieser traurigen und wütend machenden Vorfälle lediglich anmerken, dass es in Deutschland (und in den meisten anderen europäischen Staaten) möglich ist und oft auch gelingt, bei Bekanntwerden neuer Sachverhalte eine Wiederaufnahme oder letztendlich sogar eine Einstellung des Verfahrens bzw. Aufhebung des Urteils zu erreichen. Das ist immerhin eine Tatsache, von denen etwa ein Dieter Riechmann, ein Jens Söring oder lange Zeit auch eine Debbie Milke sowie viele amerikanische Staatsbürger nur träumen können.
LG, Jörg