abgelenkt schrieb:m. E. wäre es ggf anders, wenn im Urteil sowas stünde wie: Die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage ist auch nicht deshalb eingeschränkt, weil die Sachverständigen nicht zweifelsfrei eine Narbe, die die Zeugin gesehen haben will, feststellen konnten, da das Vorhandensein einer solchen auch nicht ausgeschlossen werden konnte - aber ich vermute /hoffe das sowas (was dann wohl für das Beruhen des Urteils auf der fehlenden Feststellung zu "Narbe oder keine Narbe" spräche) nicht im Urteil steht (ansonsten hätte ich von Strate auch erwartet, dass er in der Doku eine entsprechende Passage zitiert, um sein Argument zu untermauern und zu erklären.
Ich muss sagen, dass mir Strate mittlerweile sehr suspekt ist. Dieses ganze "Ich bin von seiner Unschuld überzeugt, deshalb mach ich das pro bono." ist meiner Meinung nach vor allem ein PR-Sprüchlein und ich denke, dass er gerade durch die Pro-bono-Wiederaufnahmeanträge eine Bekanntheit erreicht und vor allem hält, die er, wenn er einfach gegen Honorar "normale", also weniger öffentlichkeitwirksame Fälle bearbeiten würde, nie erreicht hätte.
Und viele der öffentlich bekannten Fälle von versuchten Wiederaufnahmen sind solche, bei denen das Pferd sozusagen von hinten aufgezäumt wird.
Der Gesetzgeber hat sich bei seinen Regelungen zur Wiederaufnahme ja überlegt, dass wenn ein neuer Beweis bekannt wird, der den Verurteilten entlastet, das Verfahren neu verhandelt werden soll. Hier wird das ja aber offensichtlich anders gehandhabt: Frau Schwenke schreibt einen ihrer "emotionalen Briefe" an Herrn Strate, der bekommt Mitleid, entscheidet sich dazu, sich mal pro bono das Urteil anzuschauen, empört sich, dass das Urteil "so nie hätte ergehen dürfen!" und fängt dann an zu suchen, wo er einen neuen Beweis herbekommen kann, d.h. sucht Experten, die neue Gutachten erbringen sollen, recherchiert, ob es irgendwelche neuen Analysemethoden gibt etc.
Das versucht also jemand, neue Tatsachen zu schaffen, um dann den Antrag auf Wiederaufnahme stellen zu können.
Ich bin nicht so naiv, zu denken, dass es andersrum, also so wie es eigentlich vom Gesetzgeber gedacht ist, viele Wiederaufnahmefälle geben würde. Wenn jemand erst mal lebenslang weggesperrt ist, dann ist es ein extrem großer und unwahrscheinlicher Zufall, wenn plötzlich, ohne das jemand danach sucht, neue Tatsachen auftauchen, die ihn entlasten. Und selbst wenn sie auftauchen, dann muss der Inhaftierte das ja auch noch überhaupt erfahren und die Energie, den Willen und das Geld haben, eine Wiederaufnahme durchzusetzen.
Aber dieses ständige Gerede de Wiederaufnahmeanwälte, was für eine Schande das ist, dass nur so ein minimalster Anteil der gestellten Anträge Erfolg habe, was dann gerne mit dem Unwillen der Justiz begründet wird, die eigenen Fehler einzugestehen und in einer allgemeinen Kritik mündet, unser Rechtssystem sei undurchlässig und für einen einmal Verurteilten ungerecht hart, halte ich vor allem für Anwalts-PR.
Man kann angesichts dieser gleiche Statistik ja auch anders argumentieren: dass eben offenbar der ganz weit überwiegende Anteil der gestellten Anträge unberechtigt ist.
Ich will mir nicht vorstellen, was ich tun würde, wenn ich zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden wäre. Viel Zeit, wenig zu tun, viel Langeweile und viel Willen, da möglichst schnell wieder rauszukommen. Da setzen sich so Leute wie Christine S. dann eben hin und verbringen ihren Gefängnisalltag mit dem Scheiben "emotionaler Briefe! Und dieser ganze "Der pro-bono-Staranwalt holt Euch hier raus!"-Hype führt dann eben dazu, dass bei Leuten Hoffnungen geweckt werden, die in den allermeisten Fällen eben ungerechtfertigt sind.
Und als Bürger dieses Landes hoffe ich doch, dass als die Wiederaufnahmeanträge, die vor allem deshalb gestellt werden, weil der Verurteilte einfach mal Bock hat, es zu versuchen, zu verlieren hat er ja nicht viel, abgewiesen werden.
Hinzu kommt, dass die meisten Anträge auf Wiederaufnahme werden eben nicht von auf pro bono-Basis arbeitenden Staranwälten gestellt, sondern von Strafverteidigern, die für diese sehr aufwendige Arbeit das ihnen zustehende Honorar verlangen müssen. Insofern bin ich mittlerweile ein bisschen allergisch gegen diese Robin-Hood-Auftritte der Wiederaufnahmestars unter den Anwälten, die ihr Wirken gerne auch mal in einer Fernseh-Doku dokumentiert sehen. Ich glaube, das führt eben auch dazu, dass bei eine bestimmten Klientel viel zum Scheitern verurteilte Hoffnung geschürt wird, für die diese Geld ausgibt, was sie eigentlich nicht hat und was sie genauso gut hätte nutzen können, um sich ihrer Zigaretten in der Raucherzelle damit anzuzünden.
Und um jetzt die Volte zurück zum konkreten Fall zu schlagen: hier kommt es mir eben genauso vor, dass zwei Anwälte auf Teufel komm raus versuchen, neue Tatsachen zu konstruieren, um einen Wiederaufnahmeantrag schreiben zu können. Die Erfolgsaussichten, dass sie damit Erfolg haben werden, sind aus meiner Sicht eher verschwindend gering.
Und ganz ehrlich: ich hoffe auch, dass das abgewiesen wird, denn meiner Meinung nach sitzen hier genau die zwei richtigen für eine brutale und absolut unnötige Tat, mit der sie sich um Unterhaltszahlungen drücken wollten.
Da wurde nicht nur die Ex-Freundin sondern auch das eigene Kind und Enkelkind ermordet, das kurz vor der Geburt stand - wenn Maike zu diesem Zeitpunkt der Schwangerschaft eine Frühgeburt erlitten hätte, hätte das kleine Mädchen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit beste Chancen gehabt, zu überleben und ein ganz normales, gesundes Leben zu führen. Die Eiseskälte muss man erst mal haben, so eine Tat zu planen und zu begehen!