"Maike-Thiel-Prozess: Anträge über Anträge
Anträge verzögern das Maike-Thiel-Verfahren. Die Angeklagten Michael Sch. und seine Mutter Christine stehen mitlerweile seit einem Jahr vor dem Landgericht Neuruppin. Dienstag mussten sie sich erneut für das Verschwinden der schwangeren Maike Thiel verantworten. Wenn es nach Staatsanwaltschaft und Nebenklage geht, liegen vor ihnen jahrelange Haftstrafen.
Neuruppin/Leegebruch. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger halten Michael Sch. und seine Mutter Christine des Mordes und der Anstiftung für schuldig gesprochen. Auf Geheiß seiner Mutter soll der 18-Jährige am 3.Juli 1997die damals 17-jährige, mutmaßlich von ihn schwangere Maike Thiel umgebracht haben. Deshalb müssen sich Mutter und Sohn seit dem 13.Mai vergangenen Jahres vor dem Landgericht Neuruppin verantworten.
Vor beiden liegen jahrelange Haftstrafen, wenn es nach Staatsanwaltschaft und Nebenklage geht. Die Verteidiger dagegen setzen alles daran, die Unschuld ihrer Mandanten zu beweisen, und ziehen alle Register. Immer wieder präsentieren sie dem Gericht neue Zeugen und Gutachter, statt zu plädieren. So auch gestern, am mittlerweile 43.Verhandlungstag. „Was erwartet uns heute?“, fragte der Vorsitzende Richter Gert Wegner gleich zu Beginn. Wieder neue Beweisanträge.
„Es liegen neue bedeutsame Beweismittel vor“, sagte Verteidiger Lüder Suling. Ein Hautarzt der Ruhr-Klinik Bochum, ein „ausgewiesener Fachmann“, könne aussagen, dass Michael Sch. keine Narbe am linken Unterarm hat. „Wenn sie einmal da war, kann sie auch nicht verschwunden sein“, so Suling. Aus seiner Sicht ist die nicht vorhandene Narbe ein weiteres Indiz dafür, dass die Hauptbelastungszeugin Dominique S. falsch ausgesagt hat. Diese hatte von einer Bissverletzung gesprochen, die Maike Thiel Michael Sch. im Todeskampf beigebracht haben und die noch Jahre später zu sehen gewesen sein soll. Das Gericht lehnte es ab, diesen Gutachter zu hören.
Damit gab sich die Verteidigung nicht zufrieden. Dass eine Tätowierung, wie sie Michael Sch. am Unterarm hat, keine Narbe überdecken könne, falle in das Fachgebiet eines Dermatologen. „Man darf nicht auf eine Expertise verzichten“, sagte Suling. Das sah das Gericht anders. Doch die Verteidigung gab nicht auf. Nun ging es um die Zeugin Lydia C., eine Ex-Freundin des Angeklagten. Er soll ihr 2009 unter laufender Dusche mehr oder weniger seine Tatbeteiligung gestanden haben. Ob das, was Lydia C. ausgesagt hat, der Wahrheit entspricht, soll aus Sicht der Verteidiger ein aussagepsychologisches Gutachten klären. Es seien erkennbare Widersprüche aufzuklären. Auch wenn es die Aufgabe des Gerichts sei, über die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu befinden, reiche in diesem Falle die Sachkunde der Strafkammer nicht aus, so Verteidigerin Marianne Zagajewski. Die Zeugin sei drogen- und alkoholabhängig gewesen und habe unter Essstörungen gelitten. Auch diesen Antrag lehnte das Gericht ab.
Dagegen will die Kammer am kommenden Prozesstag den Tätowierer hören, der Michael Sch.s Arm flächendeckend verziert hat. Als es um neue Verhandlungstermine ging, gab sich die Verteidigung zuversichtlich, dass das Verfahren im Juli beendet sein wird. Diese Feststellung sorgte bei den Zuhörern für schallendes Gelächter. Am 26.Juni wird weiter verhandelt.
Von Dagmar Simons"
Quelle:
http://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Maike-Thiel-Verfahren-kommt-nicht-voran (Archiv-Version vom 21.06.2014)