shirleyholmes schrieb:Bei zwei Tätern rücken die beiden gesichteten Fahrzeuge ganz massiv wieder in den Vordergrund, denn dann kann in einem Wagen das Opfer und im anderen das Fahrrad gewesen sein. Einer entsorgt das Fahrrad relativ zeitintensiv während der andere auf das Opfer aufpasst. Es alleine zu lassen nur um ein Fahrrad möglichst tief im Wald zu verstecken ist für mich sehr riskant und daher nicht logisch.
Ausserdem könnte das Fahrrad noch nachträglich, Stunden später oder sogar nachts dort entsorgt worden sein, dann hätte man auch die nötige Ruhe gehabt.
Ich bleibe dabei, das Opfer in einem Fahrzeug alleine zu lassen um sorgfältig ein Fahrrad zu entsorgen macht keinen Sinn. Dann lieber quick and dirty das Fahrrad in die Büsche werfen, aber das Fahrzeug mit dem Opfer nicht aus dem Blick lassen.
Ich sehe das eher so, dass die Entsorgung in dem Waldstück gegen einen Transport des Fahrrades im Kofferraum spricht. Wenn das Fahrrad tatsächlich im Kofferraum bereits ein Stück weit transportiert wurde, warum sollte man es dann ausgerechnet an dieser Waldstelle entsorgen? Da hätte man doch wirklich andere und viel bessere Möglichkeiten gehabt, gerade wenn man soger bis in die Nacht gewartet hätte. Darüber hinaus erscheint mir der Transport im Kofferraum auf eine Art und Weise, die andere das Fahrrad sehen lässt, als ziemlich riskant. Wenn das Fahrrad nicht sofort entsorgt wurde, dann war es eine ständige gut sichtbare Belastung für den Täter.
Ferner glaube ich, dass Du die Zeit, die ein kräftiger Mann braucht, um ein Fahrrad 40 Meter in den Wald zu tragen - selbst bei dichtem Gestrüpp - deutlich überschätzt. Ein Spaziergänger schafft durchschnittlich 5,4 km/h, das sind 5400 m pro Stunde, also 90 m pro Minute, dh 40 m unter einer halben Minute. Der trägt zwar kein Fahrrad durch Gestrüpp, aber er läuft auch nicht und hat auch nicht den Adrenalinschub einer Straftat. Im Klartext wird die Entsorgung des Fahrrades höchstens 1 - 2 Minuten in Anspruch genommen haben. Kombiniert man das mit dem was Thorhardt gesagt hat, hat man eine einfache und logische Erklärung. Es ist natürlich nicht die einzig denkbare.
Zum Beispiel können es auch zwei Täter gewesen sein (einer passt auf die Frau auf, einer entorgt das Fahrrad), ohne dass dazu das Fahrrad mit einem Auto erst transportiert werden musste. Das heißt, die Vermutung für zwei Täter sagt noch nichts über die Validität der Zeugenaussage hinsichtlich des Fahrrades im Kofferraum aus.
Auch nochmal zur Frage der Bewertung für Zeugenaussagen: Das ist ein prinzipiell wichtiger Prozess für die Ermittlungen, der - auch wenn er durchaus die Gefahr einer Fehlermittlung birgt - für die StA und die weiteren Ermittlungen in der Öffentlichkeit wichtig ist. Im Folgenden wurde die Zeugenaussage deswegen mit Zurückhaltung bewertet weil die Zeugin
- sich nicht sicher war, dass das Beobachtete sich am 14. Oktober ereignet hat
- sich nicht an die Farbe und den Fahrzeugtyp erinnern kann.
Das bedeutet nicht, dass die Zeugenaussage grundsätzlich zu verwerfen ist. Es bedeutet aber auch, dass die Polizei mit dieser Aussage wenig anfangen kann: Sie hat nur ein "fragmentarisches" Kennzeichen, was auch immer das heißen mag - im schlimmsten Fall nur das Kreiskennzeichen. Damit kann man nicht weiter arbeiten und vor Gerichte wird das auch nicht viel bringen. Wenn dazu noch die Unsicherheit des Datums kommt, wird es schwierig.
Natürlich kann immer auch alles ganz anders abgelaufen sein. Aber hier gibt es nunmal zwei konkurrierende Zeugenaussagen, dh die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass nur eine stimmt. Dabei ist die Aussage der Zeugin, die Nelli auf dem Fahrrad gesehen haben will, schon deshalb etwas wahrscheinlicher, weil sie besser in den Zeitrahmen passt. Nelli hat um 11.07 Uhr - nach der Einlösung des Rezeptes in der Hansa-Apotheke - noch mit ihrer Cousine telefoniert. Von dort ist sie dann nach Hause gegangen. Dafür brauchte sie von der Apotheke aus ca. 11 Minuten zu Fuß (laut Routenplaner). Dh sie könnte frühestens um 11.18 Uhr zu Hause angekommen sein. Dann hätte sie sich umziehen müssen (zumindest Mantel in den Kleiderschrank hängen) und Fahrrad aus der Garage holen. Insgesamt bleibt also nur ein sehr kleines Zeitfenster von 12 Minuten bis 11.30 Uhr, wo das Fahrrad bereits im Kofferraum auf der Hachhowe war. Dh innerhalb dieser zwölf Minuten hätte Nelli entweder ganz dort hinradeln, dann dort oder auf dem Weg dorthin überfallen und das Fahrrad und die Frau verpackt werden müssen.
Realistischer ist es da doch, Nelli etwas mehr Zeit zu Hause zu gönnen, bis sie sich dann auf den Weg zur Hachhowe macht und dann so um 12.00 Uhr in die Pestalozzistr. einbiegt. Jedenfalls kann nur eine der beiden Aussagen (mal abgesehen von der Möglichkeit der falschen Uhrzeiteinschätzung) richtig sein. Da würde ich dann auch eher zu letzterer tendieren.
Grüße,
G.