@Kirsche71 Du findest also, daß der Tatort zu einer mordenden, unter Drogen stehenden Hippiebande passt?
Die mit Kerzen (!) kamen und zwei Kinder und eine Frau niedermetzelten?
Ach ja, sie sollen noch gerufen haben "LSD ist groovy" ;-)
Nun ich habe nicht behauptet, dass der Tatort zu einer unter Drogen stehenden Hippiebande passt. Ich denke er passt genauso gut oder so schlecht zu einer unter Drogen stehenden Hippiebande wie zu einem Arzt, der hochintelligent und erfolgreich war und auf einmal ohne vorherige Ankündigung zu einem psychotischen Killer mutiert ist und sich über Nacht mit dem Narzissmusvirus infiziert hat. Und zu einem hochintelligenten Mann, der bei der Inszenierung des Tatorts dann auch noch so dämlich war, die Waffen so zu "entsorgen", dass sie auch sofort gefunden wurden.
Es ist zwar möglich, aber die Frage ist, wie realistisch und wahrscheinlich ist das?
Außerdem hat es weit mehr gegeben als ein Haar, welches am Tatort in der Haarbürste auf der Anrichte gefunden wurde. Aber zunächst zu diesem Haar. Es kann durchaus möglich sein, dass dieses Haar von einer Puppe der Kinder stammte. Aber warum hat man das dann nicht zweifelsfrei festgestellt? Ich meine, dann hätte man ja nur dieses synthetische Haar mit den Haaren sämtlicher Puppen der Kinder vergleichen können und hätte Gewissheit gehabt. Warum hat man das nicht getan? Diese Gewissheit gibt es nun aber leider nicht, die Anklage hat nur gemutmaßt, es wäre das Haar einer Puppe. Auch gut möglich. Die Frage ist aber, ist das die einzig plausible Erklärung?
Es war für die Anklage natürlich von immenser Bedeutung, dass das Haar von einer Puppe und nicht von einer Perücke stammt, denn dies wäre ja ein Angriffspunkt für die Verteidigung gewesen. So weit so gut. Also hat sich die Anklage mit Judith Schizas von Mattel in Verbindung gesetzt, welche über eine Vielzahl von Büchern über Puppenkollektionen der damaligen Zeit verfügte. Gesucht wurde also eine blondhaarige Puppe. Die meinte die Anklage dann auch in der Dancerina Doll von Matell aus dem Jahre 1969 gefunden zu haben.
Das besondere an dem Haar in der Bürste war aber nun, dass es eine Länge von ca. 22-24 inch hatte. J. S. hat aber der Anklage gesagt, dass das Haar der Dancerina Doll nur 18 inch lang ist (die Puppe selbst ist 24 inch lang) und dass es keine Puppe mit so langem Haar gäbe. Also vermutete die Anklage, es müsse wohl doppelt gefasst worden sein und die Haare der gesuchten Puppe wären dann zwischen ca. 11-12 inches lang. Dies hielt J.S. aber für sehr unwahrscheinlich, da die Haare dann doppelt geknüpft mit der Kopfhaut der Puppe verankert worden wären und ein einzelnes Haar nicht unbeschadet herausgezogen worden könnte. J. S. hat sich dann auch geweigert, die von der Anklage vorgefertigte Aussage zu unterzeichnen.
Natürlich ist all dies kein Beweis für die Unschuld von JMD, darum geht es mir auch nicht. Das Problem ist meines Erachtens, dass die Anklage alles versucht hat, das Haar in ihre Theorie, dass JMD der Täter ist, einzubauen. Und das halte ich für gefährlich. Es ist immer gefährlich, wenn die Ermittler sich zu früh auf einen Täter festlegen, weil sie dann - womöglich auch unabsichtlich und unbewusst - alle weiteren Indizien versuchen so zu interpretieren, dass sie ins Bild passen. Das ist verständlich und menschlich, kann aber den Blickwinkel einengen. Es wäre sicher besser erst mal möglichst ergebnisoffen an die Sache ranzugehen und erst am Ende zu sehen, was im Ergebnis dabei rauskommt. Auch sollte erst mal in alle Richtungen ermittelt werden, bevor man sich auf einen Täter im engsten Kreis festlegt.
Ich denke bei jedem komplexeren Fall gibt es Indizen die nicht so recht ins Bild passen oder die sich keiner so recht erklären kann. Das ist ganz normal, aber man kann die dann nicht einfach ausblenden und den Geschworenen vorenthalten, um sie nicht unnötig zu "verwirren". Ich meine wozu braucht es dann noch Geschworene, wenn der Richter der Meinung ist, dass die so doof sind, dass sie bei sich widersprechenden Hinweisen die Orientierung verlieren? Dann kann der Richter auch gleich selbst entscheiden. Eine wirkliche Entscheidung kann man nur treffen, wenn man beide Seiten kennt. Und auch dann werden wahrscheinlich oft noch ein paar Restzweifel bleiben. Aber jedenfalls hatte dann jede Seite ihre faire Chance. Dies war im vorliegenden Fall jedoch eindeutig nicht so.
Wenn man von vornherein sagt, dass kann nur ein Puppenhaar sein und man dann feststellt, dass es dafür eigentlich zu lang ist und man dann nur zu dem Schluss kommt, es müsse halt doppelt gefasst worden sein, deutet das für mich darauf hin, dass man so ermittelt hat, dass die eigene These, JMD ist schuldig, bestätigt wird. Kann er ja auch sein. Aber es gibt eben oft mehrere Interpretationsmöglichkeiten...
Bei der Tat wurden zwei Ringe aus Colettes Schmuckkassette gestohlen , welche auf einer Kommode im Schlafzimmer stand. Diese Ringe hat Helena Stockley auch in ihren Vernehmungen erwähnt. Die Schmuckkassette wurde nicht vollständig auf Fingerspuren getestet. Zufall?
Auf dem umgekippten Wohnzimmertisch wurde Kerzenwachs gefunden, welches zu keinen Kerzen in der Wohnung passte. Das Wachs fand man auch im Schlafzimmer an mehreren Stellen. Natürlich kann das auch von der Familie selbst stammen und die Kerze war die einzige ihrer Art und wurde dabei komplett verbrannt. Aber dann hätte man vermuten dürfen, dass die Bewohner vermeiden mit einer tropfenden Kerze durch die Wohnung tapsen oder die Wachsflecken wieder entfernen. Kann natürlich auch zu JMDs Tatortinszenierung gehören. Es gibt eben mehrere Interpretationsmöglichkeiten.
Schwarze Wollfasern wurden an dem Knüppel gefunden, an Colettes rechten Arm und um ihren Mund, die zu keinen Fasern von Gegenständen der Familie passten.
Ein kurzes Haar wurde unter dem Fingernagel von Kristens linker Hand gefunden. JMD konnte durch DNA als Urheber ausgeschlossen werden.
Letztendlich weiß nur Gott und JMD ob er schuldig ist, oder nicht. Ich bin auch kein Hellseher, aber vieles ist für mich einfach nicht logisch und überzeugend. Und man wird einfach nicht über Nacht zum Narzissten und Psychopaten. Das ist nun mal kein Virus, den man sich so eben mal über Nacht einfängt. Natürlich ist das alles möglich und diese Theorie wird immer dann angebracht wenn Leute etwas getan haben sollen, was sich keiner erklären kann (dieser Fall weißt insoweit viele Parallelen zum Fall Darlie Routier auf, die ihre zwei Kinder ermordet haben soll und auch behauptete, es seien Einbrecher gewesen). Aber diese Erklärung, dass Leute einfach so aus dem nichts durchdrehen ist mir immer etwas zu einfach und wird halt immer dann bemüht, wenn einem nichts besseres einfällt.
Hinsichtlich des Tatortes, hat man JMD auch immer wieder vorgeworfen, es habe nicht nach einem Kampf ausgesehen. Zum Beispiel habe der Wohnzimmertisch auf der Seite gelegen, während die Staatsanwaltschaft behauptet hat, die sei bei keinem ihrer Versuche zu erreichen gewesen, weil der Tisch toplastig sei und deshalb immer auf dem Kopf liegen bleibe, was die Verteidigung aber widerlegt hat. Weiterhin hat es einen Blumentopf gegeben, der aufrecht stand und man hätte annehmen müssen, dass dieser im Kampf umgefallen wäre. Bei der Zeugenvernehmung von Kenneth Mica im Prozess wurde dann festgestellt, dass dieser ursprünglich auch lag, aber nachher wieder aufrecht hingestellt wurde.
Dem ersten Photografen am Tatort wurde beim Anblick des Tatorts so übel, dass er nach Hause gehen musste. Der zweite Photograf kam aus Fort Gordon in Georgia und hat erst 6 Stunden später die ersten Tatortfotos gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war aber der Tatort nachweislich in einigen Punkten schon verändert.
JMDs Pyjamatop, das auf Colette lag, soll ja nach Rekonstruktion mit seinen 48 Löchern auf die 21 Einstichstellen von Colette gepasst haben und von der Anklage wurde das im Prozess so hingestellt als ob es sich dabei um eine hochwissenschaftliche Rekonstruktion gehandelt habe. Natürlich kann man das Pyjamatop so hinlegen, dass die Löcher aufeinanderpassen. Das kann jeder im Prinzip und es gibt da mehrere Möglichkeiten. Die Frage ist nur, in welcher Faltung lag es wirklich auf Colette? Das war aber nicht mehr feststellbar, weil die Tatortfotos erst geschossen wurden, als die Lage des Tops schon verändert war.
In diesem Fall passt einfach vieles nicht zusammen und daher sehe ich das Ganze kritisch.