Zum Tagesablauf unter Einbeziehen der Schwester aus der Zeitungswelt:
Frankenpost, 25. Oktober 2002
Und auch Elsa K. unterstreicht: "Ich glaube das nicht, was der Staatsanwalt da gesagt hat." Und: "Wir haben nicht gelogen, was das Alibi angeht."
Im Januar hatte Elsa K. im Beisein ihres Mannes bei einem Frankenpost-Interview berichtet, wie der 7. Mai 2001, der Montag, an dem Peggy verschwand, nach ihrer Erinnerung abgelaufen ist. Um 13.14 Uhr, dem Zeitpunkt, an dem Peggy zuletzt lebend am Henri-Marteau-Platz unweit ihres Elternhauses gesehen wurde, hat demnach Ulvi K. mit der Familie zusammen in der "Schloßklause" gesessen: Es gab die vom Sonntag übrig gebliebenen Reste des Hasenbratens.
Danach habe er noch einem Nachbarn das Mittagessen vorbei gebracht, bevor er gemeinsam mit einem Kumpel bei Bekannten ab etwa 13.45 Uhr Holz aufschichtete. Gegen 15.45 Uhr sei er dann wieder in die Gaststätte gekommen, wo die Familie am Ruhetag gerade mit Putzen beschäftigt war. Gemeinsam sei man gegen 16.30 Uhr zu Ulvis Schwester nach Issigau zum Kaffeetrinken gefahren.
Elsa K. bekräftigte dies am Mittwoch im Gespräch mit der Frankenpost : "Er war die ganze Zeit um uns rum." Es könne höchstens sein, dass man sich mit den Zeitangaben "um Mittag rum a bissla geirrt" habe.
Eine neue Zeugin, die sich erst diesen Sommer gemeldet hat, will Ulvi K. um 13 Uhr und noch einmal um 13.10 Uhr auf einer Bank am Henri-Marteau-Platz gesehen haben, direkt am Nachhauseweg der kleinen Peggy. Sie will ihn genau erkannt haben und ist sich auch deswegen so sicher, weil er ein Essenstragerl dabei gehabt habe.
Frankenpost, 16. Oktober 2003
Der Kriminaldirektor, inzwischen Chef der Kripo in Nürnberg, erklärte dem Gericht an Hand einer Computer-Präsentation die komplexen Zusammenhänge zwischen den "Bewegungsdiagrammen" verschiedener Personen am Tag von Peggys Verschwinden. Auf Anraten des psychologischen Gutachters bei dem Prozess, Professor Dr. Norbert Nedopil, wird Geier seine mehrstündigen Ausführungen allerdings zu einem späteren Zeitpunkt komplett wiederholen müssen, damit der Angeklagte den Vorgängen besser folgen kann.
Geier betonte, die Angaben zu Ulvi K.s Alibi-Zeugen hätten sich nicht bestätigt oder seien von den Ermittlern widerlegt worden. Außerhalb der tatrelevanten Zeit allerdings hätten sich K.s Angaben ausnahmslos bestätigt. Geier sagte, er sei überzeugt davon, dass der Angeklagte am 7. Mai 2001 von 13 bis 13.30 Uhr nicht in der Gastwirtschaft seiner Eltern, der Lichtenberger "Schlossklause", beim Mittagessen saß. Eine "entscheidende Zeugin" habe K. nämlich um 12.55 und um 13.10 Uhr auf einer Bank am Henri-Marteau-Platz sitzen sehen. Die Zeugin habe sich erinnert, dass K. einen blauen Arbeitsanzug angehabt und eine Schüssel dabei gehabt habe.
Die Angaben der Eltern des Angeklagten, Elsa und Erdal K., seien damit widerlegt. Auch die Alibi- Aussage der Schwester, Heike S., sei offenkundig falsch gewesen. Darauf deute auch, dass S. in einem abgehörten Telefongespräch mit ihrer Mutter eingestanden habe, sie könne sich an den 7. Mai gar nicht mehr erinnern.
Geier geht davon aus, dass eine Schulkameradin von Peggy um 13.14 Uhr - vom Mörder abgesehen - die letzte gewesen ist, die die Neunjährige lebend gesehen hat. Das Mädchen fuhr im Schulbus laut Tachoscheibe exakt zu dieser Zeit am Henri-Marteau- Platz vorbei und sah Peggy nur etwa fünfzig Meter von ihrem Zuhause entfernt gehen. Auch fünf andere Zeugenaussagen passen in dieses Zeitfenster, wie der Soko- Chef sagte.
Dass außer der einen Zeugin niemand sonst Ulvi K. auf dem Platz gesehen hat, erklärte Geier damit, dass der Gaststättenhelfer just zu diesem Zeitpunkt wohl eine Schüssel mit Mittagessen bei seinem Nachbarn in der Kirchgasse abgestellt hat. Er habe aber rechtzeitig zurück sein können, um Peggy noch auf dem Schulweg abzufangen.
Fünf von Ulvi K. benannte Zeugen auf seinem Weg zu einem Bekannten, mit dem er an jenem Nachmittag ab 13.45 Uhr gemeinsam Holz aufgeschlichtet haben will, haben laut Geier diese Treffen ebenso wenig bestätigt wie eine Handvoll Zeugen, die K. auf dem Rückweg getroffen haben will. "Erst ab etwa 18 Uhr stimmt wieder alles." Die Aussage des Bekannten, Ulvi K. sei tatsächlich am 7. Mai zwei Stunden lang bei ihm zum Holzaufschlichten gewesen, hält Geier für "äußerst zweifelhaft".
Die 16 angeblichen "Sichtungen" von Peggy am späteren Nachmittag des 7. Mai sind für Geier nach Lage der Ermittlungen durchweg "Irrtümer". Der damalige Würzburger Kripo-Chef, der die Soko am 25. Februar 2002 "mit 4017 Ermittlungsspuren und 21812 Datensätzen dazu" übernommen hatte, lobte einerseits die sehr genaue Erinnerung mancher Lichtenberger gut ein Jahr nach der Tat, kritisierte aber auch die in dem Städtchen herrschende "teils offene Ablehnung gegenüber der Polizei": "Meine Beamten bekamen mehrmals die Tür vor der Nase zugeschlagen."
Als Geier die Ermittlungen übernahm, gab es nach seinen Worten 13 Personen, die im weitesten Sinne als tatverdächtig eingestuft wurden.
Mainpost, 12. November 2003
http://www.mainpost.de/regional/franken/Zur-Tatzeit-beim-Mittagessen;art1727,2425033Der Gaststättenhelfer schilderte den mutmaßlichen Tattag so: Gemeinsam mit seiner Schwester habe er deren Sohn in den Kindergarten gebracht. Zwischen 13 Uhr und 13:30 Uhr sei er bei seinen Eltern zum Mittagessen gewesen. Anschließend habe er einem Lichtenberger Bewohner das Essen gebracht und dann einem Bekannten beim Holz machen geholfen. Am Abend habe er mehrere Gaststätten besucht.
Merkur online, 13. November 2003
http://www.merkur-online.de/lokales/regionen/fall-peggy-ulvi-bestreitet-mord-173550.htmlAm 7. Mai 2001 sei er nach dem Frühstück zu seiner Schwester gefahren und habe mit ihr gemeinsam deren Sohn in den Kindergarten gebracht. Zur mutmaßlichen Tatzeit zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr sei er bei seinen Eltern zum Mittagessen gewesen. Anschließend habe er einem Lichtenberger Bürger das Essen gebracht und dann einem Bekannten beim Holz machen geholfen. Am Abend habe er mehrere Gaststätten besucht. Das sei die Wahrheit.
Frankenpost, 13. November 2003
So habe er seinen Vater beschuldigt, "weil mit meinem Vati, da hab‘ ich viel unternommen; ich hab‘ oft ihm geholfen, und mein Vati hat mir geholfen."
Vorsitzender Richter Georg Hornig hakt nach: "Hat Ihr Vater was mit dem Verschwinden von der Peggy zu tun?" Ulvi K. sieht Hornig direkt an und antwortet mit fester Stimme "Nein!"
Flüssig und fast schon routiniert, auch in manchen Passagen etwas weniger zögerlich als bei der Befragung über sein widerrufenes Geständnis, schildert der Angeklagte, was aus seiner Sicht wirklich passiert ist an jenem 7. Mai 2001. Er sei mittags aufgestanden, habe gebadet und mit den Eltern gefrühstückt. Dann seien sie zusammen zu seiner Schwester nach Issigau gefahren, hätten deren Sohn in den Kindergarten gebracht und seien dann – wie jeden Montag – zum Saubermachen in die Lichtenberger Turnhalle gefahren. In der Küche der Gastwirtschaft seiner Eltern habe man dann, "so um eins rum", gemeinsam zu Mittag gegessen.
Mit einem Topf mit Essen für einen Nachbarn habe sich Ulvi K. dann auf den Weg gemacht. Da der Nachbar nicht zu Hause gewesen sei und auch der Sohn der Familie im Nebenhaus nicht gewusst habe, wo dieser sei, habe er den Topf auf die Türschwelle gestellt. Dann habe er sich auf den Weg zu einem Bekannten gemacht, mit dem er ausgemacht hatte, an diesem Nachmittag Holz aufzuschlichten. Unterwegs habe er den Nachbarn dann getroffen, der zu Fuß unterwegs gewesen sei. Er habe ihn auf das Essen aufmerksam gemacht und "zu ihm gesagt, er soll sich‘s gut schmecken lassen".
Auf der Bank am Henri-Marteau-Platz habe er noch eine geraucht, dann sei er zu dem Bekannten gegangen und habe, wie vereinbart, beim Holz reinräumen geholfen. Das sei so etwa um 14 Uhr gewesen. Drei Stunden später – Ulvi K. hatte für seine Hilfe zehn Mark kassiert – habe er sich wieder auf den Weg zur "Schlossklause" gemacht. Mit der Familie sei man wieder nach Issigau zur Schwester gefahren. Am Abend dann sei er in Naila in verschiedenen Lokalen unterwegs gewesen.
Frankenpost, 15. Januar 2004
Es geht um den 7. Mai 2001, den Tag an dem die kleine Peggy spurlos verschwand. Um 12.30 Uhr habe sie ihren Sohn geweckt, erzählt Elsa K. Dann habe sie ihr Mann, der 57-jährige Erdal K., vom Wohnhaus in der Kirchgasse zur "Schlossklause" gefahren, wo sie das Mittagessen vorbereitet habe. Ihr Mann habe derweil die Tochter aus Issigau abgeholt, weil man – wie jeden Montag – gemeinsam die Gaststätte putzen wollte.
"So um eins rum" sei dann auch Ulvi K. in der "Schlossklause" eingetroffen. In der dortigen Küche habe man zu Mittag gegessen; es gab aufgewärmten Hasenbraten vom Tag zuvor. Viel Zeit zum Essen habe man sich wegen der Arbeit nicht gelassen: "Ich hab‘ schon angetrieben", sagt Elsa K., "15 Minuten, sowas," habe der gemeinsame Mittagstisch gedauert. "Ungefähr so gegen halb zwei" sei Ulvi K. dann gegangen, weil er mit einem Bekannten ausgemacht hatte, er werde ihm an diesem Nachmittag beim Holzaufschlichten helfen. Somit hätte der geistig behinderte Gaststättenhelfer ein Alibi, denn er hätte unmöglich um 13.14 Uhr Peggy Knobloch auf dem Heimweg von der Schule abfangen, um die halbe Burgmauer herum verfolgen und schließlich ermorden können. Doch auf Nachfrage des Gerichts räumt Elsa K. ein, ihre Zeitangaben seien nur "so auf zehn, fünfzehn Minuten" genau. Außerdem habe die Kripo festgestellt, dass die Uhr in der Gaststättenküche einige Minuten vor gehe. "Oder nach?", überlegt Elsa K., "das weiß ich jetzt nicht mehr genau."
Jedenfalls habe ihr Sohn noch eine Terrine mit Essen zu einem Nachbarn bringen müssen, sei dann, soweit sie wisse, zum Holzaufschlichten gegangen und "so etwa dreiviertel vier, vier rum" entsprechend verdreckt wieder gekommen. Gemeinsam sei man dann zu Ulvis Halbschwester nach Issigau zum Kaffeetrinken gefahren.
Elsa K. fasst zusammen: "Ich war von Anfang an überzeugt, dass er mit Peggys Verschwinden nichts zu tun hat. Erstens, weil ich weiß, wie der Tag abgelaufen ist. Zweitens, weil er ja dazu gar nicht fähig wäre."
netzeitung.de, 15. März 2004
http://www.netzeitung.de/qt/277594.htmlIm Peggy-Prozess vor dem Landgericht Hof sind am Montag erstmals die Aufnahmen abgehörter Telefonate zum Einsatz gekommen. Darin sagt die Halbschwester des Angeklagten, sie habe keine Erinnerungen an den 7. Mai 2001, den Tag, an dem die damals neunjährige Peggy Knobloch verschwunden war. Dennoch hatte sie ihrem Halbbruder ein Alibi für jenen Tag gegeben.
Süddeutsche Zeitung, 18. August 2012
http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-peggy-der-lange-schatten-der-ungewissheit-1.1443538Immerhin scheint durch diese Zeugenaussagen gesichert zu sein, dass Ulvi nicht vor 13.15 mit Peggy zusammengetroffen sein kann. Andererseits bekundeten zwei Zeugen, sie seien zwischen 13.15 und 13.30 Uhr beziehungsweise zwischen 13.30 und 13.40 Uhr mit Ulvi zusammengetroffen. Wenn das richtig wäre, hätte Ulvi mit Sicherheit keine Zeit gehabt, Peggy über 600 Meter nachzulaufen, sie zu töten und sich anschließend um die Beseitigung der Leiche zu kümmern. Das Gericht kam zu dem Schluss, beide Zeugenaussagen seien falsch - ob sie auf einem Irrtum beruhten oder vorsätzlich falsch waren, ließ das Gericht dahingestellt.
Der erste Zeuge, Hilmar K., gab an, er habe Ulvi zwischen 13.15 und 13.30 Uhr am Städtischen Bauhof in der Poststraße gesehen. "Er hat rübergeschrien, ich soll anhalten, er hat was von seiner Mutter zum Essen an die Haustür gehängt", sagte der Zeuge. "Ich fuhr heim, da hing eine Plastiktüte an der Haustür mit einer Porzellanschüssel drin." Bei einer polizeilichen Vernehmung im April 2002 hatte er allerdings gesagt, er könne sich nicht mehr an die Uhrzeit erinnern, es könne auch erst gegen 15 Uhr gewesen sein. Außerdem hatte die Polizei am 30. Mai 2002 ein Telefongespräch zwischen Ulvis Mutter und seiner Schwester Heike abgehört. Darin erzählte die Mutter ihrer Tochter, Hilmar K. habe sie gefragt, wann er Ulvi getroffen habe - er müsse am nächsten Tag wieder zur Kriminalpolizei. Daraus, folgerte das Gericht, ergebe sich zweifelsfrei, dass Hilmar K. als Zeuge die Unwahrheit gesagt habe und in Wirklichkeit nicht wisse, wann er Ulvi gesehen habe.
"Teils widersprüchliche Angaben"
Der zweite Zeuge, Dieter T., gab an, Ulvi sei zwischen 13.30 und 13.45 zu ihm zum Holzmachen gekommen. An dieser Aussage kam das Gericht nicht so leicht vorbei. T. hatte schon bei einer polizeilichen Vernehmung am 2. Juli 2001, also nur etwa zwei Monate nach Peggys Verschwinden, dieselbe Uhrzeit angegeben. Allerdings hatte er damals gesagt, er habe mit der Arbeit auf Ulvi gewartet. Als Zeuge im Prozess sagte er, er könne sich deshalb so genau an die Uhrzeit erinnern, weil er schon um 13 Uhr mit der Arbeit begonnen habe, und weil er, als Ulvi kam, schon vier Fuhren gesägtes Holz gefahren habe. Für jede Fuhre brauche er etwa zehn Minuten, also müsse es bei Ulvis Eintreffen etwa 13.40 Uhr gewesen sein.
Aufgrund dieser "teils widersprüchlichen, teils nur geschlussfolgerten Angaben" war das Gericht überzeugt, dass der Zeuge T. den Zeitraum, in dem Ulvi zu ihm kam, frei erfunden habe. Wolfgang Geier, der Soko-Leiter, mutmaßte in seiner Zeugenaussage unverblümt, T. habe als Freund der Familie Kulac Ulvi zu einem Alibi verhelfen wollen.