Peggy Knobloch
13.04.2012 um 19:51
Ich hatte über den Beitrag in Stern TV vom Fall Peggy erfahren. Da mich das Thema interessierte, habe ich mich im Internet informiert und stieß natürlich auf die Seiten der BI und von Webschreck.
Irgenwie bin ich verwirrt, was diese Seiten bezwecken sollen. Ich war mit dem Gedanken an die Sache herangegangen, dass nur bei zweifelsfrei erwiesener Schuld ein Urteil zuungunsten des Angeklagten ergehen kann. Allerdings belehren mich die vorgefundenen Seiten eher vom Gegenteil. Beim Lesen der BI Seiten hatte ich mehr und mehr das Lied "Ein ehrenwertes Haus" von Udo Jürgens im Kopf. Was erlaubt sich eine Zugezogene, einen von uns zu belasten? Noch dazu wenn sie aus dem Osten stammt? Und tatsächlich finde ich die Bestätigung im Posting 652 im Gästebuch: "Der Lebenswandel dieser Frau, die Vernachläßigung und Verwahrlosung des Kindes, der Gewalttätige Freund. Was braucht man da noch groß ermitteln...Viele Verantwortungslose Frauen sind in unsere Region, nach der Wende wie Heuschrecken eingefallen. Sorglos und ohne Lust sich in die Gesellschaft durch reguläre Arbeit und Soziales Engagement zu integrieren fröhnen sie dem leichten Leben mit Bekanntschaften des Milieu und lassen ihre Kinder verwahrlosen." (Rechtschreibung beibehalten). Seltsamerweise hat Frau K. offensichtlich sehr wohl als Krankenpflegerin gearbeitet, was ihr an anderer Stelle aber erst recht als Vernachlässigung ausgelegt wurde. Meine Frau ist auch im Gesundheitswesen tätig und ich habe absolute Hochachtung vor Menschen, die diesen harten Job mit Tagschichten teilweise von 06:00 bis 20:00 Uhr, Nachtdienst und Wochenendarbeit machen können.
Mein vorsichtig formulierter Beitrag im Gästebuch der BI hat leider keine Minute überlebt. Auf eine Mail an Frau Rödel mit der Bitte den Gästebuchserver zu checken, da offensichtlich mein Posting irgendow hängengeblieben wäre, habe ich bis heute keine Anwort erhalten. Da nur Schelme Böses denken, glaube ich nicht dass der Beitrag absichtlich gelöscht wurde.
Doch zurück zum Text: neben nebulösen Verschwörungstheorien und undifferenzierten Angriffen gegen Frau K. werden Argumente verwendet wie es gerade passt. Einige Beispiele:
"Ulvi hat den Entwicklungsstand und die Fantasie eines Kindes, daher kann und darf man seinen Geständnissen nicht glauben." Gleichzeitig werden andere Kinder als Hauptenlastungszeugen herbeigezogen, da sie Peggy noch später gesehen hätten.
"Ulvi war schwerfällig und unbeholfen und hätte der quirligen Peggy gar nicht folgen können." Ich bin eher verwundert, dass eine zierliche Neunjährige mit einem (schweren) Schulranzen auf dem Rücken oder in der Hand überhaupt hat mehr als 200 Meter rennen können.
"Ulvis Tagesablauf konnte lückenlos, beinahe minutiös nachvollzogen werden." Beipiel: "Beim U-Boot in Naila hat er mich raus gelassen und ich bin in die Gaststätte "Zur Bank". Dort blieb ich bis gegen 22.00 Uhr. Dann bin ich nach Lichtenberg zurückgetrampt. Den Fahrer kannte ich nicht. Ich ging nicht gleich nach Hause, sondern in die Gaststätte "Zwick" in Lichtenberg. Dort habe ich noch "eins" getrunken. Anschließend bin ich nach Hause. Das war so gegen 22.15 Uhr." Mit dem Auto von Naila bis Lichtenberg sind es ca. 13 Minuten, bei regnerischem Wetter eher mehr. Dazu kommen noch die Zeit bis abends um zehn ein Auto anhält ("Trampen"), die Zeit bis zur Gaststätte in Lichtenfeld und dann nach Hause. Irgendwie kann Ulvis Zeitfenster nicht stimmen. Darüber hinaus sagt die BI: "Tatsächlich kannte er die Uhr gar nicht und er trug auch keine Uhr."
Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der lückenlose Tagesablauf als löcherig wie ein Schweizer Käse:
Zwischen 12:30 und 12:45 zur Gaststätte "Schloßklause". Gaststätte seiner Eltern. Zeugen?
Dann zu "Teichmann's Peter" zum Holzschichten. Sie waren verabredet für 14:00 Uhr. In der "Urteil Mord" Dokumentation gibt Herr T., Mitglied der BI, an, dies hätte bis 15:45 Uhr gedauert. Die wirklich wichtige Information, wann nämlich Ulvi tatsächlich bei ihm war, hat der Zeuge für sich behalten.
Zwischenspiel: Hilmer K. will Ulvi zwischen 13:30 und 14:00 auf der Straße getroffen und einige Worte gewechselt haben. Weitere Personen haben Ulvi zu dieser Zeit nicht gesehen, weder Zeugen mit noch ohne Hund. (Sorry, musste jetzt sein.)
Bereits 15:30 Uhr will Ulvi wieder in Gaststätte seiner Eltern gegangen sein.
16:15 Uhr 5km nach Issigau, Kaffee trinken und 17:10 Uhr (nicht 17:00 oder 17:15!) wieder zu Hause.
Baden, Umziehen und danach Trampen Richtung Naila.
Ulvi: zwischen 18:00 und 18:30 hat Herr H. ihn im Auto mitgenommen und and der Gaststätte "Zur Bank" abgesetzt. Herr H. selbst gibt aber an, dies wäre zwischen 17:30 und 17:45 gewesen.
"Obwohl Ulvi fast um ganz Lichtenberg herum der Peggy nachgelaufen sein soll, kann er nicht sagen, welche Kleidung sie getragen oder welche Farbe ihr Ranzen hatte." Er selbst gibt an, sich mehrfach mit Peggy getroffen und sie auch öfters im Ort gesehen zu haben. Und kann dennoch ihren Ranzen nicht beschreiben.
Bezüglich wie lange die tote Peggy hinter der Mauer gelegen haben muss, bevor Ulvi sich Hilfe gesucht hat, gibt es eine Aussage eines Zeugen: "Wenn ein Unfall in diesem Zusammenhang geschehen wäre, Peggy könnte ja gestürzt sein o.ä., dann hätte Ulvi sicher die Panik gekriegt, wäre davon gelaufen und hätte versucht, sich jemandem so schnell als möglich anzuvertrauen. Dies war schon immer so. Wenn Ulvi etwas nicht sofort verarbeiten konnte,dann ging er zu jemandem um sich helfen zu lassen."
Der Ort der angeblichen Tötung liegt keine 100 Meter Luftlinie von der Gaststätte von Ulvis Eltern entfernt. Könnte es sein, dass Peggy ihre Drohung wahrmachen und sich Ulvis Eltern offenbaren wollte? Ulvi selbst hat den Missbrauch Peggys mehrfach, auch vor dem Sachverständigen zugegeben. Es handelt sich hierbei definitiv nicht um ein erzwungenes, erpresstes oder gar gefälschtes Geständnis. Wenn dem so war, macht die Flucht Peggys statt nach Hause in Richtung Schlossplatz natürlich Sinn. Ulvis Eltern wussten von der Bekanntschaft und hatten bereits versucht, diese zu unterbinden. In den Augen des Kindes müssten diese also die einzigen vertrauenswürdigen und zur Hilfe fähigen Personen gewesen sein.
Ich sage es allerdings ganz deutlich: Nachdem das Mordgeständnis offensichtlich erpresst wurde und der "Kronzeuge" selbst seine vorsätzliche Falschaussage an Eides Statt erklärt, halte ich eine Wiederaufnahme für den einzig gangbaren Weg. Ich wehre mich nur dagegen, dass manche Menschen den unzähmbaren Drang haben, auch erwiesene Tatsachen mit halbseidenen Argumenten in Frage zu stellen. Dies schadet dem - hoffentlich aufrichtig gemeinten - Ziel der Gerechtigkeit für Ulvi und einer Aufklärung dieses entsetzlichen Verbrechens mehr als es hilft. Weniger wäre sicher mehr gewesen.
Ich hoffe, dass der beauftragte neue Rechtsanwalt dieser als schwerster Bereich des deutschen Strafrechts bekannten Aufgabe gewachsen ist. Ich bin zwar kein studierter Jurist, kenne mich jedoch aus gegebenem Anlass sehr gut mit Verwaltungs-, Polizei- und Ordnungrecht aus.
Weder der recht aufwändig zu verstehende Schriftsatz an Prof. Kröber noch solche Aussagen wie: "Ich strebe die Wiederaufnahme aus dem Grund an, weil in meinen Augen Ulvi K. unschuldig ist.", "Es existiert ein Geständnis, was widerrufen worden ist." und "Es gibt eine Menge Zeugen, die im damaligen Verfahren nicht gehört worden sind." rechtfertigen eine Wiederaufnahme. Die persönliche Überzeugung der Verteidigers spielt keine Rolle, der Widerruf des Geständnisses war dem Gericht in der ersten Hauptverhandlung bekannt und Beweise und Zeugen müssen zwingend "neu" und kein Bestandteil der ersten Verhandlung sein. Wenn also das Gericht "neue" Zeugen bereits abgelehnt oder wegen Unerheblichkeit nicht zur Wahrheitsfindung herangezogen hatte, übersteht der Antrag nicht mal das Additionsverfahren. Ich hoffe das Beste!