Peggy Knobloch
08.01.2014 um 20:59
LICHTENBERG
Peggy: Es bleibt ein Fall ohne Leiche
Das damals neun Jahre alte Mädchen ist seit fast 13 Jahren spurlos verschwunden
Lichtenberg hat, mal wieder, die Meute erlebt: Reporter, Fotografen, Kamerateams, Übertragungswagen – am abgesperrten Friedhof von Lichtenberg haben sich am Mittwoch rund 50 Journalisten eingefunden, einer hat sogar eine fliegende Drohnenkamera dabei. Damit sind genauso viele Journalisten wie Polizisten vor Ort. Frankens rätselhaftester Kriminalfall hat die Medien in den Frankenwald geführt: Der Fall Peggy Knobloch.
Auf dem Friedhof haben seit morgens um 4 Uhr Polizisten, Friedhofsarbeiter und ein Rechtsmediziner ein Grab geöffnet, in dem die Leiche der seit fast 13 Jahren spurlos verschwundenen Peggy vermutet wurde. Endlich der Durchbruch? Die Sensation? Die Wende? Dann sagt Herbert Potzel, der Leitende Oberstaatsanwalt aus Bayreuth, diesen Satz: „Die Überprüfung hat ergeben, dass voraussichtlich keine Kinderknochen in dem Grab sind.“ Wenige Sekunden herrscht Stille: Das nennt man plötzlichen Spannungsabfall.
Die Lichtenberger sind es mittlerweile gewöhnt, wenn im Fall Peggy der große Medienauftrieb in die Stadt kommt. Interviews geben will kaum noch jemand, die Menschen wechseln die Straßenseite, drehen kopfschüttelnd den Kopf weg von den Mikrofonen. Auch Christian, ein junger Arbeitsloser, will eigentlich nicht reden, man solle seinen Nachnamen weglassen. Er sagt: „Das wäre schon was, wenn man endlich wüsste, wo Peggy ist.“ Christian war damals im Mai 2001, als Peggys Verschwinden eine der größten Suchaktion der bayerischen Polizeihistorie auslöste, ein kleiner Junge, etwa im gleichen Alter wie Peggy.
Gekannt hat er sie nur vom Sehen, wie auch Ulvi K., den Mann, der im Jahr 2004 aufgrund eines fragwürdigen und später widerrufenen Geständnisses wegen Mordes an Peggy verurteilt wurde. Doch damit war der Fall nicht erledigt: Mittlerweile haben die Zweifler an der Schuld von Ulvi K. bei der Justiz Gehör gefunden – das Landgericht in Bayreuth hat das Wiederaufnahmeverfahren angeordnet. Die Staatsanwaltschaft, die bei dem Wiederaufnahmeprozess ab dem 10. April die Anklage vertreten wird, will sich nicht allein auf die Rechercheerkenntnisse von Ulvis Verteidiger Michael Euler stützen, sondern auf Amtliches: dazu gehört auch die Spur vom Friedhof.
Der Friedhof liegt einen Steinwurf vom Haus am Marktplatz entfernt, dem Haus, in dem Peggy damals mit ihrer Mutter lebte. Der Hinweis, dass Peggys Leichnam in oder unter dem Sarg einer am 9. Mai 2001 bestatteten Seniorin versteckt sein könnte, war nicht neu. Nur die Zeugenaussagen, die schon 2001 dazu gemacht worden waren, waren damals nicht gegengecheckt worden. Bei der Graböffnung in Lichtenberg ging es nicht nur um eine minimale Hoffnung, endlich vielleicht eine Gewissheit über Peggys Verbleib zu bekommen, sondern auch um das Ausschließen einer Theorie.
Elke Beyer, seit neun Jahren Bürgermeisterin von Lichtenberg, hat am frühen Morgen, als es noch dunkel war und die ersten Presseleute noch nach Lichtenberg unterwegs waren, die Anfänge der Exhumierung kurz beobachtet. Sie sagt: „Wir sind ordnungsgemäß von der Maßnahme informiert worden. Wenn es die Gründe hergegeben haben, dass man diesen Aufwand macht, dann ist das in Ordnung. Wir wollen ja auch endlich die Wahrheit erfahren.“ Beyer sagt, dass bei derartigen Aktionen auch immer die Angst vor dem Leichenfund mitschwinge.
Bei der improvisierten Pressekonferenz vor dem Eingangstor des Friedhofs macht sich wieder Ratlosigkeit breit. Oberstaatsanwalt Potzel kann nicht sagen, wo Peggy ist. Christian, der Arbeitslose, sagt: „Das wäre ein Ding, wenn sie noch lebt.“ Der Fall Peggy bleibt spannend. Es bleibt ein Fall ohne Leiche.
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