Die "Studienlüge" ist ein Schwachpunkt des Urteils. Ich vermute die Staatsanwaltschaft war so angepisst von Bence's Verhalten, dass sie die Maximalvariante raushauen wollte.
Tatsächlich ist der Wissensstand der Tante meiner Meinung nach hinsichtlich eines Motives sekundär.
Fakt ist Charlotte Böhringer war wohlhabend
Fakt ist bei der heutigen Lebenserwartung hätte sie noch mindestens 25 Jahre leben können
Fakt ist es gab immer wieder Spannungen zwischen Bence und Tante
Fakt ist die Tante hat die Neffen eher an der kurzen Leine gehalten
Fakt ist aber auch, dass es je nach Lust&Laune, Erfolg&Misserfolg finanzielle Zuwendungen gab
Fakt ist der gesamte Broterwerb der Familie war an Charlotte Böhringer gekoppelt
Fakt ist das meiste Geld braucht ein Mensch zu Zeiten der Familiengründung mit einem Peak bei der Versorgung von Halbwüchsigen
Fakt ist der Freundeskreis wusste nicht Bescheid über den Abbruch des Studiums
Fakt ist der Freundeskreis war anders als Bence beruflich erfolgreich
Wäre Bence nicht verurteilt worden, hätte er auf so vielen Ebenen von deren Tod profitiert.
Geld noch und nöcher, finanzielle Freiheit für die (Kern)familie Toth, eine berufliche Aufgabe mit eigenem Gestaltungsraum, keine Zeit mehr um seiner Tätigkeit als "Jurist" nachzugehen.
De facto hatte er bei der Zuspitzung der Lage genau 2 Möglichkeiten:
1)Er löst sich, startet noch einmal eine Ausbildung, beichtet Frauke & den Freunden alles
2)Er beseitigt die Tante
Noch weitere 25 Jahre für maximal die Hälfte des Gehaltes seiner Freunde arbeiten. 5 Trilliarden Seitenhiebe zum Studienabbruch und zur Freundin/Ehefrau/Kindern, immer neue Ausreden für die Freunde finden. Die Art wie Bence vor und nach der Tat auftrat, war er nicht der Typ das langfristig auszuhalten. Und gleichzeitig zu schwach und "faul" sich zu lösen.
Leider gab es anscheinend auch in der Familie nie Impulse sich finanziell zu befreien.
So richtig mochte man Lotti nicht, aber sie hatte halt Geld.
Diese Ambivalenz wird auch in DER Doku* deutlich. Man wird gleich auf 2 Ebenen bearbeitet
1) Er war es nicht
2) Und wenn, dann ist ja verständlich bei der" Bissgurn"
Ich denke, dass auch die Freunde in genau diesen beiden Ebenen denken. Version 2 gönnen sie sich nur unterbewusst. Eine wie die Böhringer passt nicht in die schöne Bobo-Welt und ein Bobo-Freund der die eigene Tante wegen Geld abmurkst, passt noch viel weniger.
Frauke werden auch die Psychospielchen der Böhringer zugesetzt haben und sie wird gemerkt haben, wie das on und off der Tante Bence zugesetzt hat.
Meiner Meinung nach ist der Fall eine Mischung aus Familiendrama und Habgier. Die Tat war geplant. Wahrscheinlich schon in 1000 Versionen durchgespielt, aber die Entscheidung es nun durchzuziehen fiel relativ spontan und innerhalb weniger Wochen und offensichtlich hat sich während der Tat sehr viel Wut entladen. Wut, die sich wahrscheinlich in einem zunehmenden Konflikt aufgebaut hat.
Diese Mischung aus archaischer Gewaltentladung und Planung spiegelt sich auch in der Tat wieder. Mit einem kühlen Kopf hätte man eine wohlhabende Tante, die häufig etwas zu tief ins Glas schaut, ganz anders beseitigen können.
Aber Bence ist auch nicht völlig planlos vorgegangen (das hätte aufgehen können) und eine Affekttat liegt sicher nicht vor.
Ich denke eine drohende Enterbung war KEIN Thema. Das sie nicht Ernst machen würde, wussten Bence und Mate. Zumindest nicht mit einer Totalenterbung der Toth Familie. Offensichtlich gab es ja einen guten Zusammenhalt der Brüder. Hätte nur einer geerbt, hätten sie sich unterstützt.
Motor war meiner Meinung die zunehmenden Spannungen, und die Freunde, sie sich ein eigenes erfolgreiches Leben aufbauten, Familien gründeten. Während er nur Hilfsarbeiter einer launischen Tante war. Ein Erbe 2035 wäre da wenig hilfreich gewesen.
Bei einem Täter, der sich nicht äußert, wird die Staatsanwaltschaft (und wir) immer ein "Motiv" zusammenbasteln. Hier etwas unglücklich. Aber auch nicht anders als in vielen anderen Fällen. Nur gibt es da keine Wittings, die sich an winzigen Details aufhängen, die ohnehin keine Konsequenz haben. Denn man kann es natürlich auch so drehen.
KonradTönz1 schrieb:Wenn der Steuerberater hinterher behauptet dass die Tante ob des ihr bekannten Studienabbruches nicht begeistert war, spricht das gerade nicht gegen die Motiv(re)konstruktion, sondern bestätigt vielmehr die im Urteil angenommene Zuspitzung im Verhältnis zwischen Tante und Neffe im unmittelbaren Vorfeld der Tat
*Ich fand die Doku initial auch beeindruckend. Ich denke sie war nicht eine bezahlte Auftragsarbeit. Sondern die Autorin war wirklich angetan von der Bobo Clique. Wirken ja auch sehr nett alle (bis auf den Bence halt). Nur leider fällt das Kartenhaus wirklich zusammen, wenn man das ganze Urteil liest. Und der aggressive Versuch von Anwälten und PR Beratern uns für blöd zu verkaufen, macht es nicht besser. Und das ist gut.